Didaktische Reihe
Band 22

Werte in der politischen Bildung

 


Herausgeber:

Gotthard Breit
Siegfried Schiele

LpB, 2000, 464 S.



  Inhaltsverzeichnis

Sibylle Reinhardt

Bildung zur Solidarität

Solidarität

Der Begriff der Solidarität hat heutzutage einen äußerst positiven Klang - er ruft Gefühle der Wärme und Gedanken an gesellschaftliche und individuelle Integrität hervor. "Solidarität" kann - so scheint es - Einheit stiften und der Trauer über (angeblich) verlorenen Zusammenhalt im persönlichen und gesellschaftlichen Leben das treffende Wort verleihen. Nur: es ist alles viel schwieriger, als es diese zur Zeit gängige ganzheitliche Vokabel auf die Schnelle verspricht.

In der Didaktik der politischen Bildung ist "Solidarität" ein Klassiker: sie ist eine der elf Kategorien von Hermann Giesecke für die Analyse politischer Konflikte und geht davon aus, dass "der einzelne nicht allein seine Interessen und Wünsche realisieren (kann)" (Giesecke 1972, S. 166 - ähnlich schon Giesecke 1968, S. 109-111). Und weiter: "Der einzelne kann nur mit Hilfe anderer Menschen, die die gleichen Interessen vertreten wie er selbst, seine Wünsche in der politischen Wirklichkeit durchsetzen (Solidarität)." (Giesecke 1972, S. 180) Diese Solidarität ist legales und legitimes Instrument für die Durchsetzung eigener Interessen, aber sicherlich kein Weg zu übergreifender gesellschaftlicher Integration.

Die Spannung, die hier deutlich wird, hat auch die Diskussion um den Beutelsbacher Konsens gezeigt. Als dritter Grundsatz wurde 1976 formuliert: "Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen (Hervorh. i.O.). " (Dokumentation 1996, S. 226) Gegen diese Formulierung wird seit langem eingewandt, dass "über eigene Interessen hinaus Solidarität" (Schiele 1996, S. 7) nötig ist, jedenfalls ein "Minimum an Solidarität und Gemeinsinn" (Schneider 1996, S. 201), so dass der dritte Grundsatz häufig um die "Mitverantwortung für das soziale Zusammenleben und das politische Ganze" (Dokumentation 1996, S. 227) erweitert wird. Diese Erweiterung ist zwingend notwendig, wenn wir nicht die Illusion pflegen wollen, die allseitige Vertretung von Einzelinteressen führe - wie durch eine unsichtbare Hand - automatisch zur Integration des Ganzen.

Die sozialwissenschaftlichen Diagnosen der Gegenwart bezeichnen Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung als zentrale Trends und verweisen damit zugleich auf Probleme der Desintegration, der Werte-Unklarheit und der Entsolidarisierung (vgl. Reinhardt 1999, Kap. 2). In einer pessimistischen Variante könnte man befürchten, dass die zwei Mechanismen, die die Soziologie für die Integration sozialer Systeme angibt, nicht (mehr) funktionieren: weder der funktionale Zusammenhang, der aus gesellschaftlicher Differenzierung mit dann unterschiedlich strukturierten gesellschaftlichen Teilsystemen (wie Wirtschaft, Erziehung, Politik) und der damit wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit resultiert, stellt sich friktionsfrei her, noch ist der normative Zusammenhang, der aus gemeinsamen Werten und geteilten kulturellen Überzeugungen entsteht, eine Gewissheit.

Der Ruf nach Solidarität ist ein Anfang - notwendig, aber nicht ausreichend, weil "Solidarität" ein vieldeutiger Begriff ist, hinter dem sich im konkreten Fall sowohl überbordendes Mitleid oder auch verschleiertes Eigeninteresse und vieles andere mehr versammeln kann. Der Ruf nach Solidarität kann sogar als Sackgasse kritisiert werden: So betont Werner Becker den Wert der "Toleranz" als Grundwert der Demokratie ausdrücklich gegen die öffentlich beschworene Tugend der wärmenden Nähe der Solidarität, weil nur die kühle Tugend substanzieller Toleranz zur Fähigkeit führen könne, "auf die Durchsetzung der jeweils eigenen Position" (Becker 1997, S. 418) zu verzichten zugunsten der Akzeptanz von Mehrheitsentscheiden, Minderheitenschutz und auch Nicht-Entscheiden. Nur das Begreifen und das Billigen von Unterschieden, ohne sie zu verwischen und zu egalisieren, vermag Toleranz in einem gehaltvollen Sinne zu ermöglichen, für die menschlich-persönliche Nähe - also die wärmende Solidarität - nicht genügt.

Die sozialwissenschaftliche Diskussion um "Solidarität" hat 1999 einen Niederschlag im Heft 2 der Zeitschrift "Ethik und Sozialwissenschaften" mit dem Hauptartikel der Psychologen Hans-Werner Bierhoff und Beate Küpper und den zahlreichen Kritiken von Theologen, Soziologen, Psychologen, Philosophen, Politologen, Juristen, Erziehungswissenschaftlern gefunden. Auch die Überlegungen von Helmut Thome zu "Soziologie und Solidarität" (1998) können bei der Begriffsanalyse helfen. Als Kerndefinition des gängigen Begriffsgebrauchs kann gelten: "Als solidarisch wird ein Handeln bezeichnet, das bestimmte Formen des helfenden, unterstützenden, kooperativen Verhaltens beinhaltet und auf einer subjektiv akzeptierten Verpflichtung oder einem Wertideal beruht." (Thome 1998, S. 219)

Dieser Definition können sich weitere Bestimmungen anschließen oder auch nicht:

- Handelt es sich um eine Norm in einem Sozialsystem oder um eine verinnerlichte Verhaltensdisposition im Persönlichkeitssystem? (a.a.O.)

- Ist Solidarität das Handeln für die Anliegen einer sozialen Einheit unter Zurückstellen der eigenen Anliegen, ist sie also - anders als Altruismus - an eine bestimmte soziale Einheit geknüpft? (Montada 1999, S. 222)

- Hat Solidarität nicht einen doppelten Gehalt als (emanzipatorischer oder christlicher) Wert und als Modus der Interessenverfolgung? (Nissen/Fetscher 1999, S. 224, 203)

- Ist Solidarität geknüpft an Freiwilligkeit oder gibt es auch (strukturell, rechtlich) erzwungene Solidaritäten (z.B. im Sozialstaat) mit äußerlichen Solidaritäts- und Gerechtigkeitspflichten? (Ockenfels 1999, S. 226 f.)

- Geht es um den Verfolg gemeinsamer Interessen (Kooperation) oder - auch - um den Verfolg der Interessen anderer bei unterschiedlichen Interessen (Altruismus)? (Bierhoff/Küpper 1999, S. 254)

- Wird Solidarität - ähnlich wie Gerechtigkeitsorientierungen, die dem solidarischen Handeln seinen Grund geben, - im Laufe der Lebens- und Bildungsgeschichte entwickelt und also verändert? (Krettenauer 1999, S. 215)

- Ist Solidarität emotional gegründet auf Zusammengehörigkeitsgefühl und/oder auf rationales Kalkül und/oder auf die Einsicht in Regeln? (Wehner 1999, S. 237)

- Ist der Solidarität ein Partikularismus inhärent, der die Empfindung der Wärme ermöglicht? (Sahle 1999, S. 232)

- Bezeichnet Solidarität individuelles Handeln und/oder eine Funktion für die Gesellschaft? (Boos 1999, S. 199)

- Welches Motivspektrum kommt in Solidarität zum Ausdruck: Hilfsbereitschaft neben der Suche sozialer Anerkennung und dem Streben nach Vergnügen? (Baringhorst 1999, S. 197)

Diese und andere Fragen sind unabweisbar relevant; ihre Heterogenität könnte zur Auflösung des Konzepts der Solidarität und zur Aufgabe des Begriffs führen, wogegen aber dessen Bedeutung in der öffentlichen Diskussion um den Zustand dieser Gesellschaft spricht.

Aus mehreren Gründen halte ich die Fragestellungen von Helmut Thome für fruchtbar: Er führt vier Formen der Solidarität an und erläutert auf diese Weise subjektive Gründe und gesellschaftliche Integration; auch bietet er den Anschlusspunkt zu allgemeineren moralischen Konzepten und zu Bildungskonzepten: Formen der Solidarität sind 1. die auto-telische, expressive, emotionale und 2. die instrumentelle - beide Formen kreisen um die eigene Person, haben das eigene Leben zum Horizont, in den andere eingefügt werden. Partikularismus und Affektivität (vgl. die pattern-variables von Talcott Parsons) machen in der ersten Form das Zusammensein zum Zweck und Wert in sich, in der zweiten Form geht es um die Nutzung komplementärer Interessen in der Kooperation. Die 3. und die 4. Form der Solidarität - die sozio-moralische und die politische Solidarität - bezeichnen die "Teilhabe des Individuums an einer den individuellen Lebenshorizont überschreitenden Gemeinschaft" (Thome 1998, S. 229).

Damit ist unser Problem mit der Solidarität klarer formuliert: Keine dieser vier Formen ist unsinnig oder gar unmoralisch - aber sie bezeichnen recht Unterschiedliches, womöglich Widersprechendes. Die unmittelbare Gratifikation des Zusammenseins mit nahen Menschen hat Wert in sich (mindestens für die Betroffenen, wohl auch für den Zusammenhalt des Ganzen), kann aber offensichtlich diesen engen Horizont nicht per se transzendieren. Auch kann die Verpflichtung zur Solidarität in Familie oder Clique repressive Züge zeigen (Gruppendruck), und schließlich können vorzüglich integrierte Gruppen das umfassende Gemeinwesen gefährden. Für den einzelnen ist eine eindeutige Zugehörigkeit ohnehin unmöglich, weil in hochdifferenzierten Gesellschaften jedes Individuum vielen Gruppen und Organisationen angehört und weil diese multiplen Zugehörigkeiten überschneidende Loyalitäten bedingen. Inhaltliche Klarheit ist nicht einmal auf der Ebene von Gruppensolidarität möglich und schon gar nicht auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene.

Die resultierende Frage ist, "wieweit sich solidarische Handlungen statt von erlebten Zugehörigkeiten und emotionaler Nähe von moralischen Richtigkeitsüberzeugungen - auch gegen wohlverstandenes Eigeninteresse - motivieren lassen" (Thome 1998, S. 243). Diese moralischen Richtigkeitsüberzeugungen können nur angeleitet werden von universalistischen Prinzipien, wodurch die Solidarität sozialer Nähe durch eine Solidarität sozialer Ferne ergänzt wird. Dabei ist zu betonen, dass es um die Ergänzung geht, nicht etwa um die Ersetzung der einen Solidarität durch die andere.

Bildungsprozesse haben dann die Aufgabe, die unterschiedlichen Formen der Solidarität zu fördern, ihre Differenz begreifbar zu machen und so jeweilige Entscheidungen mit Gründen zu ermöglichen. Reflexivität tritt zum unmittelbaren Leben und zum Lernen von "Stoff" hinzu; Schule bietet dann Lebensraum, Lernzeiten und Reflexionsstrukturen. Die didaktische Aufgabe ist eine mehrfache: Die Fachdidaktik muss Instrumente und Kriterien für den Unterricht entwickeln und prüfen, die solche Differenzen und Integrationen analysierbar und erfahrbar machen. Die allgemeine Didaktik muss solche Verfahren für Schule und Unterricht entwickeln und prüfen, die die Lebens- und Lernwelten mit Reflexionsstrukturen verknüpfen.

Meine Vorschläge (vgl. Reinhardt 1999) stellen das Thema der "Solidarität" in jenen Kontext, den Helmut Thome mit dem Hinweis auf moralische Richtigkeitsüberzeugungen und universalisierungsfähige Prinzipien bezeichnet hat: die Entwicklung weiterer Solidaritäten als jener der egozentrischen Kleingruppe ist ein Prozess der Ausfaltung von Kompetenzen, die auch das moralische Urteilen beinhalten. Sie sind nicht trennbar und können ineinander formuliert werden, auch wenn möglicherweise Kohlbergs Strukturen moralischen Urteilens (1987) die kognitive Seite eher betonen als die affektive und die unterschiedlichen Formen der Solidarität eher die affektive Fundierung des Zusammenhangs hervorheben als die kognitive.

Streitkultur im Unterricht

Für die Verhandlung von Fragen der Solidarität brauchen wir Verfahren, die den Streit kultivieren und nicht zur Zankerei verkommen lassen. Die Diskussion aktueller Streitfragen im Unterricht entgleitet manchmal in bloßen Schlagabtausch, bei dem die aufgeworfenen Gründe oder Argumente nicht zur Entscheidung beitragen können. Je relevanter die Streitfrage, umso nötiger ist die Hilfe durch Verfahren, damit Distanz statt Unmittelbarkeit möglich wird. Ein Beispiel aus der letzten Zeit ist der Kosovo-Konflikt, dessen Diskussion - die ja fast immer in gespaltenen Meinungslagern stattfand - die äußerste Anstrengung von Zivilität erforderte. Dies ist nicht garantiert, z.B. dann nicht, wenn die Entscheidungsfrage, ob eine Intervention aus humanitären Gründen zu rechtfertigen war, mit dem ideologiekritischen Verweis auf die Vorteile des Krieges für die Rüstungsindustrie beiseite geschoben wird - als beantworte dieser vielleicht zutreffende Verdacht die moralische Frage. (Jürgen Habermas hat auf dem Freiburger Soziologiekongreß 1998 zur Revision seiner berühmten Schrift "Erkenntnis und Interesse" angemerkt: Ideologiekritik könne nicht das Muster für Gesellschaftskritik sein, weil ihr der Maßstab fehle - vgl. Habermas 1999, S. 450.) Solche Verkürzung versucht das Dilemma zu vermeiden und bringt der Gegenseite nicht einmal jenes Maß an Achtung entgegen, die das Bemühen um eine - vielleicht von später aus gesehen falsche - verantwortbare Entscheidung verlangen kann.

Michael May hatte im Sommer 1998 eine Unterrichtsreihe zum Kosovo-Problem unter dem Titel "Intervention aus humanitären Gründen?" mit dem fachdidaktischen Ansatz der moralisch-politischen Urteilsbildung entworfen. Als die Veröffentlichung im Frühjahr 1999 erschien, war sie von zynischer Aktualität, weil sie den Krieg kommentierend begleitete. Im Sommer 1999 hat Michael May die Reihe - nun auf die Vergangenheit gerichtet mit der Frage: War die Intervention gerechtfertigt? - in einer 10. Klasse in Teilen unterrichtet. Dieser Ablauf provoziert die Frage, ob die Reihe in didaktisch zentralen Elementen auf zukünftige Konflikte anwendbar ist und damit exemplarischen Charakter haben kann.

Der Titel "Intervention aus humanitären Gründen?" ist wohl eine überdauernde Formulierung, weil er die Frage nach der Solidarität stellt. Sind wir verpflichtet zur Solidarität mit jenen fernen und fremden Menschen im Kosovo, deren Leben gefährdet erscheint? Steht solcher Solidarität etwa die Achtung vor dem Völkerrecht entgegen - und warum wäre dieses zu achten? Welche Konsequenzen/Folgen kann welches Handeln haben - wollen wir diese bzw. können wir sie verantworten? Die Fragen sind zu ernst, als dass der Schlag auf den Stammtisch auch nur emotionale Entlastung bringen kann. Die Dilemmata sind zu real, als dass eine klare und eindeutig richtige Antwort möglich wäre. Die Möglichkeit von Schuld ist bei jeder Entscheidung gegeben.

Die Kultivierung des Streits und der Erwerb von Distanz unter Einschluss von unmittelbarer Stellungnahme und subjektiven Zugängen zeigt sich in der gewählten Struktur der Reihe (Methode) und in den gewählten Verfahren (Arbeitsweisen):

I) Konfrontation und erste Reaktion

Ein Fall, eine Abstimmung, Fragen.

II) Erschließung des Falles

Völkerrechtliche Regelungen, historische und geo-politische Hintergründe werden zur Intervention in Beziehung gesetzt.

III) Erarbeitung, Klärung und Strukturierung der Argumente

Ein Rollenspiel produziert und repräsentiert konfligierende Perspektiven, in einer Tabelle werden die Argumente sortiert.

IV) Reflexion der Gründe

An eine erneute Abstimmung schließen sich je individuelle Begründungen für die Entscheidung an.

V) Politische Phase

Die Frage, ob das moralische Dilemma den Individuen aufgebürdet sein soll, führt zur Frage nach der Änderung des Völkerrechts.

VI) Rückblick

Die Reflexion auf den Ablauf der Unterrichtseinheit kann die verwandten Schritte und Verfahren bewusst und verfügbar machen.

Exemplarisch ist an diesem Ablauf (für Details siehe Anhang) der Wechsel zwischen Unmittelbarkeit und Distanz. Subjektive Zugänge dürfen nicht übersprungen oder ausgeblendet bleiben, weil sonst eine untergründige Emotionalität die sog. sachliche Bearbeitung stört und zerstört. Diese Bearbeitung der Sache (hier: historische, völkerrechtliche, geopolitische Informationen) entscheidet die moralische Streitfrage nicht - die Sache hilft uns weiter in der Analyse, aber nicht beim Urteil. Deshalb müssen die Argumente - und zwar möglichst handlungsorientiert, also Betroffenheit zulassend und provozierend - auf den Tisch (hier wörtlich zu nehmen, weil eine Sitzung - je nach Zeitpunkt des Rollenspiels an unterschiedlichen Orten - simuliert wird). Ihr Sortieren gibt der erneuten subjektiven Entscheidung eine Grundlage und zugleich den Ausgangspunkt für die Rechtfertigung der Entscheidung. Die Politisierung des Dilemmas, dessen Entscheidung ja mindestens einen wichtigen Wert verletzt hat und deshalb Begründungen notwendig macht, stellt die moralische Frage in den Kontext von überindividuellen Regelungen, also völkerrechtlichen Institutionen, und befragt deren Qualität. Der Rückblick fasst weniger die erworbenen sachlichen Kenntnisse ins Auge, sondern vornehmlich den methodischen Gang der Auseinandersetzung.

Dieser Seite der Lernenden ist die Seite des Lehrenden zu ergänzen: die Kenntnis und Nutzung der unterschiedlichen Strukturen (Stufen) des moralischen Urteilens, wie Kohlberg sie entwickelt hat, hat dem Lehrenden die Sortierung der Argumente und die Analyse des moralischen Dilemmas erleichtert. (In anderen Fällen, vornehmlich in der Oberstufe, kann den Schülern das Modell von Kohlberg als Instrument zur Klassifikation von Argumenten für ihre Reflexion an die Hand gegeben werden - vgl. Reinhardt 1999).

Nicht exemplarisch ist der konkrete Fall oder Konflikt und das darin enthaltene moralische Dilemma. Ändern wird sich die notwendige Palette von Sachinformationen, die - je nach aktuellem Informationsstand der Lernenden - ohnehin variabel bleibt: Wenn die Lernenden über Medienberichte mit Informationen gerade gut versorgt sind, kann die Erschließung des Falles viel schneller gehen als in anderen Zeitpunkten. Fazit: Exemplarisch ist die Art des Zugangs zu solchen Fragen, also das fachdidaktische Prinzip der moralisch-politischen Urteilsbildung.

Solidarität und Streitkultur im Schulleben

Offensichtlich ist die Schule eine Institution, die nicht die Solidarität der Ferne verkörpern kann, aber auch nicht begrenzt ist auf die Solidarität der unmittelbaren Nähe. Als Institution zwischen Gruppe und Öffentlichkeit bietet sie Chancen der Einbindung und Selbstvergewisserung, die kein anderer Lebensbereich strukturell in derselben Weise bietet. Als Institution des konkreten Lebens fordert sie einen greifbaren Solidaritätsbegriff, der sich nicht in die kognitive Abstraktion der Weltgesellschaft verflüchtigen kann.

Hilfreich ist die Unterscheidung der "Muster intersubjektiver Anerkennung" durch Axel Honneth (1994, S. 148-211): Liebe, Recht, Solidarität. (So setzt auch Peter Henkenborg bei seiner Untersuchung von "Demokratie-Lernen im Schulalltag" an.) Liebe und Freundschaft sind an Sympathie und Zuwendung gebunden, sie sind nicht verfügbar mit dem Ziel der willkürlichen Ausweitung, sie bleiben notwendig partikular - und haben jene Bindungsqualität, die die "unverzichtbare Basis" für jenes Selbstvertrauen ist, das wiederum die Basis für die autonome Teilnahme am öffentlichen Leben ist (Honneth 1994, S. 174). Das Rechtssystem der Moderne, das das Recht konkreter Gemeinwesen mit ihren kooperativen Rechten und Pflichten überschreitet und generalisiert, bringt "eine neue, höchst anspruchsvolle Form der Reziprozität" für die Anerkennung zum Ausdruck. Die "Rechtssubjekte erkennen sich (...) wechselseitig als Personen an, die in individueller Autonomie über moralische Normen vernünftig zu entscheiden vermögen" (Honneth 1994, S. 177).

Das Problem, das uns beschäftigt, wird von Axel Honneth klar bezeichnet: Dieser Typ der universalistischen Achtung ist eine "rein kognitive Verstehensleistung" (S. 178). Sie setzt affektiven Regungen sogar Schranken - und transzendiert damit das konkrete Individuum in einem Maße, das nach der subjektiven Ermöglichung dieser Verstehensleistung fragen lässt. Während in traditionsvermittelten Verhältnissen rechtliche Anerkennung und soziale Wertschätzung für das konkrete Individuum zusammengingen, kommt nun in der "rechtlichen Anerkennung (...) zum Ausdruck, daß jedes menschliche Subjekt unterschiedslos als ein 'Zweck an sich' gelten muß" (Honneth 1994, S. 180). Wie aber kann dann das Subjekt soziale Achtung für seinen Wert als unverwechselbares Individuum erlangen? Während auf der Seite der Rechte der Kampf um Anerkennung ihre jeweilige Anreicherung ergab (von liberalen Freiheitsrechten über politische Teilnahmerechte zu sozialen Wohlfahrtsrechten), die zweifellos auch eine psychische Bedeutung für die Selbstachtung von Kollektiven besitzt, bleibt das Bedürfnis der Menschen bestehen, über affektive Zuwendung und rechtliche Anerkennung hinaus auch die Erfahrung der sozialen Wertschätzung ihrer ganz konkreten Personen zu machen (vgl. Honneth 1994, S. 180-196).

Weder ständische Ehre noch historisch jüngere Wertschätzungen von Kollektiven - die ihrerseits alle um symbolische Anerkennungen ringen und so eine Ausweitung von Möglichkeiten des Ansehens erstreben - können die sozialstrukturell moderne Antwort auf das Problem der "Solidarität" geben, die Axel Honneth als drittes Muster intersubjektiver Anerkennung - nach Liebe und Recht - behandelt. Solidarität bedeutet, dass "die Subjekte wechselseitig an ihren unterschiedlichen Lebenswegen deswegen Anteil nehmen, weil sie sich untereinander auf symmetrische Weise wertschätzen" (Honneth 1994, S. 208). Gesellschaftliche Prozesse der Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung entziehen der kollektiven Identität ihre Grundlage; der einzelne muss und kann die soziale Achtung, die er durch andere für seinen Beitrag zum Ganzen erfährt, sich selbst und nicht einem Kollektiv, dem er angehört, zurechnen. Diese Wertschätzung geht mit jenem gefühlsmäßigen Vertrauen einher, als wertvoll anerkannte Leistungen erbringen zu können. Axel Honneth spricht hier von "Selbstschätzung", nachdem er von Selbstvertrauen (im Verhältnis der emotionalen Zuwendung) und Selbstachtung (im Verhältnis der kognitiven Achtung) gesprochen hatte. (Honneth 1994, S. 209-211).

Die theorie- und sozialgeschichtliche Untersuchung von Axel Honneth erbringt Muster von Anerkennungsverhältnissen, die in der Institution Schule alle neben- und durcheinander existieren und existieren müssen, wenn die lernenden Individuen die Chance erhalten sollen, sich selbst zu entwickeln. Neben der Zuwendung zwischen Freunden oder in Zweier-Beziehungen finden wir die abstrakte Achtung vor dem Schüler als Rechtssubjekt in einem System geteilter und gleicher Rechte (auf die Achtung seiner Person, auf Gerechtigkeit in der Bewertung, auf gleiche Teilhabe an Mitbestimmungsverfahren) und - mit vermutlich mehr Brechungen - die Schätzung für seinen Beitrag zum gemeinsamen Leben, die er durch seine Fähigkeiten erbringt. (Natürlich finden wir auch die jeweiligen Formen der Missachtung, nämlich Misshandlung, Ausschließung und Entwürdigung.)

Möglicherweise kann Axel Honneths moralische Grammatik sozialer Konflikte - so der Untertitel des Buches - verstehen helfen, wo und wann in der Schule welche Anerkennungsverhältnisse realisiert oder verfehlt werden. Für die Diagnose mag eine Auflistung von Wegen der Mitwirkung in der Schule nützlich sein:

- Unterrichtsstile, Verkehrsformen;

- Partizipation im Fachunterricht und in der Klasse;

- Schlichter-Verfahren, Konflikt-Mediation;

- Schülervertretung als repräsentativer Mechanismus;

- Demokratische Schulgemeinde (Just Community) als direktdemokratisches Verfahren;

- Schülerbeauftragter (Ombudsman) als individualer Weg der Anrufung;

- Verwaltungsrecht als rechtsstaatliche Garantie von Individualrechten.

Wir könnten in einem nächsten Schritt genauer und konkreter prüfen, welche Muster der Anerkennung diese Verfahren einräumen: ob emotionale Zuwendung, kognitive Achtung oder soziale Wertschätzung - oder welches Gemenge. Dabei sollten wir diese unterschiedlichen Wege nicht gegeneinander ausspielen, sondern ihren jeweiligen Eigenwert mit spezifischen Chancen akzeptieren. Eine zentrale Aufgabe von Schule ist der Versuch, zur Entfaltung der Fähigkeit beizutragen, unterschiedliche Weisen emotionaler Bindungen und kognitiver Begründungen leben zu können, was auch heißt, die Begrenzung der nur unmittelbaren Gemeinschaft und des konkreten Denkens zu überschreiten, die Differenzen zu analysieren und situationsgerechte und verantwortbare Entscheidungen treffen zu können.

Der Begriff der Solidarität ist gut geeignet, das Neben- und Ineinander von affektiven und kognitiven Vorgängen bewusst zu halten. Damit wird die Relevanz von Fachunterricht - vgl. das Beispiel zum Kosovo-Konflikt - ebenso betont wie die Bedeutung des Schullebens. Ein konkretes Beispiel aus dem nordrhein-westfälischen Modellversuch "Demokratie und Erziehung in der Schule" (vgl. Landesinstitut 1991, 1993) kann illustrieren, wie Solidaritäten durch demokratischen Streit generalisiert werden - im Rahmen der gegebenen konkreten Institution (Bericht bei Schirp 1998, S. 317f.):

In der Just Community einer Hauptschule führten die Klagen türkischer Mädchen über das Benehmen von Jungen ihnen gegenüber zu ihrer Forderung, ein türkisches Mädchencafé einzurichten. Sie erhielten die Zustimmung der Schulgemeinde - das Café wurde realisiert. Einige Zeit später forderten die deutschen Mädchen - mit ähnlichen Gründen - ein deutsches Mädchencafé. An diesem Punkt legitimer Gruppeninteressen ergab sich - weil die Ressourcen für ein zweites Café fehlten und sich deshalb Frustration ausbreitete - eine erste Verallgemeinerung: ein Café für alle Mädchen. Als die Jungen ihren Ausschluss und ihre Isolierung von den Mädchen begriffen, beantragten sie, in das Café aufgenommen zu werden. Diese weitere Verallgemeinerung wurde dadurch möglich, dass feste Regeln vereinbart wurden (wie: keine Beleidigungen, keine Anmache, Mithilfe beim Putzen etc.). In diesem Fall wurden Gruppensolidaritäten mit anderen Gruppensolidaritäten so vermittelt, dass ein gemeinsam hergestellter sozialer Zusammenhang resultierte.

 

Thesen zur Werte-Bildung

Unterricht und Schulleben gehören wegen ihrer Differenzen zusammen. Bildung und Erziehung sind zwar analytisch, aber nicht real zu trennen. Deshalb berühren Konzepte der Werte-Bildung - wie auch das zur Zeit prominente Konzept der Solidarität - immer Möglichkeiten des Unterrichts und Möglichkeiten des Schullebens. Diese Zusammenhänge können in Thesen formuliert werden (Reinhardt 1999, S. 155f.):

1. "Werte-Erziehung" kann in einer modernen Gesellschaft nicht Werte-Vermittlung im Sinne von Werte-Indoktrination sein; der Vorgang muss reflexiv erfolgen.Denn Überlieferung allein trägt nicht mehr. Nur die gemeinsame Vergewisserung, also die aktive Leistung von Individuen, kann Orientierungen ermöglichen.

2. "Werte-Reflexion" muss sachgebunden erfolgen. Die Isolierung der Wertedimension von den Dimensionen der Realität würde die Gefahr von bloßer Gesinnungsethik und sachfremder Emotionalität provozieren. Denn die Frage nach - zum Beispiel - der Verantwortbarkeit der Kernkraft oder der Gentechnik kann nicht ausgelagert werden in gegenstandsfremde Räume, sondern muss auch Sache der Physik und der Biologie sein. Werte-Bildung gehört also auch in die naturwissenschaftlichen Fächer der Schule. Andernfalls hätten die einen die sog. Sachlogik monopolisiert und die anderen die Moral, ohne dass die Spannung zwischen ihnen ausgetragen würde.

3. Die Beschäftigung mit Normen und Werten in reflexiver Einstellung muss als Teil der Allgemeinbildung erfolgen und nicht in (z.B. konfessionell) segmentierter Form. Denn die öffentliche Schule muss die sozialen und kulturellen Identitäten miteinander so vermitteln, dass Gemeinsames trotz der Differenzen erarbeitet werden kann. Weder ist eine Trennung der Lerngruppen nach Geschlecht, nach sozialer Herkunft, nach regionaler Zugehörigkeit oder nach politischen Loyalitäten sinnvoll, noch eine Trennung nach religiöser Herkunft oder Wahl. Andernfalls würde die Schule das Problem dieser Gesellschaft, dass ihre Teilbereiche nicht zusammenfinden, noch einmal reproduzieren.

4. Der "Werte-Bezug" ist der Beschäftigung mit allen Gegenständen immanent. Deshalb ist "Werte-Reflexion" ein Unterrichtsprinzip und nicht (nur) die Aufgabe von Spezialfächern. Denn so wenig die Frage des Wollens und Sollens von den Sachen gelöst werden darf, so wenig darf die Illusion gehegt werden, es gäbe Gegenstände ohne Werte-Relevanz. So enthalten - zum Beispiel - auch die Strukturen sportlicher Spiele bestimmte Wertsetzungen und machen Aussagen über die Koordination menschlichen Handelns, die bewusst gemacht und befragt werden können.

5. Reflexivität als Merkmal des Lernens in der Moderne verlangt ein interaktionistisches Lernkonzept, in dem die lernenden Subjekte den Prozess aktiv mit konstruieren. Denn objektive Anforderungen und subjektive Bedürfnisse müssen in einem Prozess lebendiger Interaktion miteinander vermittelt werden. Die Didaktiken der Unterrichtsfächer müssen ihre unterrichtlichen Strategien so entwerfen, dass die Lernenden Chancen zur Partizipation an den Entscheidungen für den Unterricht und in den Unterrichtsprozessen haben.

6. Dem Werte-Bezug einer Demokratie muss auch das Schulleben entsprechen. Die Schülervertretung, die demokratische Schulgemeinde, die Verkehrs- und Interaktionsformen in Schule und Unterricht drücken Werte-Bezüge aus und sind nicht neutral. Denn ein verheimlichter Lehrplan ist wirkungsvoll und bedarf der Aufklärung und Beurteilung. Achtung und Solidarität, Anerkennung und Wertschätzung werden im Umgang von Menschen ausgedrückt oder dementiert. Ihre - auch kontra-faktische, also optimistisch überschüssige - Präsenz fördert die Autonomie der Lernenden und damit auch das Lernen in und für Demokratie.

Literatur

Becker, Werner: Toleranz: Grundwert der Demokratie? In: Ethik und Sozialwissenschaften. Heft 4/1997, S. 413- 423

Bierhof, Hans-Werner/Küpper, Beate: Das "Wie" und "Warum" von Solidarität: Bedingungen und Ursachen der Bereitschaft zum Engagement für andere. In: Ethik und Sozialwissenschaften. Heft 2/1999, S. 181-196; Kritiken u.a. von Sigrid Baringhorst, Margarete Boos, Iring Fetscher, Tobias Krettenauer, Leo Montada, Sylke Nissen, Wolfgang Ockenfels, Rita Sahle, Helmut Thome, Burkhard Wehner auf den Seiten 196-242, eine Replik von Hans-Werner Bierhoff/Beate Küpper auf den Seiten 242-255.

Dokumentation Beutelsbacher Konsens und Änderungsvorschläge. In: Schiele, Siegfried/Schneider, Herbert (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens? Schwalbach/Ts. 1996, S. 226f.

Giesecke, Hermann: Didaktik der politischen Bildung. München 1968

Giesecke, Hermann: Didaktik der politischen Bildung. Neue Ausgabe. München 1972

Habermas, Jürgen: Einführende Bemerkungen. In: Hermann Schwengel (Hrsg.): Grenzenlose Gesellschaft? 29. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Band II/ 2: Ad-hoc-Gruppen. Pfaffenweiler 1999, S. 448-455

Henkenborg, Peter: Politische Bildung durch Demokratie-Lernen im Schulalltag. In: Sander, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. Schwalbach/Ts. 1997, S. 241-257

Honneth, Axel: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. Frankfurt /M. 1994

Kohlberg, Lawrence: Moralische Entwicklung und demokratische Erziehung. In: Georg Lind/Jürgen Raschert (Hrsg.): Moralische Urteilsfähigkeit. Eine Auseinandersetzung mit Lawrence Kohlberg über Moral, Erziehung und Demokratie. Weinheim 1987, S. 25-43

Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Schule und Werteerziehung - ein Werkstattbericht. Soest 1991

Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Werteerziehung in der Schule - aber wie? Soest 1993

May, Michael: Intervention aus Humanität? Moralisch-politische Urteilsbildung am Beispiel des Kosovo. In: Gegenwartskunde. Heft 1/1999, S. 85-97

May, Michael: Vom Nutzen der Werte-Bildung für das Lernfeld der internationalen Beziehungen. In: Politik Unterrichten. Heft 2/1999, S. 42-51

Reinhardt, Sibylle: Werte-Bildung und politische Bildung. Zur Reflexivität von Lernprozessen. Opladen 1999

Schiele, Siegfried: Der Beutelsbacher Konsens kommt in die Jahre. In: Schiele, Siegfried/Schneider, Herbert (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens? Schwalbach/Ts. 1996, S. 1-13

Schiele, Siegfried/Schneider, Herbert (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens? Schwalbach/Ts. 1996

Schirp, Heinz: Schulöffnung und Lernkultur. In: Keuffer, Josef/Krüger, Heinz-Hermann/Reinhardt, Sibylle/Weise, Elke/Wenzel, Helmut (Hrsg.): Schulkultur als Gestaltungsaufgabe. Partizipation - Management - Lebensweltgestaltung. Weinheim 1998, S. 313-325

Schneider,Herbert: Gemeinsinn, Bürgergesellschaft und Schule - ein Plädoyer für bürgerorientierte politische Bildung. In: Schiele, Siegfried/Schneider, Herbert (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens? Schwalbach/Ts. 1996, S. 199-225

Thome, Helmut: Soziologie und Solidarität: Theoretische Perspektiven für die empirische Forschung. In: Bayertz, Kurt (Hrsg.): Solidarität. Begriff und Problem. Frankfurt/M. 1998, S. 217-262

 

Anhang

Michael May: Intervention aus humanitären Gründen?

Gliederung der Unterrichtsreihe

 

 

Unterrichtsphase

Arbeitsschritt

Sozialform

Medien

Material

I. Konfrontation

und erste Reaktion

a) Konfrontation: das Schicksal einer Familie o. eines Dorfes im Kosovo

Einzelarbeit

Zeitungsartikel

(MI/1)

 

b) spontane Phase der Reaktion; L: "Was sagt ihr

dazu?"; S: "Wir können nicht einfach ein Land angreifen!"; "Wir mussten was unternehmen!"

(Was sollen wir tun?); S: "Gibt es Regelungen?";

"Durften wir überhaupt eingreifen?" (Was müssen wir wissen?) +Abstimmung

Unterrichtsge-

spräch

 
 

c) Überleitung der Äußerungen in zwei systematische Fragen:

n Was müssen wir wissen?

n Was sollen wir tun?

 

Unterrichtsge-

spräch

 

Tafel

 

II. Erschließung des

Falls (Wir müssen

wissen...)

Gibt es Regelungen, die Anwendung auf die Situation im Kosovo finden können? (FML/1)

Arbeitsphase:

n Erarbeitung der Regelungen: In welchen

Fällen ist Gewaltanwendung gemäß Völkerrecht erlaubt? Die Möglichkeiten der Intervention durch die Charta der UNO

n Erarbeitung des Konflikts: geopolitische

und historische Fassung des Konflikts, Erkennen von Konfliktparteien und Interessengegensätzen

n Entscheidung auf der Grundlage der

erarbeiteten Informationen: Ist ein Intervenieren im Kosovo gemäß der Charta erlaubt?

Auswertungsphase:

n Ergebnispräsentationen der Gruppen

 

 

 

 

Einzelarbeit in Kleingruppen

 

 

Einzelarbeit in Kleingruppen

 

Diskussion in der Gruppe

 

 

 

Charta der UNO

(MII/1)

 

Chronik des Konfl. (MII/2)

Karte Jugoslaw.

(MII/3)

III. Erarbeitung, Klärung und

Strukturierung der Argumente

 

a) Rollenspiel: Waren die Nato-Angriffe richtig? -

Ausschusssitzung der UN-Generalversammlung

n Festlegung der Parteien (Bundesrepublik

Jugoslawien, Kosovo, Rußland, Deutschland)

n Formulieren der jeweiligen Argumente

Anhand von Material

 

 

Unterrichtsge-

spräch

 

Gruppenarbeit

Rollenkarten; Texte aus Zeitungen und wiss. Publikationen

(MIII)

 

 

 

 

n Rollenspiel / Zuschauer notieren Argumente pro und contra

b) Strukturierung der Argumente (pro und contra)

 

Rollenspiel

 

 

Unterrichtsge-

spräch

 

 

Tafel

IV. Reflexion der

Gründe (Wir sollten...)

a) Abstimmung: Entscheidung des Dilemmas

b) alle oder einzelne Schüler begründen ihre

Entscheidung

Unterrichtsge-

spräch (DML/1)

 

Gespräch,

Diskurs

Tafel

 

 

 

V. Politische Phase

a) Ausweitung der Argumentation durch verant-

wortungsethische Argumente

n Erarbeitung eines Schemas (moralische

Überzeugung /Folgen und Nebenfolgen)

n Erneute Abstimmung

b) Sollten wir das bestehende Recht ändern?

  1. n Was sollte geändert werden?

n Ergebnispräsentation

 

 

Unterrichtsge-

spräch

 

 

Einzelarbeit

 

Tafel

 

 

 

 

 

 

VI. Rückblick

Reflexion des Ablaufs der Unterrichtsreihe

n Erarbeitung der Spezifität der jeweiligen Unterrichtsphase

n Diskussion der Abfolge der Unterrichtsphasen

 

Unterrichtsge-

spräch

 

 

Struktur des Dilemmas

(erarbeitet am Thomas-Müntzer-Gymnasium Halle in einer 10. Klasse)

  pro contra

 

Dürfen wir eingreifen?

Wir dürfen auch ohne Mandat der UNO eingreifen, weil der Sicherheitsrat nicht mehr entscheidungsfähig ist.

Die UN-Charta verbietet den Einsatz von Gewalt ohne Mandat.

 

 

Wir dürfen mit UNO-Mandat eingreifen, weil der Frieden in der Region gefährdet ist.

Der Konflikt ist eine innere Angelegenheit eines souveränen Staates und fällt somit nicht in die Zuständigkeit der UNO

 

Sollen wir eingreifen?

Menschen werden ermordet und unterdrückt.

Auch ein militärisches Eingreifen fordert voraussichtlich Opfer.

 

Es handelt sich bei Jugoslawien um einen souveränen Staat.

 

Wir müssen uns an das Recht halten.

 

Wir gefährden durch eine Inter-vention die Autorität des Völker-rechts und damit den Frieden.

 

 

Die UNO und NATO müssen Stärke beweisen, um überhaupt noch ernstgenommen zu werden

Wir müssen Moskaus Drohungen ernstnehmen.

 

 

Der Frieden in der Region ist gefährdet, Eskalation ist nicht ausgeschlossen.

Auch ein Eingreifen könnte zur Eskalation beitragen

 


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