Gedenkstättenarbeit

Auf dem Weg zu einer Geschichte des Konzentrationslagers Natzweiler

Forschungsstand - Quellen - Methode

 

VI. "Le Dompteur". Der Aussagewert eines einzelnen Verfahrens
Zum Inhaltsverzeichnis

 

6. Zwischen SS und Häftlingsgesellschaft: Die Stellung des "Dompteurs" als Blockältester

Wie läßt sich S.' Verhalten erklären? Warum mißhandelte er die Häftlinge in einem Maße, das sich nicht allein mit der Verteidigung seiner Funktion erklären ließ? War es blanker Sadismus, wie viele Häftlinge glaubten? Warum "zeigte S. viel persönliches Streben in der Durchführung dieser Mißhandlung", wie es ein Häftling ausdrückte? 242 Um diese Frage zu klären, ist es notwendig, zunächst einen Blick auf das System der Häftlingsselbstverwaltung und die Funktionshäftlinge zu werfen. Himmler äußerte sich 1944 dazu in der vor Generälen der Wehrmacht gehaltenen "Sonthofer Rede":

Diese rund 40 000 deutschen Politischen und Berufsverbrecher [...] sind mein "Unteroffizierskorps" für die ganze Gesellschaft. Wir haben hier [...] sogenannte Capos eingesetzt. Also einer ist verantwortlicher Aufseher [...] über 30, 40, über 100 andere Häftlinge. In dem Moment, wo er Capo ist, schläft er nicht mehr bei denen. Er ist verantwortlich, daß die Arbeitsleistung erreicht wird, daß bei keinem eine Sabotage vorkommt, daß sie sauber sind, daß die Betten gut gebaut sind. [...] Er muß also seine Männer antreiben. In dem Moment, wo wir mit ihm nicht zufrieden sind, ist er nicht mehr Capo, schläft er wieder bei seinen Männern. Daß er von denen in der ersten Nacht totgeschlagen wird, das weiß er. [...] Weil wir mit den Deutschen alleine nicht auskommen, wird es also selbstverständlich so gemacht, daß der Franzose ein Capo über Polen, daß ein Pole ein Capo über Russen, [...] daß eben hier nun eine Nation gegen die andere ausgespielt wird 243.

Himmler erwähnt hier die einzelnen Pflichten, die der Kapo zu erfüllen hatte, und die S. zu erfüllen suchte. Seine Ausführung beweist, daß das Verhalten der Funktionshäftlinge durch das System intendiert war. Der "Dompteur" stand in dem von der SS eingerichteten System unter dem Zwang, mit allen Mitteln seine Funktion zu behalten, da er höchstwahrscheinlich wußte, wie groß der Haß der "NN"-Häftlinge gegen ihn war. Ihm war wohl bekannt, daß die von ihm gequälten Häftlinge ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit getötet hätten. Ein Häftling gab zu Protokoll:

Ich präzisiere, daß viele dieser Blockchefs Berufsverbrecher waren, die von den Deutschen benutzt wurden, um ihre Ideen zu verwirklichen. [...] Wahrscheinlich versuchte er, einen privilegierten Platz im Lager beizubehalten, er mußte "ein guter Deutscher " sein, denn er hat sich im März 1944 zum Heer gemeldet 244.

S. hatte, wie dargestellt, seine weit bessere, weil machtvollere Position als Lagerältester eingebüßt, weil eine von Zill aus Dachau mitgebrachte Gruppe politischer Häftlinge die Vorherrschaft übernommen hatte. Nach seiner "Degradierung" zum Blockältesten mußte er nun befürchten, auch von dieser Position von den Politischen verdrängt zu werden. Wie aus vielen Lagern berichtet wird, war der Konflikt zwischen den Politischen und den "Berufsverbrechern", den "Roten" und den "Grünen", unerbittlich 245. Dies führte zu einer weiteren Forcierung des von S. ausgeübten Terrors:

S. war ein "klassenbewußter" BV. Er gehörte zu den BV, die die Häftlingslagerleitung in den Händen der BV halten oder wiedererobern wollten. Das konnten die BV nur dadurch, daß sie brutaler auftraten als die SS, um diesen die Vernichtung der Häftlinge, vor allem der Politischen, zu erleichtern. Postenbesetzung gab Vorteile. Mehr Nahrung, Zigaretten, bessere, wärmere Kleidung, leichteste Arbeit, Arbeit unter Dach usw. Bei Vernichtungshilfe wurden die Vorteile durch die SS verdoppelt oder verdreifacht 246.

So erklären sich jene Terroraktionen von S., die nicht der direkten Verteidigung seiner Privilegien dienten oder der Bestrafung einzelner, sondern wie der "Mordsport" die Gruppe insgesamt schwächten. Ohne daß ihm dies offiziell aufgetragen worden war, erzeugte S. gegenüber den "NN"-Häftlingen Terror in einer dauerhaften Intensität, die die hohe Sterblichkeit dieser Häftlinge mit verursachte. Es war Teil seiner eigenen, durch das System angelegten Überlebensstrategie. In den Worten Sofskys fand so eine Art von "Tauschgeschäft" statt, in dem die SS gegen Übernahme der "Detailarbeit des Terrors befristeten Verfolgungsschutz gewährte" 247.

Doch ist diese Erklärung zur Begründung des besonderen Eifers und der besonderen Grausamkeit, die S. ständig bewies, nicht ausreichend. Dabei spielte wohl der ihm von den Häftlingen immer wieder attestierte Hang zum Sadismus eine Rolle, entscheidend war aber etwas anderes, das Himmler mit dem "gegeneinander Ausspielen von Nationen" beschrieben hat. S. war, wie aus mehreren Aussagen deutlich wird, offenbar der Meinung, daß es sich bei den Franzosen um besonders hassenswerte Kreaturen handelte. Er übernahm die von der SS vertretene und sich in der lagerinternen Häftlingshierarchie niederschlagende Weltanschauung zumindest teilweise. Ein Zeuge sagte aus, S. habe die Franzosen so schlecht behandelt, "da wir für ihn große Kriegsverbrecher" gewesen seien 248. Ein anderer berichtet:

Ich erinnere mich, daß der damalige Lagerführer Kramer und auch der SS-Angehörige Seuss und andere SS-Angehörige bei verschiedenen Gelegenheiten wie z. B. bei Appellen erklärt haben, die französischen NN-Häftlinge seien Heckenschützen, die Deutsche aus einem Hinterhalt erschossen hätten. Kramer fügte hinzu, er wolle in 4 Wochen keinen von ihnen mehr sehen. [...] Am Arbeitsplatz [der französischen "NN"-Häftlinge, B.B.] hatte ich die Worte Kramers zu dolmetschen. Er sagte sinngemäß: "Ihr seid euch doch klar darüber, daß keiner von euch mehr lebend rauskommt. In vier Wochen will ich keinen von Euch mehr sehen." 249

In seiner Analyse der Häftlingshierarchie kennzeichnet Sofsky diese als geprägt durch "ein Kategoriensystem, mit dem die SS die Häftlinge klassifizierte", wobei "ausschlaggebend für die Figuration der sozialen Klassen das System der Klassifikationen, die Taxonomie der Farben, der Winkel und der Kennzeichen" gewesen sei 250. Jeder Häftling konnte so auf den ersten Blick erkennen, welcher Klasse der andere angehörte. Insofern erweist sich die Kennzeichnung nicht nur als bürokratische Klassifikation, sondern als Machtinstrument, da sie "den Abstand zum Zentrum der absoluten Macht" kenntlich machte 251. Die Nähe zu dem von der SS gebildeten Zentrum der absoluten Macht war mit einer erhöhten Überlebenschance gleichzusetzen: Man sah, wie groß der Verfolgungsdruck war, der auf dem Einzelnen lastete. Die Einstufung wurde durch das Rassekriterium, also die Unterscheidung "Mensch oder Untermensch" dominiert, dann erfolgten weitere Differenzierungen nach geographischer und nationaler Herkunft, dem Kriterium der politischen Feindschaft zum System und dem der sozialen Abweichung. Dieses System der Klassifikationen hatte einen entscheidenden Anteil an der Dissoziation der Häftlingsgesellschaft. Ganz unten in der Hierarchie standen - nach dem Rassekriterium - die Juden. Da diese aber in Natzweiler nur sehr wenige waren, etwa durchschnittlich 1%, wurde ihre Stelle durch die Osteuropäer eingenommen. Die französischen "NN"-Häftlinge nahmen eine Sonderstellung ein, denn obwohl sie nach dem Rassekriterium nicht zu den "Untermenschen" gehörten, wurden sie wegen des Kriteriums der "politischen Feindschaft" ebenfalls unten, in größter Nähe zum Tod, angesiedelt. Diese annähernd gleiche Einstufung der beiden letztgenannten Häftlingsgruppen wird einerseits durch die hohe Todesrate der Franzosen deutlich, andererseits durch die bei Ziegler dargelegte Tatsache, daß besonders gefährliche Arbeitskommandos zunächst mit französischen "NN"-Häftlingen besetzt wurden, die dann, als es nicht mehr ausreichend viele gab, durch russische Häftlinge ersetzt wurden 252. Diese Einstufung war durch die bereits geschilderte "Wespen"-Kennzeichnung offensichtlich.

Jenen so offensichtlich dem Tode verfallenen und körperlich ausgezehrten Menschen stand nun der wohlgenährte, kräftige S. gegenüber, der seine Privilegien und seine Macht durch Zivilkleider, Stiefel und die oft geschilderte Peitsche demonstrierte. Dieses nach außen erkennbare Machtgefälle erleichterte S. zusammen mit den erwähnten Ansprachen des SS-Führungspersonals an die "NN"-Häftlinge die zumindest teilweise Übernahme der SS-Ideologie. S. erwies sich damit als willfähriges Instrument der von der SS gesteuerten Lagerorganisation. Hermann Langbein formulierte diese Erscheinung so:

Wenn [...] über das Wüten der Grünen berichtet werden muß, die ihre Funktionen ausnützten, um sich auf Kosten ihrer Mitgefangenen ein gutes Leben zu sichern und ihre Gelüste als "Herrenmenschen" auszutoben, so sollte gerechterweise daran erinnert werden, daß im Grunde genommen das System der SS-Führung für die Mißstände verantwortlich gemacht werden muß. Nicht jeder Häftling ist sich im Lager dieses Zusammenhangs bewußt gewesen 253.

Ist S. nun als Opfer des Systems anzusehen, als einer derjenigen, die eben nicht in der Lage waren, "diesen Zusammenhang" zu erkennen? Hatte er eine Alternative zu seinem Verhalten?

Sofsky beschreibt bei der Untersuchung der Rolle der Funktionshäftlinge zwischen Häftlingsgesellschaft und SS drei unterschiedliche Strategien 254. Die erste besteht in der Orientierung ganz auf das Machtzentrum, die SS. Sie bringt eine Ausbeutung der Schwachen mit sich, also in diesem Fall der französischen Häftlinge. Der Vorteil für den Funktionär ist eine sofortige Verbesserung seiner Lage auf Kosten der anderen Häftlinge, der Nachteil die schon von Himmler angesprochene direkte Lebensbedrohung durch eben diese Häftlinge bei Verlust des Amtes. Spielarten dieser Strategie sind die "mimetische Servilität", die Unterwürfigkeit und die ökonomische Interessengemeinschaft mit der SS. Die "mimetische Servilität" beruht auf einer Identifikation mit der gefürchteten Macht, eine Erscheinung, die mit der Übernahme einzelner Handlungsweisen, einer möglichst starken Annäherung im Auftreten bis hin zur gestischen Nachahmung einzelner SS-Männer einhergeht. Sie stellt den Versuch dar, durch vorauseilenden Gehorsam und willfähriges Gehilfentum Wohlwollen, Anerkennung und damit Verfolgungsschutz zu gewinnen. Aber nicht nur der vorauseilende Gehorsam dient dabei dem Beweis der Tüchtigkeit, sondern ebenso die Steigerung des von der SS angelegten und ausgeführten Terrors. Wer als Kapo brutaler zu den Häftlingen als die SS war, wer noch lauter brüllte, der nahm der SS nicht nur die Arbeit ab, sondern erhöhte auch deren Macht; deshalb ließ sie ihn gewähren. Die Unterwürfigkeit, die "Servilität", unterscheidet sich von dieser "mimetischen Servilität", da sie nicht auf der Identifikation mit der SS beruht, also kein Einverständnis mit den Befehlen voraussetzt. Der servile Kapo führt zwar die ihm erteilten Befehle aus Angst um sein Leben bedingungslos aus, versucht diese aber nicht vorauszuahnen und zu übertreffen. Die "ökonomische Interessengemeinschaft" dagegen setzt voraus, daß einzelne SS-Männer sich durch Korruption, etwa durch gemeinsame Bereicherung, in eine solche Abhängigkeit von den Funktionären brachten, daß sie diese stützen müssen, um sich selber zu schützen.

Die Alternative zur Orientierung nach "oben" ist eine Ausrichtung nach "unten", also auf die Häftlinge. Die größte Gefahr, die dem Funktionshäftling aus dieser Haltung erwächst, ist, daß die SS mit ihm unzufrieden ist und ihn absetzt. Außerdem sind die Privilegien, die er aus seinem Amt gewinnt, weitaus geringer, da er die Häftlinge, auf deren Unterstützung er in diesem Fall angewiesen ist, nicht zu seinem Vorteil ausnehmen kann. Der Funktionär ist aber keinesfalls in der Lage, sich zur Interessenvertretung aller Häftlinge in seiner Umgebung zu machen, er kann immer nur einen kleinen Teil schützen, da seine Macht begrenzt ist; das hat zur Folge, daß er den Angriffen der nicht von ihm profitierenden Häftlinge ausgesetzt ist. Er ist gezwungen, um sich herum eine Klientel von ihn schützenden Häftlingen aufzubauen.

Der dritte Weg besteht nach Sofsky darin, sich in der Mitte der beiden Pole zu halten und die Selbständigkeit sowohl gegenüber der SS als auch gegenüber den Häftlingen zu wahren. Inwieweit diese Möglichkeit auch in der Praxis durchführbar war, ist unklar.

Der Weg, den S. beschritten hat, ist der der "mimetischen Servilität". Dafür spricht zunächst, daß er sich mit Stiefeln und Peitsche äußerlich an die SS anglich. Darüber hinaus imitierte er einzelne Handlungen und Rituale der SS, wie etwa die beschriebenen Sonderappelle, die eine Nachäffung der Lagerappelle darstellte. Die dargestellten, zumindest teilweise erfolgte Übernahme der Weltanschauung und Rassenideologie spricht ebenfalls für eine Identifikation mit der Macht, ein Vorgang, der von der SS durch das Klassifikationssystem begünstigt wurde. Der "Dompteur" hoffte, auf diese Weise Teil der Bedrohung zu werden und so dem Schicksal des Bedrohten zu entgehen. In diesem Bemühen übernahm er die Ausführung des Terrors; wie in der zitierten Episode des "Strammstehens im Nebel" deutlich wurde, ging dieses Verhalten sogar soweit, daß er unaufgefordert die durch den Nebel herbeigeführte Zwangsarbeitspause mit einer Aktion ausfüllte, die eine ähnliche Schwächung der Häftinge zur Folge hatte, wie die reguläre Arbeit. Hatte S. die Wahl zwischen den genannten drei Wegen? Ein Balancieren in der Mitte, also der dritte Weg, setzte ein hohes Maß an Reflexion, planvollem Handeln und sozialer Intelligenz voraus. Der Häftling mußte sich seiner Lage bewußt sein, um geschickt nach beiden Seiten hin agieren zu können. Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft zur Persönlichkeit des "Großen Jacques", seinen eigenen Ausführungen und dem Studium seiner Biographie ist nicht anzunehmen, daß er über diese Fähigkeiten verfügte. Eine gleichfalls heikle Orientierung zu den Häftlingen scheint ebenso undenkbar: Als sehr lagererfahrener Häftling, der zudem seit Beginn seiner Haft in Natzweiler Funktionen innehatte, wurde er neu angekommenen Häftlingen vorangestellt und mit dem Hinweis versehen, daß diese "große Verbrecher seien". Er verstand nicht einmal ihre Sprache, wie hätte er sich also mit ihnen solidarisieren sollen? 255 Schließlich zielte das System der Häftlingsselbstverwaltung ja gerade auf eine Verhinderung der Solidarität unter den Häftlingen. Eine "ökonomische Interessengemeinschaft" erforderte dagegen ein Gegenüber bei der SS. Wenn es dieses aber nicht gab oder S. nicht in der Lage war, einen SS-Mann zu bestechen, dann blieb nur noch die Verteidigung seiner Privilegien durch die Orientierung zum Machtzentrum hin, zur SS. Hätte es aber, mit Sofsky gesprochen, nicht auch ausgereicht, nur "servil" statt "mimetisch servil" zu sein? Denn hätte sich S. auf das Ausführen der Befehle beschränkt, hätten wesentlich mehr französische "NN"-Häftlinge das Lager überleben können. Zwar drängte ihn das System der Klassifikation, vor allem aber die von der SS übernommene Ideologie in diese Haltung und die Bedrohung durch die politischen Häftlinge in einen gewissen Übereifer, aber wie groß mußte dieser Übereifer sein?

Mehrmals in seiner Zeit als Kapo wurde der "Dompteur" wegen seines Übereifers verwarnt. Zweimal geschah dies durch Funktionshäftlinge, die über größere Macht verfügten als er. Der bereits erwähnte ehemalige Häftlingsarzt Fritz Leo gab später zu Protokoll:

Ich weiß noch ziemlich genau, daß ich selbst den S. einmal auf der Lagerstraße traf und ihn wegen der mir zu Ohren gekommenen Brutalität sehr ernsthaft verwarnte. Schließlich hatten wir im Revier laufend die brutal gequälten und zerschundenen Häftlinge zu behandeln. Zu einer Änderung des Verhaltens des S. hat die Verwarnung jedoch nicht geführt 256.

Die zweite Verwarnung kam von einem Steinbruchkapo:

Ich habe ihn noch angesprochen und ihn darauf hingewiesen, daß Weisung besteht, daß nicht geschlagen werden solle, weil nunmehr Wert auf die Arbeitskraft der Häftlinge gelegt werde 257.

Da sich S. aber auf eine Strategie eingelassen hatte, die sich gegen die Häftlinge, insbesondere auch gegen die politischen Funktionshäftlinge richtete - beide Zitierte gehörten zu dieser Gruppe -, war es für ihn nicht notwendig, auf diese Ermahnungen zu reagieren. Die Möglichkeiten der "Politischen", den Terror des "Dompteurs" zu mildern, waren beschränkt, solange er unter dem Schutz der SS stand. Ein ehemals in der Schreibstube beschäftigter Franzose erzählte:

Man konnte ihn vor allem beobachten in der Zeit, als er Blockführer der NN-Franzosen war. Mordsport früh morgens 1 oder 2 Stunden lang. Ich mußte ihn öfter zur Schreibstube rufen, wo der Arbeitsdienstleiter B. erfundene Irrtümer in den Blockkommandopapieren entdeckte, mit ihm stritt und ihm drohte, damit die NN-Franzosen sich ausruhen konnten, einige weggeführt werden konnten zur Pflege 258.

Es war nicht verwunderlich, daß S. den Warnungen und Hinweisen der "Roten" nicht nachgab. Bemerkenswert ist aber, daß seine Brutalität ihn auch in Konflikt mit der SS selbst brachte. Aus der Anklageschrift geht hervor, daß er sich am 7. Dezember 1943 in Zusammenhang mit Häftlingsmißhandlungen im Block 13 vor der Lagerleitung verantworten mußte 259.

Offenbar ging die "mimetische Servilität" bei S. so weit, daß sie selbst bei der SS Mißfallen erregte. Sein "Engagement" ging weit über das vom System geforderte hinaus. Hätte es also eine Alternative gegeben? Offenbar schon, denn ein französischer Häftling gab über S.' Nachfolger als Blockchef von Block 13 zu Protokoll:260

Ich kann mich gut an V. erinnern. Er hat am Vorabend von Weihnachten 1943 S. als Blockältester ersetzt. Er trug das schwarze Dreieck und war gefangen, weil er nicht für die Nazis arbeiten wollte. Ich habe keine Klagen gegenüber V. vorzutragen. Er hat sich den Deportierten gegenüber gut benommen und ich habe ihn nie jemanden schlagen sehen 261.

 

Zurück zum Index

 

 Zurück zum Index


Copyright ©   2000  LpB Baden-Württemberg   HOME

Kontakt / Vorschläge / Verbesserungen bitte an: lpb@lpb-bw.de