Fremdenfeindliche Anschläge

In Deutschland werden zwar wieder weniger Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt, die Zahlen der politisch motivierten Straftaten sind aber immer noch alarmierend. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnet für das Jahr 2020 insgesamt 44.692 politisch motivierte Delikte. Diese haben um 8,5 Prozent zum Vorjahr zugenommen und befinden sich damit laut BKA auf einem neuen Höchststand. Propagandadelikte, Beleidigungen und Volksverhetzungen umfassten dabei in der Summe mehr als die Hälfte (57,3 Prozent) aller gemeldeten Straftaten.

Rechtsextremistische Straftaten machten mit rund 23.600 mehr als die Hälfte aller 2020 registrierten Straftaten aus. Während hier ein Zuwachs von mehr als fünf Prozent zu verzeichnen ist, ist die Zahl der Straftaten im Phänomenbereich links um elf Prozent auf knapp 11.000 Delikte gestiegen.

Rückgang der Attacken gegen Flüchtlinge

Mindestens 1.600 überwiegend rechtsmotivierte Angriffe gegen Geflüchtete und Asylbewerberunterkünfte hat es 2020 gegeben. Das geht aus vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums hervor. 201 Personen wurden bei den Attacken verletzt. Weitere 84 Angriffe richteten sich gegen Flüchtlingsunterkünfte. Darüber hinaus gab es 2020 insgesamt 67 Angriffe auf Hilfsorganisationen sowie freiwillige Helfer:innen. 

Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der erfassten Übergriffe leicht zurück, 2019 hatten die Behörden 1.620 solcher Fälle gemeldet. 2018 hatten die Behörden insgesamt 1.775 Attacken auf Geflüchtete registriert, hinzu kamen 173 Straftaten, die auf Unterkünfte abzielten. 2017 waren noch 312 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gemeldet worden, 2016 sogar noch 995 Angriffe.

Quelle: zdf.de

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Chronik der Anschläge

Seit Anfang 2015 sind auf Flüchtlingsheime in Deutschland mehrere hundert Anschläge verübt worden. Eine um Vollständigkeit bemühte Auflistung findet man hier: Chronik fremdenfeindlicher Anschläge.

Einige Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte, Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten haben aufgrund ihrer Schwere oder der Umstände der Taten besonders viel Aufmerksamkeit erhalten:

19. Februar 2020: In Hanau (Hessen) tötet ein Mann bei einem rassistisch motivierten Anschlag neun Menschen in zwei Shishabars. Später erschoss er in der elterlichen Wohnung seine Mutter und sich selbst.

30. Juni 2019: In Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) legen Unbekannte ein Feuer im Keller eines Mehrfamilienhauses, in dem überwiegende geflüchtete Familien leben. 18 Bewohnerinnen und Bewohner müssen wegen Verdachts auf Rauchgasvergiftung im Krankenhaus behandelt werden. Die Polizei schließt ein rassistisches Tatmotiv nicht aus.

1. Januar 2019: In Hebsack, Remshalden (Baden-Württemberg) haben Unbekannte Feuer auf dem Balkon des Hauses einer geflüchteten Familie gelegt. Die Familie konnte sich in Sicherheit bringen, drei Personen wurden wegen Lungenreizung im Krankenhaus ambulant behandelt. Die Familie hatte sich schon im Vorjahr aufgrund von Drohungen an die Polizei gewandt. Ein rassistisches Tatmotiv ist daher nicht ausgeschlossen. 

17. März 2018: In Nußdorf am Inn (Bayern) haben Unbekannte einen Brandsatz gegen die Außenfassade einer Flüchtlingsunterkunft geworfen. Verletzt wurde niemand, die Polizei geht von einer politisch motivierten Tat aus. 

1. Oktober 2017: In Apolda (Thüringen) drangen drei deutsche Männer in eine Flüchtlingsunterkunft ein und begannen im Gebäude eine Schlägerei mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Anschließend verlagerten sie die Schlägerei nach draußen. Die eintreffende Polizei musste Verstärkung anfordern und Pfefferspray einsetzen. Zwei der drei Männer seien laut der Beamten bekannte Rechtsextremisten.

23. Juni 2017: In Lemgo (Nordrhein-Westfalen) haben Unbekannte in der Nacht im Erdgeschoss einer Asylunterkunft eine Matratze angezündet. Ein Bewohner kam mit einer leichten Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Die Tat wird als "politische Kriminalität - rechts" eingestuft.

25. Oktober 2016: In Döbeln (Sachsen) hat ein 56-Jähriger vor der Wohnung einer geflüchteten Familie einen Kinderwagen in Brand gesetzt. Elf Hausbewohnerinnen und Hausbewohner kamen wegen Verdachts auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Der Täter bezeichnet sich selbst als Reichsbürger.

27. Februar 2016: In Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt) schießen Unbekannte mit einer Handfeuerwaffe oder einem Gewehr in die Fenster einer noch unbewohnten Unterkunft für Geflüchtete, in der sich zu diesem Zeitpunkt aber Mitarbeitende eines Wachdienstes aufhalten. Es ist bereits der siebte Anschlag auf das Gebäude. Das Landeskriminalamt übernimmt die Ermittlungen wegen eines versuchten Tötungsdeliktes, eine Sko wird eingerichtet und ein Großaufgebot der Polizei sucht nach Hinweisen auf Tatverdächtige.

21. Februar 2016: In Bautzen (Sachsen) bricht in einer noch unbewohnten Unterkunft ein schwerer Brand aus, der auf den gesamten Dachstuhl übergreift.  Anwohner und Schaulustige applaudieren, in den Nebenstraßen werden rechte Parolen skandiert. Die Polizei vermutet Brandstiftung als Ursache und nimmt zwei Personen fest, welche die Löscharbeiten der Feuerwehr massiv behindert hatten.

18. Februar 2016: In Claußnitz (Sachsen) blockieren mehr als 100 Menschen für etwa zwei Stunden die Anfahrt eines Busses mit 20 Geflüchteten und beschimpfen die Insassen. Durch ein über soziale Medien verbreitetes Handy-Video entsteht eine große mediale Rezeption, die sich über das Verhalten der Anwohner entsetzt zeigt. Auch das Verhalten der Polizei wird in der folgenden öffentlichen Debatte scharf kritisiert, weil Polizeikräfte Geflüchtete teils gewaltsam aus dem umstellten Bus zerren, gegen die Blockierer jedoch nicht vorgehen.

2. Februar 2016: In Hamburg kommen bei einem Brand in einem fünfstöckigen Mehrfamilienhaus, das als Asylbewerberunterkunft genutzt wird, eine Mutter und ihre beiden Söhne ums Leben. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

20. September 2015: In Freital (Sachsen) wird mit Pyrotechnik ein Anschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete verübt. Fast zeitgleich gibt es einen Anschlag auf das örtliche Büro der Linkspartei. Vorangegangen waren seit Anfang 2015 bereits mehrere weitere Anschläge und Anschlagsdrohungen gegen Unterkünfte für Geflüchtete in Freital.
Am selben Tag gibt es in Wertheim (Baden-Württemberg) einen Brandanschlag auf eine geplante Notunterkunft in einer ehemaligen Sporthalle, in der die Unterbringung von 330 Personen vorbereitet ist. Das Gebäude ist danach einsturzgefährdet und nicht mehr nutzbar.

14. September 2015: In Eisbergen (Nordrhein-Westfalen) wird ein Brandanschlag auf die örtliche Asylbewerberunterkunft verübt, in der sich zu diesem Zeitpunkt 37 Personen befinden. Der für den Anschlag verwendete Molotowcocktail fliegt gegen die Fassade, wodurch das Feuer rasch gelöscht werden kann. Ende Oktober 2015 meldet die Polizei die Festnahme von zwei mutmaßlichen Tätern. Sie werden wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Untersuchungshaft genommen.

28. August 2015: In Salzhemmendorf (Niedersachsen) wird ein brennender Molotow-Cocktail durch das Fenster eines Flüchtlingsheimes geworfen. Eine Frau aus Simbabwe mit ihren drei Kinder, die im Nebenzimmer schläft, bleibt unverletzt. Drei Tatverdächtige sind inzwischen festgenommen worden - einer von ihnen war bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv und auch an den Löscharbeiten beteiligt.

24. August 2015: in Weissach im Tal (Baden-Württemberg) brennt es in einem Haus, in das Flüchtlingen einziehen sollten. Das Haus wird dabei komplett zerstört. Das Gebäude war bereits 2005 Ziel eines Anschlags gewesen.

22./23. August 2015: Im sächsischen Heidenau liefern sich vor einem Flüchtlingsheim Hunderte von Rechtsradikalen eine Straßenschlacht mit der Polizei. Dabei werden mehrere Beamten verletzt. Später kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten aus der Antifa-Szene und Rechtsradikalen. Die Polizei richtet nach mehreren Tagen mit Krawallen eine Sicherheitszone rund um das Flüchtlingsheim ein, in der bsp. Platzverbote leichter ausgesprochen werden können. Das örtliche Landratsamt verhängte ein Versammlungsverbot, das für das Wochenende vom 29./30. August gelten sollte. Die Behörde argumentiert, es würden nicht genügen Polizeikräfte zur Verfügung stehen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Damit hätte auch ein Willkommensfest nicht stattfinden können, das die Initiative "Dresden nazifrei" für die Flüchtlinge organisieren wollte. Nach einer Klage durch mehrere Instanzen hob das Bundesverfassungsgericht das generelle Versammlungsverbot am 29. August wieder auf.

4. April 2015: In Tröglitz (Sachsen-Anhalt) brennt ein Gebäude nieder, das bereits für den Einzug von 40 Asylbewerbern vorbereitet war. Die Täter sind bislang nicht gefunden worden. Der parteilose Tröglitzer Bürgermeister Markus Nierth war bereits Anfang März, also noch vor tätlichen Angriffen auf Flüchtlinge, zurückgetreten. Die rechtsradikale Partei NPD hatte eine Demonstration angekündigt, die vor dem Haus des Theologen Nierth enden sollte, in dem er mit seiner Familie wohnt. Nierth fühlte sich von Polizei, Behörden und Mitbürgern nicht ausreichend beschützt und trat deshalb zurück.

Januar 2015: In Freital (Sachsen) kommt es seit Anfang des Jahres immer wieder zu Protesten gegen das zunächst geplante und inzwischen bezogene Flüchtlingsheim. Dabei versammelten sich teilweise mehrere hundert Asylgegner. In der Nacht zum 27. Juli 2015 explodierte ein Sprengsatz im Auto von Michael Richter, Vorsitzenden der Linken-Fraktion im Freitaler Stadtrat. Er hatte Solidaritätsveranstaltungen zugunsten der Flüchtlinge organisiert. Bereits vor dem Anschlag hatte er mehrere Morddrohungen erhalten.

2015/2016 insgesamt: Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete bis zum 27. Dezember 2016 bundesweit 921 Attacken auf Asylunterkünfte. Davon hatten 857, also rund 93 Prozent, einen rechtsradikalen Hintergrund. Im Jahr 2015 hatte das BKA 1031 Straftaten gegen Asylunterkünfte verzeichnet, damals 923 mit rechtsradikalem Hintergrund. Damit blieb die Zahl der Attacken auf konstant hohem Niveau.

Rückblick 2015: Politikerinnen und Politiker verurteilen fremdenfeindliche Anschläge

2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am 26. August 2015 ein Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau besucht. Dort hat sie die fremdenfeindlichen Anschläge und Proteste der vergangenen Wochen mit deutlichen Worten verurteilt. "Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen", sagte sie. Merkel war vor ihrem Besuch kritisiert worden, sie habe sich bislang nicht deutlich genug in die Debatte eingeschaltet. 

Der SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte die Heidenauer Flüchtlingsunterkunft bereits am 24. August 2015 besucht. "Das ist Pack", sagte er über die fremdenfeindlichen Menschen, die in Heidenau vor dem Flüchtlingsheim randaliert hatten. "Das sind Leute, die mit Deutschland nichts zu tun habe." Für die scharfe Wortwahl wurde Gabriel einerseits kritisiert, erhielt von anderen jedoch auch Zustimmung.

Auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verurteilte die Ausschreitungen bei seinem Besuch des Flüchtlingsheims am 23. August 2015. Er sagte: "Das ist nicht unser Sachsen. Hier verstößt eine Minderheit brutal gegen Werte und Gesetze Deutschlands."

Bundespräsident Joachim Gauck lobte am 26. August 2015 nach dem Besuch einer Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf in Berlin die "vielen Freiwilligen, die zeigen wollen, es gibt ein helles Deutschland, das hier sich leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindlichen Aktionen gegen Menschen hören.

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Letzte Aktualisierung: Dezember 2021, Internetredaktion LpB BW

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