Laufen wir nicht in die Falle der Identitätspolitik!

Persönliche Anmerkungen zur Gegenwart und Zukunft der Politischen Bildung (Direktor Lothar Frick)

Lothar Frick, Direktor der LpB Baden-Württemberg, fordert eine strengere Regulierung der sozialen Netzwerke. Diese hätten sich zu „asozialen Hetzwerken“ entwickelt, die der Demokratie großen Schaden zufügten. Zudem fordert der LpB-Direktor, den Gemeinschaftskundeunterricht an den Schulen in Baden-Württemberg auf mindestens zwei Stunden pro Woche in allen Schularten von Klasse eins bis 13 aufzuwerten und damit den entsprechenden Auftrag in Artikel 21 der Landesverfassung zu erfüllen. Er spricht sich zudem dafür aus, in der Politischen Bildung identitätspolitische Standpunkte zu thematisieren, sie sich aber wegen deren spalterischen Wirkungen keinesfalls zu eigen zu machen. Dieses und vieles mehr können Sie in seinem Artikel „Laufen wir nicht in die Falle der Identitätspolitik! – Persönliche Anmerkungen zur Gegenwart und Zukunft der Politischen Bildung“ nachlesen.

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(Direktor Lothar Frick)

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Laufen wir nicht in die Falle der Identitätspolitik!

Persönliche Anmerkungen zur Gegenwart und Zukunft der Politischen Bildung (Direktor Lothar Frick)

Wie dieser Artikel zustande kam und was er soll

Ursprung für diesen Text war es, für den lange geplanten Band zum fünfzigjährigen Bestehen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) im Jahr 2022 einen Blick in die Zukunft der Politischen Bildung zu richten – nicht nur in Baden-Württemberg, sondern ganz allgemein. Schon vor der Fertigstellung des Beitrags kann ich melden: Den Auftrag haben bereits andere erledigt – besser als ich es könnte. Ganz konkret meine ich damit die Autorinnen und Autoren des 16. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung zum Thema „Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“, erschienen im November 2020.

 Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter (Februar 2021). Stellungnahme der ZpB zum 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung  (mit Download-Angebot des Berichts)

Dieser Bericht ist ein einmaliges Kompendium zur Gegenwart und Zukunft der Politischen Bildung, im Übrigen nicht nur auf das Kindes- und Jugendalter beschränkt. Was dort auf insgesamt 650 großformatigen und eng bedruckten Seiten gesagt und geschrieben wird, kann nicht überboten werden, auch wenn man selbst nicht alles teilt und manches kritisch sieht – schon gar nicht auf einigen wenigen Seiten, wie sie mir in unserem noch unfertigen Jubiläumsband zur Verfügung stehen. Wer es genau wissen will, sollte den Bericht lesen, selbst wenn es dauert, denn er ist nicht nur lang, sondern auch fachsprachlich geschrieben, was normalerweise keine gute Voraussetzung für schnelles Lesen ist.

Eine gleichfalls fundierte und in eine gesamtpolitische Lagebeurteilung eingebettete, jedoch deutlich kürzere Analyse über Gegenwart und mögliche Zukunft der Politischen Bildung bieten Ursula Münch und Andreas Kalina von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing in ihrem Beitrag „Mobilisierung der Demokratie – Herausforderungen und Ansatzpunkte für die politische Bildung“. Er ist erschienen in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband „Demokratie im 21. Jahrhundert“.

Deshalb habe ich mich dafür entschieden, einen bewusst subjektiven Beitrag vorzulegen, der eher Wünsche und Anforderungen an die Politische Bildungsarbeit formuliert, die meinem eigenen Erleben und meinen persönlichen Erfahrungen entspringen. Meine Ansichten und Meinungen sollen nicht „geteilt“ oder gar „geliked“ werden, sondern zur kritischen Diskussion und vielleicht auch zum Nachdenken anregen – vor der kritischen Diskussion, weil es leider heutzutage oft umgekehrt ist oder das Nachdenken gar nicht mehr stattfindet und sich dann zum Beispiel „Querdenken“ nennt. Dann hätte sich der Aufwand schon gelohnt. Der hier vorgelegte Beitrag wird in unserem Jubiläumsband zur Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres der LpB Baden-Württemberg 2022 in deutlich verkürzter und aktualisierter Form erscheinen.

Hierbei geht es nicht nur um Beschäftigung der Politischen Bildung mit sich selbst – in unserer Disziplin ganz offenbar unausweichlich, gerne unter positiv besetzten Stichworten wie „Selbstreflexion“, „Selbstverständnis“, „Evaluation“, „Standortbestimmung“ und so weiter abgebucht und ins kollektive Bewusstsein der Profession eingespeichert. Aber Politische Bildung kann nicht aus sich selbst heraus stark sein und stark wirken. Die Rahmenbedingungen dafür müssen stimmen. Deshalb müssen am Anfang dieser Betrachtung zwei sehr große Missstände stehen, die die Politische Bildung thematisieren und bearbeiten, aber nicht selbst beseitigen kann. Dazu bedarf es massiver Hilfe „der“ Politik.

Ganz grundsätzlich gilt: Wer Interesse daran hat, die Demokratie nachhaltig zu schützen und als „Abfallprodukt“ mitzunehmen, dass die Einrichtungen der politischen Bildungsarbeit in ganz Deutschland künftig wieder erfolgreicher arbeiten können, muss zuvörderst zwei Dinge angehen und durchsetzen.

  • Erstens: Die angeblich „sozialen“ Netzwerke müssen so reguliert werden, dass sie diesen Namen verdienen. So, wie sie jetzt angelegt sind, schaden sie der Demokratie in sehr hohem Maße.
  • Zweitens: An allen Schularten muss die Politische Bildung massiv aufgewertet werden. Die im Schulalter entstandenen Defizite an politischer Bildung können mit noch so viel Erwachsenenbildung niemals wieder ausgeglichen werden. Das sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass eine gelingende Demokratie und dafür genügend gesellschaftlicher Zusammenhalt erhalten bleiben können.

Reguliert oder zerschlagt die asozialen Hetzwerke!

Social Media – Facebook und Co.

„San Francisco. Facebook und seine Inhalte-Prüfer in den USA, die ihr Job krankgemacht hat, haben sich in einem Gerichtsverfahren auf eine Zahlung von 52 Millionen Dollar geeinigt – umgerechnet 48 Millionen Euro. Die betroffenen Beschäftigten sollen bei einer Diagnose wie einer posttraumatischen Belastungsstörung bis zu 46.000 Euro für ihre Behandlungskosten bekommen, wie die Anwälte der Kläger mitteilten. Die Menschen, die Inhalte beim Online-Netzwerk prüfen, müssen sich auch regelmäßig Szenen von Gewalt und Misshandlungen ansehen. Sie sind oft nicht direkt bei Facebook, sondern bei Dienstleistern angestellt. Im Herbst 2018 verklagte eine frühere Inhalte-Prüferin Facebook mit dem Vorwurf, sie habe durch die gesehenen Inhalte nach neun Monaten eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen. Die nun erzielte Einigung gilt für mehr als zehntausend Menschen.“
Dies ist der Volltext eines Berichts aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 14. Mai 2020. Vielleicht wäre der darin geschilderte Sachverhalt von den Medien außerhalb von Corona-Zeiten etwas ausführlicher gewürdigt worden, aber darüber kann man nur spekulieren.

Zehntausend Menschen! Zehntausend Menschen, die sich für einen Job beworben hatten, von dem sie mit Sicherheit wussten, dass sie auch sehr unangenehme Dinge zu sehen bekommen. Zehntausend Menschen, die sich für psychisch stark genug hielten, dies auszuhalten. Das ist aber nur ein Teil derer, die sich mit Inhalte-Prüfung befassen, die nach wie vor in ihrem Beruf beschäftigt sind und (vielleicht) keine psychosozialen Schäden erleiden. Man kann sich an solchen Zahlen und Größenverhältnissen ausmalen, wie viel Gewalt und Brutalität aller Art täglich in den „sozialen“ Netzwerken hochgeladen und angesehen wird. Wenn Eltern nicht genau aufpassen, sind ihre Kinder beim Zusehen mit von der Partie – Alter fast egal, man muss nur lesen und klicken können. Der erste Pornokonsum erfolgt heute gemäß Studien in einem Alter von elf bis zwölf Jahren – im Durchschnitt.

Vor Diktaturen kuschen die Anbieter der „sozialen“ Netzwerke. Sie lassen sich von diesen Auflagen gefallen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit mit Füßen treten – um weiter Verbreitung finden und Gewinne machen zu können. Sie beuten unabhängige Medien aus, kassieren deren Inhalte, verbreiten sie, und sind nur in den seltensten Fällen bereit, hierfür einen angemessenen Betrag an die Urheber der Inhalte zu bezahlen. Meistens muss man sie dazu zwingen, oft gelingt das aber nicht oder in deutlich unzureichendem Maße. Wer sich dagegen wehrt – wie Australiens Regierung und Parlament –, dem wird der Zugang blockiert und damit Zensur ausgeübt. Die Besitzer der „sozialen“

Netzwerke scheffeln schier unglaubliche Reichtümer; die freien, unabhängigen Medien als absolut unverzichtbare Grundlage funktionierender Demokratien werden von ihnen ausgebeutet und Zug um Zug „gekillt“. Allein Google und Facebook nehmen sagenhafte 60 Prozent der weltweiten Online-Werbung ein, ohne China. Weitere neun Prozent gehen an Amazon. Verbleiben gerade einmal 30 Prozent für die restlichen, vielen tausend Medienanbieter bis hinunter zu den Lokalzeitungen. Mittlerweile macht die digitale Werbung mehr als die Hälfte der weltweiten Werbeeinnahmen aus – mit weiter steigender Tendenz. Dies trägt massiv dazu bei, dass in einem Land nach dem anderen die Medienbranche unterfinanziert ist oder ihre Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrnehmen kann - so der amerikanische Autor Steven Hill in der Online-Zeitschrift IPG vom 21. März 2021.

Zahlreiche Studien und Untersuchungen legen nicht nur nahe, sondern weisen nach, dass die „sozialen“ Netzwerke maßgeblich und häufig zur politischen Radikalisierung von Menschen beitragen – so zum Beispiel das Buch „Die Radikalisierungsmaschine“ der Sozialwissenschaftlerin Julia Ebner; ein gutes Beispiel von vielen, die man nennen könnte. Der Hetze sind bei Facebook und Co. Tür und Tor geöffnet. Die Mega-Konzerne kommen beim Entfernen angeblich nicht mehr nach – aber wollen sie das wirklich? Bei den erzielten Milliardengewinnen wäre es ihnen ein Leichtes, viel mehr Menschen damit zu beschäftigen und die Staatsanwaltschaften dieser Welt mit Material zu füttern. Sie könnten ohne Not ihre Algorithmen ändern. Sie tun es nicht. In Wirklichkeit unterhalten sie asoziale Hetzwerke.

Der Internetriese Microsoft hatte 2016 einen Chatbot namens Tay programmiert, den man sich in den sozialen Netzwerken frei bewegen ließ, um zu untersuchen, in welche Richtung er sich denn entwickeln würde. Nach wenigen Wochen hatten ihn die herrschenden Algorithmen soweit, dass er sich offen für Völkermorde aussprach. Tay war völlig ergebnisoffen und nicht als Rechtsextremist an den Start gegangen – die Algorithmen hatten ihn in kürzester Zeit dazu gemacht.

So geht es auch manchem Menschenkind. Daniel Kahnemann trägt in seinem brillanten Sachbuch-Bestseller „Schnelles Denken - Langsames Denken“ eine Theorie zum Funktionieren des menschlichen Gehirns im Zusammenspiel mit menschlichen Gefühlen vor: Es gibt ein System 1, das Menschen sofort mobilisieren können, das sofort verfügbares Wissen abruft, Gefühle und Instinkte hervorruft, die Intuition weckt. Im System 2 herrscht die Rationalität vor, die aber sehr viel schwerer zu mobilisieren ist; es erfordert die geistige Beschäftigung mit Dingen, für die System 1 sofort eine Lösung parat hätte – mit hoher Wahrscheinlichkeit aber eine falsche. System 1 erspart uns das Nachdenken, deshalb ist es viel leichter einzuschalten; und deshalb besitzt es mehr Macht über die Menschen.

Genau darauf zielen die „sozialen“ Netzwerke mit ihrer enormen Geschwindigkeit, der bevorzugten Verbreitung von emotional aufgeladenen Inhalten und Algorithmen, die das noch verstärken. Und auch verstärken sollen, denn das Geschäftsmodell der „sozialen“ Netzwerke sieht vor, seine Nutzerinnen und Nutzer durch eine immer stärkere Gefühlsaufladung möglichst lange bei sich zu halten, um sie mit immer zielgenauerer Werbung zu bombardieren und zum Konsumieren zu bringen – im Ergebnis ein enormer Beitrag zur extremen Blasenbildung und damit zur Volks-, nein, zur Menschheitsverdummung. Die Rationalität wird mit Macht zum Rückzug gedrängt.

Die dabei erhobenen, teils sehr privaten und sogar intimen Daten werden dann an alle möglichen Firmen verkauft, die ähnliche Zwecke verfolgen. Datenschutz findet nicht statt, sondern die Offenlegung selbst intimster Daten gegen gutes Geld gehört zum Erfolgsrezept. Mark Zuckerberg und Co. werden steinreich, indem sie Menschen entblößen und damit deren Würde untergraben. In Baden-Württemberg dagegen muss der Landtag erst eine dreiseitige Datenschutzerklärung zusenden, die unterschrieben zurückgeschickt werden muss, wenn man das angebotene Landtagshandbuch beziehen möchte. Würde man mich fragen, womit sich die Datenschutzbeauftragten dieses Landes und dieser Welt an allererster Stelle beschäftigen sollten, dann hätte ich da einen Vorschlag: nämlich uns vor den schlimmsten Formen des Datenmissbrauchs zu beschützen und nicht unnötig mit Kleinigkeiten zu beschäftigen, die Selbstverständlichkeiten darstellen und uns im Datenschutz keinen Millimeter weiterbringen, sondern vor allem überflüssige Bürokratie schaffen.

Sehr wichtige Bestandteile des Geschäftsmodells der „sozialen“ Netzwerke wirken also direkt gegen die Demokratie und ihre wichtigsten Grundlagen wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Meinungs- und Pressefreiheit, die Verhinderung der Entstehung und die Bekämpfung vorhandener radikaler und extremistischer Einstellungen. Sie werden von den Feinden der Demokratie wie dem russischen Präsidenten genutzt, um demokratisch geprägte Gesellschaften gezielt zu zersetzen und demokratische Institutionen in einer Art digitaler Kriegsführung anzugreifen.

Der klaren und unmissverständlichen Forderung des schon erwähnten Steven Hill kann ich mich nur anschließen: „Demokratische Staaten müssen dem defekten Gesamtsystem der Online-Medienwelt Einhalt gebieten, bevor diese Konzerne unsere Demokratie zerstören.“ Hier entscheidet sich sehr maßgeblich der Überlebenskampf, in dem sich die Demokratien befinden.

Zudem schaden die asozialen Hetzwerke demokratischen Verfahren und Abläufen auch in anderer Hinsicht – zum Beispiel mit ihren Modellen der Steuervermeidung. Riesige Milliardenumsätze werden absichtsvoll einer angemessenen Besteuerung entzogen – und damit auch demokratischen Verfahren zur Verwendung des von den Digitalriesen „gesparten“ Geldes für gemeinnützige Anliegen von der Landesverteidigung bis zum Wohnkostenzuschuss.

Facebook hat inzwischen eine eigene Währung namens „Libra“ angekündigt – zusätzlich zu bereits bestehenden „Digitalwährungen“ wie „Bitcoin“ (eine einzige Energieverschwendung und Umweltsauerei). Welche unabhängige Notenbank steuert die Währungspolitik bezüglich „Libra“? Keine – Privatsache des Facebook-Eigners. Gesellschaftliche, demokratische Kontrolle findet nicht statt. Und wer garantiert uns eigentlich, dass zukünftig Facebook und Co. nicht auch noch eigene Parlamente wählen lassen – vielleicht per „Likes“ oder als Casting-Show organisiert? Dann könnten am Beispiel USA die Trump-Fans sich ihren eigenen Kongress wählen und die Demokraten ein Parallelparlament, die jeweils Regeln verabschieden, wie sie dem einen oder anderen Lager passen. Dann hätten die einen das Recht auf ewigen Waffenbesitz und die anderen endlich ihr Verkaufsverbot – nur eben kein gemeinsames Land und keine gemeinsamen Lebensgrundlagen mehr. Das digitale Absurdistan wäre perfekt. Nur passt es eben nicht für diese eine Welt und deren Länder, in der und in denen wir gemeinsam leben und irgendwie miteinander auskommen müssen.

So viel Politische Bildung, wie sie nötig wäre, um die Gefahr einer Zerstörung der Demokratie vor den geschilderten Hintergründen zu verhindern, kann man gar nicht anbieten. Das muss die Politik lösen und zu einer zentralen Aufgabe machen – auch und gerade in Pandemiezeiten. Die asozialen Hetzwerke müssen global, international und national reguliert werden – oder zerschlagen, wenn ersteres nicht gelingt. Sie sind zur größten Gefahr für die Demokratie geworden. Thomas Ammann fordert in seinem Buch „Die Machtprobe. Wie Social Media unsere Demokratie verändern“ die Offenlegung der Algorithmen, mit denen die Internetgiganten die Menschen durchleuchten und bewerten. Zudem sollen aus seiner Sicht die sozialen Netzwerke genauso für die Inhalte haften, die sie veröffentlichen, wie dies für klassische Medien auch gilt, also zum Beispiel für Straftaten wie Volksverhetzung und Verleumdung. Das ist aus meiner Sicht das absolute Minimum. Man wundert sich, warum das nicht längst so ist.

Der Traum des absolut freien Internets, den ausweislich seiner Autobiographie einst auch ein Edward Snowden träumte, ist angesichts der kriminellen und antidemokratischen Exzesse im Netz längst ausgeträumt. Dann doch lieber Regeln und Rechtsstaat. Das gilt auch für die National Security Agency der Vereinigten Staaten von Amerika.

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Mehr Gemeinschaftskundeunterricht in allen Schulen

Wir brauchen viel mehr Gemeinschaftskundeunterricht in allen Schulen – durchgehend von Klasse eins bis 13!

Im Jahr 2000 war ich noch nicht Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB), sondern in meiner früheren Funktion als Leiter des Referats „Politische Planung“ im baden-württembergischen Staatsministerium tätig. Das Staatsministerium ist hierzulande das Pendant zu dem, was in den meisten anderen Ländern Staatskanzlei genannt wird. In diesem Jahr erschien die erste sogenannte „PISA-Studie“, die bei Schülerinnen und Schülern in Deutschland und Baden-Württemberg unerwartet große Defizite in grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben offenlegte und den sogenannten „Pisa-Schock“ auslöste.

Die Politik war elektrisiert: Meine damals im Spiegelreferat zum Kultusministerium tätige Kollegin hatte sich über das eigentlich arbeitsfreie Wochenende die Mühe gemacht, das gesamte Werk in einem langen Vermerk für den damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel zusammenzufassen. Vergebene Liebesmüh – Erwin Teufel hatte die gesamte Studie schon gelesen, als er montags wieder in Stuttgart in seinem Büro eintraf.
Zahlreiche Studien folgten, sehr viele mit dem Tenor, die sogenannten MINT-Fächer müssten gestärkt werden (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Das achtjährige Gymnasium wurde auf den Weg gebracht. Schritt um Schritt geriet die Politische Bildung an den Schulen mitsamt den geistig-musischen Fächern immer weiter ins Hintertreffen – und den Gemeinschaftskundeunterricht traf es am härtesten. Im Zuge des im Denken vieler politischer Verantwortlicher damals vorherrschenden Neoliberalismus – mit Schlagworten wie zum Beispiel „schlanker Staat“, „Effizienzrendite“ oder „Aufgabenkritik“ – wurden schulische Inhalte stärker darauf ausgerichtet, Schülerinnen und Schüler besser und nach Möglichkeit auch früher in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Das kann man sogar verstehen: Seinerzeit waren sowohl die baden-württembergische Wirtschaft wie auch die Steuereinnahmen des Staates auf dem absteigenden Ast. Darunter haben in der Folge die Gemeinschaftskunde und die geistig-musischen Fächer gelitten.

Das soll gar kein Vorwurf sein – oder doch? Die Politische Bildung hatte zwar auch in diesen Zeiten Unterstützung über die demokratischen Parteien hinweg, aber eben keine ausreichende Lobby, um sich im Kampf um schulische Prioritäten durchzusetzen. Dabei heißt es in der baden-württembergischen Landesverfassung in Artikel 21: „In allen Schulen ist Gemeinschaftskunde ordentliches Lehrfach.“ Wohlgemerkt: In allen Schulen, nicht nur in den weiterführenden Schulen – also auch den Grundschulen. Das Fach gab und gibt es an den Grundschulen bis heute nicht. In anderen Schularten ging das Fach zeitweise in Fächerverbünden auf.

Und es gab und gibt auch keine umfassende Untersuchung, die vielfältige Defizite bei Schülerinnen und Schülern in der politischen Bildung belegt, und die in der Politik auch nur annähernd so ernst genommen wurde wie die verschiedenen PISA-Studien. Leider. Einzelwerke wie zum Beispiel „Später Sieg der Diktaturen?“ von Klaus Schroeder und Mitautorinnen, Anja Besands „Monitor politische Bildung an beruflichen Schulen“ oder Andreas Kalinas „Erfolgreich.Politisch.Bilden“ wiesen zwar nach, dass es um die Politische Bildung an Schulen bei Weitem nicht zum Besten bestellt war und ist. Sie erzielten aber politisch keinen Wirkungstreffer. Vielleicht schafft das der eingangs erwähnte Kinder- und Jugendbericht.

Wenigstens hat sich in den letzten Jahren die Situation der Politischen Bildung insgesamt wie auch an den Schulen wieder gebessert, zum Teil deutlich. Gisela Erler, die langjährige frühere Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, hat mir gegenüber sogar von einer „Renaissance der Politischen Bildung“ gesprochen. In der Tat kann man feststellen, dass vor allem das weltweite Aufkommen des rechten (und teilweise linken) Populismus und das Erstarken von Extremisten ein Umdenken gefördert und die Politische Bildung wieder stärker in den Fokus der Parlamente und der demokratischen Parteien gerückt haben.
Kultusminister Andreas Stoch schaffte in der Amtszeit der grün-roten Landesregierung die Fächerverbünde wieder ab, die in den Gymnasien das Fach Gemeinschaftskunde nahezu unsichtbar gemacht hatten. Immerhin. Kultusministerin Susanne Eisenmann entwickelte – auch in Zusammenarbeit mit der LpB – in ihrer Amtszeit den „Leitfaden Demokratiebildung“, der fächerübergreifende Politische Bildung an den baden-württembergischen Schulen verankern soll. Immerhin.

Internetdossier: Leitfaden Demokratiebildung in der Schule

Aber das alles reicht nicht aus. Über die Umsetzung des Demokratieleitfadens hinaus bedarf es auch einer Verankerung der Politischen Bildung in den Ausbildungsgängen für Lehrkräfte aller Fächer an allen Schularten. Darüber hinaus notwendig sind zwei Stunden Gemeinschaftskunde an allen Schularten von Klasse eins bis Klasse 13, wo vorhanden. Dies wären zwei immens wichtige Reformprojekte, um die demokratische Bildung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt mittelfristig zu stärken. Der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2020 hat eindeutig unterstrichen, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche mit Angeboten der Politischen Bildung zu erreichen. Er hat klar den Finger in die Wunde der schulischen politischen Bildung gelegt: Zu wenig Angebote, meist erst ab Klasse neun, und dann vorzugsweise an Gymnasien; fachfremder Unterricht und fehlende fachkundige Lehrkräfte an Schulen ganz allgemein; kein oder wenig Einbezug von Demokratiebildung bzw. politischer Bildung in die Lehrkräfteausbildung.

Hier stellen sich Aufgaben für die Politik mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Grundlagen der Demokratie in Deutschland, bei der die Politische Bildung unterstützen, aber eigenständig bei Weitem nicht ausreichend Wirkung erzielen kann, um unsere Staats- und Gesellschaftsform zu erhalten und zu schützen.

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt kann die Politische Bildung auch von sich aus selbst etwas tun. Sie muss es aber wollen. Bei Teilen von Kolleginnen und Kollegen in den politischen Bildungseinrichtungen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Der Missionierungseifer scheint gestiegen, der moralische Zeigefinger wedelt wieder durch die Luft. Das kann man womöglich verstehen. Gut finden muss man es nicht. Darauf will ich in den folgenden Abschnitten eingehen.

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Machen wir Vielfalt stark...

Machen wir Vielfalt stark – auf einem gemeinsam getragenen Fundament!

Im Oktober 1988 war ich nach einem neunmonatigen Anfangs-Intermezzo bei der Konrad-Adenauer-Stiftung am Ziel meiner Berufsanfängerwünsche: Ich wurde als Referent der Abteilung Grundsatz und Planung der CDU-Bundesgeschäftsstelle eingestellt. Dem Konrad-Adenauer-Haus, der damaligen Parteizentrale in Bonn, eilte der Ruf voraus, aus einer einst recht behäbigen CDU eine moderne Volkspartei gemacht zu haben und diesen Prozess weiter voranzutreiben. Daran wollte ich gerne mitarbeiten.

Im Mai 1989 stand die dritte Direktwahl zum Europäischen Parlament an. Unter Leitung von CDU-Generalsekretär Heiner Geißler und in Zusammenarbeit mit Bundesgeschäftsführer Peter Radunski und Hauptabteilungsleiter Wilhelm Staudacher war unsere kleine Abteilung für die Konzeption des bevorstehenden Wahlkampfs zuständig. Die Union lag in den bundesweiten Umfragen weit hinten, die Popularität von Bundeskanzler Helmut Kohl lag am Boden; nur in den sichtlich geschmolzenen eigenen Reihen hatte er noch großen Rückhalt. Eine geringe Wahlbereitschaft zeichnete sich ebenfalls ab. Es war daher Ziel Nummer eins, mit der Kampagne vor allem die Stammwählerinnen und Stammwähler der Union an die Urnen zu bringen. Fast alle Medien spekulierten, dass Helmut Kohl nicht weiter Kanzler bleiben könne, sollte die Union nicht als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen.

Unsere Kampagne – hier im Einzelnen nicht darstellbar – erreichte ihr Ziel: Mit 37,8 Prozent kam die CDU/CSU knapp vor der SPD mit 37,3 Prozent über die Ziellinie. Kohl blieb Kanzler. Aber Geißler nicht CDU-Generalsekretär; Kohl ließ ihn gegen den Willen eines Großteils der Partei fallen. Mit ihm wurden kurz darauf Peter Radunski als Bundesgeschäftsführer, Jürgen Merschmeier als Pressesprecher, seine Stellvertreterin Christiane Bertels-Heering, Personalchef Rüdiger May sowie mein Abteilungsleiter Wulf Schönbohm abserviert. Ich hatte – als eher „kleine Nummer“ – wohl Glück: Heiner Geißler bot mir an, als Referent in sein Bundestagsbüro zu wechseln, was ich gerne annahm.

Nach den Stimmenverlusten der Union bei der Bundestagswahl 1987 hatte er sich in Teilen der eigenen Reihen zunehmend unbeliebt gemacht. Eine von der CDU-Bundesgeschäftsstelle verfasste Wahlanalyse, die weitere Öffnungsschritte der Union hin zu neuen Gesellschaftsschichten forderte, wurde vom rechten Parteiflügel und der konservativen Presse als „Öffnung nach links“ in Verruf zu bringen versucht. Dass er die Auffassung vertrat, Deutschland solle nicht weiter die Wiederherstellung der „Grenzen von 19XY“ (gemeint war 1937) anstreben, wurde ihm aus derselben Ecke massiv angekreidet: „Generalsekretär XY“ überschrieb die „Welt“ damals einen Leitartikel. Für die damals wie auch in den Folgejahren heftigsten Kontroversen sorgte aber ein Interview in der „Zeit“ im Oktober 1988, in dem sich Geißler für eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland aussprach – starker Tobak für eine Partei, die den Satz „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ seinerzeit und noch viele Jahre danach fast wie ein Glaubensbekenntnis behandelte.

Nach seiner Ablösung als Generalsekretär machte sich Geißler daran, sein Buch „Zugluft – Politik in stürmischer Zeit“ zu verfassen, das im Februar 1990 erschien. Es ist noch heute lesenswert – und es zeigt, wie modern die CDU längst hätte sein können; manche der Kapitel darin muten an, als seien sie gestern geschrieben worden – nur eben ohne deutsche Einheit, ohne Internet und eher am Beginn der Globalisierung des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. In dem Band legte Geißler dar, unter welchen Bedingungen aus seiner Sicht eine multikulturelle Gesellschaft funktionieren könnte, in die viele Zugewanderte und deren Nachkommen integriert sind:

„Multikulturelle Gesellschaft bedeutet die Bereitschaft, mit Menschen aus anderen Kulturen und Ländern zusammenzuleben, ihre Eigenart zu respektieren, ohne sie germanisieren und assimilieren zu wollen. Das heißt auf der anderen Seite, ihnen, wenn sie es wollen, ihre kulturelle Identität zu lassen, aber gleichzeitig von ihnen zu verlangen, dass sie die universellen Menschenrechte und die Grundwerte der Republik, z. B. die Gleichberechtigung der Frau und die Glaubens- und Gewissensfreiheit achten und zweitens die deutsche Sprache beherrschen. Unter diesen Prämissen ist Zusammenarbeit und gegenseitige Akzeptanz möglich“.

Dem habe ich immer zugestimmt, ich tue es heute noch und bin mir sicher, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland und vielen anderen Ländern diese Auffassung teilt. Vielfalt ist kein Wert an sich, sondern bedarf der gemeinsam getragenen Fundamente, auf denen sie leben und gedeihen kann. Die Spielregeln des Zusammenlebens müssen festgelegt und von allen oder zumindest der übergroßen Mehrheit anerkannt sein; und es ist notwendig, dass man eine gemeinsame Sprache spricht, damit Kommunikation möglich und gemeinsames Handeln, Verhandeln und Aushandeln sowie friedliches Austragen von Konflikten möglich ist (manchmal sind es auch zwei oder gar drei Sprachen wie in Südtirol und der Schweiz). Wenn Integration nicht gelingt, dann kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine oder beide der von Geißler genannten Prämissen nicht eingehalten werden. Heterogenität scheitert, wenn es keine von allen geteilte „homogene“ Grundlage dafür gibt. Deshalb – und nicht, weil sie generell etwas gegen Zuwanderung hätten – lehnen die meisten Menschen in Deutschland den bewussten Rückzug in Parallelgesellschaften, Clan-Kriminalität und Islamismus genauso wie „Querdenker“ oder „Pegida“ ab. Das ist weder „rechts“ noch „links“, sondern im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens sehr unterschiedlicher Menschen und damit lebendiger Vielfalt vorausschauend und klug.

Politische Bildung tut vor diesem Hintergrund gut daran, in einer vielfältigen Gesellschaft wie der unseren zunächst einmal die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen in den Vordergrund zu stellen; also das, was sie verbindet oder zumindest verbinden sollte: die Grund- und Menschenrechte unserer Verfassung, die ihnen als Individuen und nicht als Teil irgendwelcher Gruppen staatlicherseits nicht zu gewähren, sondern zu garantieren sind. Das ist die Grundlage unseres Zusammenlebens.

Rechte ziehen aber auch Pflichten nach sich: Dazu gehört es ganz wesentlich, dass man gegenseitig verständigungsbereit ist.

  • Dass man die „Goldene Regel“ achtet und beachtet.
  • Dass man keine zusätzlichen Privilegien aus ohnehin privilegierten Positionen zieht.
  • Dass man keine Sonderrechte als Gruppe beansprucht, für die es keine allgemein anerkannte Legitimation gibt.
  • Dass man sich in das Gemeinwesen einbringt oder es wenigstens unterlässt, seine Grundlagen anzugreifen oder in Gefahr zu bringen.
  • Dass Integration gefördert, aber auch gefordert und erbracht wird.
  • Dass man sich gegenseitig offen gegenübersteht und sich nicht voneinander abschottet.
  • Dass man Recht und Gesetz achtet, auch wenn man Regelungen im Einzelfall nicht für richtig hält.
  • Dass man friedlich für Veränderungen in unserer Gesellschaft eintritt – und genauso für alles, was man bewahrt sehen möchte.

Auf diesen Grundlagen ist Vielfalt für jede Gesellschaft eine phänomenale Bereicherung, die nicht nur für das Zusammenleben aller, sondern auch für Fortschritte in Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Kultur immenses Potenzial birgt. Dann haben vielfältige oder multikulturelle Gesellschaften einen großen Vorteil anderen Gesellschaften gegenüber, die sich gegen Vielfalt sperren, weil ihnen Sichtweisen vorenthalten werden, die zum Beispiel zu einer besseren Lösung wichtiger gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder technischer Probleme beitragen können. Das setzt eine gleichberechtigte Teilhabe der Zugewanderten und ihrer Nachkommen voraus. Daran fehlt es leider auch noch zu oft – und immer noch in zu vielen Fällen, weil die Geißler‘schen Prämissen nicht erfüllt sind. Allerdings müssen auch die sonstigen Voraussetzungen für Teilhabe kontinuierlich verbessert werden; daran fehlt es oft auch noch.

All das habe ich immer als die Grundlagen politischer Bildungsarbeit betrachtet, zumal in einer Einwanderungsgesellschaft und einer viel größer gewordenen Europäischen Union, und es ist immer noch so. Heute habe ich jedoch die Sorge, dass zu viele in unserer Profession diese Zusammenhänge nicht sehen, nicht mehr sehen oder nicht mehr sehen wollen und damit einen sehr großen Fehler begehen.

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Polarisieren wir nicht...

Polarisieren wir nicht – fördern wir lieber Zusammenhalt!

Wenige Tage, bevor ich mich an die Arbeit zu diesem Text gemacht habe, hatte ich im Rathaus der bekannten Klosterstadt Maulbronn ein Gespräch mit dem dortigen Bürgermeister Andreas Felchle; er ist auch ehrenamtlicher Vorsitzender des Württembergischen Landessportbundes. Ich lebe im Nachbarort Knittlingen und kenne ihn seit vielen Jahren, auch wenn wir uns jahrelang nicht mehr gesehen geschweige denn miteinander gesprochen hatten. Wir sind etwa gleich alt. Während des Gesprächs machten wir eine Entdeckung, die mir noch länger zu denken geben wird: Wir stellten fest, dass wir zunehmend das Gefühl haben, aus der Zeit zu fallen. Vor allem, weil es uns beiden sehr schwer fällt, die um sich greifende, anscheinend immer stärker werdende Individualisierung und alles, was ihr Vorschub leistet, widerstandslos zu akzeptieren: die ständige Selbstinszenierung in den „sozialen“ Medien, die „Ich“-Bezogenheit der ausufernden Werbebotschaften, die Erosion großer Institutionen von den Volksparteien bis zur Kirche, die zunehmenden Angriffe auf Rettungskräfte, das Denken in kurzfristigen „Projekten“ statt in langen Linien und Bindungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Klimaschutz, da sind wir uns auch einig, wird als „Projekt“ nicht laufen. Da braucht es ganz langen Atem.

Wir sind beide der Auffassung, dass die schwindende Orientierung am Gemeinwohl und am Miteinander, an all dem, was eine Gesellschaft zusammenhalten kann, für die Demokratie schwere langfristige Schäden hervorrufen wird. Beweisen können wir das nicht. Wir wollen beide in keiner Gesellschaft leben wie in dem berühmten und vielleicht visionären Film „Blade Runner“ von 1982, der im Los Angeles des Jahres 2019 spielt: Hier leben Menschen, die keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Interessen und nichts mehr sie Verbindendes haben, mit „Replikanten“ genannter Künstlicher Intelligenz in Menschengestalt nur noch nebeneinander her. Ein Glück: Da dies bis 2019 nicht so eingetroffen war, wurde die Fortsetzung des Films aus dem Jahr 2017 nach 2049 verlegt. So schnell kam die soziale Erosion dann doch nicht.

Was das mit Politischer Bildung zu tun hat? Sehr viel.

Eine absolute Stärke der politischen Bildungsarbeit ist es immer gewesen, unter dem Schirm der Überparteilichkeit und der Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses von 1976 Dialoge zwischen verschieden denkenden Menschen zu organisieren, ihnen wechselnde Perspektiven zu vermitteln und demokratisch legitime Inhalte und Gruppen von Menschen gleichberechtigt an ihren Angeboten teilhaben zu lassen. So wurde trotz aller unterschiedlichen Ansichten den Menschen vermittelt, dass Demokratie ein Aushandlungsprozess auf der Grundlage gemeinsamer Grundwerte sowie der Garantie der Grund- und Menschenrechte für alle ist – jeweils als Einzelperson und nicht aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit. Das Wesen der Demokratie ist nicht das Diktat einer einzelnen Person oder von kleinen, mächtigen Gruppen, sondern der Kompromiss als Versuch, die Interessen von möglichst vielen Menschen zu berücksichtigen und die Macht weniger über viele im Zaum zu halten. Das gelingt nicht immer – dann muss mit Mehrheit unter Achtung der Grund- und Menschenrechte der Minderheit entschieden werden. Das gelingt dann so gut wie immer und ist fast immer besser als das Diktat der Wenigen für die Vielen. Wenn das weitgehend Konsens ist, kann der Zusammenhalt auch sehr vielfältiger Gesellschaften gesichert und gewährleistet werden.
In den letzten Jahren aber sind in der Politik die Ränder erstarkt, vor allem der rechte Rand. Die Gründe dafür sind so nachweisbar wie aber auch von ihrer tatsächlichen Bedeutung her gesehen umstritten. Das soll hier nicht weiter diskutiert werden. Tatsache ist, dass die Demokratie und ihre Grundsätze in den vergangenen Jahren vor allem von rechts, aber auch von Extremistinnen und Extremisten aller Couleur angegriffen werden. Die Erscheinungsformen reichen vom Populismus bis hin zum Terrorismus – von Alice Weidel und Co. über Donald Trump bis hin zum „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die wehrhafte Demokratie wird immens, intensiv und mit voller Absicht herausgefordert – von der politischen Bildung bis hin zu den Sicherheitsbehörden. Die Grenzen sind fließend.

Sichtbar ist vor allem das Bemühen von rechts außen, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und Worte und Sätze in den öffentlichen Diskurs einzuführen, die andere Menschen und Gruppen von Menschen pauschal herabsetzen und Eingang in den Sprachgebrauch der Menschen und der Medien finden sollen. Am Beispiel der Partei „Alternative für Deutschland“ wurde dies in zahlreichen Berichten und Untersuchungen nachgewiesen. Die Politische Bildung hat dies schon vor dem Aufkommen der AfD in Deutschland erkannt und orientiert am Konzept der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ aus der Bielefelder Schule um Wilhelm Heitmeyer aufgegriffen und in ihre Angebotsstrukturen eingebaut. Das ist ihr meines Erachtens gut gelungen.

Nunmehr aber baut sich von der politisch linken Seite her nicht nur in der Politischen Bildung eine „Bewegung“ auf, die auf die Versuche der Rechten, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, damit reagiert, die Grenzen des Nicht-(mehr)-Sagbaren neu zu definieren und sprachliche Tabuzonen dort zu errichten, wo sie bisher aus allgemeiner Sicht nicht notwendig waren. Das geschieht zum Beispiel im Rahmen der sogenannten „rassismuskritischen“ Politischen Bildung – und stellt schon mit diesem Begriff die Kolleginnen und Kollegen in der Profession ins „unkritische“ Abseits, die andere Ansätze verwenden. Die „rassismuskritische“ Politische Bildung verfolgt ganz vorrangig eine Opferperspektive, die es nicht einmal mehr zulassen will, rassistische Aussagen zu zitieren (und danach natürlich zu brandmarken); dies allein verkörpere schon Rassismus. Aber wie soll man den Gehalt einer Aussage zum Beispiel eines Tübinger Oberbürgermeisters auf rassistische Inhalte hin bewerten können, wenn die Aussage gar nicht bekannt werden darf? Und wer entscheidet darüber? Ein Ding der Unmöglichkeit.

Entscheidend sei, so der „rassismuskritische“ Ansatz, was als Diskriminierung empfunden werde, und nicht, was mit einer Aussage gemeint ist. Darüber kann man herzlich streiten; ich teile diese Ansicht nicht, da Zitieren und anschließendes Bewerten vor dem Hintergrund der Faktenlage Grundlage allen wissenschaftsbasierten Arbeitens ist und sein muss. Also auch der politischen Bildungsarbeit, die sich zudem am Anspruch der Überparteilichkeit und des Beutelsbacher Konsenses zu orientieren hat. Die Begriffe „schwarzmalen“, „schwarzsehen“, „schwarzfahren“ oder Redewendungen wie „das schwarze Schaf in der Familie“ oder „in dunklen Kanälen verschwinden“ werden von manchen als rassistisch „konnotiert“ empfunden – und deshalb empfehlen Kolleginnen und Kollegen mit „rassismuskritischem“ Hintergrund, solche Worte und Wendungen nicht mehr zu gebrauchen. Bildungsarbeit, die professionelle Ansprüche an sich stellt, sollte eigentlich damit unterwegs sein, den solchermaßen von „Rassismus“ Betroffenen zu erklären, dass alle diese Worte und Wendungen von ihren Ursprüngen und ihrem Gebrauch in der deutschen Sprache nichts mit Rassismus zu tun haben und deswegen eben nicht in rassistischer Absicht verwendet werden.

Es ist zudem kein Rassismus, jemanden danach zu fragen, woher sie oder er kommt. Dies kann in wenigen einzelnen Fällen so sein, aber für den ganz überwiegenden Teil der Menschheit ist es eine Alltagsfloskel, die sie nutzen, um mit jemand ins Gespräch zu kommen und diesem Menschen zu signalisieren, dass man sich für ihn interessiert, wenn vielleicht auch nur für einige wenige Momente. Die Frage, woher ich komme, ist mir in meinem Leben von Menschen aller Altersklassen und Hautfarben vielhundertfach gestellt worden; und ich selber habe sie auch vielhundertfach gestellt. Nicht ein einziges Mal hatte ich nur den Anflug des Eindrucks, dass sich jemand daran gestört oder gar davon abgewertet gefühlt hätte. Die meisten Menschen freuen sich, wenn man sich für sie interessiert. Deshalb ist es Unfug, den Menschen eine solche Floskel des Alltags „abtrainieren“ zu wollen, weil sich einige wenige davon angegriffen fühlen könnten. Man kann Rassismus auch unterstellen, und dagegen wehren sich die Menschen, denen er unterstellt wird, völlig zu Recht.

Zudem ist es intellektuell und menschlich fragwürdig, unabsichtlich ausgesprochene Abwertungen generell als Rassismus zu brandmarken – kein Mensch kann alle Gruppen von Menschen auf dieser Welt und das kennen, was diese als Abwertung empfinden oder empfinden könnten. Dazu wäre überaus umfangreiches Detailwissen erforderlich, das sich nicht einmal Menschen aneignen können, die das Privileg haben, sich sogar gegen Bezahlung Tag und Nacht mit Politik beschäftigen zu können. Wenn wir Antidiskriminierung zur bürgerfernen Wissenschaft machen, dann erreichen wir damit nicht weniger Diskriminierung.

So werden Menschen mit Rassismus-Vorwürfen überzogen, die sich in der Politischen Bildung die Aufgabe gestellt haben, Rassismus auf eine andere als „rassismuskritische“ Art und Weise zu bekämpfen, weil sie deren Prämissen infrage stellen, wofür es gute Gründe gibt. Zudem müssen sich die „Rassismuskritiker*innen“ die Frage gefallen lassen, weshalb sie ihnen widersprechende Kolleginnen und Kollegen zum Teil angreifen, aber zum Beispiel „Gangsta-Rapper“ wie „Haftbefehl“, „Kollegah“, „Gzuz“ und viele andere außen vor lassen, deren Geschäftsmodell auf der heftigen und ständig wiederholten Abwertung zum Beispiel von Frauen, Juden und Schwulen sowie einer massiven Gewaltverherrlichung beruht. Die Zitate, die das belegen, lassen sich in kürzester Zeit aus den Songtexten herausfischen – Beispiele lasse ich hier weg. Bis auf dieses: Aussagen wie „Germany, ich fick dich in den Hals à la Drittes Reich“ aus dem Titel „Lass die Affen aus’m Zoo“ von „Haftbefehl“ scheint über das eben Geschriebene hinaus nicht gerade dazu angetan, die Integration des Fanpublikums in eine demokratische Gesellschaft und Ordnung zu fördern, welchen Hintergrunds auch immer. Davon lässt die Politische Bildung, gerade auch die „rassismuskritische“, fast komplett die Finger – warum eigentlich? Genau hier gäbe es die Aufgabe, der ständigen und voll absichtlichen Abwertung großer Gruppen von Menschen entgegenzuwirken. Die Veröffentlichungen nicht nur der Genannten stehen in den Streaming-Charts beständig weit oben und steigen in der Veröffentlichungswoche in den CD- und Download-Hitparaden oft von null auf eins. Mich stört das nicht nur ein bisschen.

Eine von der nordrhein-westfälischen Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Auftrag gegebene Studie der Universität Bielefeld unter einer repräsentativen Gruppe von 500 zwölf- bis 24-Jährigen im Jahr 2021 hat Folgendes ergeben: 26,5 Prozent – über ein Viertel – der Kinder und Jugendlichen haben eine sehr stark judenfeindliche Einstellung. Von diesen gaben etwas mehr als 80 (!) Prozent an, gerne oder sehr gerne „Gangsta-Rap“ zu hören. Das belegt zwar für sich genommen noch keinen ursächlichen Zusammenhang; die Übereinstimmung der Merkmale ist aber dermaßen hoch, dass davon ohne weiteres ausgegangen werden kann. Arbeit für die Politische Bildung, möchte ich meinen.

Der „Gangsta-Rap“ wird von der „rassismuskritischen“ Bildungsarbeit außen vor gelassen, weil es der eigenen „Logik“ nicht nur widerspräche, sondern auch, weil er die ihr inneliegende Pseudologik entlarven würde: „Gangsta-Rapper“ sind in der Regel Männer mit Migrationshintergrund und damit in der eigentümlichen „Logik“ der „Rassismuskritik“ Menschen mit Diskriminierungserfahrung, die andererseits „alten weißen Männern“ aus derlei Eigenschaften heraus wiederum nicht zuteilwerden kann – sonst würde das Ganze in sich geschlossene „Argumentations“-System des „strukturellen Rassismus“ zusammenbrechen wie ein von Anfang an schief gebautes Kartenhaus. Wer dagegen die „Betroffenen-Perspektive“ qua Gruppenzugehörigkeit für sich in Anspruch nehmen kann, ist vor Kritik geschützt. Das ist der Freibrief für die Diskriminierung anderer Gruppen. So ergibt sich aus der verqueren „Logik“ der „Rassismuskritik“ nicht weniger, sondern mehr Diskriminierung in unserer Gesellschaft. Angegriffen und kritisiert werden diejenigen, die sich in der Politischen Bildung teilweise jahrzehntelang gegen Diskriminierung und Rassismus engagiert haben, aber das Konzept der „rassismuskritischen“ Politischen Bildung nicht teilen – sie werden jetzt aus dieser Ecke als Diskriminierer diskriminiert. Die wahren „Diskriminierer*innen“ dürfen sich derweil freuen und fröhlich und unbehelligt weiter diskriminieren. Das ist intellektuell unredlich und menschlich nicht in Ordnung. Der „(alte) weiße Mann“ wird zum neuen Feindbild aufgebaut.

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Laufen wir nicht in die Falle der Identitätspolitik!

Identität ist nichts Negatives, nur die Politisierung von Identität ist schädlich (BioNTech-Vorständin Özlem Türeci)

Im Jahr 2005, ich war noch recht neu im Amt des Direktors der LpB, habe ich im Karlsruher Schloss, direkt neben dem Bundesverfassungsgericht, die von der heutigen Baden-Württemberg Stiftung finanzierte Islam-Ausstellung „Mehr als nur Gäste“ eröffnet. Nach dem anschließenden Rundgang herrschte im Saal eine tolle Stimmung, alle waren angetan von den aufschlussreichen Texten, der didaktischen Aufmachung, der ansprechenden Optik und den vielfältigen Exponaten. Eine Frau gratulierte mir zu der „hervorragend gemachten Ausstellung“, wie sie mir sagte. Doch plötzlich kippte die Stimmung im Saal, man konnte es förmlich in der Luft spüren.
Was war passiert?

Ein sachkundiger Islam-Kenner hatte entdeckt, dass sich auf dem transparenten Band, das auf dem Boden liegend in die Ausstellung führte, unter anderem zwei Koran-Zitate (auf Arabisch) befanden. Dies gehe nicht, da man damit nach muslimischer Auffassung die Worte des Propheten mit Füßen trete, wenn man darüber laufe. Zudem stellte er fest, dass ein prachtvolles Exemplar eines Korans in der Ausstellung zu tief ausgestellt worden sei, weil es sich unterhalb der „unreinen Körperteile“ befand. Wir konnten schnell Abhilfe schaffen, indem wir das Band entfernten (und später auch die beiden Koran-Zitate darauf). Ein Untersatz war auch schnell gefunden, mit dem wir den Koran auf eine zulässige Höhe bugsieren konnten. Aber da war es schon passiert. Dieselbe Dame, die mir kurz zuvor noch zur Ausstellung gratuliert hatte, sprach mich nochmals an und gab ihrer Empörung darüber Ausdruck, wie einer Landeszentrale für politische Bildung so etwas passieren und wie man es wagen könne, eine wichtige Weltreligion derart zu schmähen. Mein Hinweis, dass die Ausstellung von zahlreichen Religions- und Islamwissenschaftlern begutachtet worden sei, die die Fehler nicht entdeckt hätten, half dann auch nicht mehr viel. So schnell wandert man als ganze Institution in eine Ecke, in die man nicht hineingehört. So schnell schlägt die Bewunderung der Unwissenden in die Empörung der nunmehr Gelehrten um.

Das inzwischen bekannteste Beispiel für den Einzug kulturell geprägter Konflikte in unsere Gesellschaft und noch mehr unsere Profession ist der verbreitete Gebrauch des „Gendersternchens“ und anderer Arten den „Genderns“ in die Sprache der Politischen Bildung. Viele tausend oft von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlte Arbeitsstunden sind bereits in die Auseinandersetzung um „geschlechtersensible“ oder „geschlechterbewusste“ Sprache eingegangen und haben – natürlich – nicht zu einer Lösung des Konflikts geführt, sondern zu einer Bildung von zwei Lagern, die sich recht unversöhnlich gegenüberstehen. Für meinen Geschmack kann jede und jeder das „Sternchen“ übernehmen, wenn sie oder er das will. Ich persönlich möchte weiter davon absehen dürfen – spätestens beim Gebrauch eines Wortes wie „Jüd*innen“ mit Stern in der Mitte wird es für mich mehr als grenzwertig.

Nun kann man sagen: Solche Konflikte um Sprache machen doch nichts aus; was in der Gesellschaft stattfindet, findet eben auch in der Politischen Bildung statt. Wohl wahr. Erstaunlich ist jedoch die Vehemenz, mit der für den jeweiligen Glauben geworben und gestritten wird. „Geschlechterbewusst“ oder „geschlechtersensibel“ wollen wir sprechen und sein, „rassismuskritisch“ natürlich auch. Übersehen wird dabei leicht, dass andere Ziele in den Hintergrund geraten, wenn man einzelne Ziele vorrangig verfolgt, die auch wichtig sind, aber eben nicht allein. Die eigene, mit viel Mühe erworbene und aufgebaute Fachlichkeit führt dann dazu, dass man den Blick für das große Ganze verliert.

Tatsächlich braucht es inzwischen in vielen Bereichen sehr viel Detailwissen, um zumindest subjektiv so empfundene Diskriminierungen zu vermeiden. Die meisten Menschen haben diese Zeit nicht und wehren sich deshalb zurecht dagegen, wenn sie aufgrund ihres Nicht- oder Teilwissens in die Rassismusecke gestellt werden, was heutzutage sehr schnell passieren kann. Wer von uns hat noch den Überblick über die zahlreichen Identitäten und „Selbstbezeichnungen“, die allein in der queeren Szene unterwegs sind? Da kommt man ohne intensive Befassung schlichtweg nicht mehr mit.

Wenn offener Dialog aber nicht mehr möglich ist, zu viele zuerst ihre Gruppenzugehörigkeit betonen und nicht mehr das alle Verbindende, dann scheitert das Miteinander in einer hochgradig vielfältigen Gesellschaft. Schon der alte weise Mann Platon wusste: „Wo aber keine Gemeinschaft ist, da kann auch keine Freundschaft sein“. Das beziehungslose Nebeneinander ohne Gemeinschaft wird zum neuen Normal. Konflikte können nicht mehr geregelt werden. Der Kompromiss wird unmöglich. Das ist exakt das, was die rechten „Vordenker“ wie Steve Bannon oder Götz Kubitschek wollen. Sie nennen das offen „Dekonstruktion“ des (demokratischen) „Systems“ – also dessen Zerstörung. Wir dürfen uns als Politische Bildung da nicht hineinziehen lassen, sonst betreiben wir deren Geschäft.

Ziel der Bannons und Kubitscheks (und Höckes und Trumps und Bolsonaros und Salvinis und Le Pens) dieser Welt ist es, von universellen, individuellen Grundrechten Abschied zu nehmen und Rechte sowie Identität von Menschen über Gruppenzugehörigkeiten aufgrund von äußerlichen Merkmalen zu definieren und zu vergeben. Das ist die Falle, in die die Identitätspolitik läuft: Sie begibt sich auf dieselbe Ebene und macht die äußerste Rechte damit gleichberechtigt sprech- und salonfähig. Sie muss sich nicht mehr dafür verteidigen, dass sie einzelnen Menschen ihre Rechte aberkennen will, sondern „verteidigt“ oder fordert dann Rechte von Menschen, die einzelnen Gruppen angehören – so wird es dann zum „Recht“ zum Beispiel eines Franzosen, seine Gene „reinzuhalten“ und eine „Vermischung“ der Ethnien etwa durch gemeinsame Kinder mit einer Südbadenerin zu verhindern. Das Konzept des „Ethnopluralismus“ – ein anderes, zunächst harmlos klingendes Wort für völkische Ideologie – wird so ungewollt hoffähig gemacht. Die Strategie der „Selbstverharmlosung“ der Neuen Rechten geht damit auf.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Unterteilung der Menschen in Weiße und „People of Color“ oder „BIPoCs“, wie sie in der „rassismuskritischen“ Bildung vorgenommen wird, äußerst kritisch zu sehen. Ich dachte immer, genau diese Art von „ethnischem Reinheitsgebot“ ist rassistisch und dass man sie deshalb überwinden muss. Und ich denke es noch heute.

Die schlimmsten Fehler sind die, die aus guter Absicht gemacht werden, heißt ein nicht immer wirklich zutreffendes Sprichwort. Wie will man Menschen für den Kampf gegen Rassismus gewinnen, wenn man ihnen einredet, dass sie das gar nicht können, weil sie quasi infolge ihrer Geburt oder wegen ihrer Hautfarbe automatisch selber rassistisch sind? Auf welcher Grundlage sollen diese Menschen ihre Kinder und Enkel zu Toleranz, Empathie, Gleichwertigkeitsdenken erziehen können, wenn ihnen diese Eigenschaften abgesprochen werden? Das kapiere, wer will. Und überhaupt ist Identität etwas ungeheuer Vielfältiges, dass man nicht auf einzelne Gruppenzugehörigkeiten reduzieren kann – „Identitätspolitik“ ist in Wahrheit Identitätsreduzierung, ja Identitätsverzwergung, der ziemlich billige Versuch, Menschen in Schemen zu pressen, die sie verfügbar und angreifbar machen.

Ich will es einmal am eigenen Beispiel festmachen. „Alter weißer Mann“ ist keine „Selbstbezeichnung“ von mir für mich – „Selbstbezeichnung“ ist ein Begriff, der in der Gendersprache und -theorie und der „Rassismuskritik“ eine wichtige Rolle spielt. Aber ich muss es wohl akzeptieren, ein „alter weißer Mann“ zu sein, näher am Grab als an der Geburt; „Gammelfleischparty“ war ja schon 2008 „Jugendwort des Jahres“, von Erwachsenen bestimmt. Seit ich sechzig geworden bin, habe ich das Recht, in diversen Seniorenorganisationen Mitglied werden zu können, also bin ich jetzt wohl „alt“, obwohl sich sechzig auch nicht anders anfühlt als 59. Meine Hautfarbe wird gemeinhin als „weiß“ bezeichnet, auch wenn sie sich von dem vor mir liegenden weißen Blatt Papier doch irgendwie abhebt. „Mann“ verwende ich seit langem als „Selbstbezeichnung“, auch wenn mir die Gendertheorie stattdessen den Begriff „cissexuell“ aufdrängen will – „cissexuell“ steht dafür, dass man als Mensch das Geschlecht akzeptiert habe, dass einem bei der Geburt qua der eigenen Geschlechtsteile „zugeordnet“ worden sei, wie es etwas herablassend und ironischerweise auch zuschreibend heißt. Als ob es neben „Gender Studies“ keine Wissenschaft namens Biologie mehr gäbe. Da wird die Erde schnell zur Scheibe.

Aber meine Identität hört beim „alten weißen Mann“ eben nicht auf. Bei Weitem nicht. Ich bin auch Christ, Christlicher Demokrat, Alleinstehender, Sportvereinsvorsitzender, Politikwissenschaftler, Soziologe, Wanderer, Naturliebhaber, Rockfan, Autofahrer, Bahnkunde, Fußgänger, Vorgesetzter, Sohn, Bruder von zwei Schwestern, dreifacher Patenonkel, kinderlos, Hobbyfotograf, Deutscher, Europäer, Schwabe und Baden-Württemberger, Urlauber, „Tatort“-Gucker, manchmal Kinobesucher, sehr oft Bücherleser, hauptberuflich Job-Sharer mit einer Frau als Co-Direktorin, bekennender Spätaufsteher, Mieter, Vermieter, manchmal Anzugträger, Krawattenbesitzer, Dialektsprecher, Weintrinker, mäßiger Gitarrist und Brillenträger, weil es eben sein muss. Und das ist längst nicht alles, was meine Identität ausmacht. Aber all dies hat mir geholfen, mit Menschen Gemeinsamkeiten und eine Gesprächsbasis zu finden, die sich von mir in puncto Alter, Hautfarbe, Herkunft und vielem anderen mehr zum Teil deutlich unterscheiden. Weil sie in mir eben nicht nur einen „(alten) weißen Mann“ gesehen haben, sondern eben auch noch anderes. Das würde ich mir und allen anderen Menschen gerne erhalten – welcher Hautfarbe, Herkunft und welcher Zuschreibungen auch immer. Alt ist man für meinen Geschmack übrigens dann, wenn man seine Ansichten nicht mehr ändert; andauernde Rechthaberei fängt oft nicht erst mit sechzig an. Und schließlich gilt in puncto Zugehörigkeiten weiter der altbekannte Satz des alten weisen Mannes Mark Twain: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem eines sein: ein Schaf.“

Und überhaupt, „alte weiße Männer“? War es denn nicht hilfreich, dass sich solche gegen Rassismus und Diskriminierung eingesetzt haben und einsetzen, gleichwohl aus privilegierter Position? Bob Dylan, Bob Geldof, Bruce Springsteen? Reinhard Mey, Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken? Geht es nach der „Rassismuskritik“ mit ihrer „cancel culture“, müsste eigentlich die ganze Rock- und Popmusik rückabgewickelt werden, da sie nachweislich afrikanische Wurzeln hat und damit von Weißen gespielt eine einzige „kulturelle Aneignung“ wäre. So weit geht man dann doch nicht. Oder noch nicht?

Stattdessen wird an einer Berliner Hochschule ein Schild abgeschraubt, auf dem ein Schriftsteller in einem Gedicht geschildert hatte, wie er einer für ihn attraktiven Frau hinterherblickt – wegen sexueller Diskriminierung, die so etwas angeblich darstellt. Wie weit soll das noch gehen? Joe Cockers „You can leave your hat on“ – nicht mehr im Radio spielen, weil darin ein Striptease besungen wird – ebenso wie eine Stripperin in Chris de Burghs „Patricia“? Frank Zappas „Bobby Brown“ über einen Bisexuellen mit Sadomaso-Neigung, der Mädchen eindeutige, hier nicht zitierfähige Angebote macht – verbieten? Tina Turners „Private Dancer“ – verbieten, weil es darin um das Geldverdienen mit Prostitution geht, gesungen von einer „woman of color“? „The Joker“ von der Steve Miller Band – ist die Anspielung darin frivol oder sexistisch? Wo liegt die Grenze? Wer entscheidet darüber? Auf der Grundlage welcher Legitimation? Was passiert mit einer Gesellschaft, die auf vielen Ebenen in eine Art kulturidentitären Dauerkonflikt geführt wird? Friedlich dürfte sie auf Dauer nicht bleiben, weil solche Konflikte nicht mit den Regeln der Demokratie und dem Wesen des Kompromisses beigelegt werden können. Darauf sind die ganz Rechten richtig heiß, dann knallt es nämlich richtig, und das wollen die.

Ein blonder Schwede mit Rasta-Zöpfen – kulturelle Aneignung? Eine Haitianerin, die Coca-Cola trinkt – kulturelle Aneignung? Ein weißer, englischer Gitarrist, der Blues, Soul und Reggae spielt – kulturelle Aneignung? Das Gedicht einer schwarzen Frau aus den USA bei der Amtseinführung von US-Präsident Biden darf von einer weißen Übersetzerin aus den Niederlanden nicht in andere Sprachen übertragen werden – weil kulturelle Aneignung?
Was für ein Konzept von gestern, nein: vorgestern, nein: vorvorgestern. Identitätspolitik ist nicht progressiv, sondern erzreaktionär. Ich habe bisher immer geglaubt, wir wären schon viel weiter. War es denn nicht schon immer eine Stärke der zivilisierten Menschheit, dass sich Kulturen ausgetauscht, vermischt, gegenseitig bereichert haben und viel Neues, Interessantes, Spannendes, Unterhaltsames, ja Weltumspannendes und unzählige Menschen Verbindendes daraus entstanden ist? Etwas, das wir gerade in Corona-Zeiten so schmerzlich vermissen – auf der Theaterbühne, im Konzertsaal, im Kino? Unter Kultur und Identität verstehe ich jedenfalls nicht, mich mit meinem Stamm wieder in eine Höhle auf der Schwäbischen Alb zurückzuziehen, selbst wenn dies dem Klimaschutz dienlich sein könnte. „Identität ist nichts Negatives, nur die Politisierung von Identität ist schädlich“, sagt die Ärztin und BioNTech-Vorständin Özlem Türeci. Das ist auch meine Auffassung.

Vielleicht habe ich mit vielem unrecht, was ich hier schreibe, denn letztendlich „beweisen“ kann man nicht immer alles, sondern vieles oft nur plausibel machen oder es wenigstens versuchen. Vielleicht unterliegt aber auch der Teil der Politischen Bildung, der sich wegen seines „gendergerechten“, „rassismuskritischen“ Sprachgebrauchs samt zugehöriger „Haltung(en)“ für eine gesellschaftliche Avantgarde halten mag, einer Blasenillusion. „Haltung“ scheint mir in diesem Zusammenhang ein Begriff für ein in sich geschlossenes System von Argumenten und Annahmen zu sein, einem Verschwörungsmythos darin nicht unähnlich.

Vielleicht trägt dieser Ansatz der Politischen Bildung so letztendlich dazu bei, wenn auch vermutlich sehr ungewollt, dass die Politische Bildung den Anschluss an nennenswerte Teile der Gesellschaft verlieren und damit gehörig an Relevanz einbüßen könnte. Denn es könnte so sein, dass die Menschen die vielfältigen Diskriminierungen, die sie heute nach Ansicht vieler in unserem Fach aussprechen oder begehen könnten, gar nicht zum Anlass nehmen, an ihren „Haltungen“ zu arbeiten – sondern schlichtweg verhaltensunsicher werden und sich abwenden und lieber gar nichts mehr sagen als etwas möglicherweise Falsches, sich lieber auf die eigene Scholle zurückziehen, als sich auf eine als schwierig empfundene soziale Umwelt einzulassen. Verhaltensunsichere Menschen sind nämlich eines ganz bestimmt nicht – zugänglich und weltoffen.

Organisieren wir mehr Dialoge!

Mehr Kontroversität wagen und für mehr Perspektivwechsel sorgen

Im Sommer des Jahres 2017 war ich auf Einladung von Reinhard Kafka Gast bei der Landesgartenschau in Bad Herrenalb. Er war bis 2021 engagiertes Mitglied des Kuratoriums der LpB und leitete damals die Evangelische Erwachsenenbildung Nördlicher Schwarzwald. Sie war bei der Gartenschau mit dem Format „Talk im Garten“ präsent. Meine Aufgabe wie die vieler anderer Rednerinnen und Redner in der Gesprächsreihe war es, mit dem Publikum ohne lange Vorreden in einen dialogischen Austausch über alle interessierenden Themen zu kommen.

Unter anderem meldete sich eine ältere Frau, die sich darüber beschwerte, dass in der Politik der „Wille des Volkes“ nicht mehr umgesetzt werde und die Parlamente kaum noch widerspiegeln würden, was sich in der Gesellschaft täte – das ist nicht ganz neu, auch nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Zunächst einmal wandte ich ein, dass es einen klar erkennbaren „Willen des Volkes“ nicht gebe und nannte dafür Beispiele wie Tempolimit, Ausbau der Windenergie, Verschärfungen im Mietrecht und einige andere mehr. Da konnte die Dame noch mit. Dann erwähnte ich, dass der Bundestag erst vor kurzer Zeit die so genannte „Ehe für alle“ mit einer Mehrheit von etwa drei Vierteln beschlossen habe und dies ziemlich genau den Umfragezahlen für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland entsprochen habe – was sie mit der Bemerkung quittierte: „Das ist widergöttlich“. Zu einer Diskussion mit mir im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung war sie leider nicht mehr bereit.

Die Politische Bildung ist meines Erachtens gut beraten, sich in den herrschenden Konflikten um Identitäten nicht einseitig zu positionieren, sondern sich weiter an den Grundsätzen des Beutelsbacher Konsenses zu orientieren: Verzicht auf Überwältigung zum Beispiel beim Sprachgebrauch, Herstellung von Kontroversität in Veranstaltungen und Publikationen, selbst wenn es schwerfällt.

Für mich hat es zumindest den Anschein, dass dies mit abnehmender Tendenz der Fall ist. Ich sehe immer wieder, wie Vertreterinnen und Vertreter der „Fridays for Future“-Bewegung zu Gast bei Veranstaltungen der politischen Bildungsarbeit sind. Jemand von „Fridays for Hubraum“ habe ich noch nie in einem mir bekannten Veranstaltungsprogramm entdecken können. Deren politische Ziele teile ich überhaupt nicht, im Gegenteil. Aber sie sind, obwohl unsinnig, demokratisch legitim, und es war eine Leistung, auf Facebook in kürzester Zeit Hunderttausende „Likes“ dafür zusammenzubekommen. Und wie will man Klimaschutz voranbringen, wenn man nicht gerade die zu überzeugen versucht, die damit bisher am wenigsten am Hut haben? Dass es übrigens die Wählerinnen und Wähler mit besonders großem Geldbeutel sind, die im Durchschnitt den größten ökologischen Fußabdruck in Deutschland haben, sei hier nur am Rande vermerkt. Sie wählen in der Regel Grüne, FDP und CDU/CSU und bewohnen meist Häuser, auf deren Dächer sich große Photovoltaikanlagen installieren lassen und die mehr Heizkosten verursachen als das kleine Appartement im Hochhaus in Ulm-Bofingen, in dem sich eine fünfköpfige Familie mangels hohen Einkommens drängen muss. Liebe Politische Bildung: Mehr Kontroversität wagen und für mehr Perspektivwechsel sorgen, bitte. Auch die „kleinen Leute“ müssen bei uns stattfinden; der Mensch fängt nicht erst beim Abitur an.

Gerade in einer Zeit, in denen immer mehr Menschen in Meinungsblasen eine feste Heimstatt finden und aus ihren fest verankerten Überzeugungen (für Anglizismus-Fans: „firmly held beliefs“) nicht mehr herauskommen, ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben – oder erst wieder ins Gespräch zu kommen. Der Bundespräsident hat hierzu zum Beispiel ein interessantes Format eingeführt, in dem er versuchte, Bürgerinnen und Bürger mit kontroversen Ansichten zu kontroversen Themen auf Augenhöhe in seinem Amtssitz Schloss Bellevue zu einem Meinungsaustausch zusammenzubringen. Das könnte ein Vorbild für die Politische Bildung sein – und wenn wir unsere Kreativität sich ein bisschen austoben lassen, kriegen wir da sogar noch Besseres hin.

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Werden wir nicht „neutral“, aber bleiben wir überparteilich!

Politische Bildung ist Bildung und nicht Belehrung

Vielleicht steht sich die Politische Bildung dabei manchmal selbst im Weg. Denn zu häufig machen wir uns inzwischen beinahe unumstrittene, aber eben auch umstrittene politische Ziele zu eigen, die wir im Rahmen auch von Kampagnen begleiten. Beim Thema „pro Klimaschutz“ oder „pro Integration“ halte ich das noch für statthaft – zumindest dann, wenn für kontroverse Diskussionen über die Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele führen sollen, Platz genug ist. Schwieriger wird es schon bei „pro Vielfalt“, „pro Zuwanderung“, „pro geschlechtersensible Sprache“, „pro Ehe für alle“, „pro Ökologie“, „pro Bürgerbeteiligung“ und vielen anderen Themen, in denen die Politische Bildung zumindest in weiten Teilen für eine bestimmte „Haltung“ wirbt. Da wird es mit dem Kontroversitätsgebot dann oft schon kritisch. Ich teile zum Beispiel nicht die Auffassung der Minderheit an Abgeordneten, die 2017 im Deutschen Bundestag gegen die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt haben – aber ihre Begründungen dafür und auch ihr Abstimmungsverhalten sind demokratisch legitim. Ich bin auch der Auffassung, schon sehr lange, dass sich Deutschland als Einwanderungsland verstehen und entsprechend organisieren sollte; aber genauso kann ich Verständnis für Menschen aufbringen, die sich wie ich wünschen, dass dies in einem Rahmen geschieht, der die Institutionen, sozialen Einrichtungen und die öffentliche Infrastruktur nicht über den Rand ihrer Integrationsmöglichkeiten hinausbringt. Das ist ein absolut legitimes Anliegen und muss sich in unseren Veranstaltungs- und Publikationsprogrammen auch widerspiegeln. Über die wichtigsten Ziele in einer demokratischen Gesellschaft kann man Einigung oftmals herstellen – über den Weg dorthin muss diskutiert und notfalls gestritten werden. Das muss bei uns sichtbar sein, weil es bei uns stattfindet. Politische Bildung ist Bildung, nicht Belehrung.

Etwas ganz anderes ist es natürlich mit Positionen, die Vielfalt, andere Herkünfte, Religionszugehörigkeiten und so weiter pauschal abwerten. Das gibt es leider auch in unserer Gesellschaft und inzwischen auch wieder in unseren Parlamenten. Kontroversität hört spätestens dort auf, wo Abwertung anfängt. Dann muss die Politische Bildung entschieden Partei ergreifen. Wo es um die Grundsätze unserer Verfassung und unserer Demokratie geht, muss die Politische Bildung ganz klar und unmissverständlich Position beziehen. Es kann aber nicht sein, dass einzelne Kolleginnen und Kollegen unserer Zunft oder bestimmte pädagogische Ansätze für sich beanspruchen, die Verfassung exklusiv und mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit interpretieren zu können. Das wäre eine ziemliche Anmaßung, die zudem dem Überwältigungsverbot komplett widerspräche.

Im Jahr 2019 haben wir den hundertsten Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik begangen. Und den siebzigsten Jahrestag unseres Grundgesetzes. Die Gegner der ersten deutschen Demokratie und Republik haben die freie Presse als „Lügenpresse“ diffamiert, das Parlament als „Schwatzbude“ und die Demokraten in Parlament und Regierung als „Volksverräter“; das erleben wir auch heute wieder. Aber was haben die Menschen ab 1933 von den Feinden der Demokratie dann bekommen? Eine Lügenpresse, dazu ein Lügenradio, ein Parlament als Schwatzbude ohne Bedeutung mit jeder Menge Volksverrätern darin und in der Regierung. Nur hat man das in Deutschland dann nicht mehr sagen dürfen.

Wir im Deutschland von heute können es sagen. Und leider müssen wir es auch wieder sagen. Damit sich Geschichte eben nicht wiederholt.

Jetzt fragen sich vielleicht manche: Darf der Direktor einer zur Überparteilichkeit verpflichteten Einrichtung so eindeutig Stellung beziehen?
Ich darf es nicht nur, sondern ich muss. Es gibt ein Indoktrinationsverbot, aber keine Neutralitätspflicht der politischen Bildung – ob von Lehrkräften in den Schulen, ob von der Landeszentrale für politische Bildung oder wem auch immer, wie das bisweilen behauptet wird. Das Grundgesetz und seine ersten zwanzig Artikel sowie die Menschenrechte, die sich ebenso aus der Landesverfassung ergeben, sind für die Politische Bildung in Baden-Württemberg nicht verhandelbar. In Artikel 12 unserer Landesverfassung heißt es: „Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen.“ Das gilt auch mit Blick auf die Erwachsenen, wenngleich man diese, so hoffe ich wenigstens, nicht mehr wirklich erziehen muss.

Ich bin – wie viele Lehrerinnen und Lehrer auch – als Beamter auf die Verfassung des Landes Baden-Württemberg vereidigt. Die Angestellten im öffentlichen Dienst werden auf die deutsche Verfassung und ihre grundlegenden Werte förmlich verpflichtet. Das gilt sogar für die Absolventinnen und Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Landeszentrale.

Wenn zum Beispiel Abgeordnete einer baden-württembergischen Landtagspartei bei einer Kundgebung mitlaufen, bei der der Hitlergruß offen gezeigt wird – in Deutschland eine Straftat – so kann dies von der politischen Bildung nicht nur kritisch thematisiert werden, sondern muss es sogar. Die angebliche „Neutralitätspflicht“ der Politischen Bildung ist eine Erfindung ihrer Gegnerinnen und Gegner. Die Demokratie verlangt und benötigt Unterstützung, nicht Neutralität.

Es gilt aber auch: Unser Job ist und bleibt die Aufklärung und nicht die Parteinahme. Die einzige Haltung, die wir zu vermitteln haben, ist eine demokratische Haltung. Die Menschen befähigen, selbst zu entscheiden – das muss und sollte uns auszeichnen.

Dann, und nur dann, machen wir unsere Arbeit richtig.

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Reden und schreiben wir gutes und verständliches Deutsch!

Zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts

Im Herbst des Jahres 2010 habe ich für Heiner Geißler die Schlichtungsgespräche zum Bahnprojekt „Stuttgart 21“ organisiert; in den Neunzigerjahren, siehe oben, war ich eine Zeitlang sein Büroleiter im Deutschen Bundestag in Bonn. Deshalb waren er und der 2010 amtierende Ministerpräsident Stefan Mappus auf die Idee gekommen, dass ich die Organisation der Schlichtungsgespräche übernehmen könnte. Darum gerissen habe ich mich nicht. Aber die Möglichkeit, meinem damaligen obersten Dienstvorgesetzten und meinem ehemaligen Chef abzusagen, war äußerst begrenzt; vermutlich wussten die beiden das. Damit war ich „verhaftet“, fortan aber auch bei allen Schlichtungsgesprächen live und bei Ausschnitten in vielen Fernsehprogrammen und auf Fotos in Zeitungen zu sehen.

Wissen Sie, was ein „Überwerfungsbauwerk“ ist? Ich wusste es bis dahin auch nicht. Es ist im Ingenieurs-Fachjargon das gebräuchliche Wort für eine Brücke.
Diese Erkenntnis hatte ich seinerzeit Heiner Geißler zu verdanken. Denn fast immer, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Schlichtungsgesprächen anfingen, Fremdworte, Abkürzungen und Anglizismen zu verwenden, fuhr er ihnen manchmal mitten im Satz in die Parade. Verbunden mit der Aufforderung, das eben Gesagte nochmals in gut verständlichem Deutsch zu wiederholen. Ich konnte kaum glauben, wie oft mir damals aus meinen Bekanntenkreis und von Menschen, die mich aus den Fernsehübertragungen kannten, Sätze wie der folgende gesagt wurden: „Endlich sagt mal jemand denen da oben, dass sie so reden sollen, dass ich es auch verstehe.“

Mich hat das in meiner ganz grundsätzlichen Auffassung bestätigt, dass es wichtig ist, verständliches Deutsch zu sprechen, wenn man möglichst viele Menschen mitnehmen will. Da wir in der Politischen Bildung immer gerne das „Bewusstsein“ und die „Sensibilität“ vor uns hertragen, nenne ich eines meiner Grundanliegen nicht mehr nur „verständliche Sprache“, sondern jetzt auch „inklusionssensible“ oder „inklusionsbewusste“ Sprache. Damit soll klarer werden, dass es vorrangiges Ziel meines Sprachgebrauchs sein soll, möglichst viele Menschen zu erreichen, möglichst wenige auszuschließen und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Den Sprachgebrauch in möglichst viele Untergruppen aufzuspalten wie „rassismuskritisch“, „geschlechterbewusst“, „einfach“ und „leicht“ führt dagegen zu weiteren Trennungen von sozialen Milieus und der Schaffung exklusiver Gesprächsräume. Deshalb habe ich mich anders entschieden als andere in der Politischen Bildung und fühle mich deshalb beileibe keineswegs als schlechterer Demokrat oder gar Gruppen-Diskriminierer.

Inklusionsbewusste Sprache heißt: Keine oder wenige Fremdworte, möglichst keine Anglizismen, Gallizismen und so weiter, keine Abkürzungen außer sehr bekannten wie SPD oder CDU, keine Kunstworte, keine Sonderzeichen, keine künstlichen Sprechpausen und möglichst kurze Sätze. Das gilt für das gesprochene Wort und geschriebene Texte. Das ist nicht wirklich leicht, und ich schaffe es oft auch nicht, wie dieser Artikel leider an etlichen Stellen belegt. Aber das Ziel muss man sich setzen, wenn man möglichst nahe an es herankommen will. Franz Müntefering kann dabei als Vorbild dienen.

Ich denke, dass man Menschen von vornherein nicht einschließt, wenn man zum Beispiel wie in der aktuellen Corona-Pandemie den englischen, eigentlich amerikanischen Sprachgebrauch zuhauf übernimmt – fünfzig Prozent der Bevölkerung in Deutschland sprechen kein Englisch und müssen sich das alles erst erschließen. Aus der Angst heraus, belächelt oder für ungebildet gehalten zu werden, verstecken viele die Mühe, die sie sich dabei machen. „lockdown“, „home schooling“, „home office“, „long covid“, „test, trace and isolate“-Strategien, „pre-travel clearance“ vor der Einreise ins deutschsprachige Österreich, „Walk-In-Impfstationen“ und „Pop-Up-Radwege“ und so weiter – die Liste ist unvollständig. Vor Jahren hätten die meisten (vorwiegend linken) Intellektuellen in Deutschland über diese Art und Weise einer amerikanischen „kulturellen Hegemonie“ noch die Nase gerümpft; selbst vier Jahre Trump haben dies aber ganz offensichtlich nicht neu befeuern können.

Leider ist auch unsere Fachsprache von unnötigen Anglizismen durchdrungen: Worte wie „gamification“, „empowerment“, „othering“, „blended learning“, „diversity“, „clearteaching“, „breakout sessions“ oder „learning communities“ sind in unserer Fachsprache fast allgegenwärtig – obwohl wir wissen müssten, siehe oben, dass die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland kein Englisch spricht. Anglizismen sind ebenso wie Fremdworte eine subtile Form der Ausgrenzung, zumindest dann, wenn es leichter verstehbare Alternativen gibt. Und das ist fast immer der Fall.

Und manche Anglizismen sind einfach nur lachhaft: Man kann bei uns in Modegeschäften „body bags“ erstehen – das englische Wort für „Leichensäcke“. Darin kommt man dann schneller zum „public viewing“ – der öffentlichen Leichenschau. Eine Ladenkette, in der man Sportschuhe kaufen kann – im niederländischen Purmerend habe ich das erstmals gesehen – nennt sich „The Athlete’s Foot“ – im Englischen der Ausdruck für „Schweißfüße“. Und laden Sie doch einmal eine Amerikanerin oder einen Amerikaner auf eine Fahrt zum „Kiss&Ride-Parkplatz“ ein, wie man ihn zum Beispiel am Stuttgarter Hauptbahnhof belegen kann – nicht auszuschließen, dass Sie sich außer einer unfreundlichen Bemerkung auch noch eine Ohrfeige einhandeln.

Eine inklusionsbewusste Sprache finde ich auch einen guten Ansatz für den Sprachgebrauch in der Politischen Bildung. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat im Landtagswahlkampf 2021 gesagt, dass jeder so reden können solle, „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“ (die weibliche Form war nicht dabei). Das finde ich in einer freiheitlichen und vielfältigen Gesellschaft eine gute Sichtweise, weil sie den Menschen keine Angst davor macht, vielleicht etwas Falsches und dann im Zweifel lieber gar nichts zu sagen. Wenn das dann doch geschehen sollte, können die Betreffenden immer noch freundlich, aber bestimmt, von denen darauf hingewiesen werden, die es besser wissen (können).

Wenn man Bildung vermitteln will, zumal Politische Bildung, dann ist ein Sprachgebrauch, der auf Verständlichkeit zielt, dabei sicher hilfreich. Im Kern geht es mir mit meinem Anliegen für eine inklusionssensible Sprache um eine nutzerinnen- und nutzerfreundliche Politische Bildung, um möglichst niedrige Zugangsschwellen. Darum, die „Durchschnittsmenschen“ zu erreichen, „Eva Musterfrau“ und „Otto Normalverbraucher“, die im Übrigen unsere Gehälter mitbezahlen. Die Grundregeln und Voraussetzungen dafür sind ganz einfach: Nur wer verstanden wird, wird zur Kenntnis genommen. Wir können nicht erwarten, dass sich diese Menschen unseren Sprachgebrauch erarbeiten, um erfolgreich mit uns kommunizieren zu können, selbst wenn sie die Zeit dazu hätten. Aber umgekehrt können sie von uns erwarten, dass wir zumutbare Anstrengungen unternehmen, um ihnen gegenüber kommunikations- und sprechfähig zu bleiben.

Wir müssen auch die „einfachen“ Menschen erreichen, schon um der eigenen Legitimation willen. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel, für den ich fast zehn Jahre arbeiten durfte, hat sie in seiner Autobiographie so beschrieben:

„Sie kennen kaum Wertpapiere, aber Werte. Sie können sie vielleicht nicht definieren, aber sie leben sie vor und sie geben sie weiter an die nächste Generation. Sie sind gebildeter und gefestigter als manche Intellektuelle. Sie wissen noch, wo das tägliche Brot herkommt und leben nicht über ihre Verhältnisse. …. Sie sind das Fundament des Ganzen und haben deshalb viele über sich. Aber sie garantieren die Stabilität der gesamten Gesellschaft.“

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Bleiben wir dran an den harten Themen!

Politische Bildung muss sich vor allem mit dem Wesentlichen beschäftigen, um Glaubwürdigkeit zu wahren

Am 30. März 2021 habe ich während einer Fahrt in meinem Auto die von Wolfgang Heim moderierte Sendung „SWR1-Leute“ gehört, die montags bis freitags immer von zehn bis zwölf Uhr läuft. Zu Gast war an diesem Tag die Publizistin Judith Sevinc Basad, die sich sehr kritisch mit Gendertheorie und -sprache und Identitätspolitik auseinandersetzte (deutlich negativer als ich dies hier tue). Noch während der ersten Gesprächsstunde erwähnte Wolfgang Heim zweimal, dass die Redaktion der Sendung zahlreiche Zuschriften erhielte, viele davon mit dem Tenor „Haben wir eigentlich keine anderen Probleme?“. Diesen Satz höre ich auch oft, wenn in meinem Bekanntenkreis die Diskussion auf diese Themen kommt und ich mich, wiewohl anderes denkend, darum bemühe, die Beweggründe derjenigen zu vermitteln, die aus Überzeugung „gendern“: „Habt ihr keine anderen Probleme?“

Doch, haben wir. Und genau die muss die Politische Bildung auch (weiter) vorrangig bearbeiten, wenn sie relevant und glaubwürdig bleiben will; das entscheidet sich in der Tat nicht am „Gendern“ oder Nicht-„Gendern“, so beherzt wir darüber diskutieren mögen. Wichtiger ist und bleibt aus meiner Sicht die Auseinandersetzung mit „harten“ Themen wie diesen:

  • Der immer deutlicher werdenden Informationskriegsführung von Putins Russland und dessen damit verbundener Zersetzungsstrategie gegenüber demokratischen Ländern – von Peter Pomerantsev in seinem Buch „Das ist keine Propaganda“ sehr anschaulich beschrieben.
  • Der Entstehung einer neuen Überwachungsdiktatur in der Volksrepublik China, einem Land, dass Weltmachtansprüche stellt und keinerlei Anzeichen macht, die Menschenrechte auch nur im Geringsten achten zu wollen – eindrücklich von Kai Strittmatter in seinem Band „Die Neuerfindung der Diktatur“ geschildert.
  • Der weltweiten Corona-Pandemie und ihren schon jetzt sichtbaren verheerenden Auswirkungen auf viele der globalen Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten erzielt werden konnten – Hans Roslings Buch „Factfulness“ legt von Letzterem beredt Zeugnis ab.
  • Dem globalen Vormarsch des Nationalismus und der Frage, wie man ihn stoppen kann.
  • Die heftigen globalen wie nationalen Verteilungskämpfe, die sich im Zuge des Klimaschutzes absehbar verschärfen werden.
  • Natürlich dem Klimaschutz als solchem selbst.
  • Den großen ethischen Fragen der Zukunft von der Nutzung künstlicher Intelligenz, den weltweiten Gesundheits- und Überlebensfragen bis hin zu Forschungen, die der Menschheit das ewige Leben auf Erden bringen sollen.
  • Menschenrechtsverletzungen übelster Art, in Russland, in Syrien, in China, an tausenden, ja Millionen von Menschen, weitaus schlimmer als Diskriminierung hierzulande – und deshalb vorrangig zu behandeln? Da stellen sich auch ethische Fragen an die Politische Bildung, die wir bisher nicht diskutiert und auch nicht beantwortet haben. „Das eine tun und das andere nicht lassen“? Ja, schon. Aber mit welcher Gewichtung? Auch unser Tag hat nur 24 Stunden.

Politische Bildung muss sich vor allem mit dem Wesentlichen beschäftigen, um Glaubwürdigkeit zu wahren und damit Relevanz zugemessen zu bekommen. Darüber, was wichtig oder wesentlich ist und was nicht, wird in unserer Profession natürlich und wie in wahrscheinlich keiner oder nur wenig anderen kontrovers diskutiert. Das gehört zum Wesen und den Kernelementen der Politischen Bildung. Daraus spricht die Sprache der Demokratie: „Indem wir missliebige Meinungen erdulden, werden wir freie Menschen“ (Matthias Lohre, in „Das Opfer ist der neue Held“). Das darf uns keinesfalls verloren gehen.

Eine Frage, die alle Einrichtungen der politischen Bildungsarbeit – und nicht nur diese – im Zuge der Zwangsdigitalisierung infolge der Corona-Pandemie beschäftigt, ist die Frage, in welchem Maße wir uns nach der Pandemie digital und analog aufstellen. Hier erreicht uns etwas, dem wir ansonsten am liebsten aus dem Weg gehen: Darüber entscheiden zu müssen, worauf wir verzichten, wo es doch eigentlich gar nicht genügend Politische Bildung geben kann. Das macht niemand wirklich gerne. Aber auf jeden Fall werden wir in Zukunft noch viel mehr Formate als vor Corona in unseren Arsenalen haben, mit denen wir unsere Zielgruppen noch besser erreichen können.

Persönlich besorgt mich, dass wir in Deutschland und vielen anderen Ländern inzwischen alles auf die Karte „Digitalisierung“ setzen – ich halte das für einen Fehler und insbesondere auch für ein Thema, das die Politische Bildung künftig beschäftigen sollte. Wir machen sämtliche für alle Menschen relevanten Systeme von der Digitalisierung abhängig - die Energieversorgung, die Verkehrsregelung und -infrastruktur, das Gesundheitswesen, die Wasserversorgung und die globalen Lieferketten, um einige sehr wichtige Beispiele zu nennen. Ob das gut gehen kann? Ernstzunehmende Forschungen weisen darauf hin, dass infolge eines groß angelegten erfolgreichen Cyber-Angriffs die Versorgung der Menschen zum Beispiel mit Nahrungsmitteln oder Energie binnen kurzer Zeit zusammenbrechen könnte und es innerhalb von ein bis zwei Wochen zu bürgerkriegsähnlichen oder -gleichen Zuständen kommen dürfte. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unsere schnelllebige Gesellschaft, in der man es gewohnt ist, dass alles immer, überall und meistens sofort verfügbar ist, bei weitem nicht über die Resilienz verfügt, echte und deutlich schwerere Versorgungsengpässe als während der in dieser Hinsicht fast harmlosen Corona-Krise unbeschadet zu überstehen.

Dies hat mehrere politische Dimensionen, von denen ich zwei kurz ansprechen möchte. Erstens muss darüber geredet werden, ob und gegebenenfalls wie es möglich gemacht werden muss und kann, analog funktionierende Notfallsysteme zu schaffen, die eine Katastrophe bei Ausfall der digitalen Systeme verhindern können; das ist vor allem eine Aufgabe der Politik. Und zweitens muss diese Frage in Zusammenhang mit möglichen Angriffen vor allem von rechts auf unsere Demokratie gesehen werden (und sehr wahrscheinlich auch aus China und Russland).

Es ist kein Zufall, dass diese Angriffe in den letzten Jahren vor allem dann stattgefunden haben, wenn es Krisen zu bewältigen galt – immer gepaart mit dem Versuch, auch in die gesellschaftliche Mitte hineinzuwirken und für diese salonfähig zu werden:

  • Die Finanzkrise des Jahres 2008/2009: Geburtshelferin der AfD, damals noch mit gemäßigten Herren wie Lucke, Starbatty und Henkel, die, wie Henkel später sagte, „ein Monster geschaffen“ hätten.
  • Die Flüchtlingsdramatik des Jahres 2015, dem Geburtsjahr der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida).
  • Die Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 mit der Entstehung der „Querdenker“-Bewegung.

Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn es tatsächlich zu weitreichenden Versorgungsengpässen oder gar -ausfällen kommen sollte. Dafür müssen wir gewappnet sein; die Feinde der Demokratie warten nur auf ihre Chance, und nicht wenige von der äußersten Rechten trainieren mit Schießübungen und Kampfsportarten sogar darauf hin. Das muss Politische Bildung (und Politik) mehr als bisher beschäftigen.

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Arbeiten wir weiter gemeinsam gegen Nationalismus!

Vermittlung von Demokratie, der Menschenrechte, des friedlichen Miteinanders, des Kompromisses und der Rechtsstaatlichkeit

Als die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ihren Hauptsitz noch in der Stafflenbergstraße 38 in Stuttgart hatte, hatten wir in meinen Anfangsjahren als Direktor ein aus Bosnien stammendes Ehepaar, das als Angestellte einer Firma spätabendlich unsere Räumlichkeiten saubermachte; beide waren ganz sicher weit über siebzig Jahre alt, vielleicht schon über achtzig. Die ausgelagerten Reinigungsarbeiten mussten nach Landeshaushaltsrecht alle fünf Jahre ausgeschrieben werden. Ich werde es nie vergessen, wie eines Abends der Ehemann vor meinem Schreibtisch stand und mich unter Tränen bat, den Vertrag mit „seiner“ Firma zu verlängern; deren Chef habe ihm und seiner Frau angedroht, beide zu entlassen, falls der Kontrakt verloren ginge. Aber er und seine Frau seien auf das Einkommen angewiesen.

Um genau zu sein: eigentlich ihr Sohn. Dieser hatte sich als Freiwilliger im Bosnien-Krieg gemeldet, um „sein“ Land gegen die „Eindringlinge von außerhalb“ zu verteidigen – gegen den dringenden Rat und die inständigen Bitten seiner Eltern, wie mir sein Vater glaubhaft vermittelte. Ihr Sohn kehrte mit einer schweren Schussverletzung aus dem Krieg zurück, gezeichnet für sein Leben und – zu 100 Prozent erwerbsunfähig. Das war der Grund dafür, dass ein Ehepaar im hohen Alter, das längst in der verdienten Rente hätte sein müssen, bei uns den anstrengenden Putzdienst versah, immer zuverlässig und pünktlich. Der Kontrakt mit ihrer Firma wurde nicht verlängert – was aus den beiden und ihrem Sohn später geworden ist, habe ich nie in Erfahrung bringen können. Eines Tages waren sie einfach nicht mehr da.

Milosevic, Karadzic, Mladic und andere hatten es in den neunziger Jahren binnen weniger Wochen geschafft, mit nationalistischen Erzählungen und Parolen die einst in Jugoslawien weitgehend friedlich zusammenlebenden Volksgruppen und Religionen gegeneinander aufzuputschen und für ein Klima zu sorgen, welches ihre Kriegstreiberei leider nachhaltig unterstützte. Der Sohn unseres aus Bosnien stammenden Ehepaares hatte sich anstecken lassen, obwohl er das „Heimatland“, das er verteidigen wollte, so gut wie gar nicht kannte und es gerade eben erst wieder entstanden war. Ganze Familien sind daran zerbrochen, auch viele, die in Deutschland und Baden-Württemberg lebten und leben. Das sie Verbindende, „Homogene“, war bewusst zerstört worden.

Die unglaubliche Anziehungskraft des Nationalismus ist auch nach zwei unbeschreiblich brutalen Weltkriegen mit Millionen von Toten, entsetzlichen Gewaltexzessen und bestialischen Völkermorden immer noch lebendig und wird immer noch nur mit Mühe kleingehalten. Aber er hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten wieder Terrain zurückerobert. Die Boulevardpresse in demokratischen Ländern hat daran einen nicht unerheblichen Anteil.

Der Ausblick für die Demokratie auf dem gesamten Globus ist schon seit einigen Jahren auf „negativ“ gestellt. Globale soziale Netzwerke: Asoziale Hetzwerke, die der Demokratie, so wie sie sind, großen Schaden zufügen – siehe eingangs dieses Textes. Russland: Experiment Demokratie gescheitert. Ukraine: instabil und im Kriegszustand. Türkei: Militärputsch abgewendet, eine Diktatur ist etabliert. Ägypten nach dem Arabischen Frühling: Diktatur geblieben. Naher Osten und Nordafrika: eine Kette von gescheiterten Staaten. Südafrika: von Korruption fast zerfressen. Indien: dasselbe. Philippinen: ein demokratisch gewählter Diktator entscheidet tagtäglich über Leben und Tod, niemand stoppt ihn. Thailand: Militärdiktatur. Brasilien: rechtsradikaler Staatschef ohne Skrupel. Venezuela: im Chaos versunken. Mexiko: von Kriminalität durchsetzt. Die USA: Denkbar knapp verschont von vier weiteren Amtsjahren eines Präsidenten, für den ständiges Lügen ein legitimes Mittel der Kommunikation und die gewaltsame Erstürmung von Parlamentsgebäuden vorbildlich ist. China: in der Einparteien-Überwachungsdiktatur, bald auch in Hongkong. Polen und Ungarn: autokratisch regiert, Pressefreiheit weitgehend zerschlagen, Unabhängigkeit der Justiz praktisch nicht mehr vorhanden. Italien und Frankreich: Populisten und Nationalisten der Machtübernahme gefährlich nahe. Großbritannien: raus aus der Europäischen Union mit immer noch ungewissem Ausgang für die Menschen, dafür mit „glücklichen Fischen, weil sie jetzt britische Fische sind“ (Jacob Rees-Mogg). In den genannten Ländern allein lebt etwa die Hälfte der Weltbevölkerung; bezüglich der Fische und der damit womöglich verbundenen nationalen Glücksgefühle ist nichts Näheres bekannt. Der Nationalismus ist seit Jahren weltweit dramatisch auf dem Vormarsch, auch wenn dieser zumindest einstweilen gestoppt scheint.

In der Gesamtschau ist das alles andere als eine beruhigende Zustandsbeschreibung. Dazu kommen noch die vielen weiteren Länder, in denen ständige Armut herrscht und denen die Klimakrise schon jetzt heftig zu schaffen macht.
Ich kenne etliche dumme Sätze, die auch von intelligenten Personen ab und an zitiert werden. Einer davon lautet: „Geschichte wiederholt sich nicht“. Ja, woher wollen wir das denn wissen? Kein Mensch kann das behaupten, weil keiner die Zukunft kennt. Es könnte sehr wohl sein, dass sich Geschichte wiederholt.

Zumindest läuten bei mir die Alarmglocken: Linke und rechte Populisten und auch Radikale und Extremisten arbeiten zusammen, um die Demokratie zu zerstören. Nationalisten bestärken sich über alle Ländergrenzen hinweg darin, wichtige transnationale Institutionen zu bekämpfen und zu schwächen. Sie tarnen sich, wie das Nationalisten schon immer getan haben, als „Patrioten“ und Wahrer der Werte des christlichen Abendlandes; mit dem Christentum haben sie rein gar nichts am Hut. Sie biegen die Wahrheit bis es quietscht, Stichwort „alternative Fakten“. Die demokratischen Parteien laufen den Themen der Nationalisten häufig hinterher. Das alles läuft gerade ab. Und das alles ist in der Geschichte schon abgelaufen.

Hatten wir schon, und danach kam noch einiges dazu: Kaum war die Demokratie besiegt, haben die neu an die Macht Gekommenen ihre vormaligen Bündnispartner zu Feinden erkoren und deren Spitzenpersonal eingesperrt. Die Nationalisten aller Seiten wandten sich plötzlich gegeneinander und führten Kriege; logisch, wenn jedes Land für sich immer „zuerst“ und vor allen anderen kommt. „Die da oben“ waren in ihren Führerbunkern gut geschützt, das angeblich so „geliebte Volk“ wurde auf den Schlachtfeldern verheizt: erschossen, vergast, abgestochen, verbrannt, weggemetzelt. Der Ehrenvorsitzende einer deutschen Partei und frühere Leiter einer Staatskanzlei nannte das einen „Vogelschiss der Geschichte“ und sprach dagegen über das Deutschland der jüngsten Vergangenheit als „Merkel-Diktatur“. Da sind die Maßstäbe schon sehr verrutscht, sehr vermutlich sehr absichtsvoll.

Wir müssen es wieder in die Köpfe der Menschen hineinbekommen, was Nationalismus und Diktatur bedeuten: Sie bedeuten Krieg und Zerstörung, Armut und Elend. Das bleibt für mich die zentrale Herausforderung der Politischen Bildung in den kommenden Jahren. Natürlich nicht, indem wir den Menschen ständig Angst machen; das tun andere schon zur Genüge. Sondern indem wir ihnen die Vorzüge der Demokratie, der Menschenrechte, des friedlichen Miteinanders, des Kompromisses und der Rechtsstaatlichkeit vermitteln. Das ist und bleibt die Kernaufgabe der Politischen Bildung.
Darüber könnten wir uns doch bei allen Kontroversen in unserer Disziplin einig sein.

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Machen wir uns zur Plattform!

Zum Selbstverständnis und künftiger Rolle der Zentralen für politische Bildung

Wenn wir ehrlich zu uns selber sind: Der Politischen Bildung und auch den meisten Zentralen für politische Bildung ist es in den letzten Jahren nicht schlecht ergangen. Das Erstarken nationalistischer, populistischer, islamistischer Organisationen und Bewegungen hat viele in der Politik wachgerüttelt und der Politischen Bildung zu einem wieder erhöhten Stellenwert verholfen. Die große und wichtige Bundeszentrale für politische Bildung hat einen stattlichen Aufwuchs an Stellen und Finanzmitteln erhalten. In etlichen Landeszentralen, auch der baden-württembergischen, ist es ähnlich, wenn auch nicht ganz so umfangreich. Zudem ist eine Vielzahl von Programmen und Projektlinien entstanden, die mit Finanzmitteln und Stellen versehen worden sind, so zum Beispiel das große Programm „Demokratie leben!“ des Bundes. Die Grenzen dessen, was der Bund bildungspolitisch darf, sind ausgeweitet worden; selbst der Begriff des „Projekts“ lässt auf Bundesebene inzwischen fünfjährige Laufzeiten zu; und rechtsgutachterlich abgesichert darf der Bund alles, auch in der Politischen Bildung, wenn nur das Etikett Kinder- und Jugendhilfe draufklebt. Das kann man als Föderalist schon anders sehen, aber es ist, wie es ist.

Für die kommenden Jahre hat der Bund eine Milliarde Euro für die Bekämpfung vor allem von Rechtsextremismus und Rassismus in Aussicht gestellt. In Baden-Württemberg wird qua Koalitionsvertrag künftig der Aufarbeitung des Kolonialismus besonderes Augenmerk geschenkt. Zudem soll eine „task force“ zur Bekämpfung von Hasssprache im Netz auf den Weg gebracht werden. Der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung zur Politischen Bildung spricht sich dafür aus, dass Politische Bildung verstärkt auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen angeboten und durchgeführt werden soll. Ob das wirklich so gut ist, steht auf einem anderen Blatt Papier, weil sich die Frage nach der Qualitätssicherung umso drängender stellt.

Und damit auch die nach dem Selbstverständnis und der künftigen Rolle der Zentralen für politische Bildung in diesem größer gewordenen und weiter wachsenden Umfeld. Wir müssen uns meiner Meinung nach viel intensiver als bisher die Frage stellen, ob wir zukünftig nicht stärker als Plattform(en) für Politische Bildung agieren sollten, auch gemeinsam – und zum Beispiel eine bundesweite Internetplattform für Beiträge zur politischen Bildungsarbeit gestalten sollten, in die wir nach den Kriterien der Überparteilichkeit und des Beutelsbacher Konsenses qualitätsgeprüfte Beiträge aus Projekten, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Einrichtungen der demokratischen Bildung, Parlamenten und so weiter einstellen. Mit einer derartigen Dienstleistung für die gesamte Gemeinschaft der Demokraten könnten wir uns neu profilieren und an Bedeutung hinzugewinnen. Allerdings müssen wir uns dann von der in den Zentralen lange gepflegten Kultur verabschieden, Politische Bildung vor allem selber machen zu wollen. Und es wären auch neue Ansätze einer gleichberechtigten wie vertrauensvollen Zusammenarbeit notwendig, ebenso die Umwidmung von Mitteln und Stellen beziehungsweise Arbeitsmethoden und -inhalten.

Setzen wir konsequent auf Qualität!

Die Stärke und Zukunft der Politischen Bildung

Die Zukunft der Politischen Bildung liegt meines Erachtens darin, konsequent auf die Qualität der angebotenen Inhalte zu achten. Das war schon immer unsere Stärke, und das muss sie in Zukunft erst recht sein. Wenn ich mir in einem sicher bin, dann darin, dass die Menschen im Zeitalter der Verschwörungstheorien, der bewussten Manipulationen im Netz, der gezielt verbreiteten Falschbehauptungen und Lügen, verstärkt nach Menschen, Organisationen und Angeboten Ausschau halten werden, denen sie Vertrauen entgegenbringen können, weil es gerechtfertigt ist. Gerade im Zeitalter der Entgrenzungen, der Globalisierung, abnehmender Gewissheiten werden die Menschen nicht aufhören, nach dem zu suchen, was ihnen Halt bieten kann – von der eigenen Familie über den Freundes- und Bekanntenkreis bis hin zu vertrauenswürdigen Institutionen.

Die Suche nach Gewissheiten und Halt ist es allerdings auch, die Verschwörungstheorien, die alles erklären, die Parteien, die das Heil im Gestern suchen und die Personen, die unhaltbare Versprechungen machen, Zulauf verschafft. Allerdings gibt es im Vergleich zu Einrichtungen wie denen der Politischen Bildung einen wichtigen Unterschied: Diese arbeiten seriös, verlässlich und bieten dauerhaft hohe Qualität – was das Ausprobieren von neuem und das eventuelle Scheitern durchaus einschließen darf und muss.

Deshalb müssen wir es als Auszeichnung verstehen, wenn wir als Institutionen von denen angegriffen werden, die genau dies den Menschen nur versprechen, aber eben nicht dauerhaft bieten können. Das ist der entscheidende Unterschied und nach meinem Dafürhalten die Voraussetzung für unseren kontinuierlichen und künftigen Erfolg. Dem müssen wir allerdings auch immer neu gerecht werden, und das ist in einem schwieriger gewordenen Umfeld und einer komplexen gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht einfach.

Wir klären auf und belehren nicht!

Überparteilichkeit und Beutelsbacher Konsens – Grundlagen der Politischen Bildung

Politische Bildung soll aufklären, nicht belehren. Politische Bildung soll eine demokratische Grundhaltung vermitteln und die Menschen befähigen, sich ihr eigenes Urteil zu bilden. Unsere Überparteilichkeit sowie das Festhalten an den Inhalten des Beutelsbacher Konsenses sind unabdingbar für eine Politische Bildung, die ihre Relevanz behalten und unterstreichen will: keine Indoktrination, Kontroversität (immer!) und Befähigung der Menschen zur demokratischen Teilhabe. Nur wer bereit ist, Probleme und Aufgaben von unterschiedlichen Seiten her zu betrachten und hin und wieder Kompromisse einzugehen, wird mit den Komplexitäten der heutigen Welt fertigwerden können. Dafür bedarf es unsererseits des Vertrauens in unsere Demokratie – bei allem, was der Kritik und der Verbesserung würdig ist – wie in unsere eigene Wirksamkeit. Dazu bedarf es einer ideologiefreien Politischen Bildung, die sich Identitätspolitik gerade nicht zu eigen macht, sondern deren spalterischen Inhalte und Tendenzen klar beim Namen nennt und kritisch thematisiert.

Das liegt nicht nur im Interesse der eigenen Zunft. Mit alten und neuen Nationalismen sowie unnötig heraufbeschworenen, künstlich aufgeblasenen und unnötig politisch-moralisch aufgeladenen Identitätskonflikten werden wir die großen Menschheitsaufgaben wie Klimakrise und Pandemie samt Pandemiefolgen nicht bewältigen können. „Zusammenarbeit setzt Vertrauen voraus“ sagt zurecht der identitätspolitikkritische Publizist und Kulturwissenschaftler Hamad Abdel-Samad. Daran müssen wir arbeiten – in unserer Gesellschaft wie auch global. Das bedarf der richtigen Prioritätensetzung. Einige Vorschläge dazu habe ich hier gemacht.

Ich bin, wie dieser Artikel belegt, nicht frei von Skepsis, aber in der Gesamtschau zuversichtlich, dass die baden-württembergische Landeszentrale für politische Bildung mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie auch die anderen Zentralen für politische Bildung auch in Zukunft deutlich sichtbare, qualitativ hochwertige und manchmal sogar vorbildliche Beiträge zur Vermittlung Politischer Bildung in unserer Gesellschaft erbringen können und werden.

Überparteilichkeit und Beutelsbacher Konsens müssen dafür weiter die Grundlage sein.

Dann schaffen wir das.

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