Didaktische Reihe
Band 22

Werte in der politischen Bildung

 


Herausgeber:

Gotthard Breit
Siegfried Schiele

LpB, 2000, 464 S.



  Inhaltsverzeichnis

Wolfgang Ziefle

Das Fischerspiel

Die Allmendeklemme. Ein Beitrag zur politischen Bildung und zur Werteerziehung

 

Fischer zerstören ihre Fanggründe

Manila (dpa). Mit Dynamit und dem Gift Natriumzyanid richten philippinische Fischer die letzten Korallenriffe der Philippinen zugrunde. Dr. Vaughan Pratt, Präsident der internationalen Marinelife Association, berichtete in Manila, in philippinische Meeresgewässer würden jährlich etwa 150 000 Kilogramm Natriumzyanid gesprüht. Diese giftige Substanz zerstöre unweigerlich die letzten Korallenriffe der Philippinen. Diese Riffe sind die natürlichen Brutstätten für Fische und andere Seelebewesen, bis zu 35 Tonnen Fisch leben auf einem Quadratkilometer in einem intakten Korallenriff. Ein durch Dynamitsprengung beschädigtes Riff benötigt 38 Jahre, um wieder auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe zu wachsen, sagte Pratt. Aber beim Einsatz von Zyanid sei es verloren.

Die immer größer werdende Zerstörung der Riffe bringe den Philippinen jährlich Fischfangverluste von bis zu 160 Millionen Kilogramm, erklärte Pratt.

(Schwäbisches Tagblatt, 17.2.1992)

Es leuchtet ein, dass das Ergebnis alles andere als befriedigend ist - langfristig weder für den einzelnen Fischer, noch für die Gesamtheit. Deshalb: Ist das Verhalten der Fischer nicht unvernünftig und verantwortungslos? Was bewegt sie dazu? Welche Alternativen hätten sie? Welchen Rat könnte ihnen ein besorgter Außenstehender geben?

Das Problem ist als "tragedy of the commons" bekannt, als "Tragödie der Gemeingüter", oder als "Allmendeklemme."1 Das Fischerspiel will Schülerinnen und Schülern diese Allmendeklemme erfahrbar machen, indem sie in die Rolle von Fischern schlüpfen. Sie erleben zunächst die "Tragödie", sie führen sie im Wortsinne spielend herbei. Anschließend sollen sie die Struktur der Allmendeklemme und damit des Problems erkennen, wie nämlich unter bestimmten Rahmenbedingungen durchaus rationale Erwägungen nahezu zwangsläufig dazu verleiten, den Weg in die Katastrophe zu gehen. Im dritten Schritt suchen die Schüler nach einer Lösung des Problems ("Verfassungsspiel") und im vierten Schritt wird das Allmende-Dilemma auf reale politische Problembereiche übertragen.

Damit soll erstens gezeigt werden, dass die Allmendeklemme mit der Hilfe des Fischerspiels eindrücklich vermittelt werden kann, dass zweitens die Allmendeklemme ein Modell liefert, mit dem eine große Zahl sozialer Prozesse und vielfältige soziale, ökonomische, politische Probleme vereinfacht dargestellt werden können und dass drittens Politik in der Form institutionalisierter Kooperation einen Weg aus dem Dilemma öffnet. Insgesamt werden auf diese Weise Einsichten ermöglicht, die sonst im Dickicht der Komplexität vielleicht verborgen blieben.

Nach dieser Vorstellung des Fischerspiels im ersten Teil soll im zweiten Teil die Frage im Mittelpunkt stehen, was das Fischerspiel zur Werteerziehung im Politikunterricht beisteuern kann.2


Das Fischerspiel im Unterricht3

Das Spiel, das Problem, die Lösung und die Wirklichkeit

"Der Inhalt ist die Methode, die Sachstruktur

‚Problem‘ enthält gleichzeitig die Verfahrenssequenz."4

Abb. 1: Das Fischerspiel im Überblick

 

Das Problem:

 

Fischerspiel

Allmendeklemme

 


Die Lösung:

 

Verfassungsspiel

Politik: Staat (oder Regime?)

 

 

Die Übertragung:

 

1. Politikfeld Herrschaft

2. Politikfeld Wohlfahrt

3. Politikfeld Sicherheit

 

Fächerverbindung:

Erdkunde

Religion

Mathematik

Ethik

Psychologie

...

 

 

Das Spiel: Fischen bis zur Katastrophe?

Kurzbeschreibung des Spiels

Die Rollenverteilung ist einfach. Es gibt drei Fischerclans (Schülerinnen und Schüler) und einen Spielleiter (in der Regel der Lehrer bzw. die Lehrerin). Die Struktur des Spiels ist schlicht. In den Spielunterlagen im Anhang werden die Rollen und die Regeln erläutert. Hier sei nur das erwähnt, was zum Verständnis notwendig ist:

  • Die drei Fischerclans leben ausschließlich von den Fischen, die sie im See fangen.
  • Den Fischern wird die - bewusst zweideutige - Maxime vorgegeben: "So viel Fische fangen, wie möglich". Auch auf Nachfragen der Fischer interpretiert der Spielleiter diese Vorgabe nicht!
  • Die Bootsbesatzungen hören nichts voneinander, sie können auch nicht miteinander reden. Sie kennen das Regenerationsverhalten der Fische nicht, sie werden aber vom Spielleiter vor jeder neuen Fangsaison darüber unterrichtet, wieviel die anderen in der vergangenen Saison gefischt haben und wie hoch der neue Fischbestand im See ist.
  • Wenn der Fischbestand stark abgenommen hat, steht es dem Spielleiter frei, ein "Wunder" passieren zu lassen. Es entspricht der Natur eines Wunders, dass die Fischer nicht damit rechnen konnten. Die Absicht dabei ist, den Spielern eine zweite Chance zu geben. Es könnte immerhin sein, dass sie inzwischen gelernt haben, kooperativere Strategien zu wählen.
  • Umgekehrt kann der Spielleiter auch eine plötzliche Fischkatastrophe mit dramatisch gesunkenen Beständen verkünden.
  • Der Spielleiter bestimmt den Moment, ab dem es den Fischern - für sie überraschend - freigestellt ist, mit den anderen zu reden und zu verhandeln. Interessant werden die Verhandlungen besonders dann, wenn es inzwischen "reiche" und "arme" Fischer gibt.
  • Die Fischer kennen die Zahl der Fangsaisonen nicht, der Spielleiter bestimmt das Ende des Spiels.

 

Das Problem: ein Dilemma

Die Auswertung des Spiels5

Nach dem Ende des Spiels haben die Schüler in der Regel ein sehr starkes Bedürfnis, sich zu äußern. Sie wollen zum Beispiel "Dampf ablassen", ihren Ärger los werden, das eigene Verhalten erläutern, sich rechtfertigen, das Verhalten der anderen beurteilen und kritisieren, sich zu den Entscheidungsprozessen und zu den gruppendynamischen Abläufen innerhalb der eigenen Bootsbesatzung äußern, sagen, was sie in ihren Augen durch das Spiel bisher gelernt haben, das Spiel beurteilen, es kritisieren. Diese Phase sollte sich unmittelbar an das Spiel anschließen.

Wie konnte es zur Katastrophe kommen?

 

  • Erklärungen der Schüler:

Wenn die Schüler gefragt werden, weshalb sie sich in die Katastrophe gefischt haben, suchen sie meistens Erklärungen, die um den Egoismus und um die fehlende Aufgeklärtheit bei sich selbst oder bei ihren Mitfischern kreisen. Auch in jenen Fällen, wo die Fischer zwar verhandelt aber sich schließlich doch nicht geeinigt haben, schreiben die Schüler das Scheitern vor allem ihrem moralischen Versagen zu, einer für sie übermächtigen Versuchung, die Maxime "möglichst viel fischen" als individuelle relative Gewinnmaximierung zu deuten (Wettbewerb: "mehr als die anderen") und nicht als Streben nach einem gemeinsamen und langfristigen Optimum (Kooperation: "alle gemeinsam und dauerhaft möglichst viel"). Die Schüler empfinden Unbehagen angesichts der selbstverschuldeten Misere. Bisweilen geschieht es, dass sie von sich aus die Dilemmasituation ansprechen und die Schwierigkeiten, ihr zu entkommen. Allerdings sehen sie meistens das Hauptproblem und die Hauptursache nicht in den strukturellen Bedingungen, sondern in moralischen Defiziten der Teilnehmer.

  • Die Analyse des Auswertungsbogens (Abbildung 2):

Die gemeinsame Analyse des Auswertungsbogens, in dem der Spielleiter den Verlauf des Spiels dokumentiert hat, führt unter anderem zu folgenden generellen Erkenntnissen:

  1. Die Menge, die gefangen werden kann, ohne dass der Fischbestand auf Dauer beeinträchtigt wird, liegt bei insgesamt 42 Tonnen je Saison.
  2. Je mehr überfischt wird, desto geringer fällt die mögliche Fangmenge aus.
  3. Wenn alle überfischen, ist auch die Fangmenge für den Einzelnen auf Dauer niedriger, als wenn sich alle nachhaltig verhalten würden.
  4. Wer überfischt, hat kurzfristig immer einen Vorteil, unabhängig davon, ob die anderen auch überfischen oder nicht.

    Bei entsprechendem Spielverlauf:

  5. Wer überfischt, hat auch langfristig einen individuellen Vorteil, wenn die anderen Fischer den drohenden Schaden für alle dadurch abwenden, dass sie selbst zum Ausgleich dauerhaft weniger fischen, als es ihnen sonst möglich wäre.6

Fazit: Es lohnt sich für den einzelnen Fischer immer zu überfischen und es ist für ihn auch rational. Für die Gesamtheit der Fischer indes ist das höchst nachteilig. Individueller Nutzen und Gemeinnutzen klaffen auseinander, die individuell rationale Nutzenmaximierung führt zu einem Schaden für alle. Trittbrettfahren, so rational es sein mag, ist kollektiv "sub-optimal", insofern es zu einem unerwünschten Gesamtergebnis führt.

  • G. Hardin: Die Allmendeklemme:

Auf Garrett Hardin geht die "Tragödie der Gemeingüter" zurück. Er hat sie nicht an Fischern und einem See, sondern an Viehzüchtern und einer gemeinsamen Weide (Allmende) erläutert.7 Die zwei Teile von Hardins Erklärung, weshalb das ursprünglich stabile System aus den Fugen gerät, sind in den folgenden Auszügen wiedergegeben. Die angefügten Abbildungen sollen der Verdeutlichung dienen.

  1. Die Kosten-Nutzen-Analyse der Viehzüchter

"Als ein rationales Wesen strebt jede Hirte danach, seinen Gewinn zu maximieren. Implizit oder explizit, mehr oder weniger bewusst, fragt er sich: Was ist der Nutzen für mich, wenn ich meiner Herde ein weiteres Tier hinzufüge? Dieser Nutzen hat eine positive und eine negative Komponente.

  1. Die positive Komponente bezieht sich auf die Zunahme um eine Tier. Da der Hirte alle Einkünfte aus dem Verkauf des zusätzlichen Tieres bekommt, ist der positive Nutzen nahezu 1.
  2. Die negative Komponente bezieht sich auf die Überweidung, die das eine weitere Tier verursacht. Da jedoch die Auswirkungen der Überweidung von allen Hirten getragen werden, beträgt der negative Nutzen für jeden Hirten, der diese Entscheidung trifft, nur einen Bruchteil von 1.

Wenn der rationale Hirte die einzelnen Nutzen zusammenrechnet, kommt er zu dem Schluss, dass für ihn der einzig vernünftige Weg der ist, seiner Herde ein weiteres Tier hinzu zu fügen. Und ein weiteres und noch ein weiteres" (Hardin 1968, S. 1243ff.)

Abb. 3

 

 

der Einzelne

 

die Allgemeinheit

 

Nutzen

 

X

 

 

Schaden

 

 

X

 

  1. Verallgemeinerung: Die Tragödie des Systems

"Aber das ist die Folgerung, die jeder rational denkende Hirte zieht, der an einer Allmende beteiligt ist. Darin liegt die Tragödie. Jedermann ist in ein System gesperrt, das ihn zwingt, seine Herde unbegrenzt zu vergrößern – in einer Welt, die begrenzt ist. Alle rennen zielgerichtet in die Katastrophe, indem jeder seine allerbesten eigenen Interessen verfolgt in einer Gesellschaft, die an die Freiheit bei der Inanspruchnahme der Gemeingüter glaubt. Freiheit in der Nutzung der Gemeingüter führt zum Ruin aller" (Hardin 1968, S. 1243f.)

Abb. 4

Nutzung der Freiheit des Einzelnen à Gemeingüter à Ruin aller

 

Das Modell der Allmendeklemme macht die Lage einsichtig, in der sich die Fischer befunden haben und lässt ihr Verhalten plausibel, ja sogar logisch zwingend erscheinen. An einem bestimmten Punkt, so Hardin, "erzeugt die der Allmende innewohnende Logik erbarmungslos eine Tragödie".

Die Lösung des Problems: Politik

Verfassungsspiel: Der Konvent der Fischer gibt sich eine Ordnung

Nun stehen die Fischer vor einem existenziellen Problem. Wie lässt sich die drohende Katastrophe, deren Struktur und Entstehungsbedingungen wir jetzt kennen, abwenden? Welche Therapie folgt aus der Diagnose? Was müssten die Fischer tun?

Vielleicht ist es den Spielern schon in der zweiten Phase des Spiels gelungen, den See wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Jetzt durften sie ja miteinander verhandeln. Im Unterricht wird dann diese Spiel-Lösung aufgearbeitet. Weshalb haben sich die Fischer verständigen können, worauf haben sie sich geeinigt und weshalb haben sie sich an die Vereinbarung gehalten? Was hat eine Einigung behindert, was hat sie befördert? Vielleicht ist es ihnen aber im Spiel nicht geglückt. Folgendes Verfahren hat sich bewährt: Die Schüler (in Gruppen) verstehen sich als "Verfassunggebende Fischerversammlung" und entwerfen eine für alle geltende Satzung, die "Fishermen’s Constitution": eine Präambel und drei oder vier Artikel.

Gemeinsamkeiten: politische Ordnung durch Institutionen

Die Entwürfe der Schüler werden dann nach Gemeinsamkeiten untersucht, um Gesichtspunkte für einen Vergleich zu finden. Diese Gesichtspunkte lassen zugleich die Elemente eines allgemeinen Musters erkennen, wie Konflikte norm- und regelgeleitet gelöst werden können, d.h. eines "institutionalisierten kollektiven Verhaltens"8 Wie zu erwarten, handelt es sich bei den Elementen des Musters im Prinzip um jene Merkmale, mit denen die Politikwissenschaft (internationale) Regime kennzeichnet: "Prinzipien, Normen, Regeln sowie Verhaltens- und Entscheidungsroutinen sowie der Bezug auf (...) Konfliktgegenstände innerhalb eines Problemfeldes"9. Man kann mit diesen Begriffen als Check-Liste die Satzungsentwürfe der Schüler analysieren und sie vergleichen, oder man kann, wie in der Abbildung 5, einzelne Schülerlösungen den Regime-Begriffen zuordnen. Dabei taucht eine Schwierigkeit auf, die auch die Wissenschaft beklagt, nämlich die - unzureichende – Trennschärfe der Begriffe. Vielleicht empfiehlt sich für unsere Zwecke die Reduzierung auf eine Dreiteilung in (1) oberste Ziele, Prinzipien, Normen, (2) Verhaltensregeln und (3) Verfahren, Entscheidungsprozeduren, Gremien.

Abb. 5: Verfassungsvorschläge (Auswahl)

Verfassungsvorschläge der Fischer/Schüler 10

Merkmale

  • der dauerhafte Erhalt der Fischbestände und damit unseres Fischereiwesens;
  • das größtmögliche Gemeinwohl erreichen.

 

1.

Prinzipien

 

 

  • Wir wollen unsere heimischen Fischbestände dauerhaft erhalten.

 

2.

Normen

 

  • Jedem steht es zu, einen gerechten Anteil der erlaubten Fangmenge zu fischen.
  • Jeder Fischer darf maximal 10 Prozent pro Jahr aus dem See fischen.
  • Es darf nur so viel gefischt werden, dass sich der Bestand vollständig regenerieren kann.

 

3.

verbindliche Verhaltensregeln

1.

  • Die Fischer schließen sich zu einem Verband zusammen.
  • Der Verband wählt einen Vorstand, dessen Beschlüsse unbedingt zu befolgen sind.
  • Der Vorstand berechnet die für das Gemeinwohl optimalen Fangquoten für die einzelnen Fischer.
  • Wer die Fangquoten überschreitet, muss mit Fischentzugsquoten rechnen.

2.

  • Jeder Fischer muß in die FFA (Fishermen’s Friend Association) eintreten.
  • Die FFA beschließt zu Beginn jeder Fangsaison durch Abstimmung aller Mitglieder und nach eingehender Prüfung der Bestände durch Fischerexperten, wieviel Tonnen Fisch jedes Boot fischen darf.
  • Wer die Fangquoten überschreitet, muss mit Fischentzugsquoten und Geldstrafen rechnen. Dies wird in der FFA mit einfacher Mehrheit beschlossen.

 

4.

Verfahren, Entscheidungsprozeduren, Gremien

Was haben die Schüler getan? Die Freiheit in der Nutzung des Gemeinschaftsgutes darf nicht zum Ruin aller führen. Die Anarchie der Fischerwelt wurde deshalb durch Institutionen in eine politische Ordnung gebracht (Polity). Sie haben Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren geschaffen, die festlegen, dass die Konkurrenz um Anteile am Gemeinschaftsgut Fisch auf Grund konsensfähiger, autonomiebeschränkender Verpflichtungen ausgetragen wird.

Die Schüler schlugen Lösungen des Modells "Staat" vor: Hier beruht die Wirksamkeit der vereinbarten Prinzipien, Normen und Regeln auf einer - wenn auch unterschiedlich organisierten und unterschiedlich starken - Zwangsgewalt, in "Regimen" auf freiwilliger Anerkennung, da die Beteiligten den Nutzen aus Kooperation höher schätzen als die Kosten der Verweigerung. Der Impuls "Fishermen’s Constitution" lenkt die Schüler in die Richtung "Staat". Wenn man auf das "Regime" Wert legt, kann man auf diesen Impuls verzichten oder/und die Regime-Variante selbst einführen.

Unterschiede: Freiheit

Welche Ordnungsmodelle schlagen die Schüler/Fischer vor? Nun sollen die Schüler/Fischer die Unterschiede in ihren Lösungsansätzen erkennen und diese bewerten, denn sie müssen sich am Ende auf eine gemeinsame Lösung einigen. Die Schülervorschläge unterscheiden sich weniger in den obersten Zielen, Prinzipien, Normen oder Verhaltensregeln sondern in den "Verfahren, Entscheidungsprozeduren, Gremien" (Merkmal 4). Die Kernfrage für die Fischer/Schüler lautet also: Welches Maß an Freiheitsverzicht ist notwendig? Vor allem in der Antwort auf diese Frage unterscheiden sich die Modelle (s. Abbildung 5).

Modell "Staat 1":

Die Einzelnen schließen sich zu einem Ganzen zusammen ("Verband"). Sie wählen sodann ein Gremium ("Vorstand"). Dieses wird mit absoluter Entscheidungsbefugnis und absolutem Anspruch auf Gehorsam ausgestattet: Repräsentativsystem mit autoritärem Einschlag; Tendenz "Ökodiktatur"?

Modell "Staat 2":

Es wurde eine freiwillige und dauerhafte Kooperation institutionalisiert; Zusammenschluss aller in einer Assoziation (FFA: Fishermen’s Friend Association), keine Wahl, keine Delegation, keine Repräsentation. Die periodischen Versammlungen aller Fischer beschließen sowohl die Fangquoten als auch die Sanktionen im Falle von Verstößen: direkte Demokratie mit Tendenz zu Regime.

Nach welchen Gesichtspunkten bewerten die Schüler ihre Lösungen? Gibt es eine Rangfolge der Kriterien? Was ist wichtiger im Spannungsfeld Legitimität - Effektivität? Auf welche Lösung können sie sich einigen, wie sieht der endgültige Text der "Fishermen’s Constitution" aus?

Herrschafts- und Wirtschaftsordnungen

Die Abbildung 6 soll dazu anregen, dass die Schüler bei der Suche nach Lösungen nicht nur die Herrschaftsfrage, sondern auch die Eigentumsfrage grundsätzlich entscheiden und ihre gesamte Ordnung - je nach Fähigkeit und Bedürfnis - auch durch Theorie vertiefen.

Abb. 6: Herrschaft und Eigentum

 


Herrschaft

Eigentum

"Leviathan"

(Staat)

Selbststeuerung

("Regime")

Privateigentum

("Locke"/"Smith")

   

Gemeineigentum

("Marx")

   

 

Zur Übertragbarkeit: Beispiele

"Angenommen, Sie gehen mit Bekannten in ein gutes Restaurant; bezahlt werden soll zu gleichen Teilen. Was würden Sie bestellen? Nehmen Sie das Tellergericht oder den teuren Lammbraten samt Vor- und Nachspeise? Hausmarke oder Cabernet Sauvignon 1983?"

Oder: "1000 Kopien im Jahr pro Person sind kostenlos. Wenn mehr kopiert wird, werden die Kosten zu gleichen Teilen auf die Kolleginnen und Kollegen umgelegt."

Jeder kennt das "Schmarotzer-Dilemma"11 aus Alltagssituationen, in denen zwischen dauerhaftem sozialem Nutzen und kurzfristigem persönlichem Nutzen entschieden werden muss.12 Die Herkunft und die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Trittbrettfahren" sind heutigen Jugendlichen wohl nicht geläufig, was "Schwarzfahren" ist, wissen sie aber bestimmt.13

Wir wollen uns im Folgenden politischen Allmende-Dilemmata aus den Politikfeldern Wohlfahrt und Sicherheit zuwenden. Zwei Beispiele, die für viele andere stehen,14 werden durch einige Materialien repräsentiert und kurz kommentiert.

Beispiel 1: Fisch – Wohlfahrt – Sicherheit

Wann geht der Fisch aus?

Wie die Erfahrungen zeigen, können sich überfischte Regionen in wenigen Jahren wieder regenerieren, wenn man sie in Ruhe lässt. Oft hilft schon die Reduzierung der Fischerei um ein Drittel. Nach einigen Jahren steigen die Fangmengen wieder an. "Wir haben da oft unsere Probleme mit den Fischern, wenn wir ihnen erklären möchten, dass sie mehr Geld verdienen können, wenn sie weniger arbeiten", sagt der Däne Eskild Kirkegaard, leitender biologischer Ratgeber für die Fischerei im Nordostatlantik.

Hier liegt ein vertracktes ökonomisches Problem: Aus der Sicht des einzelnen Fischers hat es keinen Zweck, zu warten oder weniger zu fischen, denn unterdessen kommen die Kollegen und fischen den Zuwachs weg. Wird die Fischerei nicht streng reguliert, dann fangen die Fischer systematisch zu viel, die Ausbeute fällt weit unter das mögliche Niveau. Die betriebswirtschaftliche Vernunft des einzelnen Fischers und das volkswirtschaftlich Vernünftige decken sich nicht. Die Leidtragenden sind am Ende auch und gerade die Fischer.

(Wolfgang Zank, Wann geht der Fisch aus?, DIE ZEIT 17/1995, S. 13)

 

(FAZ, 5.4.95)

"Fischereikriege"

1994: "Thunfischkrieg" in der Biskaya

1995: "Heilbuttkrieg" vor Neufundland

1997-1999: "Lachskrieg" vor Alaska

Die Konflikte spielten sich auf zwei Ebenen ab; einmal zwischen den Fischern selbst, zum Beispiel spanischen, britischen und französischen Fischern in der Biskaya, dann aber auch zwischen den Staaten, zum Beispiel Kanada und Spanien vor Neufundland. Gegenstand war jeweils der Streit um Fanggebiete, -mengen und -methoden. Bei den Auseinandersetzungen wandten die Fischer wie die Staaten teilweise Gewalt an, bevor es zu vertraglichen Lösungen kam. Was war die Ursache? Die Staaten wollten sich im Wettbewerb untereinander Vorteile dadurch verschaffen, dass sie ihre Fischerei stark subventionierten. Dadurch entstanden weltweit Überkapazitäten in den Fangflotten, die Weltmeere wurden übernutzt und die Erträge sanken. Resultat: "Leergefischt."15

Beispiel 2: Der Einzelne und das Treibhaus

Was tun, Herr Hipp?16

Herr Hipp stellt in seiner Firma modische Baumwoll-T-Shirts her. Er ist darauf bedacht, dass die Hipp GmbH Gewinne macht und sich am Markt behauptet. In den letzten Jahren konnte die Hipp GmbH die Umsätze halten, die Zahl der Beschäftigten nahm leicht ab. Zugleich ist Herr Hipp schon lange der Meinung, dass zum Schutz der Umwelt allgemein mehr getan werden müsste.

Frage an Herrn Hipp: Wollen Sie nicht auf das Fabrikdach Sonnenkollektoren montieren lassen? Sie könnten doch damit das Wasser für die Färberei aufheizen und würden so Öl sparen und die Umwelt weniger mit CO2 und anderen Schadstoffen belasten!

Herr Hipp: Was soll ich machen? Natürlich brauchen wir eine gesunde Umwelt und natürlich müssen wir sparsam mit Rohstoffen umgehen. Aber: Wenn die Firma Hipp GmbH auf 15000 Liter Öl im Jahr verzichtet, glauben Sie, dass deshalb die Weltvorräte an Erdöl eine Sekunde länger halten werden? Und dann: Können Sie mir ausrechnen, wieviel das dem Weltklima nützen würde?

- Aber Herr Hipp, Sie sparen doch auch Geld: Ihre Ölrechnung wird kleiner!

- Richtig und falsch, aber Sie treffen den wunden Punkt. Ich spare zwar am Öl, muss aber bislang für die Sonnenkollektoren erheblich mehr bezahlen. Unterm Strich käme mich meine Umweltfreundlichkeit sehr teuer zu stehen: Ich als Einzelner zahle freiwillig die Mehrkosten für die Sonnenkollektoren. Die Kosten stehen fest. Und der Nutzen? Welchen Nutzen haben ich und die Hipp GmbH dafür? Ich verrate es Ihnen gleich: Nullkommanull. Oder ein bisschen genauer: Der Nutzen würde sich auf 5,4 Milliar-den Erdbewohner heute und 10 Milliarden in vielleicht 30 Jahren aufteilen.

- Schlimm, denn wenn alle so denken, wie soll dann die Natur geschützt werden?

- Alle müssen so denken: Der Wettbewerb ist hart. Die Konkurrenten lachen sich ins Fäustchen, wenn sich einer freiwillig Umweltschutzkosten auflädt. Und vergessen Sie bitte nicht: Die Mitarbeiter wollen sichere Arbeitsplätze.

- Was wäre für Sie denn am besten?

- Ideal wäre, wenn sich alle Mitbewerber umweltfreundlich verhielten: die Natur würde am meisten geschont, der Umweltnutzen wäre für alle am größten und die Kosten würden auf alle gleich verteilt. Aber am besten für die Firma wäre natürlich, wenn alle dies täten - mit der einzigen Ausnahme der Hipp GmbH. Im Ernst: Ich stecke in einer Zwickmühle. Was würden Sie an meiner Stelle tun?

Das Dilemma des Herrn Hipp lässt sich durch die entsprechenden Einträge in die folgende Matrix (Abbildung 7) veranschaulichen:

1: Welche Lösung wäre für Hipp die beste?

2: Welche Lösung wäre für ihn die schlechteste?

3. Welche Lösung wäre für alle die beste?

  1. Welche Lösung wäre für Hipp die sicherste?

Abb. 7

alle Konkurrenten

Öl Sonne

Öl

Hipp

Sonne

Hipp wird sich – wie die Fischer – für die betriebswirtschaftliche Rationalität entscheiden und die externen Kosten ("Welche Kosten sind im Preis eines Hipp-T-Shirts nicht enthalten?") weiter auf die Natur, die Allgemeinheit und künftige Generationen verlagern. Die Verantwortung für die Arbeitsplätze wird ihm die Entscheidung vermutlich erleichtern. Was könnte ihn aus der Zwickmühle befreien? Da ihm der Schutz der Umwelt trotzdem wichtig ist, müsste er sich dafür einsetzen, dass die strukturellen Bedingungen seines Dilemmas aufgehoben werden, etwa durch eine generelle Klimasteuer: Lösung durch den Staat, Lösung durch Politik. Der Markt alleine ohne entsprechende Rahmenbedingungen vermag das nicht. Bei Gemeingütern greift die "unsichtbare Hand", die das Verfolgen der eigenen Interessen in Gemeinwohl wendet, nicht.17

Auch hier sind die Parallellen auf der internationalen Ebene deutlich. Die Konferenz von Rio im Jahr 1992 und die nachfolgenden Klimakonferenzen der Vereinten Nationen versuchen - in Ermangelung eines Weltstaates - durch Kooperation der Nationalstaaten zu erreichen, dass nur so viel Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, dass das Klimasystem nicht gefährdet wird. Wie schwierig es im konkreten Fall ist, eine internationale Klimasteuer einzuführen, kann man an der Europäischen Union studieren, die dies seit 1992 immer wieder versucht.18

Der Beitrag des Fischerspiels zur Werteerziehung

Der Anspruch

Das Fischerspiel will Ansprüchen genügen, die an einen problemorientierten, handlungsorientierten, schülerorientierten, wissenschaftsorientierten, zukunftsorientierten, am Prinzip des Exemplarischen und an Politik orientierten Unterricht gestellt werden. Diese didaktischen Prinzipen sind durch jeweils bestimmte Werte fundiert. Das Fischerspiel trägt demnach zur Werteerziehung in dem Maße bei, in dem es diesen Prinzipien entspricht.

Das Vorgehen

Man könnte das vorgestellte Fischerspiel (zusammen mit dem Verfassungsspiel) mit den unterschiedlichen Netzen all dieser didaktischen Prinzipien durchsuchen und so den jeweiligen Werteertrag einfangen. Hier wird ein anderer Weg eingeschlagen. Wir untersuchen das Fischerspiel unter drei Aspekten:

  1. Fischerspiel, Kooperation und Werte
  2. Fischerspiel, Politik und Werte
  3. Fischerspiel und Menschenbild

Fischerspiel (und Verfassungsspiel): Kooperation und Werte

Kooperation ist - wie Konflikt – eine allgemeine und fundamentale Erscheinung im Zusammenleben. Insofern sind Kooperationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit bedeutsame Qualifikationen, die auf vielfältige Weise im (Politik-) Unterricht gefördert werden können.19 Aber darüber hinaus interessiert uns hier im Zusammenhang mit dem Fischerspiel die Frage, die Robert Axelrod so stellt:

"Unter welchen Bedingungen entsteht Kooperation in einer Welt von Egoisten ohne zentralen Herrschaftsstab? Diese Frage hat die Menschen aus gutem Grund seit langem fasziniert. Wir wissen alle, dass Menschen keine Engel sind, und dass sie dazu neigen, in erster Linie für sich selbst und ihre eigenen Interessen zu sorgen. Wir wissen jedoch auch, dass Kooperation vorkommt und dass sie die Grundlage unserer Zivilisation bildet. Wie kann sich aber überhaupt Kooperation in Situationen entwickeln, in denen jedes Individuum einen Anreiz besitzt, sich eigennützig zu verhalten?"20

Welche Antworten bekommen die Schüler durch das Fischerspiel? Der Zusammenhang ist offensichtlich. Es eignet sich dazu, den Schülern sowohl die Bedeutung von Kooperation als auch die Bedingungen für ihr Gelingen in sozialen Dilemmasituationen klar zu machen.21

Die kürzeste Formel für die Bedingungen lautet: "knowledge, morality and trust".22

Die Abbildung 8 zeigt die Teilkomponenten des Handelns in einer ökologisch-sozialen Dilemmasituation und ihre Interaktion.23

Abb.8

 

Wir ergänzen die Faktoren und fassen sie in zwei Bündel zusammen:

  • Wissen (knowledge")
  1. Systemwissen: Einsicht in die Struktur der Allmendeklemme; individuell rationales Verhalten (Trittbrettfahren) führt zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen ("Tragödie").
  2. Ökologisches Wissen: Gesetzmäßigkeiten der Fischvermehrung/Tragfähigkeit des Sees.
  3. Soziales Wissen: (a) Wissen über die Spielpartner; Vertrauen oder Misstrauen; (b) Wissen um die wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) und (c) ihre Dauer (absehbare oder unabsehbare Zahl von Fangsaisonen: "Schatten der Zukunft").
  4. Handlungswissen: Verfügbarkeit über ein geeignetes Handlungsrepertoire (Lösungsstragien; Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten).
  • Ziele ("morality"):
  1. Gewinnmaximierung: individueller Nutzen und/oder gemeinsamer Nutzen;
  2. Gerechte Gewinnverteilung;
  3. Umweltoptimierung.

Es geht also nicht ohne Werte. Vernünftige Kooperation setzt voraus, dass sich die Spieler darauf verständigen, ihr Verhalten am gemeinsamen Nutzen auszurichten (Gemeinwohl), ferner an einer gemeinsamen Vorstellung von Gerechtigkeit und dass sie diese Zielvorstellungen in Einklang bringen können mit dem Ziel eines "nachhaltigen" Umgangs mit der Natur.

Unentwegt fließen deshalb in das Verhalten der Spieler Werthaltungen, Wertüberlegungen und Wertenscheidungen ein, innerhalb der Fischergruppen und zwischen ihnen, in den Strategiediskussionen um die richtigen Fangmengen und in den Verhandlungen beim Versuch, Auswege aus der Zwickmühle zu finden. Ein Punkt sei hervor gehoben: In den Verhandlungen entzünden sich intensive und bisweilen heftige Diskussionen vor allem an der Frage nach der Gerechtigkeit. Dies besonders dann, wenn inzwischen durch bisher unterschiedliches Fangverhalten reiche und weniger reiche Fischergruppen entstanden sind. Dabei spielt eine wichtige Rolle, ob und wie das bisherige Fangverhalten berücksichtigt werden soll.24 In der Regel werden von den Schülern vier Verteilungsmuster diskutiert und je nach der eigenen Interessenlage bevorzugt oder abgelehnt:

  • Gleichverteilung : Jeder erhält den gleichen Anteil, d.h. die gleiche Fangquote.
  • Die Verteilung nach Bedürfnissen: Jeder erhält, was er seiner Meinung nach braucht.
  • Die Verteilung nach Leistung: Jeder erhält, was er verdient, d.h. was ihm durch sein geschicktes oder weniger geschicktes strategisches Fangverhalten durchzusetzen gelingt.
  • Die Verteilung nach Zuschreibung: Jeder erhält, was die Gesamtheit der Fischer für angemessen und gerecht ansieht.25

Abb. 9

Nachhaltigkeit

 

Welche Gerechtigkeit? Welcher Nutzen?

Fischerspiel und Verfassungsspiel: Politik und Werte

Die Fischer/Schüler haben Verfassungspolitik betrieben. Sie haben, – Allmendeklemme und Katastrophe vor Augen – die bedrohlich gewordene Anarchie der Fischerwelt in eine politische Ordnung gebracht. In dieser Ordnung, manifest in den Institutionen, spiegelt sich ein "ethisches Programm". Die Ordnungsvorschläge der Schüler haben didaktisch demnach eine doppelte Funktion: Sie geben erstens Auskunft über das besondere ethische Programm ihrer Schöpfer. Zweitens können sie als relativ einfaches Exempel dazu dienen, den Schülern grundsätzlich die "Dimensionen der politischen Ethik" einsichtig zu machen. Wir bedienen uns der Kategorien in Bernhard Sutors Übersicht (Abbildung 10).26

Abb. 10: Dimensionen der politischen Ethik

In Kurzform: "Politik = Gemeinwohl das Ziel (policy), Ordnung das Mittel (polity), Rationalität die Leitschnur des Handelns (politics)". Die Schüler haben sich in allen drei Dimensionen bewegt:

Dimension Ziele: Gemeinwohl

"Das deutsche Wort ‘Gemeinwohl‘ mit seinen vielen Synonymen, mehr noch das lateinische bonum commune bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass es über alle Interessengegensätze hinaus ein Gutes gibt, das nur durch Kooperation mehrerer verwirklicht oder erreicht werden kann. Gesellschaftliches Zusammenwirken ist kein Null-Summen-Spiel, bei dem der eine nur gewinnen kann, was der andere verliert, sondern bringt für alle Vorteile, wenn auch in verschiedenem Umfang. In diesem Sinn kann jede Form von Werteverwirklichung ‚Gemeinwohl‘ genannt werden, wenn sie nur durch gemeinsames Handeln ermöglicht wird."27

Damit legt Kerber den Zusammenhang zwischen Gemeinwohl, Kooperation und Werteverwirklichung dar. Wir stellen in ähnlicher Weise den Bezug des Fischerspiels (und des Verfassungsspiels) zum Gemeinwohl her, genauer gesagt zu seinen drei Bestandteilen Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

  • Friede: In der "anarchischen Phase" des Fischerspiels räsonnieren vor allem jene Teilnehmer, die zu kurz gekommen sind und sich als Opfer verstehen, ob sie Gewalt anwenden sollen, um sich so ihren Anteil zu holen oder um die Konkurrenten gar völlig auszuschalten ("versenken"). In der folgenden Kooperationsphase wird der Verzicht auf individuelle Gewalt dann stillschweigend vorausgesetzt. Schließlich wird die legitime Gewaltanwendung in den Institutionen monopolisiert.
  • Freiheit: Die "natürliche Freiheit" (Willkür) wird aus "Not-Wendigkeit" begrenzt. Sie macht einer "geregelten Freiheit" Platz, die gemeinwohldienlich ist und Gerechtigkeit erst ermöglicht. In welchem Maße freilich die Freiheit begrenzt werden muss, ist eine Frage der politischen Klugheit (s. unten).
  • Gerechtigkeit: Nach dem (Über-) Lebenswillen ist das Verlangen nach Gerechtigkeit der mächtigste Antrieb für die Fischer, sich eine Ordnung zu geben. Das hauptsächliche Gerechtigkeitserfordernis ist, dass durch die Ordnung Verhältnisse geschaffen werden, die jedermann zum Vorteil gereichen. Strittig ist, ob der Vorteil für jeden gleich sein muss (zu den Verteilungsmustern s. oben).

Die Einigung auf nachhaltiges Verhalten als dem kollektiven Optimum wird im übrigen nicht nur den Interessen der jetzigen Fischern gerecht, sondern auch jenen der nachfolgenden Generationen (Intergenerationelle Gerechtigkeit).

Dimension Mittel: politische Ordnung

Es hat sich als sinnvoll erwiesen, die im "Verfassungskonvent der Fischer" erörterten Vorschläge zu strukturieren. Hierfür waren die Begriffe aus der Lehre von den Regimen wegen ihrer abgestuften Allgemeinheit bzw. Konkretheit hilfreich.28 Sie sollen hier kurz erläutert werden.29

Prinzipien: Sie sind Grundannahmen und relativ abstrakte Zielformulierungen.

Normen: Dies sind (allgemeine) Verhaltensgebote im Sinne von Rechten oder Pflichten.

Regeln: Bei ihnen handelt es sich um spezifische Verhaltensvorschriften. Sie geben vor, was im einzelnen zu tun oder zu unterlassen ist. Sie sind so konkret, dass ihre Einhaltung überprüft werden kann.

Verfahren, Entscheidungsprozeduren, Gremien: Damit sind Vorschriften und Verfahren gemeint, auf welche Weise kollektive Beschlüsse gefasst und umgesetzt werden.

Zu den Funktionen und zum "ethischen Programm" wird auf Bernhard Sutor verwiesen.

Dimension Handeln: politische Rationalität

Wir beschränken uns auf die Klugheit als eine "Tugend der politischen Rationalität" (Sutor).

Sie zeigte sich

  • in dem Verzicht auf die Anwendung von Gewalt, da sie als wenig rationale Problemlösung erschien;
  • in der Bereitschaft, den Verhandlungsweg (bis zum Ende) zu beschreiten;
  • im Abschluss eines Vertrages (Verfassung) durch Zustimmung aller;
  • im Verzicht auf Absolutheit: die Schüler strebten keine vollkommen gerechte Ordnung an.

Die "Trittbrettfahrer" durften in gewissem Umfang ihren Gewinnvorsprung aus dem "Naturzustand" behalten, sofern sie nur künftig zu einem gemeinwohlverträglichen Verhalten bereit waren. Ungerechtigkeit wurde also in Kauf genommen, um das oberste Ziel der Existenzerhaltung nicht zu gefährden: "Injustice is preferable to total ruin".30

Vielleicht geht es den Schülern mit den Werten wie Monsieur Jourdain in einer Komödie von Molière mit der Sprache. Der bewunderte sich erstaunt, als der "Philosoph" ihm erklärte, dass er Prosa spricht.

Fischerspiel und Verfassungsspiel: Menschenbilder

Lob des Eigennutzes – Erziehung zu Hobbes?

"August Ludwig Schlözer schreibt 1793: ‚Zwei oder mehrere erwachsene vollbürtige

(= volljährige) Menschen begegnen sich zum ersten Mal: Was werden, was dürfen sie miteinander anfangen? Quid facient? Sie werden sich balgen (Hobbes). Sie werden kalt, ohne Notiznehmung voneinander vorübergehen (Rousseau). Sie werden sich auf der Stelle freundlich zusammengesellen (Pufendorf)."31

Wir schlagen uns auf die Seite von Hobbes. Wenn wir uns sein Gedankenexperiment vergegenwärtigen, sehen wir zugleich die Struktur des Fischerspiels und des Verfassungsspiels durchscheinen.. Welche Annahmen über den Menschen macht Hobbes? Der Mensch ist zur Vernunft fähig, asozial, strebt nach Nutzenmaximierung, sein oberster Nutzen ist die Selbsterhaltung. In welcher Situation befinden sich die Menschen im Experiment? Im Naturzustand: "Wilde Freiheit" wie Kant sagen würde, jeder hat Recht auf alles, und das ist gleichbedeutend mit vollkommener Rechtsunsicherheit; daher herrscht Ungewissheit über das Verhalten der anderen Menschen, Menschenfreundlichkeit ist deshalb lebensgefährlich, Misstrauen somit höchst rational. "Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen" - es droht der "Krieg aller gegen alle". Welches Problem stellt sich den "Modellmenschen"? Wie kann dieser auf Dauer unhaltbare, weil lebensgefährdende, Zustand überwunden werden? Durch den Gebrauch der Vernunft. Der Mensch kommt zur Einsicht, dass er sich nur durch Kooperation mit den anderen erhalten kann. In welcher Form? In der eines Vertrags der Menschen miteinander, der einen Staat und damit eine zentrale Zwangsgewalt schafft. Was folgt für die Menschen? Sicherheit und Wohlstand. 32

Der Staat wurde also rational begründet, und zwar nur durch das vernünftige Interessenkalkül der Menschen - und nicht durch "höhere Werte", seine Ausgestaltung allerdings folgt einem ethischen Programm. "Den Staat braucht selbst ein Volk von Teufeln - wenn sie nur Verstand haben, das heißt stets ihrem Vorteil folgen".33

"Kluger Egoismus" als Erziehungsziel?

"Bislang wurde praktisch ausschließlich auf das Prinzip der Uneigennützigkeit gesetzt und alles versucht, um altruistisches Verhalten auf direktem Weg auch in einem anonymen sozialen System von der Größe der Weltgesellschaft zu erreichen. Aber alle Versuche, dabei unserer natürlichen Veranlagung entgegen zu arbeiten und das egoistische ‚tierische Wesen‘ in uns zu unterdrücken und selbstloses Handeln in einer naturfreien Subjekthaftigkeit zu entfalten, sind mehr oder weniger mißglückt oder konnten bestenfalls nur in ein paar wenigen Sonderexemplaren menschlicher Heiliger verwirklicht werden. Wäre es hier nicht erfolgversprechender, die ethische Bildung anstatt gegen unsere natürlichen Präferenzen zu stilisieren, sie mit diesen zu entwickeln und zu kultivieren? Die Alternative zum edlen Altruisten wäre allerdings nicht der dumme Egoist, sondern der kluge Egoist, der antizipiert, dass es langfristig für ihn vorteilhaft wäre, wenn sein Handeln auch für andere vorteilhaft ist...Allzu lange hat sich die Moralpädagogik im luftleeren Raum erhabener Motive angesiedelt und einseitig auf die künstliche ‚Befreiung des Willens von dem Despotismus der (natürlichen) Begierden‘(Kant) gesetzt – und dabei den Kontakt zur realen Welt und seinen natürlichen Motiven verloren. Eine Ethik, die kooperatives Verhalten über den Umweg einer Kultivierung von Eigennutz erreicht, wäre diesen natürlichen Motiven näher und deshalb ehrlicher, realistischer und vermutlich auch erfolgreicher."34

Die Politikdidaktik hätte sich diesbezüglich keine Versäumnisse und keine Realitätsferne vorzuwerfen: "Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen."35

 

Anhang: Materialien

A: Fischerspiel

 

 

 

B: Allmendeklemme

Die Allmendeklemme

(The Tragedy of the Commons)

 

"Stellt euch eine Weide vor, die jedermann zugänglich ist. Man kann annehmen, dass jeder Hirte versuchen wird, so viel Vieh wie möglich auf die Weide zu treiben. Das kann jahrhundertelang zufriedenstellend funktionieren, weil Stammeskriege, Wilderei und Seuchen die Anzahl der Menschen wie auch der Tiere unterhalb einer Zahl halten, die das Weideland verkraften kann. Schließlich aber kommt der Tag der Abrechnung, und zwar der Tag, an dem das lange ersehnte Ziel der sozialen Stabilität Wirklichkeit geworden ist. An diesem Punkt erzeugt die Logik, die der Allmende innewohnt, auf erbarmungslose Weise eine Tragödie.

Als ein rationales Wesen strebt jede Hirte danach, seinen Gewinn zu maximieren. Implizit oder explizit, mehr oder weniger bewusst, fragt er sich: Was ist der Nutzen für mich, wenn ich meiner Herde ein weiteres Tier hinzufüge? Dieser Nutzen hat eine positive und eine negative Komponente.

  1. Die positive Komponente bezieht sich auf die Zunahme um ein Tier. Da der Hirte alle Einkünfte aus dem Verkauf des zusätzlichen Tieres bekommt, ist der positive Nutzen nahezu 1.
  2. Die negative Komponente bezieht sich auf die Überweidung, die das eine weitere Tier verursacht. Da jedoch die Auswirkungen der Überweidung von allen Hirten getragen werden, beträgt der negative Nutzen für jeden Hirten, der diese Entscheidung trifft, nur einen Bruchteil von 1.

Wenn der rationale Hirte die einzelnen Nutzen zusammenrechnet, kommt er zu dem Schluss, dass für ihn der einzig vernünftige Weg der ist, seiner Herde ein weiteres Tier hinzu zu fügen. Und ein weiteres und noch ein weiteres..."(Garrett Hardin: The Tragedy of the Commons, Science 162, S. 1243-1248, 1968)

Links:

  • Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerbildung Gymnasium Stuttgart:
    Auf den Seiten des Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerbildung Gymnasium Stuttgart finden Sie ein ZIP Archiv mit einer Excel-Tabelle für eine erweiterte Version des Fischerspiels, das eine beliebige Anzahl Boote erlaubt und diverse Auswertungsfunktionen integriert: ZIP Archiv
  • Den Protokollbogen finden Sie auf den Seiten der Uni Erlangen:
    Protokollbogen (PDF)
  • Teleunterricht.de bietet eine einer Excelanwendung, die das Spiel in Echtzeit auswertet, und einer Powerpoint-Präsentation, die es knapp vorstellt:
    Materialien Fischespiel (ZIP-Datei)

Anmerkungen:

1Vgl. Garret Hardin: The Tragedy of the Commons. In: Science 162/1968, S. 1243-1246

2 Vgl. Spada, Hans/Opwis, Klaus: Ökologisches Handeln im Konflikt: Die Allmende-Klemme. In: Day, Peter/Fuhrer, Urs/Laucken, Uwe (Hrsg.): Umwelt und Handeln. Tübingen 1985, S. 63 - 85

3 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Sekundarstufe II. Vgl. Ziefle, Wolfgang: Vom Nutzen der Spieltheorie für den Politikunterricht. In: Sozialwissenschaftliche Informationen (sowi). Heft 1/1994, S. 58 - 67

4 Gagel, Walter: Denken und Handeln. Der Pragmatismus als Diagnosehilfe für Konzepte des Politikunterrichts. In: Breit, Gotthard/Schiele, Siegfried (Hrsg.): Handlungsorientierung im Politikunterricht. Schwalbach/Ts. 1998, S. 128-143; hier: S. 132

5 Die Auswertung sei die Achillesferse spielerischer Unterrichtsformen, sagt Tilman Grammes. Ausführlicher zu den Schritten und methodischen Möglichkeiten vgl. Ziefle, Wolfgang: Politik und Unterricht. Heft 1/1995.

6 Zu den Punkten 3 bis 4 vgl. Spada/Opwis (s. Anm. 2):

  1. Der Gemeinnutzen nimmt mit zunehmender individuellen Übernutzung der vorhandenen Ressourcen ab.
  2. Für jedes beliebige, definierte Verhalten der anderen Spieler verspricht die Entscheidung für eine individuelle Übernutzung kurzfristig einen höheren individuellen Gewinn.
  3. Der Gewinn ist für einen Spieler, der übernutzt, bei gleichzeitiger Übernutzung durch alle anderen langfristig geringer, als wenn er und alle anderen Spieler das Umweltgut angemessen nutzen.

7 Die Kernstelle ist zusammenhängend im Anhang wiedergegeben (Übersetzung durch W. Ziefle)

8 Ruggie, J. G. zit. nach Kohler-Koch, Beate: Zur Empirie und Theorie internationaler Regime. In: Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Regime in den internationalen Beziehungen. Opladen 1989, S. 19

9 ebd., S. 9

10 Sekundarstufe II (Klasse 11)

11 Vgl. Glance, Natalie S./Hubermann, Bernardo: Das Schmarotzer-Dilemma. In: Spektrum der Wissenschaft. Heft 5/1995, S. 36 – 41

12 Einige Beispiele in Scholz, Bernd: Allemende-Klemme: Kooperatives Handeln im Umweltschutz. In: Gegenwartskunde. Heft 2/1997, S. 219 –226

13 Grundlegend hierzu: Höffe, Otfried: Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat. Frankfurt/M. 1994, S. 412 – 427

14 Zum Beispiel die "Rationalitätenfalle" in den Systemen der sozialen Sicherung: "Das Individualinteresse des Versicherten und das Gruppeninteresse aller Versicherten fallen aus systematischen Gründen auseinander; das System setzt vor allem Anreize für eine übermäßige Nachfrage nach Gesundheitsgütern und nicht für einen sparsamen Umgang mit ihnen. Die in der Diskussion befindlichen Reformstrategien bezwecken letztlich eine Annäherung des Individualinteresses an das Gruppeninteresse, um von daher die Ausgabenentwicklung im Gesundheitssektor zu bremsen (Überwindund der Rationalitätenfalle)." Vgl. Frerich, Johannes: Sozialpolitik. Das Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland. Hamburg 1987, S. 446

15 Kommentar der Stuttgarter Zeitung vom 29.3.1995

16 Abggedruckt in: Anstösse. Arbeitsbuch für den Politikunterricht III. Stuttgart 1996, S. 98

17 Vgl. Cansier, D.: Unweltökonomie. Opladen 1993, S. 45f

18 Dazu liegt ein Planspiel in Politik und Unterricht (Heft 1/1995) vor.

19 Zur Kooperation sei auf das "Bleistiftspiel" von Christian Henkel und Beate Thull in diesem Band verwiesen.

20 Vgl. Axelrod, Robert: Die Evolution der Kooperation. Ort 1991, S. 4

21 Dass die Chancen für Kooperation mit zunehmender Teilnehmerzahl abnehmen, kann im vorgestellten Fischerspiel nicht erfahren werden. Man könnte den Versuch machen und die Zahl der Fischergruppen drastisch erhöhen. Vermutlich reicht aber schon das Gedankenexperiment, um zu dem gewünschten Schluss zu kommen. Das "Dilemma des Herrn Hipp" (s o.) zeigt die Schwierigkeit: Wegen der großen Zahl von Wettbewerbern sind nicht nur die Nachteile für ihn sehr viel geringer als der Gewinn aus "egoistischem" Verhalten, sondern er kann sich auch aus ganz praktischen Gründen gar nicht mit ihnen allen verständigen und mit ihnen kooperieren. Die drei Fischer in ihrer quasi-oligopolistischen Konstellation haben es einfacher. In Zweierbeziehungen scheint die Kooperation am ehesten möglich, auch wenn die Häufigkeit von Nachbarschafts- oder Ehekonflikten das Gegenteil vermuten lassen könnte.

22 Vgl. Dawes/Orbel, zit. nach Spada/Opwis 1985, S. 65f.

23 Vgl. Spada/Ernst 1990, S. 19

24 Dieses Problem kann nichtr auf die Rawlsche Weise gelöst werden. Der "Schleier des Unwissens" verbirgt den "Schatten der Vergangenheit"

25 Vgl. Loske, Reinhard: Klimapolitik. Ort 1996

26 Sutor, Bernhard: Politik. Ein Studienbuch. Frankfurt 1994, S. 68; siehe auch den Beitrag von Bernhard Sutor in diesem Band

27 Vgl.: Kerber, Walter: Gemeinwohl. In: Enderle, Georges u.a. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsethik. Ort 1993, S. 339

28 Diese Stufung ist im Auftrag an die Schüler, eine Präambel und vier Artikel zu entwerfen, vorstrukturiert.

29 Die einzelnen "Regimebausteine" werden anschaulich beschrieben am Beispiel der Nonproliferation in Müller, Harald: Das Beispiel Nonproliferation. In: Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Regime in den internationalen Beziehungen. Ort 1989, S. 227-313

30 Vgl. Hardin, G., a.a.O.

31 Maluschke, Günter: Menschenbild und das Problem der "Werte" in der politischen Philosophie. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/1987, S. 4

32 Vgl. Immanuel Kant: "Dieses Problem ist zugleich das schwerste und das, welches von der Menschengattung am spätesten gelöst wird. Die Schwierigkeit, welche auch die bloße Idee dieser Aufgabe schon vor Augen legt, ist diese: der Mensch ist ein Tier, das, wenn es uner anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat. Denn er missbraucht gewiss seine Freiheit in Ansehung anderer seinesgleichen; und, ob er gleich, als vernünftiges Geschöpf, ein Gesetz wünscht, welches der Freiheit aller Schranken setze: so verleitet ihn doch seine selbstsüchtige tierische Neigung, wo er darf, sich selbst auszunehmen. Er bedarf also eines Herrn der ihm den eigenen Wille breche, und ihn nötige, einem allgemein-gültigen Willen, dabei aber jeder frei sein kann, zu gehorchen." (Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Sechster Satz)

33 Vgl. Höffe, Otfried: Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat. Frankfurt/M. 1994, S. 433; Höffe verwendet auf sehr anregende Weise das Gefangenendilemma, mit dem sich auch die Grenzsituation bei Hobbes adäquat modellieren lässt (S. 407ff.).

34 Treml, Alfred K.: Die Erziehung zum Weltbürger. Euphemismus oder Fulguration? In: Treml, Alfred (Hrsg.): Natur der Moral? Ethische Bildung am Horizont der modernen Evolutionsforschung. In: edition ethik kontrovers. Heft 5/1996, S. 62f. Dem steht nicht entgegen, dass durch die Allmendeklemme der Begriff des Gemeinsinns geschärft werden kann: vgl. Schloz, Bertram: Allmendeklemme: Kooperatives Handeln im Umweltschutz. In: Gegenwartskunde. Heft 2/1997, S. 219-226

35 Beutelsbacher Konsens, These 3: Zur Diskussion, ob die dritte These "kommunitaristisch" angereichert werden soll vgl. die Beiträge von Sander, Hornung und Schneider in: Schiele, Siegfried/Schneider, Herbert (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens? Schwalbach/Ts. 1996. Für die Erziehungswissenschaft vgl. Nummer-Winkler, Gertrud: Verantwortung. In: Enderle, Georges u.a. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsethik. Ort 1993, S. 1191: "Effektiver als individualistische Opferhandlungen ist der Einsatz für eine Veränderung der Rahmenbedingungen individuellen und organisatorischen Handelns".

Literatur

Axelrod, Robert: Die Evolution der Kooperation,. 1991

Cansier, D: Umweltökonomie., UTB 1749, 199

Enderle, Georges, u.a. (Hrsg.): Lexikon der Wirtschaftsethik.  1993

Ernst, Andreas/Spada, Hans: Bis zum bitteren Ende? In: Psychologie Heute 11/91, S. n.n. – n.n.?

Frerich, Johannes: Sozialpolitik,.Das Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland  1987

Gagel, Walter: Denken und Handeln. Der Pragmatismus als Diagnosehilfe für Konzepte des Politikunterrichts. In: Breit, Gotthard/Schiele, Siegfried (Hrsg.): Handlungsorientierung im Politikunterricht. Schwalbach/Ts. 1998, S. 128 - 143

Glance, Natalie S./Hubermann, Bernardo: Das Schmarotzer-Dilemma. In: Spektrum der Wissenschaft. 5/1995, S. 36-41

Hardin, Garret H.: The Tragedy of the Commons. In: Science. 162/1968, S. 1243-1246.

Höffe, Otfried: Politische Gerechtigkeit, Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat. Frankfurt/M. 1994

Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Regime in den internationalen Beziehungen  1989

Loske, Reinhard: Klimapolitik.  1996

Maluschke, Günter: Menschenbild und das Problem der "Werte" in der Sicht der politischen Philosophie. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 28/87, S. n.n. – n.n.?

Müller, Harald: Das Beispiel Nonproliferation. In: Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Regime in den internationalen Beziehungen.  1989, S. 227-313.

Sutor, Bernhard: Politik. Ein Studienbuch, Frankfurt/M. 1994

Treml, Alfred K.: Die Erziehung zum Weltbürger. Euphemismus oder Fulguration? In: Treml, Alfred (Hrsg.): Natur der Moral? Ethische Bildung im Horizont der modernen Evolutionsforschung. In: edition ethik kontrovers. 5/1996, S. 56-63

Scholz, Bertram: Allmendeklemme: Kooperatives Handeln im Umweltschutz. In: Gegenwartskunde. 2/1997, S. 219-226

Spada, Hans/Opwis, Klaus: Ökologisches Handeln im Konflikt: Die Allmende Klemme. In: Day, Peter/Fuhrer, Urs/Laucken, Uwe (Hrsg.): Umwelt und Handeln. Tübingen 1985, S. 63-85

Ziefle, Wolfgang: Vom Nutzen der Spieltheorie für den Politikunterricht In: Sozialwissenschaftliche Informationen (sowi). 1/94, S.58-67;

ders.: Das Fischerspiel In: Politik und Unterricht 1/95


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