Landtagswahl in Thüringen

Am 27. Oktober 2019 wählten die Thüringer Bürgerinnen und Bürger einen neuen Landtag.

Es ist das erste Mal bei einer Wahl in der deutschen Nachkriegsgeschichte, dass die Parteien der Mitte keine Mehrheit mehr haben. Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung steht die CDU in Thüringen nicht mehr an der Spitze, sie stürzt auf ein historische Tief und ist nur noch dritte Kraft hinter der AfD.

Der historische Wahlsieg der Linken geht nahezu komplett auf das Konto von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Sie wird nach dem vorläufigen Ergebnis des Landeswahlleiters stärkste Partei mit 29 Sitzen im Landtag. Das in den September-Umfragen vorhergesagte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Linke und CDU fand daher nicht statt, die CDU ist mit 21 Sitzen im Landtag deutlich weniger stark vertreten. Damit liegt sie hinter der AfD, die mit 22 Sitzen zweitstärkste Kraft im Thüringer Landtag wird. Die SPD verliert ebenfalls und ist nur noch einstellig. Sie bekommt acht, Grüne und FDP, die nur knapp in den Landtag einzieht, jeweils fünf Sitze. 

Mehr Bürgerinnen und Bürger gingen zur Wahl, die Wahlbeteiligung stieg deutlich an. Schwierig könnte dem vorläufigen Ergebnis zufolge die Regierungsbildung werden, da nur wenige Konstellationen eine rechnerische Mehrheit haben. Eine tolerierte Minderheitenregierung wäre eine mögliche Option.

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Ergebnisse

Sitzverteilung im Landesparlament

Die Sitze im Landesparlament (Stand: Vorläufiges Ergebnis des Landeswahlleiters, 27.10.2019, 23 Uhr):

ParteiSitze 2019Sitze 2014Unterschied
Linke2928+1
AfD2211+11
CDU2134-13
SPD812-4
Grüne56-1
FDP50+5
GESAMT9091-1

Nach dem vorläufigen Ergebnis wird der Thüringer Landtag 90 Sitze umfassen. Die größten Verluste erlitten CDU und SPD, die jeweils rund ein Drittel ihrer Sitze abgeben mussten. Gewinner ist die AfD, die doppelt so viele Sitze bekommt wie noch 2019, und die FDP, die nun wieder im Thüringer Landtag vertreten ist. Mit 29 Sitzen wird die Linke stärkste Fraktion.

 


Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung stieg deutlich an. 64,9 Prozent der wahlberechtigten Thüringer*innen gaben ihre Stimmen ab. Damit gingen zwei von drei Bürgerinnen und Bürgern zur Wahlurne. 2014 lag die Wahlbeteiligung noch bei 52,7 Prozent, 2009 gingen 56,2 Prozent zur Wahl.


Stimmenanteile:

2019
in %
2014
 in %
Linke31,0 28,2+2,8
AfD23,410,6+12,8
CDU21,833,5-11,7
SPD8,2 12,4-4,2
Grüne5,25,7-0,5
FDP5,02,5+2,5
Sonstige5,49,6 -4,2

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Welche Koalitionen wären möglich?

Rein rechnerisch hätte eine Koalition aus Linke und CDU oder Linke und AfD eine Mehrheit - politisch werden diese Koalitionen jedoch vermutlich nicht zustande kommen. Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat jedoch Bereitschaft zu Gesprächen mit der Linken signalisiert. Eine weitere Möglichkeit der Regierungsbildung wäre eine tolerierte Minderheitsregierung.

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Wählerwanderungen

81.000 Nichtwählerinnen und Nichtwähler konnte die AfD für sich gewinnen, 60.000 die Linke - diese beiden Parteien haben die Personen, die 2014 ihren Gang zur Wahlurne nicht antraten, am besten mobilisieren können. Ein Blick in die Wählerwanderungen zeigt weitere interessante Bewegungen bei der Landtagswahl in Thüringen. 

Die CDU verlor beispielsweise nicht nur an die AfD (37.000), sondern auch an die Linke (27.000) nicht unerhebliche Teile ihrer bisherigen Wählerschaft. Das ist politisch interessant, da die Landes-Linke inhaltlich teilweise durchaus andere Positionen vertritt als die CDU. Auch die Grünen konnten rund 6000 ehemalige CDU-Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen. Die SPD verlor mit 27.000, die Grünen mit 12.000 relevante Stimmenanteile an die Linke. Während die AfD der Linken Teile ihrer Wählerschaft streitig machte (18.000), konnte die AfD ihre Stammwähler großteils auch weiterhin von sich überzeugen. Die FDP profitierte von ehemaligen CDU- und Nichtwählern.

Visualisiert hat unter anderem die Tagesschau die Wählerwanderungen. 

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Die Rolle der AfD in Thüringen

Die AfD konnte ihren Stimmenanteil von 2014 verdoppeln und ist jetzt die zweitstärkste Kraft im Thüringer Landtag. 

Die Debatte um die Bezeichnung Björn Höckes als Faschist 

Im Vorfeld der Wahl entzündete sich die öffentliche Debatte, ob der Vorsitzende der AfD Thüringen, Björn Höcke, als Faschist bezeichnet werden dürfe. Eine Demonstration gegen die AfD war von der Stadtverwaltung Eisenach verboten worden, da der Titel "Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den Faschisten Björn Höcke" lautete und die Stadtverwaltung sein Persönlichkeitsrecht dadurch verletzt sah. Die Initiatoren der Demonstration beantragten eine Aufhebung des Verbots - und bekamen Recht.

Ihre Bezeichnung als Faschist sei nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruhe auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage, so das Verwaltungsgericht. Der Vorsitzende der AfD Thüringen, Björn Höcke, darf als Faschist bezeichnet somit sprachlich in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt werden. 

Zum Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Meiningen

Was ist ein Faschist?

Zum Begriff Faschist erklärte das Verwaltungsgericht:

"Der Begriff 'Faschist' im heutigen politischen Sprachgebrauch hat die Bedeutung, dass damit der abwertende Vorwurf antidemokratischer, totalitärer, übersteigert nationalistischer und/oder militaristischer Neigungen und Verhaltensformen erhoben wird.

Im Hinblick auf die geschichtliche Entwicklung in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen und im 2. Weltkrieg haben diese Bezeichnungen jedenfalls unter deutschen Verhältnissen darüber hinaus den Inhalt, dass der damit bedachte politische Gegner in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt und ihm damit gleichgestellt wird."

Wie begründete das Gericht, dass Höcke ein Faschist ist?

Aus dem Gerichtsbeschluss:

"Im Juli 2018 sei sein Buch mit dem Titel "Nie zweimal in denselben Fluss" im ManuscriptumVerlag erschienen. Es handele sich um ein rund dreihundert-seitiges Interview. Dieses Buch bestätige insgesamt eine faschistische Agenda des Herrn Höcke. Nach seiner Auffassung sei letztlich ein neuer Führer erforderlich. Teile der Bevölkerung sollten ausgeschlossen werden, insbesondere Migranten. In rassistischer Diktion wettere er gegen den angeblich "bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch". Gegenüber Andersdenkenden gelte: "Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser kuriert werden, wusste schon Hegel". Bezogen auf die von ihm angestrebte Umwälzung stelle er fest, dass "wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind" mitzumachen. Er denke an einen "Aderlass".

Diejenigen Deutschen, die seinen politischen Zielen nicht zustimmten, würden aus seinem Deutschland ausgeschlossen werden. Er trete für die Reinigung Deutschlands ein. Mit starkem Besen sollten eine "feste Hand" und ein "Zuchtmeister" den Saustall ausmisten. Bezogen auf den Hitler-Faschismus sei diese für ihn vor allem die "katastrophale Niederlage von 1945". Schlimm sei gewesen, dass Deutschland den Weltkrieg verloren habe. In Dresden habe er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert, was heiße, die Zeit des Hitler-Faschismus positiv zu betrachten, was auch insgesamt man aus seiner Rede herauslesen werde können. Dort fände sich auch eine Verherrlichung des Faschismus. Das Holocaust-Denkmal in Berlin bezeichne er als „Schandmal“.

Er setze immer wieder an faschistischem Sprachduktus an: „Ich will, dass Magdeburg und dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben, und ich weiß, ihr wollt das auch". Zu Hitler erkläre er, dass „Hitler als absolut böse dargestellt wird", und dass es nicht so „Schwarz und Weiß" sei. Im Kontext vieler anderer Aussagen sei immer wieder eine Verharmlosung und Relativierung Hitlers und des Dritten Reiches erfolgt."

Reaktionen aus der jüdischen Gemeinde

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, warnt in einer Pressemitteilung mit Blick auf das Wahlergebnis vor einer Gefahr für die Demokratie. "Mit ihrer Stimme haben viele Wahlberechtigte eine Partei unterstützt, die seit Jahren mit ihrer Verharmlosung der NS-Zeit, ihrem offenen Nationalismus und dem von ihr geschürten Hass gegen Minderheiten, darunter auch die jüdische Gemeinschaft, den Nährboden für Ausgrenzung und rechtsextreme Gewalt bereitet", schrieb sie.

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Parteien

Fraktionen, die im Landtag sind, und Parteien mit Einzugschancen

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Spitzenkandidierende

  • Die Linke: Bodo Ramelow.
  • CDU: Mike Mohring.
  • AfD: Björn Höcke
  • Bündnis 90/Die Grünen: Anja Siegesmund und Dirk Adams
  • SPD: Wolfgang Tiefensee

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Informationen zur Landtagswahl in Thüringen

Gewählt werden die mindestens 88 Abgeordneten des Thüringer Landtages. Der erste Thüringer Landtag wurde am 14. Oktober 1990 gewählt. Die Wahlperiode beträgt seit 1994 fünf Jahre. Stimmberechtigt bei den Wahlen zum Thüringer Landtag sind alle Bürgerinnen und Bürger, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mindestens 18 Jahre sind, ihren Wohnsitz seit mindestens drei Monaten im Freistaat Thüringen haben und ihr Wahlrecht nicht durch einen Richterspruch verloren haben. Ein aktives Wahlrecht ab 16, wie zum Beispiel Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein es haben, gibt es in Thüringen auf Landesebene nicht.

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Rückblick: Landtagswahl 2014

Landtagswahl in Thüringen am 14. September 2014

Die CDU von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ist mit 33,5 Prozent stärkste Kraft bei der Landtagswahl in Thüringen geworden. Trotzdem bleibt es spannend. Die derzeit regierende Koalition aus CDU und SPD kommt auf 46 der 91 Landtagsmandate. Das bedeutet eine Stimme Mehrheit. Doch auch Linkspartei, SPD und Grüne haben gemeinsam 46 Sitze. Die SPD als bisheriger Koalitionspartner musste herbe Verluste hinnehmen. Die Partei von Spitzenkandidatin Heike Taubert erreicht nur noch 12,4 Prozent, ein Minus von 6,1 Prozent. Damit ist sie nur drittstärkste Kraft - hinter der Linkspartei, die auf 28,2 Prozent kommt. Die Grünen erreichten 5,7 Prozent der Stimmen. Die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD) bekam aus dem Stand 10,6 Prozent. Die FDP gehört mit nur 2,5 Prozent dem neuen Landtag nicht mehr an.

Vorläufiges amtliches Endergebnis 2014 (Vgl.2009):

CDU: 33,5 %
(+2,3 %)
Die Linke: 28,2 %
(+ 0,8 %)
SPD: 12,4 %
(-6,1 %)
FDP: 2,5 %
(-5,1 %)
Grüne: 5,7 %
(-0,5 %)
NPD: 3,6 %
(-0,7 %)
AfD: 10,6 %
(+10,6%)
Sonstige: 3,5 %
(-1,2 %)

Die CDU erhält 34 Sitze, die Linke 28, die SPD 12, die Grünen 6 und die AfD bekommt 11 Sitze im neuen Landtag.

Die Wahlbeteiligung lag bei 52,7 Prozent. Vor fünf Jahren gingen noch 56,2 Prozent der Thüringer zur Wahl.


Die Landtagswahl
Gewählt wurden die mindestens 88 Abgeordneten des Thüringer Landtages am 14. September 2014. Der 1. Thüringer Landtag wurde am 14. Oktober 1990 zum ersten Mal gewählt. Die Wahlperiode beträgt fünf Jahre. Stimmberechtigt bei den Wahlen zum Thüringer Landtag sind alle Bürgerinnen und Bürger, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mindestens 18 Jahre sind, ihren Wohnsitz seit mindestens drei Monaten im Freistaat Thüringen haben und ihr Wahlrecht nicht durch einen Richterspruch verloren haben.

Zur Wahl des thüringischen Landtags am 14. September 2014 traten insgesamt 12 Parteien und Wählervereinigungen an. Ein Kurz-Profil zu diesen Parteien finden Sie hier

SpitzenkandidatInnen:

 

Fraktionen im Landtag:

 

Links:



Wahl-O-Matfür Thüringen:

Der Wahl-O-Mat bietet Ihnen anhand von einfachen Thesen einen Einblick in die wichtigen Fragen des Wahlkampfes in Thüringen. Vergleichen Sie Ihre eigenen Ansichten mit den Positionen der Parteien und finden Sie heraus: Welche Partei vertritt Ihre Meinung am besten? Im Wahl-O-Mat der Landtagswahl in Thüringen am 14. September 2014 sind alle vom Landeswahlleiter zugelassenen Parteien vertreten.

Wahl-O-Mat


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Aktualisiert durch die Internetredaktion der LpB BW im Otkober 2019.
Diese Seite wird nach der Wahl nicht mehr aktualisiert.

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