Die Beziehungen der Ukraine zur EU und zur NATO

Ukraine und EU

Die Ukraine ist ein Nachbarland der Europäischen Union und damit ein möglicher Beitrittskandidat. Kiew artikulierte bereits in den 1990er Jahren eindeutige Absichten, der Europäischen Union beizutreten. Brüssel verwies jedoch auf die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen und verknüpfte damit alle konkreten Schritte in Richtung einer EU-Mitgliedschaft. Zahlreiche Verstöße gegen demokratische Prinzipien machten einen EU-Beitritt allerdings unmöglich. Am 14. Juni 1994 wurde ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine unterzeichnet, das im März 1998 in Kraft getreten ist.

Seit der „Orangenen Revolution“ 2004 bildet die wirtschaftliche Integration und politische Zusammenarbeit der Ukraine mit der EU ein zentrales Ziel ukrainischer Außenpolitik. Auch die EU sieht in der Ukraine einen „priority partner“ im Rahmen der neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik – eines Programms zur Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kooperation zwischen der EU und den benachbarten Staaten.
 

Abkommen

Am 1. Januar 2008 sind Abkommen zwischen der EU und der Ukraine über Visa-Erleichterungen und die Rücknahme von Personen, die sich illegal aufhalten, in Kraft getreten. Die Ukraine ist zudem Partnerland der sogenannten "Östlichen Partnerschaft" der EU, die am 7. Mai 2009 auf einem Gipfeltreffen in Prag gegründet wurde. Deren Ziel ist es, die EU und sechs Partnerländer aus ihrer östlichen Nachbarschaft und der Kaukasusregion politisch und wirtschaftlich einander anzunähern.

Ende November 2013 legte Präsident Janukowitsch das mit der EU ausgehandelte Assoziierungsabkommen offenbar auf Druck Russlands kurz vor der geplanten Unterzeichnung auf Eis. Das Abkommen befasst sich nicht nur mit Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und der Schaffung einer Freihandelszone, sondern auch mit der politischen Zusammenarbeit. Darin wird eine enge Kooperation in der Außenpolitik sowie in Justiz- und Grundrechtsfragen vereinbart. Mit Assoziierungsabkommen versucht die EU, Nachbarstaaten enger an sich zu binden, ohne ihnen eine EU-Mitgliedschaft zu eröffnen.

Ein halbes Jahr später schloss die EU im Juni 2014 trotz anhaltender Spannungen mit Russland ein Assoziierungsabkommen mit der neuen ukrainischen Regierung ab. Den wirtschaftlichen Teil des Abkommens unterzeichnete Präsident Poroschenko am 27. Juni, während der politische Teil schon im März beschlossen worden war. Im September 2014 verabschiedeten die Parlamente der Ukraine und der Europäischen Union (EU) das Assoziierungsabkommen, das zum 1. Januar 2016 in Kraft trat.

Das Assoziierungsabkommen

Betrachtet man Umfragen, so sprachen sich in einer Erhebung aus dem Jahr 2019 57 Prozent der Befragten für einen EU-Beitritt aus, wobei sich regional große Unterschiede ergaben. Im Westen des Landes sprechen sich die Befragten mit großer Mehrheit für einen EU-Beitritt aus. Der Süden und der Donbas hingegen wären eher für die Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland, Kasachstan und Belarus. (Quelle: bpb.de)

Anfang des Jahres 2019 verankerte das ukrainische Parlament mit einer Mehrheit von 334 der 450 Abgeordneten in der Verfassung eine „strategische Orientierung der Ukraine zum vollständigen Beitritt zur EU und der NATO“.

EU-Beitritt der Ukraine

Seit dem am 24. Februar 2022 begonnenen Krieg Russlands gegen die Ukrainefordern einige Politiker, das Land schnell in die EU aufzunehmen. Nach dem Willen der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen soll die Ukraine möglichst bald Teil der Staatengemeinschaft werden. Auf die Frage nach einer Aufnahme der Ukraine in die EU sagte sie bereits wenige Tage nach Beginn des Angriffskriegs auf das Land: „Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben.” Auch der ukrainische Präsident Selenskyj hatte angesichts der katastrophalen Lage seines Landes eine dringliche Bitte um eine Aufnahme in die EU wiederholt.  In einer Sitzung des Europäischen Parlaments angesichts des Krieges in der Ukraine war Selenskyj zugeschaltet und richtete in einem emotionalen Appell folgende Worte an die Europäer: „Wir geben unsere besten Leute her“, um Werte und Rechte wie in Europa zu erhalten, so Selenskyj. „Wir haben den Wunsch, gleich zu sein.“ Die Ukraine kämpfe darum, ein gleichberechtigtes Mitglied der EU zu werden. „Ohne Sie wird die Ukraine allein sein.“ Nun müsse die EU beweisen, dass sie an der Seite der Ukraine stehe. „Wir sind Europäer! Beweisen Sie, dass auch Sie Europäer sind!“

Indes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 28. Februar 2022 ein offizielles EU-Beitrittsgesuch eingereicht. Wenig später reichten Georgien und die Republik Moldau ebenfalls einen Antrag auf EU-Beitritt ein. Die Europäische Kommission ist nun dabei, die Anträge zu überprüfen, um eine Einschätzung zum möglichen EU-Beitritt der drei Staaten abzugeben.

Bei ihrer Reise in das Kriegsgebiet in der Ukraine am 8.4.2022 hat Kommissionspräsidentin von der Leyen der Ukraine Mut auf dem Weg in die Europäische Union gemacht. Sie möchte eine EU-Mitgliedschaft des Landes rasch vorantreiben: „Meine Botschaft lautet, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört“, so von der Leyen. EU-Kommissionspräsidentin hat der Ukraine bei ihrem Besuch ferner einen Fragebogen übergeben, anhand derer die EU die Voraussetzungen zum Beitritt der Ukraine ausloten möchte. Die Ukraine hat den Fragebeogen umgehend ausgefüllt. Die Europäische Kommission hat daraufhin den Beitrittsantrag positiv bewertet. Am 23. Juni 2022 hat die Ukraine offiziell den Kandidatenstatus verliehen bekommen.

Ausführliche Informationen über  die Ukraine auf dem Weg zum EU-Beitritt

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Ukraine und NATO

Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Ukraine bildet die NATO-Ukraine-Charta vom Juli 1997. Eine entsprechende NATO-Russland-Akte vom gleichen Jahr schrieb die Partnerschaft und Zusammenarbeit der beiden Seiten fest und sah vor, dass die Staaten der Region sich frei für ein Bündnis entscheiden können.

Die NATO und ihre Mitgliedstaaten haben vereinbart, die Ukraine bei der Reform ihrer Streitkräfte und Sicherheitsorgane zu unterstützen. Die Ukraine ist das einzige Nicht-Mitglied, das an drei von der NATO geführten Militäroperationen (ISAF, KFOR und OAE) teilnimmt und als erster „Partner-Staat“ an einer NATO Response Force beteiligt war.

Auf dem NATO Gipfel in Bukarest 2008 erhielt die Ukraine (wie auch Georgien) eine grundsätzliche Beitrittsperspektive: „Wir haben uns heute geeinigt, dass diese Staaten NATO-MItglieder werden sollen". Russlands Präsident Putin hatte sich schon damals gegen die Erweiterungspläne der NATO ausgesprochen. Aber auch Frankreich und Deutschland sprachen sich gegen einen Beitritt der Ukraine aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte davor, Russland nicht unnötig zu reizen und eine Destabilisierung Osteuropas zu riskieren.

Am 1. Juli 2010 nahm das ukrainische Parlament ein Gesetz an, das eine Fortsetzung der Partnerschaft mit der NATO zum Ziel hat, aber ausdrücklich das Festhalten der Ukraine an einer Politik der „Blockfreiheit” vorsieht.

Unter dem Eindruck des Konflikts mit Russland in der Krim-Krise 2014 wollte Ukraines Präsident Poroschenko sein Land in die NATO führen. Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier antwortete auf die Frage, ob er einen Beitritt der Ukraine hilfreich fände: „Man sollte aufpassen, dass man mit bestimmten Entscheidungen nicht noch Öl ins Feuer gießt.”

Auch der seit 2019 amtierende Präsident Wolodymyr Selenskyj warb wiederholt um eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes und setzt den Kurs auf eine Vollmitgliedschaft sowohl in der EU als auch in der NATO fort. Mit der Änderung der Verfassung im Februar 2019  hat die Ukraine die Mitgliedschaft in der EU und in der NATO zum Staatsziel mit Verfassungsrang erhoben.

Im Juni 2020 hat die NATO die Ukraine als „Enhanced Opportunities Partner"anerkannt. Dieser Status ist Teil des Partnerschaftsprogramms, das darauf abzielt, die Zusammenarbeit zu jenen Partnern zu vertiefen, die bedeutende Beiträge zu NATO-geführten Operationen und Missionen geleistet hat. Als NATO-Partner hat die Ukraine Truppen für Operationen der Alliierten bereitgestellt, darunter in Afghanistan und im Kosovo.

Seit 2021 gehört die Ukraine ferner zu jenen Ländern, die im Rahmen des  „Individual Partneship Action Plan"  (Individueller Partnerschaftsaktionsplan) von der NATO Unterstützung erhalten.
Bereits beim NATO-Gipfel 2021 in Brüssel hatten die Staats- und Regierungschefs der NATO  die „Politik der offenen Tür“ für die Ukraine und Georgien zum Ausdruck gebracht. Sie forderten beide Länder auf, notwendige Reformen für eine stärkere Integration in die NATO fortzusetzen.

Im Zuge des Angriffskriegs Russland gegen die Ukraine spielt die Frage um einen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine eine zentrale Rolle. Russlands Präsident Putin gibt an, sich durch die Annäherung der Ukraine in Richtung NATO bedroht zu fühlen und versucht mit allen Mitteln einen Beitritt des Landes zum Bündnis  bzw. eine NATO-Osterweiterung insgesamt zu verhindern. Putin fordert juristisch verbindliche Sicherheitsgarantien, nach denen eine Aufnahme der Ukraine in das Militärbündnis nicht stattfinden wird. Ausserdem lehnt Russland weitere militärische Infrastruktur und Waffensysteme der Nato vor seinen Grenzen ab. Putin  geht in seinen Forderungen sogar noch einen Schritt weiter: Zwischen Russland und der NATO solle der Zustand von 1997 wieder hergestellt werden.

Im Vorfeld der Krim-Annexion hatte  Putin selbst die angebliche Drohung einer anstehenden NATO-Osterweiterung zunächst als Argument für die Besetzung der Halbinsel benutzt, erklärte dann aber, der eigentliche Grund sei „die historische Gerechtigkeit“ gewesen.

Zur Einordnung sei an dieser Stelle erwähnt, dass eine reale Bedrohung Russlands im Konflikt der vergangenen Jahre nicht existierte und ein NATO-Beitritt der Ukraine im Vorfeld des aktuellen Krieges nicht zur Debatte stand. Wenngleich ein solcher aus Sicht der Ukraine gewünscht war und zum Ziel erklärt worden war. DieChancen für einen NATO-Beitritt der Ukraine hatten sich im Verlauf des Krieges 2022 und der Verhandlungen der Kriegsparteien zunächst zerschlagen. Der ukrainische Präsident Selenskyj strebte zunächst einen neutralen bündnisfreien Status seinen Landes an, mit entsprechenden Sicherheitsgarantien für sein Land. In Folge der Annexionen weiterer ukrainischer Regionen im Osten und Süden des Landes, ist es Selenskyj nun ein Anliegen, die Ukraine so bald als möglich in den Schutz des NATO-Bündnisses zu stellen. Im September 2022 hat er einen Antrag auf beschleunigten Beitritt der Ukraine in die NATOeingereicht. Neun Mitglieder der NATO unterstützen den ukrainischen Antrag.. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat daraufhin den Antrag der Ukraine nicht ausdrücklich befürwortet, sondern die Politik der offenen Tür des Bündnisses bekräftigt.

Bei einem NATO-Treffen im Vorfeld des NATO-Gipfel im Juli 2023 in Litauen berieten die NATO-Staaten über die Beitrittsperspektive der Ukraine. Es mehren sich die Zeichen, dass sich die Mitgliedstaaten damit einverstanden erklären, im Falle der Ukraine auf den Aktionsplan zur Mitgliedschaft (Membership Action Plan / MAP) zu verzichten, um das Aufnahmeverfahren deutlich zu beschleunigen. Die NATO möchte der Ukraine schon jetzt mehr Mitsprache auf Augenhöhe ermöglichen. Dafür soll ein NATO-Ukraine-Rat gegründet werden,  der sich am Rande des Gipfels in Vilnius zum ersten Mal treffen soll. Ukraines Präsidnet Selenskyi fordert einen raschen NATO-Beitritt seines Landes und bereits jetzt konkrete Sicherheitsgarantien für sein Land.

Es ist  jedoch unwahrscheinlich, dass ein formaler Prozess in Richtung Beitritt der Ukraine in nächster Zeit eingeleitet werden kann. Der NATO-Vertrag enthält Bestimmungen, die die Aufnahme eines Kandidaten, der sich im Krieg befindet oder über umstrittene Territorien verfügt, nicht vorsehen. Die aktuelle Kriegsituation und eine womöglich jahrelang sich anschließenden Phase der Instabilität werden der Ukraine  bis auf weiteres einen Beitritt zur NATO verwehren. Solange sich ein Land in einem Konflikt befindet, ist eine Aufnahme in die NATO so gut wie ausgeschlossen. Juristisch betrachtet könne man zwar auch zu einer Rechtsauslegung kommen, dass der Passus über die „Abwesenheit territorialer Streitigkeiten" in diesem Fall nicht gelte, da die Ukraine keine Ansprüche auf fremdes Land erhebe und, im Einklang mit den Normen des Völkerrechts, lediglich ihre eigenen, von Russland besetzten Gebiete befreie, wie Menschenrechtsorganisationen und weitere Unterstützer in einem jüngsten Appell an die NATO argumentierten. Mit dieser Auslegung ließen sich aber nicht die politischen Bedenken vieler NATO-Mitgliedsstaaten aus dem Weg räumen, erläutert Simon Koschut, Professor für Internationale Sicherheitspolitik. Ein sofortiger NATO-Beitritt der Ukraine hätte zur Folge, dass sich die NATO-Mitglieder einen bewaffneten Konflikt ins Bündnis holten und die NATO durch die Beistandsverpflichtung zur Konfliktpartei würde.

Geht man der Frage nach, wie die ukrainische Bevölkerung selbst zu einem NATO-Beitritt steht, sprach sich diese 2008 noch mehrheitlich gegen einen Beitritt aus. Erst nach dem Verlust der Krim 2014 hat sich dies geändert. Auch im Jahr 2019 sprachen sich in einer Umfrage nur  knapp 50 Prozent für einen NATO-Beitritt aus, wobei die Erhebung regional große Unterschiede ergab. Im Westen des Landes sprechen ich die Befragten mehrheitlich für einen NATO-Beitritt aus. Der Süden und der Donbas hingegen sprachen sich zu großen Teilen für einen blockfreien Status aus (Quelle: bpb.de). Würde man die Bevölkerung heute nach ihren Wünschen fragen, ergäbe sich sicherlich ein anderes Ergebnis.

Ausführliche Informationen über das Verteidungsbündnis in unserem NATO-Dossier


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