Dokumentation

Europa im Griff der Mafia

 

Internationales Symposium der LpB

25. Oktober 1993 - Stuttgart (Rathaus/Großer Sitzungssaal)



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Jürgen Roth, Fernsehjournalist

Organisiertes Verbrechen und Politik

 


Über die Verbindung von Politik und organisiertem Verbrechen zu reden, kann heikel sein, insbesondere für Amtsträger, die es wagen, den Mund aufzumachen. Als der BKA-Präsident Zachert in einem Interview in der FAZ-Sonntagszeitung davon sprach, daß es auch in Deutschland diese Verbindungen gibt, wurde er nach Bonn ins Innenministerium zitiert und "zur Sau gemacht“, wie es später hieß. Warum eigentlich?

Tatsache ist doch, daß Organisierte Kriminalität weltweit zu einer Bedrohung für Staaten und Gesellschaften geworden ist. Dasselbe gilt, obwohl in der politischen Diskussion viel zu wenig darüber geredet wird, für die Wirtschaftskriminalität. Beide Erscheinungsformen hochkrimineller Aktivitäten können nicht voneinander getrennt werden, die Übergänge sind in der hochkomplexen Verbrecherindustrie fließend. Damit sind wir bereits bei den "italienischen Verhältnissen“ in Deutschland, der Verbindung von Politik und organisiertem Verbrechen.

Denn Organisierte Kriminalität korrumpiert die staatlichen Institutionen, sie bezieht wegen enormer Wettbewerbsvorteile legale Wirtschaftsbereiche in ihre kriminelle Praxis ein und schafft häufig von ihr kontrollierte Monopole. Sie liefert dem Rechtsradikalismus massenwirksame Argumente gegen die angeblich "korrupten und unfähigen Politiker“. Sie fördert Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, weil die Gesellschaft Sündenböcke braucht, wenn sie Zusammenhänge nicht sieht. Das zeigt sich in Italien und Deutschland.

Raub, Mord, Betrug, Devisenspekulationen, Drogen, Waffen- und Menschenhandel sind einige der Domänen des organisierten Verbrechens.

Die Umweltkriminalität ist jedoch schon weniger im gesellschaftlichen Bewußtsein. Sie gilt allenfalls als Unterfall von Wirtschaftskriminalität. Daß die kriminelle Entsorgung der Giftstoffe aber bereits ein wesentlicher Zweig des Organisierten Verbrechens geworden ist, zeigen die neuesten Erkenntnisse aus Italien und der Schweiz. Da werden Firmen gegründet, von Mafiamitgliedern gelenkt, und sogenannte Giftmüllhändler operieren weltweit, um Kunden zu finden. Die sind auch in Deutschland gerne bereit, problemlos und schnell ihre giftige Fracht entsorgen zu lassen. Die Gewinne sind enorm, ähnlich hoch wie beim Drogenhandel.

In Hamburg sitzt ein bekannter Unternehmer. Seit 1967 wurde gegen ihn ermittelt - vom Verdacht des Kfz-Diebstahls, über Betrug, Erpressung, Nötigung bis hin zur umweltgefährdenden Abfallbeseitigung. Er hat Unternehmen in den neuen Bundesländern eröffnet, als Geschäftsführerin eine 18jährige Schülerin eingesetzt. Sein großes Geld hat er mit Giftmüllverschiebung gemacht. Nun sagt das Landeskriminalamt: Er ist einer der wichtigen Figuren im OK-Bereich. Zitat aus einem Ermittlungsbericht: " W. soll über enge und persönliche Verbindungen zu Hamburger Senatoren und anderen einflußreichen Persönlichkeiten verfügen... Herr Nölling, der ehemalige Finanzsenator Hamburgs, ist ein Duzfreund von W..., enge persönliche Kontakte zum Umweltminister, ...spendet Gemälde an Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt..., setzt in seinen Unternehmen kriminelle Geschäftsführer ein..., ist hochgradig OK-verdächtig.“

Die Polizei ist nicht imstande, wegen des enormen Zeit- und Personalaufwandes, gegen ihn zu ermitteln. Die Konsequenz: Ein Mann mit "reiner“ Weste und besten politischen Kontakten.

Die Rotlichtaffären: Italienische Verhältnisse auch in Berlin und Saarbrücken. Einer der größten Frankfurter Immobilienhändler war bereit, für den Kauf eines Kongreßzentrums in Nizza 30 Millionen Mark bar hinzulegen. Geschäftspartner dieses Immobilienhändlers ist ein Mann, der in Frankreich Drogengelder wäscht. Im Zusammenhang mit diesem Immobilienhändler taucht der Name eines weiteren Frankfurter Unternehmers auf. Er gehört für die Italiener zu den Topleuten (Geldwäsche). Sie haben sogar eine eigene Firma für Sicherheitsdienste aufgebaut. Aufträge erhalten sie von Kommunen in den neuen Bundesländern.

Ein anderer bundesweit bekannter Frankfurter Großimmobilienbesitzer mit geschätzten 50 Millionen Grundbesitz, hat als Zuhälter begonnen, verfügt über gute Verbindungen zu Ebby Thust und Karl Maul. Beides sind berüchtigte Zuhälterbosse. Der Immobilienhändler hat auch beste Kontakte nach Neapel, zu einem Camorra-Boß. Er fliegt seine Kunden ins CESARS PALACE, wo sie abgezockt werden. Ganz auffällig sind seine Verbindungen zum Berliner Zuhältermilieu (besonders zu Klaus Speer). Er kauft dort - vor allem in Ost-Berlin - ganze Häuserzeilen auf. Vermutlich mit Milieugeldern. Er hat sich regelmäßig mit Speer (Boxveranstaltungen u.a.) getroffen, bestellte dort auch Schmuck und vermittelte Kontakte in die USA zu Herstellern von manipulierten Spielgeräten. Da gibt es dann Verbindungen zur Cosa Nostra (Familie Bagliamo, Las Vegas, und drei Familien von der Ostküste). Staatsanwalt Buckow, der gegen Speer ermittelte, erhielt Personenschutz, nachdem es Drohungen aus dem Milieu gegeben hatte. Speer soll Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben. Dieser Mann hat enge Verbindungen zu Politikern gehabt, Lummer wird genannt. "Das sind dann Leute“, behauptet die Staatsanwaltschaft, "mit Vorliebe für Koks, kleine Mädchen oder Jungs“. Ein 50jähriger gestandener Politiker hat bei der Vernehmung geheult, als er nur den Namen Speer hörte. Er ginge aber lieber ein halbes Jahr in Beugehaft, als etwas auszusagen. "Diese Leute werden erpreßt und korrumpiert.“ Soweit die Erkenntnisse der Berliner Staatsanwaltschaft. Und wer ist der Verteidiger dieses Berliner Unschuldslammes: Horst Mahler.

Oder das Beispiel Saarbrücken. Ministerpräsident Oskar Lafontaine wurde bekanntlich beschuldigt, enge Verbindungen zum Rotlichtboß Lacour gehabt zu haben und von ihm erpreßt worden zu sein. Wenig später wird bekannt, daß ein ehemaliger Krimineller, der inzwischen ein wichtiger Kronzeuge der Polizei geworden ist, Aussagen über konkrete Verbindungen von Lafontaine zu einer Edelprostituierten noch zu Zeiten, als dieser Stadtoberhaupt von Saarbrücken war, machte. Dabei sollen auch schon mal Polizeieinsätze verraten worden sein. Diese Aussagen wurden von der Polizei in einem Protokoll festgehalten - doch was folgte auf die Aussagen: nichts. Offizielle Reaktion, als über den Vorgang recherchiert wurde: Wer glaubt schon einem Ex-Kriminellen. Dabei weiß jeder aus Italien, wie wichtig dort die Aussagen von Überläufern, Pentiti, sein können.

Wir identifizieren Mafia immer mit Gewalt, auch was den Einfluß auf Politik und Verwaltung angeht. Der ermordete Richter Paolo Borsellino hat es so ausgedrückt: "Wenn erst Morde dieser Brutalität sichtbar werden, ist das ein Zeichen für die Krise in den Mafiaorganisationen. Je stärker die Organisation, desto stiller ist es, umso weniger hört man die Explosionen von Schüssen.

Tangentopoli, Schmiergeldaffären - etwa nur in Mailand? Korruption ist der Nährboden der Organisierten Kriminalität. Organisiertes Verbrechen bedeutet bekanntlich nicht nur Einflußnahme auf Politik, sondern auch auf die Medien. Wer kritische Berichte nicht sendet, weil das betroffene werbende Unternehmen damit droht, die Fernsehspots einer anderen Fernsehanstalt zu geben, der ist bereits korrupt. Und davon gibt es viele Fälle. Insbesondere die privaten Mediengiganten zeichnen sich durch solche Vorgänge aus. Es gibt aber auch Journalisten, die sich direkt bestechen lassen. Eine schöne Reise, ein kostenloses Auto - dann vergißt man schon mal seine journalistische Aufklärungspflicht. In Düsseldorf berichteten Journalisten des Spiegel regelmäßig gegen einen Unternehmer. Hintergrund war, daß sein Konkurrent in ein Riesenbetrugsgeschäft verwickelt war. Die Journalisten sind inzwischen entlassen. Aber auch diese Fälle der direkten Instrumentalisierung häufen sich.

Die direkte Verbindung zwischen Politik und Organisierter Kriminalität ist im Bereich der "Regierungskriminalität“ in den neuen Bundesländern besonders deutlich. Manfred Kittlaus, Leiter der Zentralen Ermittlungsgruppe Regierungs- und Vereinigungskriminalität, spricht davon, daß die klassische Form der OK erreicht sei. Ex-Offiziere der Stasi arbeiten mit der Russenmafia zusammen. Die Beziehungsgeflechte der Seilschaften reichen bis in den aktiven Polizeidienst hinein. Ein großer Teil der privaten Sicherheitsdienste werden von Ex-Stasioffizieren geführt. Und die wissen, wie man erpressen kann, insbesondere was die Vergangenheit von Politikern angeht. In Halle haben Treuhandmitglieder direkt mit kriminellen Investoren zusammengearbeitet. Millionen wurden kassiert. Übrig blieben arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Betrüger sind, bis auf wenige Ausnahmen, alle auf freiem Fuß.

Bei den Verbindungen zwischen kriminellen Syndikaten und Politik sind die Jugo-Mafia bekannt und berüchtigt. Geschäfte Heroin gegen Waffen und Dominanz im Rotlichtbereich zeichnet sie aus. In Belgrad gelten sie als Patrioten, sind anerkannt. Führende Köpfe der Jugo-Mafia in Frankfurt, wie der gefährliche Kriminelle Rade Caldovic, hatten beste Beziehungen zu Frankfurter Mitarbeitern der Stadtverwaltung. In exklusiven Saunen traf man sich und besprach so manches Geschäft. Darko Assanin, ebenfalls ein Kopf der Jugo-Mafia, brüstete sich damit, daß er hervorragende Kontakte zu Politikern in Nordrhein-Westfalen unterhalten habe. Insbesondere beim illegalen Glückspiel habe man sich getroffen.

Ein weiteres in Deutschland operierendes kriminelles Syndikat ist die sogenannte Russenmafia, mit Stützpunkten in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt. Im wesentlichen fallen die Organisationen dadurch auf, daß enorme Geldbeträge in Import-Export- Firmen investiert werden und daß in großem Umfange mit Waffen gedealt wird. In Frankfurt beispielsweise gibt es eine Schuhhandelsfirma, die in Höhe von mehreren Millionen DM Waffen aus den GUS-Staaten aufkauft und auf dem kriminellen Markt anbietet. Da kann man auch mal Geld für die Parteien spenden.

Wenn man die Polizei in Kiel nach einem bestimmten chinesischen Lokal befragt, wird man zu hören bekommen: "Das sind harmlose Leute“. Glaubt man den Aussagen von V-Leuten aus der illegalen Glückspielszene, dann ist der Besitzer des Lokals ein bedeutendes Mitglied der Triaden. Über sie wissen wir unendlich wenig.

Die chinesischen Triaden gelten als die gefährlichste weltweit operierende kriminelle Organisation. Auf der untersten Ebene sind sie in jedem Dorf, jeder kleinen Stadt allgegenwärtig. Auf der mittleren Ebene gibt es sie in den Gerichten, unter den Anwälten, in Banken, bei der Polizei und in der Regierung selbst. Sie sind bekanntlich für den gesamten Drogenhandel des goldenen Dreiecks verantwortlich. In Deutschland gibt es innerhalb jeder chinesischen Gemeinde Triadenmitglieder und, so der Frankfurter Kriminaldirektor Peter Walter, sie haben Immobilien gekauft und zwar schleichend, ohne daß es aufgefallen sei. Das fällt auch so manchem Politiker nicht auf.

Als in Mannheim die Polizei eine illegale Glückspielveranstaltung sprengte, meldete sich wenig später ein SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hanau beim baden-württembergischen Innenminister. Er beschwerte sich bitter über die "überzogene Aktion“, bei der sein "guter Freund“, ein chinesischer Gastwirt, auch kurzfristig verhaftet wurde. Der hatte zwar Verbindungen zu den Triaden. Aber das kümmerte den SPD-Abgeordneten nicht. Er ging sogar soweit, noch zwei weitere SPD-Abgeordnete aus Mannheim einzuschalten. Auch die sollten sich beschweren, was sie auch taten. Merkwürdig, daß interne Unterlagen der Polizei dann bei den Abgeordneten landeten. Ob die an den "Freund“ und chinesischen Gastwirt weitergeleitet wurden?

Als in Frankfurt ein chinesischer Geschäftsmann wegen Schleuseraktivitäten verhaftet wurde, meldete sich bei der Polizei wenig später das Amt für Wirtschaftsförderung. Wie man dazu komme, einen honorigen Investor zu verhaften, wollte man wissen. Auch das ist Druck. "Derartige Anfragen sind wir gewöhnt“, meint dazu lapidar der Frankfurter Mafia-Experte im Polizeipräsidium, Peter Walter. Er hat genügend Erfahrung. Als ein kriminelles Syndikat aus dem Bahnhofsviertel zerschlagen wurde, mußte der ermittelnde Beamte zum Rapport ins Wiesbadener Innenministerium, und man legte ihm nahe, die Ermittlungen einzustellen. Schließlich war einer der Hauptverdächtigen dafür bekannt, daß er den kommunalen Wahlkampf der CDU durch Anzeigen und Geld mitunterstützt hatte.

Es hat etwas von kindlicher Naivität, wenn die politischen Entscheidungsträger in Deutschland versuchen, die bestehenden Verbindungen zwischen Mafia und Politik zu leugnen. Dabei würde allein ein Blick nach Holland ausreichen. Als der Amsterdamer Polizeichef Erik Nordholt von Erkenntnissen sprach, daß die Mafia in der Vergangenheit versucht habe, die politischen Parteien des Landes zu unterwandern und Polizei und Justiz zu infiltrieren, waren erstmals die Proteste groß. Doch dann meldete sich der Amsterdamer Oberstaatsanwalt Jan Vrakking zu Wort. Er berichtete, ihm seien mindestens zwei Fälle bekannt, wonach in seiner eigenen Behörde Mafia-Infiltrationen aufgedeckt wurden. Kurze Zeit später gab auch der Bürgermeister von Amsterdam zu, daß versucht wurde, in seine Umgebung einen Mafioso einzuschleusen. Warum also sollte Deutschland eine Insel der Glückseligkeit sein? Weil Politik, Polizei und Justiz resistenter sind als im benachbarten Holland? Natürlich gibt es auch bei uns Versuche der Infiltration durch die Mafia.

Vor wenigen Tagen lief im Regionalprogramm des Hessischen Rundfunks ein Bericht aus Melsungen, einer kleinen Stadt in Nordhessen. Man mockierte sich da-rüber, daß Melsungen als ein Zentrum der Mafia bezeichnet wurde. Das habe dem Tourismus in der Stadt geschadet, so der Tenor. Berichtet wurde, daß die Italiener dort doch alle so freundlich seien und man überhaupt nichts mitbekommen habe. Das Essen sei gut, so der Moderator am Ende des Beitrags. Er werde gerne Melsungen besuchen. Tatsache ist, daß eine Familie der N’drangheta, der kalabresischen Mafia, dort ihren Stützpunkt hat, die Familie Grisafi. Ihr Netz geht über Deutschland hinaus. Bei der Polizei sagte dazu ein Pentiti über Melsungen aus:

"Wir sind ja beispielsweise nur unter Italienern verkehrt. Ob es mit der Pizza zu tun hatte, ob mit Kokain oder Waffen. Das ist eine komplette Gesellschaft für sich. Nach außen hin sehen die Leute auch ordentlich aus. Sie betreiben ordentlich ihr Geschäft, der größte Teil geht arbeiten. Jeder Polizist aus den Ortschaften und Städten grüßt dich immer höflich. Sie gehen bei dir essen, gehen ein und aus.“

In Stuttgart soll es, so weiß es das italienische Generalkonsulat, mindestens zwei mächtige Capos der italienischen Mafia geben. Die kalabresische Mafia ist die N’drangheta. Enge Kontakte zu einem bekannten N’drangheta-Boß aus Ciro soll auch ein stadtbekannter Restaurantbesitzer haben, behaupten übereinstimmend Polizei und ein Pentiti, ein Kronzeuge der Behörden. Befreundet mit dem CDU-Fraktionschef darf dieser italienische Restaurantbesitzer schon einmal Partys der CDU-Landtagsfraktion ausrichten. Italienische Zeugen behaupten, daß er häufig mit einer bekannten Mafia-Familie in Mailand, dem Greco-Clan, telefoniert. Mailand ist ein Dorado für Geldwäsche. Einfluß hat dieser italienische Restaurantbesitzer auf jeden Fall. Wer von wem profitierte, das ist eine noch ungeklärte Frage. Doch was sich hinter diesem Vorgang verbirgt, ist die klassische Form der Infiltration, wie man sie aus Italien schmerzhaft kennengelernt hat. Sind das alles Zufälle?

In Frankfurt verkehren in einem Luxusrestaurant, das einem polizeibekannten Italiener gehört, die Spitzen der Gesellschaft: Börsenmakler, Banker, Stadtverordnete und Stadträte. Obwohl der Ruf des Italieners bekannt ist, tauscht man weiterhin Küßchen aus, einmal links, einmal rechts auf die Backe.

Häufig sind die Residenten dieser alter Mafiafamilien schon seit über einem Jahrzehnt in Deutschland, agieren vollkommen unauffällig. Aber hüten wir uns vor einer schnellen Verurteilung. Denn der Mafiamann aus Corleone, der hier in Deutschland sein Geld anlegt, macht das nicht alleine. Er würde sofort auffallen. Nein, er bedient sich deutscher Helfershelfer, insbesondere Anwälte und Immobilienkaufleute. Denn die fallen nicht auf, sind häufig ehrenwerte Geschäftsleute mit freundschaftlichen Connections zu lokalen Politikern.

All das nutzt nur der Mafia und jenen politischen Entscheidungsträgern, die auf der rechten und rechtsradikalen Welle mitschwimmen. Es ist erschreckend, in einer Zeitschrift der italienischen Neofaschisten (MSI), herausgegeben in Stuttgart, die sich mit der Mafia beschäftigt, Aufsätze von Stoiber bis zur Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger zu sehen.

Ich frage mich, warum nicht offensiv auf die Verbindung von organisiertem Verbrechen und Wirtschaftskriminalität hingewiesen wird. Das betrifft den Lohnsteuerzahler, der mitansehen muß, wie Riesenbeträge Steuergelder verschwinden. Kapital, das für den Haushalt von Kommunen wie Bund so dringend benötigt wird. Auf über 100 Milliarden DM wird allein der Schaden durch Wirtschaftskriminalität angesetzt.

Warum wird der Regierung in Bonn nicht offensiver vorgehalten, daß sie eigentlich die Köpfe des organisierten Verbrechens überhaupt nicht bekämpfen will? Das zeigt sich insbesondere beim neuen Gesetz über Geldwäsche mit dem Anwaltsprivileg. Warum gibt es in dem neuen Gesetz ein Beweisverwertungsverbot bei Betrug, Schutzgeld und Giftmüll? Warum ist die Polizei so miserabel ausgestattet? Warum wird nicht auf die soziale Dimension hingewiesen, die flächendeckend organisiertes Verbrechen nährt? Der vorherrschende Sozialdarwinismus und die steigende Verelendung, die fehlende Transparenz von politischen Entscheidungen und insbesondere der Verfall der politischen Kultur. Das alles ist der Nährboden, auf dem organisiertes Verbrechen so prächtig gedeihen kann, weil nur das Recht des Stärkeren noch gilt.

Und es ist eine Binsenweisheit: Polizei und Justiz können das organisierte Verbrechen nicht bekämpfen. Es bedarf dazu der Beteiligung der Bürger. In Italien hat die Aktion "saubere Hände“ zu großem Erfolg geführt. Ich glaube, daß das auch in Deutschland notwendig ist.

 


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