Volksabstimmung zu Stuttgart 21 am 27. November 2011 (Archiv)

Mehrheit der Baden-Württemberger lehnt Gesetzesvorlage ab

Was ist geschehen?
Baden-Württemberg hat sich für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 entschieden. Rund 7,6 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, über das S21-Kündigungsgesetz abzustimmen.

Wie ging die Abstimmung aus?
Bei der Volksabstimmung am 27. November haben sich 58,9 Prozent der Abstimmenden gegen den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung von S21 ausgesprochen, 41,1 Prozent stimmten für den Ausstieg. Die Projektgegner verfehlten zudem das Quorum von einem Drittel der Stimmberechtigten um eine Million Stimmen. Damit ist das S21-Kündigungsgesetz der Landesregierung gescheitert.

Das Abstimmungsergebnis

Die Abstimmungsbeteiligung war überraschend hoch und lag mit 3,68 Millionen abgegebenen Stimmen bei 48,3 Prozent (Landtagswahl 2011: 66,3 Prozent), 14.300 Stimmen waren ungültig. 

Ja-Stimmen: 1.507.961 (41,1 Prozent)
Nein-Stimmen: 2.160.411 (58,9 Prozent)

In den beiden vom Bahnprojekt Stuttgart-Ulm direkt betroffenen Städten Stuttgart und Ulm wurden mehr Nein-, in Freiburg, Heidelberg, Mannheim  und Karlsruhe wurden hingegen mehr Ja-Stimmen gezählt.

Abstimmungsbeteiligung in Stuttgart am höchsten
In keiner anderen Stadt im ganzen Land war die Beteiligung an der Volksabstimmung so hoch gewesen wie in der Landeshauptstadt Stuttgart. 67,8 Prozent der Stimmberechtigten nahmen an der Abstimmung teil, 47,1 Prozent stimmten mit "Ja", 52,9 Prozent stimmten mit "Nein", also für den Tiefbahnhof. Nur in 7 der insgesamt 44 Stimmkreise Baden-Württembergs fand das S2-Kündigungsgesetz mit einer Mehrheit gültiger Ja-Stimmen Zustimmung.


Landesregierung akzeptierte das Abstimmungsergebnis
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versicherte nach der Abstimmung:

"Wir werden dieses Votum akzeptieren; das wird die ganze Landesregierung machen."

Die Bahn habe das Baurecht und das müsse gewährleistet werden.

"Selbstverständlich akzeptieren wir das Votum gegen das S21-Kündigungsgesetz ohne Wenn und Aber. Denn in der Demokratie ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger das Maß aller Dinge. Die Bahn hat Baurecht. Und nach diesem Votum ist klar: Die Landesregierung wird die Umsetzung des Projekts nun kritisch-konstruktiv begleiten.“


Ein Neuanfang
Der Konflikt um Stuttgart 21 lähmte die Landespolitik und spaltete die Gesellschaft länger, als das für Baden-Württemberg gut war. Der Streit um den Tiefbahnhof hatte bei manchen Befürwortern und Gegnern Züge eines Glaubenskriegs angenommen. Das deutliche Abstimmungsergebnis konnte einen Neuanfang ermöglichen.

Die Bahn hatte nach der Volksabstimmung zunächst nicht mit dem Weiterbau begonnen. Die Arbeiten wurden erst Anfang 2012 wieder aufgenommen, man wollte zunächst jede Eskalation vermeiden.

Im Februar 2012 begannen dann die Abrissarbeiten am Südflügel des Hauptbahnhofs. Bäume im Park wurden verpflanzt und mussten teilweise gefällt werden, das Protestcamp der Parkschützer wurde geräumt. Abschließende Arbeiten am Grundwassermanagement wurden angekündigt - die Voraussetzung für das Ausheben der Baugrube für den Tiefbahnhof. Der für Herbst 2012 geplante Tunnelanstich für die zehn Kilometer lange Tunnelröhre zwischen Hauptbahnhof und Flughafen wurde verschoben. Erst 2013 sollen die Tiefbauarbeiten im Schloßpark beginnen. Für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm müssen nun die Neckarbrücke in Stuttgart und die Filstalbrücke auf der Schwäbischen Alb gebaut werden.

Jetzt muss die Politik klar hinter dem Bahnprojekt stehen – die Bürgerinnen und Bürger haben in der Volksabstimmung den deutlichen Auftrag dazu gegeben.


 

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Stimmen zur Volksabstimmung


Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen) Foto: Staatsministerium

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte nach der Bekanntgabe der Ergebnisse: „Inhaltlich ist das Ergebnis für mich eine harte Entscheidung und ich hätte mir natürlich einen anderen Ausgang der Abstimmung gewünscht. Aber selbstverständlich akzeptieren wir das Votum gegen das S 21-Kündigungsgesetz ohne Wenn und Aber. Denn in der Demokratie ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger das Maß aller Dinge. Die Bahn hat Baurecht. Und nach diesem Votum ist klar: Die Landesregierung wird die Umsetzung des Projekts nun kritisch-konstruktiv begleiten.“ Obwohl das Ergebnis nicht seinen Wünschen entsprach, bewertete Kretschmann die Volksabstimmung doch positiv: „Der heutige Tag ist ein guter Tag für die Demokratie. Wie bedanken uns ganz herzlich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die an der Volksabstimmung teilgenommen haben. Die hohe Abstimmungsbeteiligung zeigt, dass die Menschen stärker an politischen Entscheidungen beteiligt werden wollen. Mit der heutigen Volksabstimmung haben wir einen großen Schritt in die Bürgergesellschaft gemacht, dem weitere folgen werden.“ Kretschmann will den "Schwung" aus der Volksabstimmung über das S 21-Kündigungsgesetz nutzen, um nun die bestehenden Hürden für direkte Demokratie im Land abzubauen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirbt in einem offenen Brief bei den Bürgerinnen und Bürgern dafür, das Ergebnis der Volksabstimmung zum Ausstieg aus der Finanzierung von Stuttgart zu akzeptieren. „Es gehört zum Wesenskern der Demokratie, dass man Mehrheitsentscheidungen akzeptiert, ob sie einem nun gefallen oder nicht“, schreibt Kretschmann.

Offener Brief vom 06.02.2012


Nils Schmid (SPD) Foto: nils-schmid.de

Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid, der Stuttgart 21 befürwortete und sich schon vor der Wahl für eine Volksabstimmung eingesetzt hatte, freute sich über das "klare und starke Votum". Für ihn ist ganz Baden-Württemberg der Gewinner der Abstimmung. Die Landesregierung werde nun den Bau vollenden - "so wie das Volk es gewünscht hat". Er betonte aber auch, dass das Land penibel darauf achten werde, dass der Kostenrahmen von maximal 4,5 Milliarden nicht gesprengt werde. Schmid wertet die Volksabstimmung als „Aufbruchsignal für mehr Demokratie hier in Baden-Württemberg“. Er kündigte deshalb an, die Landesregierung werde im neuen Jahr mit allen im Landtag vertretenden Parteien sprechen, um mit einer Verfassungsänderung die direktdemokratische Beteiligung zu erleichtern.

Thomas Strobl (CDU) Foto:CDU/CSU-Fraktion, Laurence Chaperon

Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl freute sich über das Ergebnis der Volksabstimmung: „Die CDU Baden-Württemberg war und ist ein entschiedener Befürworter von Stuttgart 21: Das Ergebnis ist insofern auch ein toller Erfolg für die CDU Baden-Württemberg.“ Nun fordert Strobl von Ministerpräsident Kretschmann: „Er muss den verbohrten S21-Gegnern, die weiteren Widerstand angekündigt haben, klar machen, wie Demokratie funktioniert.“ Von der Landesregierung erwarte er, dass sie nun mit einer Stimme spräche und der Projektförderungspflicht nachkomme. „Querschüsse aus der Landesregierung und aus den eigenen Reihen, Tricks und Täuschungen sind nicht mehr hinnehmbar."

Hans-Ulrich Rülke (FDP) Foto: FDP/DVP-Fraktion

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülkesagte, nachdem die Ergebnisse bekannt gegeben wurden: "Mir ist ein Felsbrocken vom Herzen gefallen." Anschließend forderte er Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/ Die Grünen) zum Rücktritt auf.Wenn Hermann noch "einen Funken Selbstachtung" habe, müsse er sein Amt abgeben, sagte Rülke im SWR. Er bezweifle, dass Hermann den Weiterbau des Stuttgarter Tiefbahnhofs durchsetzen werde. Verkehrsminister Winfried Hermann lehnte seinen Rücktritt umgehend ab.

Weiter: Der Weg zur Volksabstimmung

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