Krieg an der „Heimatfront“

Am 1. August 1914 bestand vielerorts an einem raschen und für das Deutsche Reich siegreichen Ausgang des Krieges kein Zweifel. In vielen Städten meldeten sich im ersten Kriegsmonat zahlreiche Freiwillige, allein in Karlsruhe 173 Schüler der höheren Schulen, von denen im ersten Kriegsjahr 24 fielen. Todesanzeigen häuften sich, und schon bald war klar, dass der Krieg nicht in wenigen Wochen beendet sein würde. Die Nähe zur Front ließ vor allem badische Städte zum Ziel feindlicher Angriffe aus der Luft werden. Als erste Stadt traf es am 23. August 1914 Müllheim, wo es einen Verletzten gab. In Freiburg gab es am 13. Dezember 1914 den ersten Toten. Ab 1915 folgten u. a. die Städte Karlsruhe, Lörrach, Mannheim und Offenburg, die Ziele von Luftangriffen wurden.

Luftangriffe im Südwesten

War Freiburg die Stadt, auf die die meisten Angriffe geflogen wurden, so hatte Karlsruhe die meisten Todesopfer zu beklagen. Der erste Luftangriff fand hier am 15. Juni 1915 statt, zwei Tage vor dem 200. Jahrestag der Stadtgründung, den man eigentlich mit großem Aufwand hatte feiern wollen. Dreißig Todesopfer und 58 Verletzte wurden schließlich gezählt. Karlsruhe war unter anderem als Sitz zahlreicher Militärdienststellen und -einrichtungen ein bevorzugtes Ziel der feindlichen Luftangriffe. Die größte Katastrophe ereignete sich am 22. Juni 1916, als 120 Menschen, darunter 71 Kinder, ums Leben kamen und 169 verletzt wurden. Die eigentlich dem Hauptbahnhof geltenden Bomben der französischen Flugzeuge, die sich an alten Karten orientierten, auf denen der neue Bahnhof noch nicht eingezeichnet war, trafen am Fronleichnamstag die Menschen, die aus dem in der Nähe des alten Bahnhofs gastierenden Zirkus Hagenbeck flüchteten. Im Laufe des Ersten Weltkriegs hatten badische Städte rund 100 Luftangriffe zu überstehen, allein 25 auf Freiburg (31 Tote), 14 auf Karlsruhe (168 Tote), je zwölf auf Mannheim (neun Tote) und Offenburg (elf Tote). Insgesamt waren 218 Menschenleben zu beklagen.

Kriegswirtschaft und -propaganda

Die „Heimatfront“ – ein kurz nach Kriegsbeginn verbreiteter Begriff für die enge Verbindung von Front und Heimat mit totaler Mobilisierung und Ideologisierung der Nation – war aber nicht nur durch Luftangriffe von den Auswirkungen des Krieges betroffen. Seit 1915 waren die Industriebetriebe auf Kriegswirtschaft umgestellt. Im Laufe des Krieges kam es zu einer weitgehenden Rohstoffbewirtschaftung. Frauen waren zunehmend in zuvor reinen Männerberufen tätig und ersetzten teilweise die im Feld stehenden Arbeiter.

Der Arbeitskräftemangel wurde immer größer, sodass mithilfe des Gesetzes zum „Vaterländischen Hilfsdienst“ Ende 1916 für alle nicht kriegsdienstfähigen Männer zwischen dem vollendeten 16. und 60. Lebensjahr eine allgemeine Arbeitspflicht erlassen wurde. 1917 mussten angesichts des großen Bedarfs Schüler und Mitglieder von Jugendwehren einspringen. Ihr ursprünglicher Zweck war die militärische Vorbereitung auf den Kriegsdienst.

Bereits Kinder wurden propagandistisch auf den Krieg ausgerichtet: Mithilfe von Bilderbüchern, entsprechendem Spielzeug wie z. B. Käthe Kruses Stoffpuppe in deutscher Uniform, passenden Aufsatzthemen in der Schule, Teilnahme an diversen Hilfsdiensten wie Ernteeinsätzen oder Sammlungen sollte die Jugend zur Stärkung der „Heimatfront“ beitragen. Kinder wurden außerdem in der Propaganda dafür instrumentalisiert, die Kampfbereitschaft der Soldaten zu stärken, denn sie verkörperten die „Reinheit“ und „Unschuld“ der Heimat, die es trotz der Trostlosigkeit des Stellungskrieges zu verteidigen lohnte.

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Lebensmittelknappheit und Hunger

Zunehmend wurden seit Ende 1915 Kriegsgefangene vor allem in der Landwirtschaft, aber auch bei der Lebensmittelverteilung eingesetzt. Trotz dieser Maßnahmen wurde die Lebensmittelversorgung im Laufe des Krieges immer schlechter. Die Lebensmittelknappheit erreichte im Winter 1916/17, der als „Steckrübenwinter“ in die Geschichte eingegangen ist, ihren Höhepunkt. Die Kartoffelernte 1916 war schlecht ausgefallen. Als Ersatz dienten Kohlrüben, die jedoch nur einen geringen Nährwert aufwiesen. Die Ernährungskrise zog sich bis ins Frühjahr 1917 hin und wurde durch schlechtes Wetter sowie Mangel an Brennstoffen noch zusätzlich verstärkt. Im gesamten Deutschen Reich starben bis Kriegsende etwa eine Million Menschen an Hunger oder an Krankheiten infolge von Hunger.

Kriegsmüdigkeit und Friedensdemos

All dies trug zu einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit und zur Destabilisierung der politischen Lage bei. Seit 1917 kam es in vielen deutschen Städten zu Streiks. Während es in Karlsruhe im März und November um Lohnerhöhungen ging, stand bei den reichsweiten Massenstreiks Ende Januar 1918 das politische Ziel „Frieden und Brot!“ im Vordergrund. In Mannheim wurden Ende Januar rund 15.000 Streikende gezählt, die aber am 4. Februar auf Druck der Behörden und Militärdienststellen aufgeben mussten. Am 26. Oktober 1918 demonstrierten in Friedrichshafen fast 4.000 Arbeiterinnen und Arbeiter für den Frieden. Auf Initiative der Spartakisten forderten am 4. November 1918 in Stuttgart über 10.000 Menschen die Abdankung von Kaiser und württembergischem König. Der Boden für die Revolution von 1918/19 war bereitet.

 

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Autor: Dr. Ernst Otto Bräunche, aufbereitet durch die Internetredaktion der LpB BW

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