Dossier


Das politische System der Volksrepublik China

Das politische System der Volksrepublik China unterscheidet sich grundlegend von liberalen Demokratien wie der Bundesrepublik Deutschland. Das chinesische Parlament und Regierungsämter werden nicht demokratisch vom Volk gewählt. Auch gibt es keine Gewaltenteilung oder Bürger- und Freiheitsrechte, die von der Verfassung garantiert werden. Trotzdem hat sich das chinesische Regierungssystem in den vergangenen Jahren als erstaunlich stark und effizient erwiesen. China ist heute einer der mächtigsten Staaten der Welt und die chinesische Wirtschaft floriert.

Wie genau funktioniert das politische System Chinas? Wie gelingt es einem undemokratischen Regime, die Bevölkerung bei Laune zu halten? Welche Rolle spielen Regierung, Parlament und die in China allgegenwärtige Kommunistische Partei? Wer verfügt über Macht und hat bei der Auswahl von politischem Spitzenpersonal oder bei Richtungsentscheidungen das Sagen? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserem Dossier auf den Grund.

Die Anfänge der Volksrepublik China: Vorbild Sowjetunion

Als die Volksrepublik China (VR China) 1949 gegründet wurde, war ihr politisches System zunächst eng an das System der Sowjetunion angelehnt. Besonders deutlich zeigt sich das an der ersten Verfassung von 1954, die sich die sowjetische Verfassung von 1936 zum Vorbild nahm. Bis heute bildet die alles überragende Stellung der Kommunistischen Partei das Kernelement der Verfassung. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) beansprucht eine unantastbare Führungsrolle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bereits seit der Staatsgründung ist das chinesische System zentralistisch organisiert. Alle Macht liegt bei der Partei und der Zentralregierung, die jedoch eng miteinander verflochten sind. Eine von der Partei unabhängige Regierung gibt es in China nicht. Parteiorgane stehen in der Hierarchie grundsätzlich über staatlichen Institutionen. Zugleich werden Führungspositionen des Staatsapparates grundsätzlich mit Parteimitgliedern besetzt. Nicht die Regierung, sondern die Partei bestimmt Chinas politischen Kurs und lenkt die Geschicke des Landes.

Vom Sowjetkommunismus zum Sino-Marxismus

Die Kernelemente des politischen Systems haben sich seit der Gründung der VR China kaum verändert. Allerdings hat sich die chinesische Führung im Laufe der Jahre vom einstigen sowjetischen Vorbild abgewandt und vertritt heute offiziell einen „Sozialismus chinesischer Prägung“. Die auch als Sino-Marxismus bezeichnete Staatsideologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine Ideologie ist, die nach unveränderlichen Glaubenssätzen funktioniert. Vielmehr handelt es sich um einen situativ anpassbaren Ansatz: Auf der Grundlage marxistischer Lehren sollen flexible und zeitgemäße Antworten auf Herausforderungen und Probleme gefunden werden.

Sozialismus trifft auf Kapitalismus und konfuzianische Lehren

Die Flexibilität Chinas politischer Führung zeigt sich nicht zuletzt an ihrer Bereitschaft, die Staatsideologie immer wieder anzupassen. Offiziell gilt die VR China bis heute als sozialistisches System. Partei- und Regierungsvertreter werden daher nicht müde, die Bedeutung der Schriften von Karl Marx oder Mao Zedong zu betonen. Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass sich China mehr und mehr an die Funktionsweise kapitalistischer Wirtschaftssysteme angepasst hat. Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang vom chinesischen „Staatskapitalismus“. Noch immer spielen zudem die über zweitausend Jahre alten konfuzianischen Lehren eine wichtige Rolle. Elemente aus Sozialismus, Kapitalismus und Konfuzianismus werden von der chinesischen Führung wie Bausteine zu einem Staatsmodell zusammengefügt, das es in dieser Form nur in China gibt. So wurde beispielsweise die konfuzianische Harmonielehre zur „sozialistischen harmonischen Gesellschaft“ umgedeutet.

Ist China eine Diktatur?

In China gibt es keine Wahlen, Volksabstimmungen oder sonstige demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Die chinesische Staatsführung hat jedoch erkannt, dass es wichtig ist, über die Bedürfnisse, Wünsche und Forderungen verschiedener Bevölkerungsgruppen Bescheid zu wissen. Über Gespräche, Bürgerversammlungen und weitere, zumeist informelle Beteiligungsmöglichkeiten verschafft sich Chinas politische Führung ein Bild von den Stimmungslagen in der Bevölkerung. Da weder garantierte Mitspracherechte noch die Möglichkeit zur Abwahl der Regierung existieren, kann Chinas Staatspartei politische Vorhaben allerdings jederzeit auch gegen den Willen einer Bevölkerungsmehrheit durchsetzen, ohne unmittelbare Konsequenzen fürchten zu müssen oder auf dem Wege der Gewaltenteilung gebremst zu werden. Die unbegrenzte Machtfülle der alleinherrschenden Kommunistischen Partei macht die Volksrepublik China faktisch zu einer Diktatur. Trotzdem gibt es auch in China eingespielte konsultative Verfahren, die für eine gewisse Responsivität sorgen, also ermöglichen, dass die Wünsche der Bevölkerung von der Partei registriert und teilweise auch berücksichtigt werden.

Merkmale von Demokratien

  • politischer Wettbewerb
  • Gewaltenteilung
  • Rechtsstaatlichkeit
  • Partizipationsmöglichkeiten für alle Bürger
  • Meinungs- und Redefreiheit
  • Vereinigungsfreiheit und Interessenpluralismus
  • Zugang zu Informationen und freien Medien

Volksrepublik China

  • Einparteienherrschaft
  • Machtkonzentration der Kommunistischen Partei
  • keine unabhängigen Gerichte
  • keine Beteiligungsmöglichkeiten für alle Bürger
  • Kritik wird unterdrückt
  • Opposition wird nicht geduldet
  • Zensur und staatliche Steuerung der Medien

Abgrenzung vom westlichen Demokratiemodell

Kritik, die an Chinas autoritären staatlichen Strukturen geäußert wird, begegnet man in Peking mit dem Verweis auf die Einzigartigkeit des chinesischen Systems: China gehe seinen eigenen Weg und sei von grundlegend anderen Vorstellungen und Denkmustern geprägt als westliche, liberale Regierungssysteme. Westlichen Kritikern mangele es an Verständnis für die Besonderheiten des chinesischen Weges, so der Konter aus Peking.

Hat der Demokratiebegriff in China eine andere Bedeutung?

Tatsächlich gibt es in China eigene Traditionen des politischen Denkens. Ein auf Sun Yat-sen, den ersten Präsidenten der Republik China, zurückgehender Ansatz besagt, dass die demokratische Macht zwar beim Volk liegen soll, die kompetente Ausübung der Regierungsgeschäfte aber besser durch eine davon unterschiedene Gruppe erfolgt. Dieser technokratische Ansatz, der den an der Regierung beteiligten Personen besondere Kompetenzen zuschreibt, hält sich in China bis heute. Das demokratische Element besteht in der Annahme, dass die Regierung zwar nicht durch das Volk gewählt wird, dessen Interessen aber trotzdem mehr oder weniger feinfühlig aufgreift und umsetzt. Chinesische Politiker verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass selbst eine machtvolle Regierung nicht dauerhaft im Widerspruch zu den Interessen der Gesellschaft handeln könne, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Tatsächlich greift Chinas alleinregierende Partei insbesondere auf lokaler Ebene zu verschiedenen konsultativen Maßnahmen, um Informationen über die in der Bevölkerung verbreiteten Ansichten und Interessen zu erlangen.

All dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in China keine freie politische Meinungsbildung, Meinungsfreiheit und Beteiligungsrechte gibt. Chinas Bevölkerung wird durch den Staat umfassend überwacht und kontrolliert. Ein gewaltiger Zensurapparat stellt sicher, dass kritische Standpunkte bereits im Keim erstickt werden. Wenn in China im Kontext des Regierungssystems von einer demokratisch regierenden Partei die Rede ist, hat dies neben den genannten Gründen also auch einen propagandistischen Hintergrund.

 

Menschenrechte, Repression und Überwachung in China

Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Religions- oder Pressefreiheit werden in China durch den Parteistaat stark eingeschränkt. Regierungskritiker, Demokratie- und Menschenrechtsaktivisten sowie Angehörige religiöser Minderheiten werden verfolgt, zum Teil willkürlich verhaftet und mit hohen Strafen belegt. In keinem anderen Land der Welt werden so viele Todesurteile vollstreckt wie in China. 

Eine relativ neue Entwicklung ist der Einsatz von Technologie zur Überwachung der Bevölkerung. Dies geschieht beispielsweise durch Kameras und Gesichtserkennungssoftware oder durch die systematische Kontrolle des Internets.

Erfahren Sie mehr zu Menschenrechten, Repression und Überwachung in China

Unterschiede zu anderen autoritär regierten Staaten

Ein Land, das seinen Bürgerinnen und Bürgern kaum politische Mitspracherechte einräumt, kann nicht als demokratisch bezeichnet werden. Die Kernmerkmale der Demokratie – Partizipation, politischer Wettbewerb und die Möglichkeit zur Bildung einer Opposition – sind von Chinas herrschender Partei nicht gewollt. Auch Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Medien gibt es in China nicht. China ist also kein demokratischer Staat, unterscheidet sich aber trotzdem erheblich von anderen autoritär regierten Staaten.

Eine systematische Ausbeutung der Bevölkerung oder die Aufrechterhaltung der Herrschaft durch den Einsatz (oder die Androhung) militärischer Gewalt – typische Verhaltensmuster autoritär regierter Staaten – sind im China des 21. Jahrhunderts kaum zu beobachten. Zwar setzt Chinas politische Führung durchaus auf einen repressiven Politikstil, zu einer großflächigen Konfrontation oder einem grundsätzlichen Antagonismus zwischen Bevölkerung und Machthabern führte dies allerdings bislang nicht. Obwohl sich auch in China fraglos viele Menschen mehr Freiheiten oder Mitspracherechte wünschen, gibt es zwischen Staatsführung und der Bevölkerung keinen klaffenden Riss. Wie ist dies möglich?

Wie sichert der Parteistaat die Loyalität der Bevölkerung?

Wohlstand und sozialer Aufstieg

Die Unterstützung für das politische System wurde lange Zeit vor allem mit der Aussicht auf wirtschaftlichen Aufstieg erklärt. Die Überlegung: Solange die Regierung ihr Versprechen auf eine Verbesserung der Lebensumstände einlösen kann, gibt es für die Bürgerinnen und Bürger keinen Grund, das politische System der Einparteienherrschaft in Frage zu stellen. Tatsächlich hat Chinas politische Führung mit dem beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg der vergangenen Jahre gute Argumente auf ihrer Seite und inszeniert sich als Garantin des gesellschaftlichen Wohlstands.

Symbolik und Ideologie: Die Partei als „Dienstleisterin des Volkes“

Viele Traditionen der konfuzianischen Philosophie spielen in China bis heute eine wichtige Rolle. So auch die Idee einer „harmonischen Gesellschaft“, in der „das Volk im Mittelpunkt steht“. Auch wenn es in China nur begrenzte demokratische Mitsprachemöglichkeiten gibt, ist im Denken der Menschen der Glaube tief verankert, dass die politische Führung die Interessen des Volkes würdig vertritt. Die Partei gilt vielen Menschen in diesem Sinne als „Dienstleisterin des Volkes“. Die Parteieliten in Peking pflegen diese Denktraditionen – nicht zuletzt, um das Bild einer symbolischen Einheit von Volk und Regierung zu stärken. Flankiert werden diese Vorstellungen von konsultativen Maßnahmen. Insbesondere auf lokaler Ebene bemühen sich Parteivertreter darum, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen und Stimmungsbilder aufzugreifen. Der Partei und ihren Führungspersönlichkeiten ist durchaus bewusst, dass eine gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtete Politik die eigene Machtposition gefährden würde. Ein patriotisch geprägtes Bildungs- und Erziehungssystem trägt zusätzlich dazu bei, die Menschen ideologisch an das System zu binden. Chinas Bevölkerung lernt die Kommunistische Partei von klein auf als „Hüterin der nationalen Souveränität und Würde“ kennen.

  • Kontraste

    Skyline von Shanghai. Die Millionenmetropole steht mit ihrer extravaganten Architektur wie keine andere chinesische Stadt für den Wohlstand, der sich in den urbanen Zentren Chinas in den vergangenen Jahren herausgebildet hat.

  • Kontraste

    Hongkong 2019: Die Polizei geht mit Tränengas gegen Demonstrierende vor. Die Aktivisten hatten sich für den Erhalt demokratischer Strukturen in der Sonderverwaltungszone Hongkong eingesetzt – am Ende aber ohne Erfolg.

Aufbau des Parteistaates

Das politische System Chinas besteht aus drei zentralen Säulen: Partei, Staat und Militär. Die Partei ist sowohl mit dem Staat als auch mit dem Militär eng verwoben. Die wichtigsten Parteifunktionäre bekleiden zumeist auch ein Amt in Staat oder Regierung. Partei und Staat sind spiegelbildlich aufgebaut. Für jeden Aufgaben- und Politikbereich in Staat und Regierung gibt es auch eine thematisch deckungsgleiche Abteilung in der Partei. Für jeden Politikbereich gibt es innerhalb der Partei eine Gruppe, die das für diesen Politikbereich zuständige Ministerium anleitet und kontrolliert. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei steht in der Hierarchie über den drei Säulen. Er bekleidet zudem das Amt des chinesischen Staatspräsidenten und des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission.

Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh)

Partei

  • Generalsekretär (Xi Jinping)
  • Ständiger Ausschuss des Politbüros
  • Politbüro
  • Zentralkomitee
  • Nationaler Parteitag

Staat

  • Staatspräsident (Xi Jinping)
  • Ministerpräsident
  • Staatsrat
  • Ständiger Ausschuss des Nationalen Volkskongress
  • Nationaler Volkskongress

Militär

  • Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (Xi Jinping)
  • Zentrale Militärkommission
  • Volksbefreiungsarmee

Schaubild: Noesselt, Nele (2018): Chinesische Politik. Nationale und globale Dimensionen, 2. Aufl., Baden-Baden. Eigene Darstellung

Formelle und informelle Ebenen der chinesischen Politik

In der chinesischen Politik spielt neben der formellen Ebene die informelle Ebene eine wichtige Rolle. Auf der formellen Ebene finden sich Institutionen wie Ministerien mit ihren in der Verfassung festgeschriebenen Kompetenzen. Die informelle Ebene besteht aus Strukturen, Verfahren und Arrangements, die in der Praxis oft sogar noch wichtiger sind, aber nicht in Gesetzen oder der Verfassung verankert sind. Kompetenzen, die formell bei staatlichen Organen liegen, werden de facto in vielen Fällen von der Partei ausgeübt.

Staatsorgane

Parlament und Regierung

Der Nationale Volkskongress (Legislative) und der Staatsrat (Exekutive) bilden gemäß der chinesischen Verfassung das Machtzentrum der Politik. Wichtige Aufgaben, die den beiden Staatsorganen nominell zukommen, werden in der Praxis jedoch von Akteuren aus den Reihen der Partei wahrgenommen. Dennoch sind auch die Staatsorgane nicht rein symbolischer Natur. Der Volkskongress und der Staatsrat erfüllen spezifische Funktionen im politischen System. In manchen Bereichen verfügen beide sogar über gewisse politische Handlungsspielräume.

Der Nationale Volkskongress

Der Nationale Volkskongress ist formell das höchste politische Organ Chinas. Ihm gehören knapp 3.000 Abgeordnete an, die alle fünf Jahre in indirekter Wahl von Vertretern der Provinzen, der autonomen Regionen, der Provinzstädte und des Militärs gewählt werden. Zu den Aufgaben des Nationalen Volkskongresses gehören laut Verfassung die Ausarbeitung und Änderung von Gesetzen, die Wahl und Besetzung von Spitzenpositionen in Regierung, Verwaltung und Militär sowie die Prüfung des Staatshaushalts. Auch Entscheidungen über Krieg und Frieden fallen in seine Zuständigkeit. Zudem ist das Parlament für Verfassungsänderungen zuständig, die mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden können.

Der Nationale Volkskongress tritt nur einmal im Jahr zu einer Plenarsitzung zusammen und ist aufgrund seiner Größe kein effektives Gesetzgebungsorgan. Politische Entscheidungen werden in Wirklichkeit von anderen Gremien getroffen und anschließend vom Parlament formal bestätigt. So werden beispielsweise die Kandidaten für wichtige Regierungsämter bereits vor den Parlamentssitzungen von Parteigremien nominiert. Die Partei ist es auch, die faktisch über die sogenannten Fünfjahrespläne entscheidet, in denen die wirtschaftlichen Entwicklungsziele für die nächsten fünf Jahre festgelegt werden. Die Fünfjahrespläne werden auf den Sitzungen des Zentralkomitees der Partei diskutiert und später vom Nationalen Volkskongress offiziell verabschiedet. Ähnlich verhält es sich mit Verfassungsänderungen, die bislang stets auf Parteitagen der KPCh beschlossen wurden.

Ständiger Ausschuss des Nationalen Volkskongress

Zwischen den jährlichen Tagungen des Nationalen Volkskongresses nimmt dessen Ständiger Ausschuss die Aufgaben des Parlaments wahr. Der Ständige Ausschuss hat derzeit 175 Mitglieder und fungiert als eine Art Ersatzparlament. Er tritt alle zwei Monate zusammen und verabschiedet die meisten Gesetze. Darüber hinaus überwacht er die Arbeit der anderen Staatsorgane, bestätigt die Ernennung von Regierungsmitgliedern oder ratifiziert internationale Verträge. In Vertretung des Nationalen Volkskongresses ist er formell auch für Kriegserklärungen zuständig. Der Ständige Ausschuss wird von den Delegierten des Nationalen Volkskongresses gewählt.

Der Staatsrat

Hinter der Bezeichnung Staatsrat verbirgt sich die chinesische Zentralregierung. Der Staatsrat ist Chinas Exekutive und das höchste Organ der Staatsverwaltung. Der Staatsrat setzt sich aus dem Ministerpräsidenten, mehreren stellvertretenden Ministerpräsidenten, (Fach-)Ministern, Staatskommissaren und weiteren hochrangigen Beamten der chinesischen Exekutive zusammen. Der Ministerpräsident ist Vorsitzender des Staatsrates. Der Staatsrat wird vom Nationalen Volkskongress gewählt, wobei zuvor Parteigremien darüber entscheiden, wer ein Regierungsamt erhält. Der Staatsrat besteht aus einem inneren und einem äußeren Kabinett.

Exekutivkonferenz des Staatsrats (= inneres Kabinett)

Das innere Kabinett besteht aus den zehn ranghöchsten Mitgliedern des Staatsrates. Dies sind der Ministerpräsident, seine Stellvertreter und die Staatskommissare.

Gesamtkonferenz des Staatsrats (= äußeres Kabinett)

In der Gesamtkonferenz des Staatsrates sind neben den Mitgliedern des Inneren Kabinetts die Leiter der Ministerien und Kommissionen sowie der Gouverneur der Chinesischen Nationalbank und der Präsident des Obersten Rechnungshofes vertreten. Die Gesamtkonferenz tagt zweimal jährlich. In den Sitzungen werden vor allem organisatorische Fragen behandelt.

Der Staatspräsident

Der Aufgabenbereich des Staatspräsidenten umfasst laut Verfassung „Staatsangelegenheiten“, die jedoch nicht näher spezifiziert werden. Seit den 1990er Jahren bekleidet der jeweils amtierende Generalsekretär der KPCh auch das Amt des Staatspräsidenten. Der Titel des Staatspräsidenten dient dabei vor allem der außenpolitischen Profilierung. Seit 2013 ist Xi Jinping Präsident der Volksrepublik China.

Die Kommunistische Partei Chinas

Machtkonzentration und Wandel zur Massenpartei

Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ist mit rund 97 Millionen Mitgliedern die größte Partei der Welt. Doch längst nicht alle Mitglieder sind auch ideologisch überzeugte Anhänger. Die Mitgliedschaft in der KPCh kann sich in China unabhängig von politischen Überzeugungen als vorteilhaft erweisen. Parteimitglieder haben bessere Karrierechancen, Zugang zu einflussreichen Netzwerken und die Aussicht auf sozioökonomischen Aufstieg. Die Partei besetzt alle wichtigen Schaltstellen der Gesellschaft und verfügt über weitreichende Entscheidungs- und Eingriffsbefugnisse in Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Wenn es um Macht und Einfluss geht, führt in China kein Weg an der Partei vorbei.

In China gibt es keine Gewaltenteilung. Die KPCh kontrolliert Polizei und Militär ebenso wie die Justiz und weitere staatliche Organe. Mittels Propaganda, Indoktrination und strengen Disziplinierungskampagnen werden Parteimitglieder und Bevölkerung von der Linie der Partei überzeugt. Parteigeführte Massenorganisationen, Nachwuchsförderungsprogramme und das staatliche Bildungssystem sichern den personellen Unterbau der Partei. Anders als noch zu ihren Anfangszeiten, als sich die KPCh als revolutionäre Partei der Arbeiter, Bauern und Soldaten verstand, formuliert sie heute einen umfassenden Repräsentationsanspruch: Die KPCh vertritt nach ihrem Selbstverständnis „das ganze chinesische Volk“.

Weitere chinesische Parteien

Die Einparteienherrschaft der KPCh ist ein Grundprinzip des politischen Systems Chinas. Dennoch gibt es in China auch weitere Parteien. Im Nationalen Volkskongress sind insgesamt acht Parteien vertreten. Eine Chance auf politische Macht haben diese Parteien jedoch nicht. Ihnen kommt vor allem eine symbolische Funktion zu.

Parteiorgane

Der Parteitag der kommunistischen Partei Chinas

Die nationalen Parteitage sind laut offiziellem Statut das wichtigste Entscheidungsgremium der Partei. Sie finden nur alle fünf Jahre statt und befassen sich mit Grundsatzfragen und strategischen Entscheidungen. Darüber hinaus bestimmen die Parteitage durch Wahlen die Zusammensetzung des Zentralkomitees (ZK) und der Zentralen Disziplinarkommission.

Das Zentralkomitee

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (ZK) tritt ein- bis zweimal jährlich zu Plenarsitzungen zusammen. Neben der Führungsebene der Parteizentrale und der Zentralregierung gehören ihm Vertreter der Armee, der Regionen, Provinzen und Städte an. Zwischen den Parteitagen ist das ZK formell das höchste Parteigremium. Es ist zuständig für die Beratung und Verabschiedung strategischer Grundsatzfragen sowie für Verfassungsänderungen. Außerdem ernennt das ZK die Mitglieder der Zentralen Militärkommission und des ZK-Sekretariats. Auch die Wahl des Politbüros und des Generalsekretärs der KPCh fällt nominell in seinen Zuständigkeitsbereich. De facto werden Personalentscheidungen und politische Entscheidungen aber auf höherer Ebene (z.B. im Politbüro) getroffen und dem ZK lediglich zur Bestätigung vorgelegt.

Das Politbüro

Das Politbüro bzw. dessen ständiger Ausschuss bilden das eigentliche Machtzentrum der chinesischen Politik. Das Politbüro besteht aus 24 Personen. Die Parteiführung – also de facto das Politbüro selbst – bestimmt, wer in das Gremium aufgenommen wird. Viele Mitglieder des Politbüros haben gleichzeitig weitere wichtige Ämter inne, z. B. als Parteisekretäre, Gouverneure oder im Staatsrat und in der Parteizentrale. Auch das Militär ist personell im Politbüro vertreten. Wichtige politische Entscheidungen werden im Politbüro oder dem ihm unterstellten Ständigen Ausschuss getroffen.

Der Ständige Ausschuss des Politbüros

Im zentralistischen System Chinas ist der Ständige Ausschuss des Politbüros das wichtigste Exekutiv- und Entscheidungsgremium. Ein kleiner Kreis von nur sieben Personen entscheidet über die wichtigsten Fragen des politischen Tagesgeschäfts. Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, der Ministerpräsident, der Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses, der Vorsitzende der Konsultativkonferenz, der Sekretär des Zentralkomitees, der Leiter der Zentralen Disziplinarkommission sowie der erste Vizeministerpräsident.

Der Generalsekretär

Das Amt des Generalsekretär der KPCh ist die mächtigste Position in Chinas politischem System. Gemäß den Richtlinien der Partei und dem Prinzip der kollektiven Führung ist der Generalsekretär verpflichtet, bei politischen Entscheidungen einen Konsens der Parteiführung herbeizuführen. Der Generalsekretär gilt als primus inter pares, als Erster unter Gleichen. In der Praxis hat das Wort des Generalsekretärs besonderes Gewicht. Er hat mehr Macht und Einfluss als jeder andere Parteifunktionär. Der Generalsekretär ist zugleich Staatspräsident und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Offiziell wird der Generalsekretär vom Zentralkomitee gewählt. De facto ist die Entscheidung über diese Personalie das Ergebnis informeller Verhandlungen im Politbüro. Seit 2012 steht Xi Jinping an der Spitze der Partei.

Das ZK-Sekretariat

Das Sekretariat des Zentralkomitees der Partei hat vor allem organisatorische Funktionen. Es bereitet die Sitzungen des Politbüros vor und überwacht die Umsetzung der Parteibeschlüsse. Um die parteiinterne Abstimmung zu erleichtern, sind im ZK-Sekretariat alle wichtigen Abteilungen der Parteizentrale vertreten.

Parteiorgane

Zentrale Militärkommission

In der Zentralen Militärkommission sind hohe Parteifunktionäre und Militärs vertreten. Das Gremium fungiert als Bindeglied zwischen den Führungsebenen von Armee und Partei. Im Falle eines bewaffneten Konflikts befehligt das höchste Kommandoorgan die Volksbefreiungsarmee.

Zentrale Disziplinarkommission

Aufgabe der Zentralen Disziplinarkommission ist die Beaufsichtigung der Arbeit von Parteifunktionären und Regierungsmitgliedern. Das quasi-justizielle Organ untersteht der Partei und nicht dem Staat. Ermittelt wird allerdings nicht nur gegen Parteimitglieder, sondern auch gegen Führungskräfte von Staatsunternehmen oder gegen Regierungsmitglieder auf regionaler oder Provinzebene. Meistens geht es bei den Ermittlungen um Korruption. Da es sich bei der Disziplinarkommission um ein politisch gesteuertes Gremium handelt, entspricht dieser Vorwurf jedoch nicht immer den Tatsachen. Zwar sind Korruptionsfälle in den Reihen der KPCh durchaus an der Tagesordnung, doch dient dieser Vorwurf mitunter auch als Vorwand, um missliebige Funktionäre aus ihren Ämtern zu entfernen. Die Disziplinarkommission ist befugt, Mitglieder aus der Partei auszuschließen. Darüber hinaus kann sie Ermittlungsergebnisse an die staatliche Justiz weiterleiten und Strafverfahren einleiten.

Informelle Strukturen

Das Fundament der informellen politischen Strukturen in China bilden die sogenannten kleinen Führungsgruppen. Auf allen Ebenen der chinesischen Politik gibt es mehrere tausend kleine Führungsgruppen, die sich jeweils mit einem bestimmten Thema befassen. Sie werden von Mitgliedern des Politbüros kontrolliert und geleitet. Die Führungsgruppen sind Organisationen, die oft kurzfristig einberufen werden, um jenseits der schwerfälligen und langsamen Partei- und Regierungsstrukturen Politik gestalten zu können. Auch die in der Parteistruktur verankerten Kontrollmechanismen können mit Hilfe der Führungsgruppen umgangen werden. Die Gruppen treffen keine politischen Entscheidungen, sondern erarbeiten Empfehlungen und Leitlinien, die den Partei- und Staatsorganen vorgelegt werden.

Der Generalsekretär der KPCh, Xi Jinping, ist Vorsitzender von gleich mehreren Führungsgruppen, so etwa von der Zentralen Führungsgruppe für die umfassende Vertiefung von Reformen, aus der 2018 die Zentrale Kommission für die umfassende Vertiefung von Reformen hervorging. Kommissionen sind mächtiger als Führungsgruppen und im Gegensatz zu diesen fest institutionalisiert. In etlichen Politikbereichen haben die Kommissionen eine ministeriumsähnliche Funktion entwickelt. Die Kommissionen sind Gremien, in denen mitunter wegweisende politische Entscheidungen getroffen werden. Nach Ansicht von Beobachtern bedient sich Xi Jinping regelmäßig der Kommissionen, um bei der Durchsetzung tiefgreifender Reformen die offiziellen Gremien zu umgehen.

Staatspräsident Xi Jinping

Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der KPCh und wurde 2013 vom Nationalen Volkskongress zum Staatspräsidenten gewählt. Als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission befehligt er zudem die chinesischen Streitkräfte. 2018 änderte der Nationale Volkskongress eigens für Xi die Verfassung: Die Beschränkung auf zwei Amtszeiten als Staatspräsident wurde aufgehoben. 2023 wurde er für eine dritte Amtszeit als Präsident bestätigt und kann nun theoretisch auf Lebenszeit regieren. Xi gilt als der mächtigste Präsident und Parteichef seit Mao Zedong.

Persönlicher Werdegang

Kindheit und Jugend

Als Sohn eines chinesischen Politikers wuchs Xi in privilegierten Verhältnissen auf. Dies änderte sich, als Xis Vater während der Kulturrevolution in den 1960er Jahren in Ungnade fiel und von Mao Zedongs Roten Garden verhaftet und inhaftiert wurde. Wie Millionen andere Kinder wurde Xi als 15-Jähriger dazu gezwungen, aufs Land zu ziehen, wo er sechs Jahre in bescheidenen Verhältnissen als Landarbeiter verbrachte.

Politischer Aufstieg

Trotz des Schicksals seines Vaters wurde Xi 1974 in die KPCh aufgenommen und begann 1975 ein Studium der Chemietechnik – ein Privileg, das während der Kulturrevolution nur wenigen gewährt wurde. In der Partei stieg er schnell auf. Nach Ämtern auf lokaler und regionaler Ebene wurde Xi 2002 Gouverneur der Provinz Zhejiang. 2007 wurde er Parteichef in Shanghai und Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh. Mit der Wahl zum Vizepräsidenten der Volksrepublik China 2008 setzte sich sein politischer Aufstieg fort. Dieser gipfelte schließlich 2012 in der Wahl zum Generalsekretär der KPCh. 2013 wurde er vom Nationalen Volkskongress zum Staatspräsidenten gekürt.

Machtfülle und Personenkult

In seinen Ämtern als Generalsekretär der KPCh und als Staatspräsident der Volksrepublik China erlangte Xi eine Machtfülle, über die seit Mao Zedong kein anderer chinesischer Führer mehr verfügt hatte. Diese Entwicklung gipfelte in der Verankerung der „Xi-Jinping-Ideen“ in der chinesischen Verfassung und der eigens für Xi beschlossenen Abschaffung der Beschränkung auf zwei Amtszeiten als Staatspräsident. Die zunehmende Machtkonzentration in den Händen Xi Jinpings und der damit einhergehende Personenkult markieren eine Abkehr vom Prinzip der „kollektiven Führung“, das in den 1980er Jahren von Deng Xiaoping eingeführt wurde. Xi genießt in der Partei unangefochtene Autorität.

Politische Entwicklungen unter Xis Präsidentschaft

Unter Xi Jinping schlug die Volksrepublik China einen Kurs ein, der sich von den moderaten Politikansätzen Xis Vorgänger Jiang Zemin und Hu Jintao unterscheidet. Innenpolitisch setzt die chinesische Führung seit einigen Jahren verstärkt auf einen repressiven Politikstil. Dazu gehören die systematische Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger durch Massenüberwachungstechnologien, die Einschränkung der Meinungsfreiheit und restriktive Maßnahmen im Rahmen der Zero-Covid-Strategie. Politische Rivalen und missliebige Beamte wurden im Rahmen der 2012 ausgerufenen Antikorruptionskampagne aus ihren Ämtern entfernt, Regierungskritiker verfolgt und inhaftiert. Aus einem ehemals autoritären Staat wird zunehmend ein totalitäres Regime.

Zentralisierung und Machtkonzentration

Xis Machtbewusstsein erklärt auch die politische Zentralisierung, die in den vergangenen Jahren auf mehreren Ebenen vorangetrieben wurde. Zum einen gibt es einen Transfer von Zuständigkeiten von der Peripherie in Richtung politisches Zentrum: Kompetenzen lokaler Behörden und Provinzregierungen wurden beschnitten und an zentralstaatlichen Organe übertragen. Zum anderen vollzieht sich die Zentralisierung zwischen Staat und Partei: Der Regierung, den Ministerien und anderen staatlichen Organen wurden Kompetenzen entzogen und an die Partei übertragen. Sinnbildlich für diesen Prozess steht die Gründung einer Vielzahl von Sonderkommissionen, welche de facto die Aufgaben der Fachministerien übernommen haben. Xi Jinping persönlich ist Vorsitzender von gleich fünf wichtigen Sonderkommissionen. Zugenommen haben auch die Bestrebungen der Partei, die Privatwirtschaft systematisch zu durchdringen und zu kontrollieren. Selbst vor Ablegern ausländischer Unternehmen macht die KPCh dabei nicht Halt.

Gesellschaftliche Entwicklungsziele: Der „Chinesische Traum“

Kurz nach seiner Ernennung zum Generalsekretär der KPCh im Jahr 2012 prägte Xi das Schlagwort des „Chinesischen Traums“. In Abgrenzung zum American Dream bezeichnet der Chinesische Traum nicht das Streben nach individueller Selbstverwirklichung, sondern beschreibt den kollektiven Aufstieg der gesamten Nation. Eine gestärkte und modernisierte chinesische Gesellschaft soll das Rückgrat für gesamtgesellschaftlichen Wohlstand und individuelles Glück bilden. Auf dem Nationalen Parteitag 2017 bezeichnete Xi seine politische Agenda als Teil einer „historischen Mission“ der KPCh zur „Erneuerung der großen chinesischen Nation“.

Der „Chinesische Traum“ besteht aus zwei sogenannten Jahrhundertzielen:

  • Erstens soll bis 2021 – dem Jahr des hundertjährigen Bestehens der KPCh – der „Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand“ erreicht sein.
  • Zweitens soll China bis 2049 – dem Jahr des hundertjährigen Jubiläums der Staatsgründung – zu einer umfassend modernen Nation mit Weltmachtstatus und internationalem Führungsanspruch werden.

Als Zwischenziel wird bis 2035 die „sozialistische Modernisierung“ des Staates angestrebt.

Die „Xi-Jinping-Ideen zum Sozialismus chinesischer Prägung“

Die „Xi-Jinping-Ideen zum Sozialismus chinesischer Prägung in einem neuen Zeitalter“ wurden 2018 in der chinesischen Verfassung verankert. Der Sozialismus chinesischer Prägung ist zugleich offizielle Staatsideologie und beschreibt das Bestreben, die Werke von Marx und Mao Zedong mit Blick auf die angestrebte Modernisierung Chinas neu zu interpretieren. Der spezifische Beitrag Xi Jinpings besteht darin, mit seinen Ideen die spezifischen Herausforderungen benannt zu haben, denen sich China in der gegenwärtigen Epoche (dem „neuen Zeitalter“) stellen muss.

Nach marxistischer Auffassung gibt es in jeder Epoche gesellschaftliche Widersprüche, die Fortschritt und einer Verbesserung der Lebensbedingungen entgegenstehen. Im „neuen Zeitalter“ besteht ein solcher Widerspruch nach Ansicht Xis zwischen einem noch immer unzureichenden Entwicklungsstand und einer gestiegenen Anspruchshaltung der Bevölkerung. Dazu gehören der Wunsch nach steigendem Wohlstand sowie die Forderungen nach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit, Sicherheit und Verbesserung der Umweltbedingungen. Die KPCh möchte dieser Erwartungshaltung mit einer Politik begegnen, die „eine ausgewogene menschliche Entwicklung und umfassenden sozialen Fortschritt“ ermöglichen soll.

Das Militär: Die Volksbefreiungsarme

Die Volksbefreiungsarmee (VBA) wurde 1927 als bewaffneter Verband der KPCh gegründet. Bis heute untersteht die Armee gemäß Staatsverfassung und Parteistatuten dem Befehl der Partei – und nicht etwa dem Nationalen Volkskongress. Die enge Verflechtung von Partei und Armee zeigt sich auch darin, dass die VBA in allen wichtigen Parteigremien wie dem Politbüro und dem Zentralkomitee personell vertreten ist. Umgekehrt sind alle Führungsebenen der Armee mit loyalen Parteimitgliedern besetzt. Dies versetzt die Partei in die Lage, alle Aktivitäten der Armee zu kontrollieren. Überdies bilden ideologische Schulungen einen wichtigen Bestandteil der militärischen Ausbildung.

Zentrale Militärkommission

Die Zentrale Militärkommission (ZMK) ist Chinas höchstes militärisches Gremium und ähnelt von ihren Funktionen einem Verteidigungsministerium. Im Falle eines bewaffneten Konflikts obliegt der Zentralen Militärkommission die Befehlsgewalt über die chinesischen Streitkräfte. Darüber hinaus fungiert sie als Bindeglied zwischen Partei und Armee. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder sind verdiente Generäle. Wirklich einflussreichse Positionen sind jedoch grundsätzlich mit Parteimitgliedern besetzt. Der Generalsekretär der KPCh ist fast immer zugleich Vorsitzender der Zentralen Militärkommission.

Die chinesische Verfassung

Die chinesische Verfassung unterscheidet sich wesentlich von Verfassungsdokumenten rechtsstaatlicher Demokratien. Zwar finden sich auch in der chinesischen Verfassung Bürger- und Freiheitsrechte, diese sind jedoch nicht einklagbar. Die Verfassung der VR China ist kein Statut, das die Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger oder die Aufgaben der staatlichen Institutionen festschreibt und rechtlich garantiert. Vielmehr hat die chinesische Verfassung den Charakter eines in die Zukunft gerichteten Dokuments, in dem die Parteielite ihre im Laufe der Jahre wechselnden politischen Ziele formuliert.

In der Geschichte der VR China gab es insgesamt vier Verfassungen. Während in den ersten Verfassungen noch die Bedeutung des Klassenkampfes betont wurde, ist in der aktuellen Fassung von einer „sozialistischen Modernisierung“ des Wirtschaftssystems die Rede. Die derzeit gültige Verfassung stammt aus dem Jahr 1982 und wurde zuletzt 2004 umfassend überarbeitet. In der Präambel der überarbeiteten Verfassung von 2004 findet sich erstmals die Formel der Dreifachen Repräsentation, die auf den ehemaligen Parteichef Jiang Zemin zurückgeht. Die Formel der Dreifachen Repräsentation bezeichnet den Anspruch der KPCh, „die fortschrittlichen Produktivkräfte, die moderne Zivilisation und die grundlegenden Interessen der breiten Bevölkerung zu repräsentieren“. Dieser Anspruch auf eine umfassende Repräsentation der Bevölkerung schließt auch private Unternehmer ein und markiert eine Abkehr vom früheren Selbstverständnis als revolutionäre Klassenpartei. Die KPCh versteht sich heute als Volkspartei, welche die Modernisierung der gesamten Nation vorantreibt.

Trotz aller Bemühungen, den Anschein eines modernen Rechtsstaates zu erwecken, existiert in China bis heute ein hybrides Rechtssystem, d.h. ein Nebeneinander von traditionellem Recht und institutionellem Recht. Das bedeutet, dass es in China weit verbreitet ist, im Konfliktfall neben der institutionalisierten Gerichtsbarkeit auch auf informelle Mittel wie persönliche Beziehungen und Netzwerke zurückzugreifen. Bei Streitigkeiten haben oftmals die Verwaltungsbehörden die Oberhand gegenüber den Gerichten. Die entscheidende Instanz bleibt aber im Zweifelsfall immer die Partei. Insofern relativiert sich auch die Bestimmung, dass „keine Person und keine Organisation gegen die Verfassung und die Gesetze verstoßen darf.“ De facto steht die KPCh über der Verfassung.

Grundsätze der chinesischen Verfassung

  • Die VRC ist ein sozialistischer Staat unter der Demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 1

  • Alle Macht in der VRC gehört dem Volk. Die Organe, durch die das Volk die Staatsmacht ausübt, sind der Nationale Volkskongress und die lokalen Volkskongresse auf den verschiedenen Ebenen.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 2

  • Die Staatsorgane der VRC wenden das Prinzip des Demokratischen Zentralismus an [...]. Alle Organe der Staatsverwaltung, alle Staatsorgane der Rechtsprechung und alle Organe der Staatsanwaltschaft werden von den Volkskongressen ins Leben gerufen, sind ihnen verantwortlich und unterliegen ihrer Aufsicht.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 3

  • Alle Nationalitäten in der VRC sind gleichberechtigt.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 4

  • Die VRC praktiziert eine auf Gesetze gestützte Regierung und errichtet einen sozialistischen Rechtsstaat [...]. Keine Organisation und kein Individuum darf das Privileg besitzen, die Verfassung und die Gesetze zu überschreiten.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 5

  • Der Staat erhält die öffentliche Ordnung aufrecht, unterdrückt landesverräterische und andere verbrecherische Tätigkeiten, die die Staatssicherheit gefährden, stellt Handlungen, die die öffentliche Sicherheit gefährden oder die sozialistische Wirtschaft unterminieren, und andere verbrecherische Tätigkeiten unter Strafe, bestraft Verbrecher und erzieht sie um.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 28

  • Alle Bürger der VRC sind vor dem Gesetz gleich.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 33

  • Die Bürger der VRC genießen die Freiheit der Rede, der Publikation, der Versammlung, der Vereinigung, der Durchführung von Straßenumzügen und Demonstrationen.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 34

  • Die persönliche Würde der Bürger der VRC ist unverletzlich.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 38

  • Die Bürger der VRC dürfen bei der Ausübung ihrer Freiheiten und Rechte die Interessen des Staates, der Gesellschaft und des Kollektivs [...] nicht verletzen.

    Verfassung der Volksrepublik China, Artikel 51

Verwaltungsebenen: Der chinesische Zentralismus

Die Volksrepublik China ist seit ihrer Gründung als Zentralstaat organisiert. Die Parteiorgane und die Zentralregierung auf nationaler Ebene sind den Partei- und Verwaltungsorganen auf Provinz- und lokaler Ebene hierarchisch übergeordnet. Eine zweite Parlamentskammer, die wie der Bundesrat in Deutschland der Vertretung regionaler Interessen dient, gibt es in China nicht. Stattdessen existieren auf den verschiedenen Verwaltungsebenen eigene Verwaltungsapparate, Volkskongresse und Volksregierungen, die in ihrer Arbeitsweise und ihren Kompetenzen den Organen auf nationaler Ebene nachgebildet sind. Unterhalb der zentralstaatlichen Ebene gibt es in China vier Verwaltungsebenen.

Zentralregierung

Provinzebene

Bezirksebene

Kreisebene

Gemeindeebene

Gemäß der chinesischen Verfassung sind die lokalen Volksregierungen und die Verwaltungsapparate aller Ebenen „den staatlichen Verwaltungsorganen der nächsthöheren Ebene verantwortlich und rechenschaftspflichtig“. Im Konfliktfall kann die Zentralregierung Entscheidungen aller untergeordneten Ebenen revidieren.

Obwohl die Zentralisierung unter Staatspräsident Xi Jinping weiter vorangetrieben wird, gibt es für die Politik auf regionaler und lokaler Ebene trotzdem gelegentlich Handlungsspielräume für eigenständige Entscheidungen. Ermöglicht werden diese durch den Umstand, dass die unteren Verwaltungsebenen oftmals keine verbindlichen Handlungsanweisungen erhalten, sondern lediglich „technische Empfehlungen“. Auf welche Weise solche Empfehlungen umgesetzt werden, obliegt dann den Entscheidungsträgern der regionalen oder lokalen Ebene.

Bisweilen führen die Freiheiten der Regional- und Lokalpolitik aber auch zu Spannungen. So kam es vor, dass Provinzen eigennützige wirtschaftliche Ziele verfolgten und die Interessen anderer Provinzen oder der Nation als Ganzes geflissentlich ignorierten. An diesem Beispiel offenbart sich ein grundsätzliches Spannungsverhältnis. Einerseits sollen in den Städten und Provinzen pragmatische, eigenständige Entscheidungen getroffen werden, andererseits erwartet die Parteiführung, dass die vor Ort getroffenen Entscheidungen auch stets mit den nationalen Interessen und den Interessen anderer Provinzen in Einklang zu bringen sind. In Ermangelung echter föderaler Strukturen und Institutionen gestaltet sich dies nicht einfach.

Links und Literatur

Quellen & weitere Infos

Links:

Bundeszentrale für politische Bildung: China: Charakteristika des politischen Systems

China-Schul-Akademie: Lernmodul über das politische System der VR China

Hanisauland (BpB): Länder Spezial – China

Quellen & weitere Literatur:

Noch mehr Informationen über Chinas Politik aus dem LpB-Shop

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Autor: Internetredaktion LpB BW | letzte Aktualisierung: April 2024

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