Baustein

"Euthanasie" im NS-Staat: Grafeneck im Jahr 1940

Hrsg: LpB, 2000

 

2.5 Grafeneck heute

Gedenkbuch/Alphabet-Garten Grafeneck




Inhaltsverzeichnis     


Unmittelbar im Anschluß an die Fertigstellung der Gedenkstätte im Jahr 1990 beginnt ein Projekt, das inhaltlich in engem Bezug zur Gedenkstätte selbst steht: Es ist die Suche nach den Namen der 10.654 Menschen mit Behinderungen, die 1940 in Grafeneck als sogenanntes "lebensunwertes Leben" ihrer Würde und ihres Lebens, ihres Namens und der Erinnerung beraubt wurden. In vierjähriger Suche kann der Arbeitskreis Gedenkstätte Grafeneck e.V. etwa 4.400 Namen wiederfinden. Sie werden im Gedenkbuch der Opfer der ‚Euthanasie‚ in Grafeneck 1940 aufgezeichnet und beim Gedenkgottesdienst 1995 erstmals öffentlich vorgestellt.

Bei der Fortsetzung des Projekts ‚Namenssuche‚ in den darauffolgenden Jahren werden nochmals etwa 2.000 Namen der Opfer wiedergefunden. So enthält das beim Gedenkgottesdienst am 18. Oktober 1998 in einer Unterbringungsmöglichkeit auf der Hinführungsmauer zur Gedenkstätte aufgelegte Gedenkbuch nahezu 6.500 Namen der Opfer der "Euthanasie" in Grafeneck.

In inhaltlicher Entsprechung zu diesem Projekt steht ein in seiner Art und seinem Charakter gänzlich anderes Denkmal. Nach einem Entwurf der aus Pittsburgh/USA stammenden Künstlerin Diane Samuels haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Aufbaulagers im August 1998 einen Alphabet-Garten errichtet. Denk-Mal und Kunst-Werk zugleich, verbindet er die Antwort der Künstlerin, hervorgegangen aus ihrer intensiven Auseinandersetzung mit Grafeneck und seiner Geschichte, mit der Suche nach den Namen der Menschen, die an diesem Ort 1940 ermordet wurden:

Für die bekannten und die unbekannten Opfer – ein Alphabet-Garten: 26 Granitquader, darauf eingemeißelt je ein Buchstabe des Alphabets. Aus diesen 26 Buchstaben sind die Namen aller Opfer – der namentlich bekannten wie auch der unbekannten – gebildet. Im Rahmen einer Gedenkfeier am 7. August 1998 wird der Alphabet-Garten der Öffentlichkeit vorgestellt. (M 45)

Die thematischen Schwerpunkte der Gedenkarbeit in Grafeneck orientieren sich auch in der näheren Zukunft an dem, was sie seit ihrem Beginn getragen hat. Zwei Begriffe benennen die beiden Aspekte der Erinnerung an die "Euthanasie" in Grafeneck 1940: Gedenken und Mahnen. Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen "Aktion T4". Das ist die Gedenkstätte Grafeneck vor allem in ihrer baulichen und künstlerischen Gestaltung, das Gedenkbuch, der Alphabet-Garten und der jährliche Gedenkgottesdienst. Zum Aspekt Mahnen gehört die Bewahrung der Dokumente des damals Geschehenen, das Gespräch mit Angehörigen der Opfer, vor allem die Weitergabe an Besucherinnen und Besucher – nicht nur als Information über ein historisches Ereignis, sondern im Sinne einer kritischen Bildungsaufgabe. Themen wie die Bioethik-Debatte aber auch politischer Radikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit unterstreichen die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Denken und den Vorgängen, die zur Ermordung von 10.654 Menschen in Grafeneck geführt haben. Neben den Schwerpunkt Bildungsarbeit, der die Gedenkstätte Grafeneck auch als Lernort begreift, treten zukünftig weitere Aufgaben: Die Erarbeitung einer wissenschaftlichen Dokumentation sowie die Errichtung einer Dokumentationsstätte mit Dauerausstellung.


 


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