Baustein

Ghettos
Vorstufen der Vernichtung

1939-1944
Menschen in Grenzsituationen

Texte und Unterrichtsvorschläge

Hrsg: LpB, 2000




 

Inhalt

 

Baustein 12

Das Berliner Scheunenviertel
- das „freiwillige" Ghetto

Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt. Berlin, 3. Aufl. 1995
Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft. Köln 1985
Äußerungen zur „Ghetto-Mentalität" von Tucholsky u. a.

Klassenstufe: 10-13
Zeitaufwand: j 1-2 Unterrichtsstunden
Themen: Zur Vorgeschichte der NS-Ghettos
Zur heutigen „Ghetto"-Bildung
Gründe für Ghettobildung
historische Ghettos
„freiwillige" Ghettos
Juden auf Wanderschaft
Lage der Juden in Osteuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts
„Mitnahme" des Schtetl / Begriff und Erscheinungsformen
Konfrontation mit der westlichen Moderne
Vorteile, Gefahren und Folgen des Ghettolebens


In der Reichshauptstadt Berlin entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders mit dem Ersten Weltkrieg verschiedene dichtbesiedelte und in der Zusammensetzung der Bewohner geschlossene Quartiere, von denen das „Scheunenviertel" nördlich des früheren Spandauer Tores, zwischen Rosenthaler Straße und dem heutigen Rosa-Luxemburg-Platz als „Ghetto" der zugewanderten Juden aus Osteuropa galt.

„Es waren Flüchtlinge. Man kennt sie allgemein unter dem Namen »Die Gefahr aus dem Osten«. Pogromangst schweißt sie zusammen zu einer Lawine aus Unglück und Schmutz, die, langsam wachsend, aus dem Osten über Deutschland rollt. ... Sie stammen aus der Ukraine, Galizien, Ungarn. Hunderttausende sind zu Hause Pogromen zum Opfer gefallen. Hundertvierzigtausend fielen in der Ukraine. Überlebende kommen nach Berlin. Von hier aus wandern sie nach dem Westen, nach Holland, Amerika, und manche nach dem Süden, nach Palästina", schrieb Joseph Roth, selbst Jude aus Galizien, 1920 ( J. Roth, Juden auf Wanderschaft, Köln 1985, S.47ff) über sie.

Eine Statistik aus dem Jahr 1925 nennt Zahlen und Herkunftsländer (s. u.).

Mischket Libermann, die Autorin des ersten Auszugs, hat selbst im Scheunenviertel gelebt. Sie kam 1914, neunjährig mit ihrer großen Familie (8 Kinder) aus dem „Städtele Tytschin" in Galizien nach Berlin. Ihr Vater war ein orthodoxer Rabbi, der bald die Synagoge in der Grenadierstraße leitete.

„Er war ein vielbeschäftigter Mann. Immer in Bewegung, von früh bis spät. Was er tat? »Dienstleistung« würden wir heute dazu sagen. Ach was! Er war ein ganzes Dienstleistungskombinat in einer Person. Er bediente die Schäfchen seiner Gemeinde von der Geburt bis zum Grabe. Er nahm Beschneidungen vor an acht Tage alten »Männern«. Dreizehnjährige segnete er ein. Er vollzog Trauungen, Scheidungen, Beerdigungen, war Vorbeter in der Synagoge und Richter im Ghetto." (Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt. Berlin, 3. Aufl. 1995, S. 21)

Nennt Joseph Roth als einen Grund für die Ghettobildung die „Pogromangst", so kennt Mischket Liebermann noch andere. Zunächst wollten die bereits in Berlin ansässigen und schon arrivierten, teilweise auch assimilierten Juden nichts mit den „armen Verwandten" zu tun haben. Viele von ihnen waren selbst noch Bewohner des Ghettos und durchaus nicht „reich" geworden, wie man es sich in der Heimat vorgestellt hatte. Hinzu kam, gerade bei den orthodoxen Juden, noch etwas anderes:

„Die eingewanderten Juden schlossen sich hermetisch von der Außenwelt ab. Sie lebten wie Moses auf dem Berge Sinai, streng nach den zehn Geboten und Hunderten von Verboten, die sie sich selber auferlegten. Bei uns im Hause des Rabbi Pinchus-Elieeser ging es besonders strenggläubig zu. Ein Ghetto im Ghetto. Nichts fürchtete mein Vater so sehr wie die Assimilation seiner Kinder. Um sie zu verhindern, ersann er die unmöglichsten Sachen. Wir durften zu Hause nicht einmal Deutsch sprechen. »Hast dir schon deutsche Zähne eingesetzt?« ironisierte er." (Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt. Berlin, 3. Aufl. 1995, S. 7f.)

Joseph Roth schildert in seinem großen Bericht „Juden auf Wanderschaft" um 1920 auch die Station „Scheunenviertel". (Text 2)

1937, aus dem Pariser Exil, stellt Roth im Nachwort zur Neuauflage sich die Frage, weshalb die Juden Verfolgung, Demütigung, Existenzverlust erdulden. „Die Fähigkeit sie zu ertragen, ist der größere Teil des Unglücks." Und er kommt zu dem Schluß: „Von den Juden, die heute noch in Deutschland leben, wird höchstwahrscheinlich nur noch ein unwesentlicher Bruchteil auswandern können, - und wollen. Denn auch nach einer hundertjährigen Emanzipation und einer Schein-Gleichberechtigung, die etwa 50 Jahre gedauert hat, besitzen die Juden, wenn auch nicht die göttliche Gnade, leiden zu können wie ihre gläubigen Brüder, so doch die merkwürdige Fähigkeit, Unsagbares zu erdulden. Sie werden bleiben, sie werden heiraten, sich vermehren, ihre Finsternisse und Bitterkeiten vererben - und hoffen, daß eines Tages »alles anders« werde." (Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft. Köln 1985, S. 82f.)

Kurt Tucholsky drückte die von Roth angedeutete in Jahrhunderten der Verfolgung und des Ghettos erworbene und vererbte Leidensfähigkeit der Juden in seinem letzten Brief an Arnold Zweig kurz vor seinem Freitod am15. Dezember 1935 bitter und provokant so aus:

„Das Judentum ist besiegt, so besiegt, wie es das verdient - und es ist auch nicht wahr, daß es seit Jahrtausenden kämpft. Es kämpft eben nicht ... Nein, liebe Freunde. Getto ist keine Folge - Getto ist Schicksal." (aus: Andreas Nachama / Gereon Sievernich (Hg.): Jüdische Lebenswelten. Berlin 1991, S. 632)

Arbeitshinweise

  • Lektüre, Diskussion
  • Zusammentragen von Material: Quellen und Fotos (z. B. in Salamander, Rachel (Hg.): Die jüdische Welt von gestern. 1860-1938. Text- und Bild-Zeugnisse aus Mitteleuropa. Wien 1990) zum Scheunenviertel, aber auch zu anderen historischen oder zeitgeschichtlichen Ghettos (s. o.,); Joseph Roth über Wien in Juden auf Wanderschaft.
  • Darstellen eines historischen Ghettos nach eigener Wahl (in Form einer Wandzeitung, eines Plakats, einer Lose-Blatt-Sammlung)
  • Erarbeiten der Unterschiede zu den nationalsozialistischen „Ghettos" (tabellarische Gegenüberstellung, repräsentative Einzelschicksale) Herausarbeiten des Lagercharakters der NS-Ghettos
  • Diskussion der Sätze von Tucholsky
  • Angst als Ursache von Ghettobildung (Angst der Mehrheit vor dem Fremden, Anderen - auch Angst innerhalb der Minderheit, daher Abschluß nach außen).

Barbara Heckel

 


Ausländische Juden in Berlin (1925)


Ein Viertel aller in Berlin lebenden Juden war 1925 ausländischer Staatsangehörigkeit. Diese stammten überwiegend aus Polen, Rußland und Galizien. Sie unterschieden sich als „Ostjuden" wesentlich von den deutschen Juden. Die Behörden verweigerten ihnen auch nach jahrzehntelangem Aufenthalt fast immer die deutsche Staatsbürgerschaft. Insgesamt lebten in Großberlin 1925 172.672 Juden, das waren 4,3% aller Einwohner.

Staatsangehörigkeit absolut in % aller jüdischen Ausländer
Polen 17423 39,7
Österreich 5326 12,1
Tschechoslowakei 2137 4,9
Ungarn 1904 4,3
Rumänien 1634 3,7
Rußland (UdSSR) 5185 11,8
Litauen 868 2,0
Lettland 849 1,9
Estland 43 0,1
Staatenlose 5037 11,5
andere 3432 7,8
  43838 99,8

 
aus: Hilker-Siebenhaar, Carolin (Red.): Juden in Berlin: 1671-1945. Ein Lesebuch. Berlin 1988, S. 191.
 


Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt


Ja, auch in Berlin gab es ein Ghetto. Ein freiwilliges. Lange vor Hitler. Genauer - bis zur Hitlerei. Denn dann gab es die unfreiwilligen. Und die Gaskammern.

Das Ghetto lag in der Grenadierstraße und ihrer Umgebung. Zwischen dem Bülowplatz, dem heutigen Luxemburgplatz, und der Münzstraße. Ausgerechnet in dieser Gegend hatten sich die Ostjuden niedergelassen, die 1914 vor den Kriegswirren aus Galizien geflüchtet waren. Was heißt ausgerechnet. Natürlich hatte das seine guten Gründe. Hier gab es die billigsten Wohnungen und die wenigsten Antisemiten. Einer folgte dem anderen nach. Bald wohnten sie Haus an Haus, Tür an Tür. Im Zusammenrücken glaubten sie Schutz zu finden, und wer weiß, vielleicht auch ein Stückchen Heimat. Viele Berliner verließen allmählich das Scheunenviertel.

Und auch so manche der Ostjuden zogen eines Tages wieder fort von hiert. Wenn sie das »große Los« gewonnen, daß heißt, wenn sie gute Geschäfte gemacht hatten und reich geworden waren. Dann siedelten sie sich in den Vierteln der Reichen an und versuchten, deren Lebensweise nachzuahmen. [...]

Doch die meisten der Ostjuden blieben im Ghetto. Und blieben, was sie waren: arme Schlucker. Mit unheimlich vielen Kindern. Sie rackerten sich ab, um die zahlreichen Mäuler irgendwie satt zu kriegen.

Das Berliner Ghetto umgaben keine Mauern, und doch war es eine abgeschlossene Welt. Es hatte seine eigenen Gesetze, seine Sitten und Gebräuche. Die orthodoxen Juden wachten darüber, daß sie streng eingehalten wurden. Es gab eine eigene Versorgung. Alles mußte ja koscher (rein, nach bestimmten rituellen Vorschriften zubereitet) sein. Die enge Grenadierstraße war voller kleiner Läden: Fleischwaren, Kolonialwaren, Grünkram, zwei Bäckereien, na und die Fischhandlung. Die durfte auf
keinen Fall fehlen. Denn was ist ein Sabbat ohne gefüllten Fisch! Eigene Handwerker, Schuster, Schneider, Trödler, Hausierer waren da. Und eine koschere Gaststätte mit einer vorzüglichen Küche. Doch im Mittelpunkt standen die zwei Bethäuser mit ihren beiden Rabbinern, den Vorbetern und den Schlattenschammes, den Synagogendienern.

Das Ghetto konnte sich sogar rühmen, eine eigene Diebes- und Hehlerbande zu haben. Eines Tages wurde bei uns eingebrochen. Das heißt, man brauchte gar nicht einzubrechen, die Wohnungstür stand stets offen. Bei uns war den ganzen Tag ein Kommen und Gehen. Mein Vater war nämlich einer der Rabbiner im Ghetto. Es kränkte ihn sehr, daß man es gewagt hatte, ihn, den »Vertreter Gottes auf Erden«, zu bestehlen. Er ließ sich den Bandenboß kommen. Jeder wußte, wo er wohnte. Sogar die Polizei wußte es. Aber er ging aus allem wie ein Unschuldslamm hervor. [...]

Eine besondere Kaste bildeten die Schnorrer (Bettler) im Ghetto. Die gab es in Scharen. Jeder von ihnen hatte eine bestimme Familie, bei der er Monat für Monat erschien und Geld kassierte. Pünktlich auf den Tag. So, als sei es sein Gehalt. Bekam mal einer keins, machte er Rabatz. Unser hauseigener Schnorrer jagte uns Kindern immer einen Schreck ein, wenn er kam. Er war ein großer, hagerer, einäugiger Mann, trug einen schwarzen, verwilderten Bart und Schläfenlocken. Sein Kaftan war fettig und voller Löcher, er selber frech und aufdringlich. Wenn meine Eltern ihn einen Monat vertrösten mußten, weil sie selber nicht wußten, wie sie den nächsten Tag zurechtkommen würden, wetterte er los: »Warum soll ich Ihnen das schenken? Wer schenkt mir denn was!« Er glaubte tatsächlich, ein Recht darauf zu haben. Das Betteln betrachtete er als seinen Beruf.


(aus: Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt. Berlin, 3. Aufl. 1995, S. 5-7.)

 


Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft

Kein Ostjude geht freiwillig nach Berlin. Wer in aller Welt kommt freiwillig nach Berlin?

Berlin ist eine Durchgangsstation, in der man aus zwingenden Gründen länger verweilt. Berlin hat kein Getto. Es hat ein jüdisches Viertel. Hierher kommen die Emigranten, die über Hamburg und Amsterdam nach Amerika wollen. Hier bleiben sie oft stecken. Sie haben nicht genug Geld. Oder ihre Papiere sind nicht in Ordnung.

(Freilich: die Papiere! Ein halbes jüdisches Leben verstreicht in zwecklosem Kampf gegen Papiere.)

Die Ostjuden, die nach Berlin kommen, haben oft ein Durchreisevisum, das sie berechtigt, zwei bis drei Tage in Deutschland zu bleiben. Es sind schon manche, die nur ein Durchreisevisum hatten, zwei bis drei Jahre in Berlin geblieben.

Von den alteingesessenen Berliner Ostjuden sind die meisten noch vor dem Kriege gekommen. Verwandte sind ihnen nachgereist. Flüchtlinge aus den okkupierten Gebieten kamen nach Berlin. Juden, die in Rußland, in der Ukraine, in Polen, in Litauen der deutschen Okkupationsarmee Dienste geleistet hatten, mußten mit der deutschen Armee nach Deutschland. [...]

In Berlin kann auch ein Hausierer Karriere machen. Er wird sich schneller assimilieren als seine Standesgenossen in Wien. Berlin gleicht die Verschiedenen aus und ertötet Eigenheiten. Deshalb gibt es kein großes Berliner Getto.

Es gibt nur ein paar kleine Judenstraßen, in der Nähe der Warschauer Brücke und im Scheunenviertel. Die jüdischste aller Berliner Straßen ist die traurige Hirtenstraße.

So traurig ist keine Straße der Welt. Die Hirtenstraße hat nicht einmal die hoffnungslose Freudigkeit eines vegetativen Schmutzes.

Die Hirtenstraße ist eine Berliner Straße, gemildert durch ostjüdische Einwohner, aber nicht verändert. Keine Straßenbahn durchfährt sie. Kein Autobus. Selten ein Automobil. Immer Lastwagen, Karren, die Plebejer unter den Fahrzeugen. Kleine Gasthäuser stecken in den Mauern. Man geht auf Stufen zu ihnen empor. Auf schmalen, unsauberen, ausgetretenen Stufen. Sie gleichen dem Negativ ausgetretener Absätze. In offenen Hausfluren liegt Unrat. Auch gesammelter, eingekaufter Unrat. Unrat als Handelsobjekt. Altes Zeitungspapier. Zerrissene Strümpfe. Alleinstehende Sohlen. Schnürsenkel. Schürzenbänder. Die Hirtenstraße ist langweilig vororthaft. Sie hat nicht den Charakter einer Kleinstadtstraße. Sie ist neu, billig, schon verbraucht, Schundware. Eine Gasse aus einem Warenhaus. Aus einem billigen Warenhaus. Sie hat einige blinde Schaufenster. Jüdisches Gebäck, Mohn
beugel, Semmeln, schwarze Brote liegen in den Schaufenstern. Ein Ölkännchen, Fliegenpapier, schwitzendes.

Außerdem gibt es da jüdische Talmudschulen und Bethäuser. Man sieht hebräische Buchstaben. Sie stehen fremd an diesen Mauern. Man sieht hinter halbblinden Fenstern Bücherrücken.

Man sieht Juden mit dem Talles unterm Arm. Sie gehen aus dem Bethaus Geschäften entgegen. Man sieht kranke Kinder, alte Frauen.

Der Versuch, diese Berliner langweilige, so gut wie möglich saubergehaltene Straße in ein Getto umzuwandeln, ist immer wieder stark. Immer wieder ist Berlin stärker. Die Einwohner kämpfen einen vergeblichen Kampf. Sie wollen sich breitmachen! Berlin drückt sie zusammen.

Ich trete in eine der kleinen Schankwirtschaften. Im Hinterzimmer sitzen ein paar Gäste und warten auf das Mittagessen. Sie tragen die Hüte auf dem Kopf. Die Wirtin steht zwischen Küche und Gaststube. Hinter dem Ladentisch steht der Mann. Er hat einen Bart aus rotem Zwirn. Er ist furchtsam.

Wie sollte er nicht furchtsam sein! Kommt nicht die Polizei in diesen Laden? War sie nicht schon einige Male da! Der Schankwirt reicht mir auf jeden Fall die Hand. Und auf jeden Fall sagt er: »Oh, das ist ein Gast! Sie sind schon so lange nicht dagewesen!« Niemals schadet eine herzliche Begrüßung.

Man trinkt das Nationalgetränk der Juden: Met. Das ist der Alkohol, an dem sie sich berauschen können. Sie lieben den schweren, dunkelbraunen Met, er ist süß, herb und kräftig. [...]

Das Kabarett fand ich zufällig, während ich an einem hellen Abend durch die dunklen Straßen wanderte, durch die Fensterscheiben kleiner Bethäuser blickte, die nichts anderes waren als simple Verkaufsläden bei Tag und Gotteshäuser des Morgens und des Abends. So nahe sind den Juden des Ostens Erwerb und Himmel; sie brauchen für ihren Gottesdienst nichts als zehn erwachsene, das heißt über dreizehn Jahre alte Glaubensgenossen, einen Vorbeter und die Kenntnis der geographischen Lage, um zu wissen, wo Osten ist, der Misrach, die Gegend des Heiligen Landes, der Orient, aus dem das Licht kommen soll.

In dieser Gegend wird alles improvisiert: der Tempel durch die Zusammenkunft, der Handel durch das Stehenbleiben in der Straßenmitte. Es ist immer noch der Auszug aus Ägypten, der schon Jahrtausende anhält. Man muß immer auf dem Sprung sein, alles mit sich führen, das Brot und eine Zwiebel in der Tasche, in der anderen die Gebetriemen. Wer weiß, ob man in der nächsten Stunde nicht schon wieder wandern muß.

aus: Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft. Köln 1985, S. 47-51.

 


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