Dokumentation

Globalisierung als Chance II

Blick auf die Weltgesellschaft



Peter Wahl
Möglichkeit und Grenzen transnationaler Kooperation


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Inhaltsverzeichnis


Peter Wahl arbeitet bei der Nicht-Regierungs-Organisation WEED (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e. V. ) in Bonn

Nichtregierungsorganisationen (NRO) haben in den vergangenen Jahren einen dramatischen Aufstieg als politische Akteure erlebt. Dies gilt sowohl für die nationale als auch die internationale Politik. Höhepunkte in dieser erstaunlichen Karriere waren die großen UNWeltkonferenzen von Rio bis Peking sowie spektakuläre Einzelaktionen wie die Besetzung einer Ölplattform in der Nordsee durch Greenpeace.

Die Erfolge von NRO haben dazu geführt, daß sie weithin als Hoffnungsträger wahrgenommen werden, denen eine wichtige Rolle bei der Lösung globaler Krisen und Problemlagen wie Umwelt, Entwicklung, Soziales, Menschenrechte etc. zugemessen wird. Der ShellJugendstudie 1997 zufolge gaben auf die Frage, wem sie die Lösung der globalen Probleme zutrauen, z.B. 60% der deutschen Jugendlichen Greenpeace an, 50% hielten auch andere NRO für fähig dazu, während die Politiker nur auf 30% kamen. Von einer internationalen Zivilgesellschaft ist die Rede, die als Korrektiv oder gar Gegengewicht zu Markt und Staat für die Interessen von Umwelt, Mensch und zukünftigen Generationen eintritt.

Die Spektakularität einiger Aktionen von NRO sollte aber nicht den Blick für eine realistische Einschätzung verstellen. Meine zentrale These lautet deshalb, daß NRO zwar eine politisch durchaus nicht zu vernachlässigende Größe darstellen, die Grenzen ihrer realen Möglichkeiten aber weitaus enger zu ziehen sind, als ihre Medienpräsenz suggeriert.

1. Ressourcen und Möglichkeiten von NRO

Anders als Regierungen verfügen NRO nicht über staatliche Machtmittel. Anders als große Marktakteure verfügen sie auch nicht über nennenswerte wirtschaftliche und finanzielle Ressourcen, mit denen sie Macht und Einfluß ausüben könnten. Anders als Gewerkschaften und soziale Bewegungen verfügen sie nicht über ein starkes Druckpotential in Form von Streiks oder eines großen Potentials an Wählerstimmen.

Die Ressourcen, über die sie verfügen, sind machtpolitisch weiche Instrumente: Sachkompetenz, hohe Motivation und Engagement, das Image von Dynamik und Unverbrauchtheit, der Charme der Neuartigkeit sowie der Ruf moralischer Integrität, Unbestechlichkeit und selbstlosen Idealismusses. All dies verschafft den NRO große Akzeptanz in der Bevölkerung.

2. Zur Entstehung des Phänomens NRO

Für eine realistische Bewertung der gesellschaftlichen Bedeutung der NRO ist die Analyse der historischen Determinanten, welche das Phänomen NRO hervorgebracht haben, außerordentlich erhellend. Es ist schließlich kein Zufall, daß die NRO in den achtziger Jahren ihren Aufstieg begannen und zu Beginn der 90er mit der RioKonferenz einen Durchbruch erzielen konnten, also in einer spezifischen historischen Konstellation und nicht etwa in den 60ern.

Die für den Aufstieg der NRO entscheidenden Rahmenbedingungen liegen am Schnittpunkt zweier gesellschaftlicher Prozesse:

- der zunehmende Verlust an Problemlösungskompetenz traditioneller politischer Akteure gegenüber den globalen Problemen und

- die Dynamik der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen.

Der in den letzten 15 Jahren vielfach konstatierte Verlust an Problemlösungskompetenz des Staates gegenüber der Komplexität der globalen Probleme und der Vertrauensverlust anderer traditioneller Akteure wie Parteien auch Oppositionsparteien , Gewerkschaften, Verbände mußte unweigerlich die Aufmerksamkeit auf
Die Stärke der NRO bestand auf dem Wohlwollen von Regierungen
alternative Akteure lenken, zumal diese von sich behaupteten, Wege zur Rettung des Planeten, wie der UNCED Generalsekretär Maurice Strong emphatisch formulierte, zu kennen. Davon haben die NRO in hohem Maße profitiert. Das Vakuum, das durch den Bedeutungsverlust traditioneller politischer Formationen entstand, wird heute von NRO gefüllt.

Von staatlicher Seite wurden in Reaktion auf die Aufwertung des Nichtregierungssektors zwei unterschiedliche Strategien entwickelt: einerseits die der kon-servativneoliberalen Regierungen, vorneweg die USA in der Phase der republikanischen Administrationen von Reagan zu Bush und auf der anderen Seite die Strategie reformorientierter Länder, entweder sozialdemokratisch regiert oder mit ausgeprägt korporatistischen Traditionen. Bei internationalen Organisationen reproduzierte sich dieses Muster: auf der einen Seite die UNO, insbesondere einige ihrer Unterorganisationen wie UNDP und UNESCO, auf der anderen Seite vor allem die Weltbank.

Ausgesprochen resistent gegenüber dem Phänomen NRO blieben bis vor kurzem der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Welthandelsorganisation (WTO). Allerdings zeichnet sich zumindest bei der WTO hier ein Wandel ab.

Ein konstitutives Element neoliberaler Ideologie ist ihr Antietatismus. Im Zentrum der Kritik stehen dabei vor allem sozialstaatliche Funktionen (incl. Entwicklungshilfe). In dieses Konzept passen sehr gut die NRO, die sprachlich nicht zufällig als private organisations apostrophiert als Alternative zum Moloch Sozialstaat gesehen werden. Einige der den NRO zugeschrieben komparativen Vorteile wie Kosteneffizienz und Flexibilität werden benutzt, bestimmte staatliche Aufgaben an NRO zu delegieren und damit zu privatisieren. Im Bereich der Entwicklungshilfe wird die Privatisierung zusätzlich mit der Tatsache legitimiert, daß die Staatsapparate in einigen Entwicklungsländern ineffizient und/oder korrupt sind. Auf der Ebene der Projekteffizienz sind NRO hier ausgesprochen willkommen. Bei makropolitischen Entscheidungen dagegen sollen NRO allerdings keinen Einfluß haben.

Die Hinnahme dieser Instrumentalisierung führt letztlich in eine politische Irrelevanzfalle. Den NRO wird in diesem Konzept eine heteronom definierte Rolle in einem ordnungspolitischen Umbaukonzept zugewiesen, das es erlaubt, das Leitbild von lean management und lean production zugleich im Abbau des Sozialstaates und bei der kostengünstigen Wahrnehmung eines Teils staatlicher Funktionen zu verwirklichen. Eine Konjunktur der NRO, soweit sie sich aus dieser Quelle nährt, ist eine Scheinblüte, und so zustandegekommene Stärke eine geliehene wenn nicht gar Schwäche.

Die Einsicht bei reformorientierten Regierungen und internationalen Organisationen in die Begrenztheit ihrer eigenen Möglichkeiten angesichts neuer, hochkomplexer Probleme warf die Frage auf, wo noch unausgeschöpftes Potential existiert, das für Problemlösungen mobilisiert werden könnte. Fündig wurde man bei der Zivilgesellschaft, darunter die NRO. Folgerichtig erhielten deshalb NRO von diesen Regierungen im Rio Prozeß und z.T. danach großzügige politische und finanzielle Unterstützung.

Auch wenn diese Strategie NRO prinzipiell als autonomen Faktor respektiert, so zeigt sich auch hier wieder, daß ein beträchtlicher Anteil der Stärke von NRO sich dem Wohlwollen von Regierungen verdankt also auch hier geliehene Stärke, die unter anderen Umständen auch wieder entzogen werden kann.

Überdies birgt die Umarmung durch friendly governments stets das Risiko einer schleichenden Anpassung. Die zunehmende Fixierung von NRO auf die Regierungsagenda und deren Konferenzfahrpläne ist ein Indiz dafür. Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele dafür, wie der subtile Charme der gouvernementalen Sponsoren NRO in die Kooptionsfalle führte.

Das Phänomen NRO wäre ohne die Neuen Sozialen Bewegungen (NSB) nicht das, was es heute ist. Die NSB haben die großen Themenfelder, die von den NRO heute bearbeitet werden, auf die Tagesordnung gesetzt. Beim ÖkologieDiskurs und mit Einschränkungen der Geschlechterthematik wurden sie durch die NSB sogar hegemoniefähig.

Im Verlauf der NSB und vor allem in der Phase ihres krisenhaften Abschwungs entstanden neue Organisationstypen bzw. traten in den Vordergrund. Ältere Organisationen aus dem Spektrum traditioneller Verbände wurden zuerst von den NSB und dann durch die Konkurrenz der erfolgreichen Newcomer beeinflußt und übernahmen vieles von diesen. Inhaltlich bezogen sich alte wie neue Organisationen auf die Themen der NSB.

Definierten sich NRO zu Hochzeiten der NSB im Bezug zu diesen, so traten sie mit dem Niedergang der Bewegungen aus deren Schatten. Es setzte eine inhaltliche und strukturelle Ablösung der NRO von den Resten der NSB ein. Die NRO traten zusehends an die Stelle der NSB. Professionalisierung, Effizienzdenken und Rehierarchisierung traten an die Stelle des kulturellen Habitus und der Organisations und Strukturvorstellungen (Basisdemokratie, flache Hierarchien, Dezentralisierung, Gleichstellung von Frauen etc.), die viele Aktivisten und Aktivistinnen der Bewegung, die in die NRO übergewechselt waren, anfangs eingebracht hatten. So wie sich traditionelle Verbände an die Standards der NSB angenähert hatten, so bewegten sich die neu gegründeten Organisationen jetzt auf deren Standards zu.

In gleichem Maße gehen NRO damit all jene Risiken ein, die die Organisationssoziologie an traditionellen Organisationsformen analysiert hat: Bürokratisierung, Verselbständigung von hauptamtlichen Apparaten, steigender Einfluß von Individualinteressen wie Karriere und Arbeitsplatzinteressen, Anpassung an die Zwänge zur Sicherung einer kontinuierlichen Finanzierung mit der Gefahr einer Abhängigkeit von Spendern, Sponsoren, etc.

Zwar werden die Themen der NSB weiterhin bearbeitet, allerdings ging mit der Emanzipation von der sozialen Bewegung ein Verlust an übergreifenden gesellschaftspolitischen Leitbildern und Wertorientierungen einher, die bei vielen NRO nur noch subkutan vorhanden und inzwischen vielfach ganz verschwunden sind. Gleichzeitig trat auch ein Verlust an demokratischer Legitimität ein. Die neuen NRO sind nur noch sich selbst gegenüber verantwortlich. Insgesamt zehren sie noch heute von einem Kapital, das von den NSB akkumuliert wurde. Insofern stützen sich die heutigen NRO zu einem Gutteil auf eine Ressource, die sie geerbt, aber nicht selbst erworben haben. Auch hier liegt ein Moment von geliehener Stärke vor.

3. Demokratisierung des internationalen Systems

Unbeschadet dessen kommt NRO dennoch eine wichtige Rolle in der aktuellen historischen Situation zu. Wenn es ihnen gelingt, Transparenz herzustellen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, werden sie zu einem politisch relevanten Faktor. Komplementär zum System der repräsentativen Demokratie befördern sie Elemente partizipatorischer Demokratie. Insofern tragen NRO zur Demokratisierung der Gesellschaft bei.

Dies gilt auch unabhängig davon, wieviel oder wie wenig demokratische Legitimität sie selbst als Einzelorganisation oder im Verbund besitzen. Das Demokratisierungspotential setzt sich quasi systemisch durch. Hierin liegt die größte Bedeutung von NRO.

Von besonderer Wichtigkeit wird diese Demokratisierungsfunktion für das internationale System. Der vom neoliberalen Leitbild dominierte Typus der Globalisierung führt zu einem Bedeutungsverlust des Nationalstaates als Sachwalter des Gemeinwohls. Die deregulierte und liberalisierte Internationalisierung von Handelsströmen, Finanzflüssen und Investitionen machen den Nationalstaat als Ordnungsrahmen für politische Steuerung von wirtschaftlichen Abläufen zusehends obsolet. Hinzu kommt, daß innerhalb des politischen Systems eine Verlagerung von Entscheidungskompetenzen zu parlamentarisch nicht kontrollierten Institutionen wie Zentralbanken in der EU sogar zu einer supranationalen Zentralbank oder multilateralen Institutionen stattfindet.

Da das demokratische Regelsystem historisch und strukturell jedoch an den institutionellen Rahmen des Nationalstaates gebunden ist, enthält die (Selbst) Entmachtung des Nationalstaates eine Tendenz zur Aushöhlung der Demokratie. Wenn weitreichende Entscheidungen immer mehr auf den internationalen Finanzmärkten, in den Chefetagen transnationaler Unternehmen und von anderen demokratisch nicht legitimierten Instanzen getroffen werden und immer weniger von den gewählten Politikern, dann wird es auch tendenziell gleichgültig, wer regiert. Der eigentliche Souverän der Demokratie, der Staatsbürger und seine Wahlentscheidung, wird zur Bedeutungslosigkeit abgewertet. Dies wird häufig ideologisch verklärt, indem der neoliberale Typus der Globalisierung zur historischen Gesetzmäßigkeit stilisiert wird. Bundeskanzler Schröder hat diesen Mythos der Neoliberalen einmal in die einprägsame Formel gebracht: Es gibt keine linke oder rechte, es gibt nur eine falsche oder eine richtige Wirtschaftspolitik. Daß es sich hier um ein geschichtsdeterministisches Mißverständnis darüber handelt, wie Gesellschaft funktioniert ironischerweise vulgärmarxistischem historischen Materialismus sehr verwandt kann in diesem Kontext nur angedeutet werden.

NRO als solche sind natürlich nicht in der Lage, die grundlegenden gesellschaftlichen Prozesse, die der Globalisierung zugrunde liegen, zu stoppen oder gar umzukehren. Indem sie Entscheidungen im internationalen System öffentlich machen, Information und Gegenexpertise zur Verfügung stellen, können sie allerdings einen Beitrag leisten, der andere Akteure zum Eingreifen bewegen kann.

Ein Beispiel dafür war ihre Rolle bei der Verhinderung eines Multilateralen Investitionsabkommens (MAI). Nach zwei Jahren Verhandlungen hinter den verschlossenen Türen der OECD hatten NRO im Oktober 1997 dafür gesorgt, daß der Vertragstext öffentlich wurde. Es gelang ihnen nicht nur, die Medien, sondern über diesen Weg auch Parlamentarier, Gewerkschaften in
Die Offensive des Lächelns kann die Akzeptanz der NRO in Gefahr bringen
den USA und Kanada auch mehrere Gebietskörperschaften gegen das MAI zu mobilisieren. Am spektakulärsten war ein Beschluß des Europäischen Parlaments, in dem das MAI abgelehnt wurde. Der ursprünglich geplante Termin zur Paraphierung des Abkommens, Ende April, wurde nicht eingehalten; die Verhandlungen gerieten in eine Krise und wurden Ende 1998 endgültig abgebrochen.

Auch wenn das Ende des MAI nicht allein, ja nicht einmal primär auf die NROProteste zurückzuführen ist, so war das MAI doch ein klassischer Fall dafür, daß diese in der Lage sind, für Öffentlichkeit und Transparenz in internationalen Verhandlungsprozessen zu sorgen. Die Financial Times erkannte: Die entscheidende Lektion ist, daß die wachsenden Bedürfnisse nach Transparenz und öffentlicher Kontrolle, mit denen Regierungen in ihrem Land konfrontiert sind, auf die internationale Arena übergreifen. Das macht es schwerer, Verhandlungen und Abmachungen hinter geschlossen Türen zu treffen und sie den Parlamenten einfach zur Absegnung vorzulegen. Statt dessen stehen sie unter dem Druck, eine breitere öffentliche Legitimierung für ihre Vorhaben zu gewinnen, sie öffentlich darzulegen und zu verteidigen.

Der Sieg der NRO in der Schlacht um die öffentliche Meinung (Financial Times) beim MAI signalisiert einen weiteren interessanten Trend in der internationalen NROGemeinde: Das MAI gehört, anders als Umwelt, Entwicklung und andere Themen nicht zu den sogenannten soft issues der internationalen Agenda, die nach Rio immer stärker marginalisiert wurden, sondern zu den harten ökonomischen Themen. Das gleiche trifft auf die institutionelle Dimension zu. Die OECD als Zusammenschluß der Industrieländer ist ein reiner Club der Reichen, der einen rigoros neoliberalen Kurs verfolgt. Mit dem MAI liefen die NRO also nicht in die Irrelevanzfalle, in der sie bei vielen, machtpolitisch marginalen Gremien der UNO seit Rio sitzen.

4. Sinkende Akzeptanz neoliberaler Globalisierung und Zukunft der NRO

Die Erfahrung mit dem MAI, mehr aber noch das Zerschellen der Versprechungen von Arbeit, Wohlstand und Glück für alle an der Krise in Südostasien, in Rußland und zahlreichen Entwicklungsländern haben zu einer Hegemoniekrise des neoliberalen Leitbildes geführt.

Zwar wird in offiziellen Verlautbarungen pflichtschuldig die Fortsetzung des Liberalisierungs und Deregulierungskurses beschworen, aber die immer deutlicher zutage tretenden sozialen, ökologischen und politischen Nebenwirkungen neoliberaler Globalisierung lassen sich selbst bei IWF und WTO, den Speerspitzen der herkömmlichen Politik, nicht mehr unter den Teppich kehren. Schon auf der Ministerratstagung der WTO im Frühjahr 1998 warnte USPräsident Clinton davor, daß der ökonomische Wettbewerb zwischen den Nationen nicht zu einem Rennen nach unten beim Umwelt und Verbraucherschutz oder bei den Arbeitsstandards wird. Wir sollten das Niveau nach oben schrauben, nicht nach unten. Und selbst WTO Generaldirektor Ruggiero mußte konzedieren: Wann immer die Menschen heute über den Handel sprechen, kommen sofort andere Themen hoch: Instabilität der Finanzen, Entwicklung, Marginalisierung, Umweltschutz, soziale Verhältnisse, Arbeitslosigkeit, Gesundheit oder kulturelle Vielfalt. Deshalb bestünde, so Ruggiero, die fundamentale Notwendigkeit einer besseren globalen Architektur, um Antworten auf die globalen Fragen zu finden.

Vorerst werden die Probleme allerdings auf der Ebene von Kommunikation und Public Relations abgehandelt. So heißt es in der Abschlußerklärung der WTOTagung lediglich, es sei wichtig, das Verständnis der Öffentlichkeit für den Nutzen des multilateralen Handelssystems zu verbessern. Außerdem wird sich die WTO nun endlich auch der Zivilgesellschaft öffnen. Ruggiero kündigte an, er werde nach dieser Konferenz einen beträchtlichen Teil seiner Zeit einer verbesserten Informationsarbeit und dem Dialog mit der Zivilgesellschaft widmen.

Diese neue Konstellation wird die Konjunktur der Nichtregierungsorganisationen zunächst einmal weiter verstärken. Es wird jetzt versucht, bereits im Vorfeld von Entscheidungen NRO einzubinden, so z.B. bei der Vorbereitung der sogenannten Millenium-Runde der WTO. NRO, die sich mit den entsprechenden Themen befassen, können sich vor Einladungen zu Dialog und Konsultation kaum noch retten. Die Absorptionsfalle steht sperrangelweit offen. Ein Politikwechsel ist damit freilich noch nicht erkennbar. Es geht zuerst um die Erhöhung der Akzeptanz für die alte Politik.

Die NRO werden angesichts dessen eine Gratwanderung zu absolvieren haben. Die Offensive des Lächelns der WTO u.a. kann ihre eigene Akzeptanz langfristig in Gefahr bringen, wenn die alte Politik nur mit einem scheinbar partizipatorischen Feigenblatt versehen wird. Andererseits besteht an der Schwelle zum neuen Jahrhundert durchaus die Chance, einen Politikwechsel hin zu einer an sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit orientierten Politik zu erreichen. Freilich werden die NRO dies nicht allein können. Nur Allianzen der verschiedenen Akteure, staatliche wie gesellschaftliche, soziale Bewegungen, Gewerkschaften, vielleicht auch die eine oder andere politische Partei, vor allem aber das Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern sind dafür notwendig.

In Internationalisierung und Globalisierung kann dann eine große Chance liegen. Der Nationalstaat und seine Grenzen haben zwei Jahrhunderte lang die Weltgeschichte dominiert. Er war dabei vor allem im 20. Jahrhundert immer wieder eine Quelle von Kriegen und anderen fürchterlichen Tragödien. Seine Überwindung könnte den alten Menschheitstraum des Alle Menschen werden Brüder" (und Schwestern, müßte man Schiller heute ergänzen) etwas näher rücken. Allerdings werden sich diese Träume nicht unter Bedingungen der Dominanz von einigen Global Players, Transnationalen Konzernen und Finanzgruppen verwirklichen lassen.


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