Myanmar (Birma) (Archiv)

Myanmar, eines der ärmsten Länder der Welt, liegt am Boden. Die Militärdiktatur, die das Land seit 1962 beherrscht, hat das südasiatische Land heruntergewirtschaftet, die Korruption blüht. Unter der Führung Zehntausender Mönche und Nonnen begehrte das Volk im Herbst 2007 gegen die Machthaber auf - und riskiert einen blutigen Gegenschlag. Auslöser der Rebellion war eine massive Erhöhung der Benzin-, Erdgas- und Lebensmittelpreise. Das blutige Vorgehen der Militärs löste weltweit Entsetzen aus. Nun wurden durch den verheerenden Wirbelsturms "Nargis" mehrere zehntausend Menschen in den Tod gerissen, Straßen und Brücken zerstört und weite Küstenteile von aller Kommunikation abgeschnitten. Während das Regime in Birma immer höhere Opferzahlen bekannt geben muss, bekommen die Generäle die Auswirkungen der Katastrophe kaum in den Griff.

Erstmals seit 18 Jahren sollten die Menschen am 10. Mai 2008 zur Wahlurne gehen. Sie sollten über eine umstrittene neue Verfassung abstimmen, die in zwei Jahren die ersten freien Wahlen seit 1990 verspricht. Nun wurden durch den verheerenden Wirbelsturm "Nargis" mehrere zehntausend Menschen in den Tod gerissen, Straßen und Brücken zerstört und weite Küstenteile von aller Kommunikation abgeschnitten.

Während das Regime in Birma immer höhere Opferzahlen bekannt geben muss, bekommen die Generäle die Auswirkungen der Katastrophe kaum in den Griff. Erst vier Tage nach "Nargis" hat die Militärregierung endlich die ersten größeren internationalen Hilfsflüge erlaubt. Es gab vor dem Wirbelsturm "Nargis" keine Warnungen an die Bevölkerung. Danach standen die Menschen in vielen Gebieten alleine da. Die indischen Meteorologiebehörden hatten nach eigenen Angaben die Regierungsstellen in Birma zwei Tage vor dem Eintreffen des schweren Wirbelsturms gewarnt. Aber offensichtlich hat die Regierung die Warnungen nicht ernst genommen und die Gefahr unterschätzt.

Die internationalen Hilfsorganisationen werfen der Militärjunta vor, die am schlimmsten betroffenen Landstriche von der internationalen Hilfe abzuschneiden. In Rangun, vor allem aber in den abgeschiedenen Orten des Irawadi-Flussdeltas, haben die Überlebenden Mühe, an Trinkwasser, Nahrung und Treibstoff zu kommen. Selbst wenn es etwas gibt, kann kaum noch jemand dafür zahlen - seit dem Sturm am Wochenende haben sich die Preise verdreifacht. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte an die Junta, der internationalen Unterstützung den Weg zu ebnen. Bisher will die Militärregierung in Myanmar keine internationalen Katastrophenhelfer ins Land lassen. Man sei dankbar für Versorgungsgüter aus dem Ausland, wolle diese aber selbst verteilen. In den Nachbarländern saßen hunderte Logistiker und Katastrophenexperten, die für eine Verteilung des Materials nötig sind, ohne Visum fest. Ein UN-Sprecher nannte die Verweigerungshaltung "beispiellos".

Der für humanitäre Hilfe zuständige UNO-Untergeneralsekretär John Holmes warnte vor einer dramatischen Verschlechterung der Lage, sollten nicht bald weitere Hilfsgüter in Myanmar eintreffen. Die UNO ging von 1,5 Millionen Menschen aus, die dringend unterstützt werden müssten. Weniger als ein Drittel der Überlebenden des verheerenden Zyklons seien bisher versorgt worden. Und selbst die rund 270.000 Opfer, die man habe versorgen können, hätten nur das Allernötigste bekommen.

Hilfsorganisationen warnen vor großer Seuchengefahr. Die Organisation Care befürchtet den Ausbruch von Cholera, Typhus und Malaria im Katastrophengebiet. Zehn Tage nach der Katastrophe gibt die Regierung in Birma die offizielle Zahl der Toten inzwischen mit knapp 32.000 an. Mehr als 30.000 Menschen gelten als vermisst. Dennoch mussten die Menschen am Samstag in den meisten Landesteilen über das 194 Seiten umfassende Verfassungsreferendum abstimmen, mit dem die Junta ihre Macht zementieren will. Nur in den besonders schwer betroffenen Gebieten wurde das Referendum um zwei Wochen verschoben. Die neue Verfassung gibt dem Militär automatisch 25 Prozent der Sitze im Parlament und mehrere Schlüsselpositionen in der Regierung. Die populäre Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi darf nicht antreten, sie war mit einem Ausländer verheiratet. Die Opposition rechnet mit massivem Wahlbetrug seitens der Junta und will den Wahlbetrug offenlegen.

Die neue Verfassung sei bei dem Referendum am vergangenen Samstag mit 92,4 Prozent der Stimmen gebilligt worden, berichtete der staatliche Rundfunk am 15. Mai. Die Wahlbeteiligung habe bei mehr als 99 Prozent gelegen.

Transparency International führt das Land in seinem jüngsten Korruptionsindex an vorletzter Stelle unter 163 untersuchten Nationen. Trotz seines Rohstoffreichtums gehört Myanmar mit einem Bruttosozialprodukt von weniger als 622 Euro (2001) pro Einwohner zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein weiteres großes Problem sind die Ausgaben für Militär, Polizei und Geheimdienste, die seit Jahren über 50 Prozent des Staatsbudgets ausmachen. Menschenrechtsorganisationen werfen der myanmarischen Regierung und Armee Menschenrechtsverstöße wie Zwangsarbeit, Zwangsräumung von Dörfern, Folter, Vergewaltigungen und Einsatz von Kindersoldaten in den bis heute (2007) andauernden Kämpfen gegen Aufständische vor, vor allem gegen ethnische Minderheiten wie die Karen. Auch manche Rebellengruppen sollen Kinder rekrutiert und Zivilisten zur Zwangsarbeit verpflichtet haben. Offiziell unterliegt Myanmar wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen einem Embargo der westlichen Staaten. Zugleich aber investieren einige von ihnen in die Öl- und Gasindustrie, andere über ausländische Tochtergesellschaften in Industriebereiche. Gleichwohl ist in Myanmar seit Jahren ein Vakuum entstanden, das China mit großer Macht füllte. Politisch und wirtschaftlich ist Peking mit dem Regime verbunden. Zu Jahresbeginn verhinderte China eine Verurteilung Birmas im UN-Sicherheitsrat wegen seiner Menschenrechtspolitik.

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Birma, Burma oder Myanmar?

1989 verlieh die Militärjunta dem Land offiziell den Namen Myanmar. Dieser Namen wurde schon vor der Kolonialzeit verwendet. Die Menschen nannten ihre Heimat Myanmar. Das Wort setzt sich zusammen aus "myan - fest zusammenhaltend" und "mar - mächtig". Die vormalige britische Kolonie Burma (deutsch Birma) ist seit 1948 unabhängig. 1962 übernahm das Militär die Macht.Insgesamt gibt es noch 10 zugelassene politische Parteien, einige von ihnen repräsentieren ethnische Minderheiten. Führend ist die von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi 1988 mitgegründete National League for Democracy (NLD), der es bei den letzten erfolgten Parlamentswahlen von 1990 gelang, circa 60 Prozent aller Stimmen und 80 Prozent aller Sitze zu gewinnen, doch die Junta erkannte die Ergebnisse nicht an. Derzeit gibt es kein Parlament.

Unter der Führung Zehntausender Mönche und Nonnen begehrt das Volk nun gegen die Machthaber auf - und riskiert einen blutigen Gegenschlag. Seit mehr als einer Woche ziehen in der früheren Regierungsstadt Rangun Mönche und Nonnen in einem täglichen Protestzug durch die Straßen und fordern mehr Demokratie. Am 24. September wurden bereits über 100.000 Demonstranten gezählt. Die Proteste waren bisher nahezu gewaltfrei. Es ist nicht abzusehen, in welcher Form die Sicherheitskräfte auf weitere Menschenansammlungen reagieren werden. Die Anwendung von Gewalt ist dabei nicht auszuschließen. Die Militärregierung hat alle weiteren Demonstrationen verboten und eine nächtliche Ausgangssperre von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr verhängt. In der Nacht zum 27. September ist die Lage in Myanmar eskaliert: Soldaten stürmten Klöster und nahmen hunderte buddhistische Mönche fest. In der Rangun errichtete das Militär Barrikaden. Die Regierung will damit weitere Proteste unterdrücken. Auch Politiker der Nationalen Liga für Demokratie, der Partei von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, wurden festgenommen. Am Tag zuvor kam es bei der Unterdrückung der Massenproteste zu blutigen Übergriffen des Militärs. Über die Zahl der Opfer gibt es widersprüchliche Angaben, mindestens neun Menschen kamen ums Leben. Hunderte Soldaten wurden an strategisch wichtigen Orten in Rangun postiert, fünf buddhistische Klöster wurden zu Sperrzonen erklärt. Damit sollen offensichtlich weitere Proteste unterbunden werden. Trotz der Schüsse und Prügel gingen wieder Zehntausende Mönche und Bürger auf die Straße. Hunderte Personen wurden festgenommen.Den staatlichen Medien zufolge sind 2093 Menschen verhaftet worden, 692 sollen inzwischen wieder auf freiem Fuß sein.Der Sondergesandte der Vereinten Nationen, Ibrahim Gambari, ist nach viertägigen Gesprächen aus Myanmar abgereist. Zuvor traf er den Chef der Militärregierung, Than Shwe. Gambari hatte die Regierung von ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen die Massenproteste abbringen und zu Gesprächen mit der Opposition bewegen wollen. Vor seinem Abflug kam Gambari auch mit der seit Jahren unter Hausarrest stehenden Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi zusammen.

Auslöser der Rebellion war eine massive Erhöhung der Benzin-, Erdgas- und Lebensmittelpreise. Den Demonstrationen in der Stadt Pakokku schlossen sich buddhistische Mönche an. Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die Protestierenden vor, drei Geistliche wurden verletzt. Die Mönche verlangten eine Entschuldigung von der Regierung. Als die nicht kam, begannen sie zu demonstrieren.

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Volksaufstand 1988

Die Situation weckt böse Erinnerungen an den letzten großen Volksaufstand vor 20 Jahren. Damals standen die buddhistischen Mönche zunächst ebenfalls an der Spitze einer Protestbewegung gegen die Militärs. Das Regime reagierte mit brutaler Härte. Am 8. August 1988 gipfelten die monatelangen Unruhen wegen der Wirtschaftspolitik des Militärs unter Führung von General Ne Win in der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in der Hauptstadt Rangun mit 3.000 Toten.Die innenpolitische Lage ist seit Jahren angespannt.

Seit Ende 2004 kommt es immer wieder zu Sprengstoffanschlägen, die zumeist ohne gravierende Folgen geblieben sind. Am 26. April 2005 gab es jedoch bei einer Bombenexplosion im Zaygyo Markt in Mandalay zwei Todesopfer und 16 Verletzte. Bei parallel durchgeführten Terroranschlägen am 07. Mai 2005 in zwei der am meisten frequentierten Supermärkte und in einem Messegebäude in Rangun wurden nach Angabe der Regierung insgesamt 23 Menschen getötet und zahlreiche andere verletzt. Seither kam es zu einer Reihe weiterer Sprengstoffanschläge in verschiedenen Regionen Myanmars, die jedoch relativ glimpflich verliefen. Am 15. Januar 2007 gingen mehrere Pakete mit Zündern ohne Sprengstoff in Ranguner Postämtern ein, von denen einer explodierte und dabei einen Postbeamten verletzte. Die Urheber der Anschlagserie sind weiterhin unbekannt.

Die Vereinten Nationen äußerten sich besorgt über die Lage in Rangun. Der UNO-Sondergesandte für Myanmar, Ibrahim Gambari, sagte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Entwicklung in dem südostasiatischen Land gebe Anlass für wachsende Besorgnis. Dies unterstreiche die Dringlichkeit für eine Lösung der politischen Krise. Zuvor stellte schon die Europäische Union eine Verschärfung der Sanktionen gegen die Militärjunta in Aussicht, sollte diese gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgehen.

Der UN-Sicherheitsrat rief in einer Sondersitzung am 26. September zur Mäßigung auf und zeigt sich über die Vorgänge in Myanmar tief besorgt.  Eine klare Verurteilung des gewaltsamen Vorgehens der myanmarischen Militärjunta gegen Demonstranten wurde jedoch von China blockiert.tagesschau: Der Einfluss Chinas auf die Entwicklung in BirmaDie Außenminister der G8 - die sieben führenden Industrienationen und Russland - forderten die Militärführung in Burma zur Gewaltfreiheit und zum Dialog mit den Demonstranten auf. Die US-Regierung verhängte inzwischen gegen 14 Mitglieder der herrschenden Militärjunta Sanktionen. Damit sind Vermögenswerte der teilweise namentlich genannten, hochrangigen Regierungsvertreter in den USA eingefroren, teilte das US-Finanzministerium mit. China, an dessen Widerstand zuvor eine Verurteilung im Sicherheitsrat gescheitert war, warnte das befreundete Militärregime in Birma vor einer weiteren Zuspitzung. Die Asean-Außenminister verurteilten das Vorgehen der Militärjunta ungewöhnlich scharf. Bei ihrem Treffen in New York hätten sie "mit Abscheu die Berichte zur Kenntnis genommen, dass automatische Waffen zum Einsatz gekommen sind".

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Links:

Auswärtiges Amt: Myanmar
amnesty international: Jahresbericht 2007 Myanmar
CIA: The World Factbook: Burma
Europäische Kommission: Myanmar
Human Rights Watch: Burma
bpb: Proteste in Myanmar
       
Offizielle Website Myanmar
Website Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi

Medien:

FAZ:  Burma - nach dem Zyklon
Spiegel: Burma - Kampf für die Freiheit
tagesschau: Wirbelsturm "Nargis" verwüstet Birma
tagesschau: Der Kampf der Mönche gegen die Militärjunta
ZDFheute: Myanmar: Warum die Mönche rebellieren
ZDFheute: Zyklon in Myanmar

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