Fukushima

Die Atomkatastrophe 2011 und ihre Folgen

Am 11. März 2011 erschütterte eines der stärksten jemals gemessenen Erdbeben die Küste Japans.

  • Es löste einen Tsunami mit stellenweise bis zu vierzig Meter hohen Wellen aus.
  • Durch das Erdbeben und den Tsunami kollabierten mehrere Kühlsysteme im japanischen Atomkraftwerk Fukushima. Erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe wurden freigesetzt.
  • Einen Monat nach der japanischen Atomkatastrophe verkündete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Energiewende. Ursprünglich sollten bis Ende 2022 alle deutschen Kernkraftwerke stillgelegt sein. Für drei deutsche Reaktoren wurde 2022 eine Laufzeitverlängerung bis April 2023 beschlossen.

Auch nach mehr als zehn Jahren sind die Folgen der Reaktorkatastrophe in Fukushima noch immer spürbar. Die Verunsicherung der Menschen vor Ort ist weiterhin groß. Vor allem die Langzeitfolgen der Katastrophe lassen sich nicht abschätzen. Diese Seite bietet eine Übersicht über die Reaktorkatastrophe und den Stand der Aufräumarbeiten.

 

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Kurz & Knapp: Was ist passiert?

Eine Übersicht über die Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011

Erdbeben und Tsunami

Am 11. März 2011 (15:35 Uhr Ortszeit) ereignete sich 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai und knapp 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstad Tokio eines der stärksten jemals gemessenen Erdbeben. Das Beben mit einer Stärke von 9,0 löste einen Tsunami mit stellenweise bis zu vierzig Meter hohen Wellen aus. Die Wassermassen drangen mit einer Geschwindigkeit von 800 km/h ins Land. 

Super-GAU

Durch das Erdbeben und den Tsunami kollabierten mehrere Kühlsysteme im japanischen Atomkraftwerk Fukushima. Es folgte eine Unfallserie in den Reaktorblöcken 1 bis 4, bei der erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt wurden. Es kam zur Kernschmelze. Wasserstoffexplosionen schleuderten die Radioaktivität in die Luft über Japan. Der Begriff „Super-GAU“ beschreibt Reaktorunfälle mit anschließender atomarer Verseuchung. Die Reaktorkatastrophe in Japan war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl im Jahr 1986.

Die Folgen

  • Rund 18.500 Menschen kamen durch das Erdbeben und den folgenden Tsunami ums Leben bzw. gelten seitdem als vermisst. Große Landstriche wurden verwüstet, ganze Städte wurden ausgelöscht.
  • Nach Angaben von Wissenschaftlern hat die Wucht des Erdbebens die japanische Hauptinsel um 2,4 Meter verschoben.
  • Das Ausmaß der atomaren Verstrahlung im Atomkraftwerk Fukushima ist bis heute nicht genau abzuschätzen.
    • Fast 500.000 Menschen mussten vor der Dreifachkatastrophe fliehen, mehr als 160.000 Menschen mussten dauerhaft umgesiedelt werden. Viele von ihnen wohnen bis heute in provisorischen Wohnungscontainern.
    • Rund 300 Quadratkilometer in der Region Fukushima sind auch heute noch Sperrgebiet und dürfen nur eingeschränkt betreten werden. Das entspricht der Fläche der Stadt München.
    • Die Krebsrate bei Jugendlichen aus der Region ist einer Untersuchung zufolge deutlich höher als im Rest Japans. Insgesamt kann auch weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass in den kommenden Jahren noch Erkrankungen als Folge des Reaktorunfalls auftreten.
    • Viele Menschen leiden unter den Folgen des Unglücks, wozu vor allem auch psychische Belastungen gehören.

Politische Reaktionen

Mit der Atomkatastrophe in Fukushima hatte sich der Streit über die Zukunft der Atomenergie auch in Deutschland zugespitzt: Zwei Monate nach dem Reaktorunglück verkündete Bundeskanzlerin Merkel (CDU) die geplante Stilllegung aller deutschen Atomkraftwerke bis Ende 2022.

Als Reaktion auf die „Energiekrise“, welche durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöst wurde, beschloss die Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung von drei Reaktoren. Die Reaktoren Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 sollen bis spätestens 15. April 2023 heruntergefahren werden.

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Rückblick: „Katastrophaler Unfall" im Atomkraftwerk Fukushima

Was ist 2011 passiert?

  1. In dem Atomkraftwerk Fukushima fiel nach dem Tsunami das Kühlsystem bei vier Reaktoren aus; der Kühlwasserstand sank.
  2. Trotz der verzweifelten Versuche der japanischen Techniker, die Lage in den Reaktoren mit großen Mengen Meerwasser und Borsäure in den Griff zu bekommen, kam es zu einer übermäßigen Erhitzung der Reaktorkerne.
  3. In den Reaktoren 1 bis 4 kam es zu mehreren Wasserstoffexplosionen und Bränden, durch die die Reaktorgebäude erheblich beschädigt wurden. In drei Blöcken sind die Brennstäbe schon am ersten Abend nach dem Erdbeben geschmolzen. Das nukleare Brennmaterial liegt vermutlich zu Klumpen geschmolzen auf dem Reaktorboden. Aktuelle Informationen liefert unter anderem diese Studie, die 2020 veröffentlicht wurde.


Hintergrund: Kernschmelze

Bei einer Kernschmelze erhitzen sich die Brennstäbe so stark, dass sie ihre feste Form verlieren. Im Endstadium bahnt sich der geschmolzene Kern seinen Weg durch die Reaktorwände, der Druckbehälter kann bersten und dadurch Radioaktivität freisetzten. Damit wird wie bei der Katastrophe von Tschernobyl 1986 eine große Menge Radioaktivität freigesetzt – mit unabsehbaren Folgen. Nach offiziellen japanischen Angaben sollen in Fukushima bisher zehn Prozent der in Tschernobyl freigesetzten Menge an radioaktiven Substanzen in die Atmosphäre gelangt sein. 

 

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Bildergalerie: Aufräumarbeiten im Atomkraftwerk

Wie ist der Stand heute?

Seit 2011 laufen in Fukushima die Aufräum- und Sicherungsarbeiten. Deren Abschluss wird erst um das Jahr 2050 erwartet. Das verantwortliche Unternehmen TEPCO (Tokyo Electric Power Company Holdings) informiert in einer  Zeitstrahl-Übersicht über den Stand der Aufräumarbeiten.

Auch elf Jahre nach dem Unglück kommt es noch zu Störfällen und Lecks. Im Januar 2022 teilte TEPCO mit, dass aus zwei Lagertanks vier Tonnen Kühlmittel entwichen seien. Auch wenn der Vorfall nach Angaben der Betreibergesellschaft keine schwerwiegenden Konsequenzen nach sich zog, steht er doch sinnbildlich für nach wie vor ungelöste Probleme bei der Sicherung der Atomruine.

Bis heute sind viele Fragen ungeklärt. Beispielhaft ist eine 2020 veröffentlichte Studie, in welcher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu ergründen versuchen, was genau mit den Brennstäben in Reaktor 1 geschehen ist. Es wird vermutet, dass diese geschmolzen sind — ein endgültiger Befund steht allerdings noch aus. Auch wird aus der Studie nicht ersichtlich, was es für die Menschen und die Umwelt bedeuten würde, wenn die Brennstäbe geschmolzen und auf den Boden des Gebäudes getropft wären.

Der Fachbericht des BASE (Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung) zum 10. Jahrestag des katastrophalen Unfalls von Fukushima geht detailliert auf die Themen Stilllegung, Sanierung und Abfallmanagement ein.

 

Wie Fukushima Japans Energiemix verändert hat (2021). Grafik: Statista.de

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Energiewende in Deutschland und Europa

Die politische Reaktion auf das Atomunglück in Fukushima

Einen Monat nach der japanischen Atomkatastrophe verkündete Kanzlerin Angela Merkel die Energiewende. Deutschland sollte den Einstieg ins Zeitalter der regenerativen Energien so schnell wie möglich vollziehen.

Wann welches Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, zeigt die Grafik (Stand: Februar 2023).

Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

Um die Energieversorgung auf nachhaltige Pfeiler zu stellen, verabschiedete die Bundesregierung im Jahr 2000 das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (= Erneuerbare-Energien-Gesetz; kurz: EEG). Das EEG wurde mehrfach überarbeitet und aktualisiert — zuletzt im Rahmen einer Novelle zu Jahresbeginn 2023. Das aktualisierte EEG orientiert sich an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Zu Beginn des Gesetzestextes heißt es:

  • Ziel dieses Gesetz ist insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Stromversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht.
  • Zur Erreichung des Ziels [...] soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms [...] auf mindestens 80 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden.
  • Der erforderliche Ausbau der erneuerbaren Energien soll stetig, kosteneffizient, umweltverträglich und netzverträglich erfolgen.

Dabei legt die Regierung Ziele fest. Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien soll bis 2030 bei 80 Prozent, und bis 2045 bei 100 Prozent liegen (Quelle: Das Erneuerbare Energien Gesetz). Der Anteil der erneuerbaren Energien nahm in den vergangenen Jahren in Deutschland kontinuierlich zu. Auch deshalb konnte die Zielsetzung des EEG mehrfach nach oben korrigiert werden. Aktuelle Zahlen dazu finden Sie beim Umweltbundesamt.

Dossier: Der beschleunigte Atomausstieg bis 2022

Weg von der Atomenergie, hin zur Ökoenergie. Das ist der Grundsatz der deutschen Energiepolitik seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Mit geradezu atemberaubendem Tempo hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition unter dem Eindruck von Fukushima eine energiepolitische Kehrtwende vollzogen.

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Rückblick: Entschluss zum Atomausstieg 2011

Die Atomkatastrophe von Fukushima heizte in Deutschland die Debatte über die Atompolitik neu an. Kurz vor den drei Landtagswahlen im März 2011 änderte die schwarz-gelbe Bundesregierung überraschend schnell ihre Atompolitik. Schon am 14. März 2011, drei Tage nach dem Erdbeben, beschloss sie die Aussetzung der Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke. Während eines dreimonatigen Moratoriums sollte die Sicherheit der 17 deutschen Kernkraftwerke noch einmal überprüft werden.

Erst im September 2010 hatte die CDU-FDP-Regierungskoalition ein neues Energiekonzept vorgestellt, das eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke vorsah. Der schwarz-gelbe Kompromiss, der am 28. Oktober 2010 vom Bundestag verabschiedet wurde, hätte bedeutet, dass die letzten Kernkraftwerke erst um das Jahr 2040 vom Netz gegangen wären, da Reststrommengen von alten auf neuere Meiler übertragen werden sollten und wartungsbedingte Produktionsausfälle nachgeholt werden könnten. Dadurch erhöhte sich die Regellaufzeit der Atommeiler auf 40 bis 46 Jahre.
Bis dahin galt nach dem von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg eine Laufzeit von 32 Jahren. Rot-Grün hatte sich im Jahr 2000 mit den vier Energieriesen RWE, Eon, EnBW und Vattenfall auf einen Atomausstieg geeinigt. Danach wäre der letzte der 17 Atommeiler in Deutschland nach aktuellem Stand 2025 vom Netz gegangen.

Der Wechsel hin zu erneuerbaren Energien ist allerdings umstritten. Uneinigkeit herrscht etwa beim notwendigen Ausbau der Netze, um den Ökostrom aus Windparks über Land zu transportieren. Heftig debattiert wird auch darüber, wie viel die Energiewende die Bürger kosten wird. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnte die schwarz-gelbe Regierung davor, die Energiewende über höhere Strompreise zu finanzieren. „Es geht nicht, dass die Bundesregierung sagt, wir machen einen schnellen Zeitplan und am Ende zahlen es die Stromkunden. Das wird so nicht funktionieren.“

Bund und Länder wollen gemeinsam schneller aus der Kernenergie aussteigen und in erneuerbare Energien umsteigen. Die Bundesregierung wollte dazu schon im Juni 2011 ein Gesetzespaket auf den Weg bringen.
„Wir alle wollen schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen und in die Versorgung mit erneuerbaren Energien um- und einsteigen“, so die Kanzlerin. Von zentraler Bedeutung für die Energiewende seien Investitionen in Stromnetze, der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien sowie mehr Energieeffizienz. Merkel betonte, die drei Pfeiler der Energieversorgung – Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltfreundlichkeit – seien weiter einzuhalten. „Trotzdem ist die Sicherheit der Kernkraftwerke natürlich das oberste Gebot, und da gibt es auch keine Kompromisse. Das heißt, wir müssen uns darauf einstellen, dass wir schneller aussteigen und trotzdem eine vergleichbare Energieversorgung schaffen.“

Mit einem Sechs-Punkte-Programm will die Bundesregierung die Energiewende voranbringen. Die Ministerien für Umwelt und Wirtschaft haben sich darin auf Vorschläge verständigt, um den Anteil der erneuerbaren Energien zu steigern, den Netzausbau voranzubringen und den Ausstieg aus der Atomenergie zu beschleunigen.

  1. erneuerbare Energien zügig voranbringen
  2. Netze und Speicher zügig ausbauen
  3. Energieeffizienz konsequent steigern
  4. flexible Kraftwerke schnell bauen
  5. Energieforschung neu ausrichten
  6. Bürger transparent beteiligen

Bundesumweltminister Norbert Röttgen erklärte, die Bundesregierung wolle fünf Milliarden Euro an Krediten für Investitionen in Windkraftanlagen auf hoher See zur Verfügung stellen. Diese bereits vereinbarten Kreditmittel sollen über die staatseigene KfW Bankengruppe ausgegeben werden.
Als Kostenfaktor gilt neben den Milliardeninvestitionen in erneuerbare Energien und ins Energiesparen unter anderem der Ausbau des Stromnetzes. 

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesetzte Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ hatte am 4. April 2011 unter Vorsitz von Prof. Klaus Töpfer und Prof. Matthias Kleiner ihre Arbeit aufgenommen. Zum Auftakt hat die Kommission in Berlin ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin und Bundesminister Röttgen geführt. Dabei wurden die Arbeitsschwerpunkte der Kommission erörtert. Die Kommissionsmitglieder stellten dar, welche Fragestellungen ihnen vordringlich erscheinen. Die Kommission hat den Auftrag, vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan die Risiken der Kernenergie und in diesem Zusammenhang die Sicherheit der Energieversorgung neu zu bewerten.

Das Bundeskabinett hatte am 6. Juni 2011 das sofortige Aus für acht Atomkraftwerke und den stufenweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 beschlossen. Mit breiter Mehrheit hatte der Bundestag am 30. Juni den vollständigen Abschied von der Nutzung der Kernenergie in Deutschland eingeleitet. Am 8. Juli hatte auch der Bundesrat dem Gesetzespaket zugestimmt. 
 
Ziel der Bundesregierung war es, einen breiten gesellschaftlichen Konsens und hohe Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen über die Energiewende zu erreichen. Der Grundsatzstreit über die Ausrichtung der Energiepolitik sollte überwunden werden. Dazu sollte die neu einberufene Ethikkommission mit ihren Empfehlungen eine wichtige Grundlage erarbeiten.

Rückblick: Reaktionen auf den Atomausstieg 2011

Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) begründete die plötzliche Kehrtwende der Regierung damit, dass es in Japan Annahmen für den Bau von Kernkraftwerken gegeben habe, die durch die Natur übertroffen wurden. Deshalb stelle sich auch in Deutschland die Frage: „Stimmen jetzt unsere Sicherheitsannahmen oder müssen wir nicht noch schärfere Annahmen machen?“ In Japan habe sich „das berühmte Restrisiko“ realisiert, sagte Röttgen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte als Konsequenz aus der Atomkatastrophe in Japan eine Aussetzung der Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke bekannt gegeben. Dieses „Moratorium“ gelte für drei Monate. Die deutschen Atommeiler sollten einer neuen Risikoanalyse unterzogen werden. „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, und wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte die Kanzlerin. Die japanischen Ereignisse lehrten, dass Risiken, die für absolut unwahrscheinlich gehalten wurden, dennoch eintreten könnten.

Für die Zeit des Moratoriums wurden die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke sowie der Reaktor Krümmel vom Netz genommen. Von dem vorübergehenden Abschalten waren die Atommeiler Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 in Baden-Württemberg, Isar 1 in Bayern, Biblis A und B in Hessen, Unterweser in Niedersachsen und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein betroffen. Zudem blieb das AKW Krümmel in Schleswig-Holstein vom Netz getrennt.

Die Opposition kritisierte den plötzlichen Kursschwenk der Bundesregierung als nicht glaubwürdig. Die SPD warf der Regierung aufgrund der bevorstehenden Landtagswahlen politischen Opportunismus vor. Wer tatsächlich mehr Sicherheit und zukunftsfähige Energiestrukturen wolle, der müsse die ältesten Reaktoren sofort endgültig abschalten und die Laufzeiten der restlichen verkürzen.

Die während des Moratoriums vorgesehene Überprüfung der Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke sollte von einer Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) durchgeführt werden. Die Experten der RSK hatten einen Anforderungskatalog zur Sicherheitsüberprüfung verabschiedet. Untersucht werden sollte die Sicherheit der Kernkraftwerke bei Erdbeben, Hochwassern, Flugzeugabstürzen, Terrorangriffen, Computerangriffen, der Freisetzung von giftigen und explosiven Gasen und die Auswirkungen eines Unfalls in einem Block auf den Nachbarblock. Bis zum 15. Mai 2011 sollte das Gremium dem Umweltministerium einen Bericht vorlegen. Das Moratorium dauerte zunächst bis Mitte Juni. Dann musste die Bundesregierung entscheiden, welche Kernkraftwerke dauerhaft stillgelegt werden. Im August 2011 wurden schließlich die Atommeiler Krümmel, Unterweser, Biblis A und B, Philippsburg I, Isar 1, Neckarwestheim und Brunsbüttel dauerhaft abgeschaltet.

Im Jahr 2015 wurde zusätzlich das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet, 2017 dann das Kernkraftwerk Gundremmingen B.

Derzeit (Anfang 2021) befinden sich noch die folgenden Reaktoren in Betrieb (in Klammern das Datum der geplanten Außerbetriebsetzung): Brokdorf (Ende 2021), Grohnde (Ende 2021), Gundremmingen C (Ende 2021), Emsland (Ende 2022), Isar/Ohu 2 (Ende 2022), Neckarwestheim 2 (Ende 2022).

Atomkraft in Europa

Während der Anteil der Atomenergie in Deutschland in den vergangenen Jahren sukzessive zurückging, setzen andere europäische Staaten nach wie vor auf Atomkraft. Allen voran in Frankreich, welches über 50 Prozent des in der EU erzeugten Atomstroms produziert, ist die Atomenergie von großer Bedeutung. Im Februar 2022 verkündete der französische Präsident Macron den Bau von bis zu 14 neuen Atomkraftwerken. Zusätzlich konnte Macron auf Ebene der EU durchsetzen, dass Atomenergie zukünftig als „grüne” Energie eingestuft wird.

Anteil der Kernenergie in verschiedenen EU-Staaten. Grafik: Statista.de

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Folgen der Katastrophe

Folgen für die Natur

Durch die Reaktorkatastrophe in Fukushima wurden große Mengen von radioaktiven Partikeln und Strahlung freigesetzt. In Böden, Nahrungsmittel, Leitungswasser und Meerwasser im weiten Umkreis wurden um ein Vielfaches erhöhte Strahlenwerte gemessen. Die animierte Karte zeigt die Radioaktivitätsmessstationen weltweit nach dem Ereignis in Japan, an denen künstliche Radionuklide aus Fukushima an den Stationen gemessen und nachgewiesen wurden (Hinweis: Klick auf das Bild vergrößert die Karte).

Viele Probleme sind auch auf dem Reaktorgelände immer noch ungelöst:

  • Regen- und Grundwasser dringt in die Anlagen ein. Und niemand weiß, wo die Leckagen sind, an denen das hoch kontaminierte Wasser herausläuft.
  • Der Atommüll, der bei den Aufräumarbeiten auf dem Gelände entsteht, soll – nach Belastung sortiert – an verschiedenen Stellen auf dem Gelände in Zwischenlagern untergebracht werden.

Noch immer fließt verseuchtes Wasser ins Meer. Grund dafür sind die großen Mengen an Wasser, die für die Kühlung der Reaktoren verwendet werden. In den letzten Jahren haben sich fast 1,1 Millionen Kubikmeter verseuchten Wassers angesammelt. Da die Lagerkapazitäten nicht mehr erweitert werden können, verkündete die japanische Regierung im April 2021 ihr Vorhaben, das Wasser über einen Zeitraum von 30 Jahren in den Ozean zu leiten. Zwar soll das kontaminierte Wasser zuvor gereinigt werden, doch gibt es keine Möglichkeit, das radioaktive Isotop Tritium herauszufiltern. 2023 wurde das Vorhaben von der Internationalen Atomenergiebehörde gebilligt. Mehr als eine Millionen Tonnen mit Tritium belastetes Wasser sollen ins Meer fließen.

 

Rückblick: die Folgen der Reaktorkatastrophe

Monatelang verfolgte die Welt den GAU von Fukushima, der sich nach und nach von einem „ernsten“ Störfall zum katastrophalen Unfall entwickelt hat. Die Ereignisse in Fukushima wurden von den Atomaufsichtsbehörden auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) auf die höchstmöglichen Einstufung als „katastrophaler Unfall“ (Stufe 7) eingestuft und damit mit dem Super-GAU von Tschernobyl gleichgesetzt. Nach internationalem Standard umfasst INES Stufe 7 die Freigabe hoher Mengen an Radioaktivität, die Einfluss auf Gesundheit und Umwelt haben. Über mögliche langfristige Folgen gibt die internationalen Bewertungsskala keine Auskunft (Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz).

Neun Monate nach der Natur- und Reaktorkatastrophe in Japan hatte die Regierung das havarierte Kernkraftwerk Fukushima für „sicher“ erklärt. Die Temperatur bleibe in den Reaktoren unter 100 Grad, aus dem Atomkraftwerk trete nur noch wenig Radioaktivität aus. Das Ziel, die Reaktoren bis zum Jahresende in einem sogenannten „cold shutdown“ (Kaltabschaltung) unter Kontrolle zu bringen, sei nun erreicht. Umweltschützer kritisierten das als Irreführung der Bevölkerung.

Im April 2012 hatte die japanische Regierung erste Einschränkungen aufgehoben. Manche Zonen durften wieder betreten werden, wenn auch nur für kurze Zeit. In der ganzen Region Fukushima wurden zunächst acht Milliarden Euro ausgegeben, um evakuierte Gebiete, die nicht zu sehr verstrahlt wurden, wieder bewohnbar zu machen.

Im Juni 2012 bezifferte der Kraftwerksbetreiber Tepco die Gebiete mit einer Belastung von mehr als 20 Millisievert (stark kontaminiert) in der Präfektur Fukushima auf 525 Quadratkilometer, die mit mehr als fünf Millisievert auf 1.800 Quadratkilometer.  Von stark kontaminierten Feldern wurden die obersten fünf Zentimeter Erde abgetragen. Die anderen Äcker wurden bis in zwanzig Zentimeter Tiefe umgepflügt. Hunderttausende Müllsäcke mit strahlendem Abfall lagern immer noch auf Feldern. Es gibt bisher kein Zwischenlager für den kontaminierten Müll, geschweige denn ein Endlager.

AKW-Betreiber Tepco musste Ende Februar 2015 zugegeben, dass seit einem Jahr hochverstrahltes Regenwasser vom Dach des Reaktors 2 ins Meer floss. Noch immer strömen täglich viele Tonnen Grundwasser in die verseuchte Anlage und treten verstrahlt wieder aus.

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Folgen für die Menschen

In der unmittelbaren Umgebung des Atomkraftwerks Fukushimas lebten vor dem Unglück mehr als 200.000 Menschen: rund 70.000 Menschen im Umkreis von zwanzig Kilometern, weitere 130.000 in der angrenzenden Gegend bis zur Dreißig-Kilometer-Linie. Doch auch außerhalb dieser Zonen hatte man in verschiedenen Orten stark erhöhte Radioaktivität nachgewiesen. Im Jahr 2011 wurden insgesamt 470.000 Menschen evakuiert. Bei vielen von ihnen bleibt die Unsicherheit und die Angst vor unberechenbaren Langzeitfolgen.

Fakten: Die Folgen für die Menschen

  • 160.000  Anwohner mussten langfristig wegen der radioaktiven Strahlung durch die Kernschmelze fliehen. Sie wurden umgesiedelt. Mehr als 30.000 von ihnen dürfen oder konnten noch nicht zurückkehren (Stand: 2019, Quelle: tagesschau).
  • 2018 wurde erstmals wieder Fisch von Fukushima nach Thailand exportiert.
  • Die japanische Regierung gibt immer mehr Gebiete zur Besiedlung frei und fordert die Bevölkerung zur Rückkehr auf. Im Januar 2022 durften die ersten ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner nach Fukushima zurückkehren.
  • Das Ausmaß der atomaren Verstrahlung im Atomkraftwerk Fukushima ist bis heute nicht abzuschätzen. Dasselbe gilt für die gesundheitlichen Folgen für die Menschen vor Ort. Große Flächen gelten noch immer als No-Go-Areas.
  • Am 13. Februar 2021, fast genau zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe, gab es in der Region Fukushima erneut ein starkes Erdbeben der Stärke 7,3. In der Atomruine, so der Betreiber, soll es dabei keine weiteren Unregelmäßigkeiten gegeben haben. Den Menschen wurde aber erneut drastisch vor Augen geführt, dass sie in einem der am stärksten von Erdbeben bedrohten Ländern der Welt leben.
  • Fukushima hat gezeigt, dass es auch in hoch entwickelten Ländern zu einer atomaren Katastrophe kommen kann.
  • Die japanische Regierung hält weiterhin an der Atomkraft fest.

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Tschernobyl und weitere atomare Unfälle

Seitdem der Mensch mit Hilfe von Kernreaktionen Energie erzeugt, kam es immer wieder zu Unfällen mit oft schwerwiegenden Folgen.

Am bekanntesten ist wohl Tschernobyl: Am 26. April 1986 kam es im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl zum GAU. Aufgrund von Konstruktionsmängeln beim Reaktor und Bedienungsfehlern geriet ein simulierter, totaler Stromausfall außer Kontrolle.

Dossier: Der Super-GAU von Tschernobyl

Tschernobyl steht für den bisher größten Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie.
zum Dossier

Details zum Super-GAU in Tschernobyl

Der Versuch, den Reaktor abzuschalten, beschleunigte die Kettenreaktion noch weiter. Es kam zu einer vollständigen Kernschmelze und der Explosion des Kernreaktors Tschernobyl Block 4. Ein großer Teil des radioaktiven Inhalts wurde nach außen geschleudert. Der Reaktor brannte zehn Tage lang. Die aufsteigende radioaktive Wolke verseuchte weiträumig die Region und zog in abgeschwächter Form über Nord- und Westeuropa. Auch in Deutschland ging radioaktiver Regen nieder. Ab dem 27. April wurde die benachbarte Stadt Prypjat evakuiert. Bis zum 4. Mai wurden weitere 160.000 Menschen in einem Gebiet von 30 km evakuiert. Insgesamt wurden 210.000 Einwohner umgesiedelt.
Bis heute besteht um Tschernobyl eine 4.300 km² große Sperrzone. Das Gebiet ist für nicht absehbare Zeit radioaktiv verseucht. Das wirkliche Ausmaß der Folgen von Tschernobyl ist bis heute unklar. Fachleute schätzen die Zahl der Menschen, die an den Folgen der Nuklearkatastrophe sterben werden, auf zwischen 40.00 und 100.000 an. 4.000 Menschen erkrankten infolge des Unfalls an Schilddrüsenkrebs.

Atomare Unfälle in Sellafield, Harrisburg und Tokaimura

Als erster großer Atomunfall gilt Sellafield, einer Atomanlage in Nordengland. Sellafield hieß ursprünglich Windscale und gehört zu den ältesten nuklearen Anlagen der Welt. Dort brach am 10. Oktober 1957 in einem Reaktor, der Brutreaktor zur Erzeugung von Plutonium für den Bau von Atombomben benutzt wurde, ein Feuer aus. Der Brand konnte erst am nächsten Tag gelöscht werden. Im Verlauf des Brandes wurde eine radioaktive Wolke freigesetzt, die sich über ganz Europa verteilte. Die britische Regierung verschwieg lange Zeit die Schwere des Vorfalls. Nach offiziellen Schätzungen gab es durch diesen Unfall 33 Tote und mehr als 200 Fälle von Schilddrüsenkrebs. Der Reaktor wurde nach diesem Unfall stillgelegt. Der Nuklearkomplex blieb allerdings aktiv und es kam zu weiteren, wenn auch nicht so schweren atomaren Zwischenfällen.

Am 28. März 1979 ereignete sich im amerikanischen Harrisburg der schwerste bekannt gewordene Störfall in der Geschichte der Atomindustrie vor Tschernobyl. Im Druckwasserreaktor des Kernkraftwerks Three Mile Island kam es durch technische Pannen und Bedienungsfehler nach einer Störung im Kühlsystem zum Schmelzen von etwa einem Drittel der Brennelemente. Infolge der geschmolzenen Brennelemente und Lecks im Kühlkreislauf traten große Mengen radioaktiver Gase aus, weshalb die Umgebung evakuiert werden musste. Harrisburg war der erste Unfall, bei dem es zu einer partiellen Kernschmelze kam.

Auch in Japan kam es schon zu atomaren Zwischenfällen. Der bisher schwerste ereignete sich im September 1999 in Tokaimura. In der etwa 100 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegenen Brennelemente-Fabrik setzte nach einer unvorschriftsmäßigen Befüllung eines Vorbereitungstanks eine unkontrollierte Kettenreaktion ein. In der Folge trat starke radioaktive Strahlung aus. Zwei von drei schwer verstrahlten Arbeitern sterben einige Zeit später eines qualvollen Todes. Mehrere hundert Anwohner wurden kontaminiert.

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Letzte Aktualisierung: März 2023 durch die Internetredaktion der LpB BW

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