Baustein

"...es geschah am helllichten Tag!"

Die Deportation der badischen, pfälzer und saarländischen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen

 

Deportation in die Vernichtungslager



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Inhaltsverzeichnis


15. Der Verlauf

Auf der so genannten Berliner "Wannseekonferenz" im Januar 1942 werden Maßnahmen beschlossen zur "Endlösung der Judenfrage" im Deutschen Reich und den bis dahin besetzten Gebieten in Europa.

Bereits zwei Monate nach der "Wannseekonferenz" beginnen im März 1942 die Deportationen der Juden aus den besetzten Gebieten und im August aus der "unbesetzten" Zone Frankreichs. Anfangs spricht sich der amtierende Regierungschef Pierre Laval gegen die Auslieferung der Juden aus Frankreich aus. Jedoch ändert er im Juli 1942 seine Meinung und die staatenlosen und ausländischen Juden werden aus Frankreich deportiert. Zuständig für die Deportationen in Frankreich ist Theodor Dannecker, Leiter des Judenreferats der Gestapo in Frankreich. Er stellt die Deportationszüge zusammen und am 6. August 1942 werden die ersten Menschen aus dem Lager Gurs abtransportiert. Auch in den folgenden Monaten finden Deportationen statt. Am 8. August, 24. August und 1. September 1942 sowie am 27. Februar und 3. März 1943 werden weitere Menschen aus dem Lager Gurs über Drancy bei Paris in die Vernichtungslager im Osten nach Auschwitz, Lublin-Majdanek, Sobibor oder andere Lager abtransportiert 53, wo sie meist kurz nach ihrer Ankunft ermordet werden.

Männer und Frauen werden beim Abtransport voneinander getrennt und auf Lastwagen geladen. Sobald ein Mensch fehlt, der auf der Liste steht, wird er von Hunden und vom Wachpersonal gesucht.

Deportiert werden im Wesentlichen Juden, aber auch Ehepartner von Juden sowie spanische Flüchtlinge. Dabei spielt es keine Rolle, wie transportfähig die Menschen sind. Auch Kinder, Alte und Kranke befinden sich in den Deportationszügen. Aus Gurs werden insgesamt 3.907 Menschen, aus ganz Frankreich etwa 76.000 Menschen nach Auschwitz, Sobibor und andere Vernichtungslager im Osten deportiert.54 Unter diesen Leuten befinden sich etwa 6.258 deutsche Juden. Von den Deportierten aus Frankreich überleben etwa 3 %, also ca. 2.500 Personen diesen Terror.55

Von dem Lager Gurs gibt es im Jahr 1941 erste Verlegungen in andere französische Lager. So werden im Frühjahr 1941 kinderreiche Familien in das Lager Rivesaltes nördlich von Perpignan am Mittelmeer verlegt. Andere werden in das Lager Récébédou bei Toulouse gebracht.56

Ende 1943 ist das Lager Gurs geräumt. Jedoch werden noch einmal im Sommer 1944 Menschen interniert. Es sind mehrere hundert deutsche Kriegsgefangene und ca. 2.000 französische Kollaborateure. Am 31. Dezember 1945 wird das Lager endgültig aufgehoben.57

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Weiteres Schicksal der Deportierten am Beispiel Pforzheim
Quelle: Brändle, 1985, S. 207

16. Hilfsmaßnahmen und Rettungsaktionen im Lager Gurs

Die ersten Hilfsmaßnahmen verschiedener Organisationen beginnen im Jahr 1941 aufgrund von Berichten über die miserablen Lebensbedingungen, die im Lager herrschen sollen. In dem Lager engagieren sich folgende Hilfsorganisationen: die Quäker, die CIMADE (eine Hilfsorganisation der französischen, protestantischen Kirche), das Schweizer Kinderhilfswerk, die "Eclaireurs Israelites Françaises" (die jüdischen Pfadfinder), die OSE "Oeuvre de Secours aux Enfants" (jüdisches Kinderhilfswerk), die Unitarier (Brüdergemeinde) sowie weitere Organisationen. Hilfe kommt auch in das Lager durch Lebensmittelpakete, warme Kleidung und Geldspenden. Diese Hilfe kommt beispielsweise von amerikanischen Hilfsorganisationen, jüdischen Gemeinden oder der Rot-Kreuz-Gruppe. 58Sie versuchen die katastrophalen Lebensbedingungen im Lager zu verbessern, indem sie Lebensmittel verteilen und die Menschen medizinisch betreuen.59

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Kontaktaufnahme zwischen Vater und Sohn über das Rote Kreuz 1941,
Quelle: Philipp, 1993, S.41

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Bericht des Roten Kreuzes über die Verhältnisse im Lager Gurs,
Quelle: Brändle, 1985, S.111

 

Einige jüdische Kinder konnten mit Hilfe der Quäker und des Kinderhilfswerks OSE in Kinderheimen oder bei französischen Familien untergebracht werden. Auch einige ältere Menschen schaffen es, in Altersheime oder andere Lager verlegt zu werden, was sie vor der Deportation in die Vernichtungslager rettet.60

Andere Lagerinsassen, die sich über persönliche Kontakte Geld besorgen können oder über genügend Geld verfügen, um sich ein Ausreisevisum zu besorgen, werden in das Lager Les Milles bei Aix-en-Provence oder das bewachte Hotel Terminus in Marseille überstellt. Jedoch wer es schafft, alle notwendigen Papiere, wie Ausreiseerlaubnis, Transitvisum, Einreisevisum und Bürgerschaftsbestätigung des Aufnahmelandes zu beschaffen, steht oft vor dem Problem, dass es kein Schiff für den Transport gibt. Schließlich wird am 4. Februar 1942 die Ausreise von deutschen Juden aus Frankreich verboten. 61Einigen der Ausreisewilligen wird nach dieser Anordnung die Ausreise verweigert. Sie werden wieder nach Gurs oder andere Lager gebracht und deportiert.62

Den Deportationen können einige Lagerinsassen durch Vorzeigen von gefälschten Papieren entgehen oder durch Flucht aus dem Lager Gurs.

 

53 Vgl. Brändle, Gerhard, 1985: Die jüdischen Mitbürger der Stadt Pforzheim, in: Stadt Pforzheim (Hrsg.) Dokumentation, Pforzheim, S. 94, S. 115f

54 Vgl. Mittag, Gabriele, 1996, S. 41.

55 Vgl. Brändle, Gerhard, 1985, S. 94.

56 Vgl. Werner, Josef, 19902, S. 338f.

57 Vgl. Philipp, Michael (Hrsg.), 19932, S. 85.

58 Vgl. Brändle, Gerhard, 1985, S. 91f.

59 Vgl. Philipp, Michael (Hrsg.), 19932, S. 48ff.

60 Vgl. Josef, Werner, 19902, S. 342f.

61 Vgl. Brändle, Gerhard, 1985, S. 92f.

62 Vgl. Josef, Werner, 19902, S. 346f.


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