Folgen des Krieges

Kriegsmüdigkeit und Desillusionierung waren in den letzten Monaten des Ersten Weltkriegs vielerorts zu spüren. Im November 1918 kam es auch im Südwesten zu Aufständen und Demonstrationen, Arbeiter- und Soldatenräte wurden in verschiedenen Städten gebildet. Am Ende setzten die Mehrheitssozialdemokraten eine parlamentarische Demokratie in Baden und Württemberg durch.

Die Niederlage des Deutschen Reiches und die Bestimmungen des Versailler Vertrages empfangen viele Deutsche jedoch als demütigend. Hunger und Armut sowie eine Wirtschaftskrise mit hoher Inflation taten ihr Übriges, um antisemitische und radikale Strömungen zu befeuern. Politisch motivierte Gewalt aus den extremen Lagern bedrohte zunehmend die noch junge Demokratie der Weimarer Republik.

Kriegsniederlage

Schon im Sommer 1916, spätestens aber mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika auf Seiten der Entente-Mächte am 6. April 1917 zeichnete sich die militärische Niederlage des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten ab. Sie wurde mit dem Durchbruch an der Westfront am 8. August 1918 (laut Ludendorff „der schwarze Tag des deutschen Heeres in der Geschichte dieses Krieges“) besiegelt. Am 14. August stufte die Oberste Heeresleitung des Deutschen Reiches die militärische Lage als aussichtslos ein.

Der Krieg war verloren, doch erst Ende September 1918 konfrontierte man die Bevölkerung mit der Realität. Die Niederlage traf die Menschen unvorbereitet. Die Berichterstattung von der Front, die sich bei Ende des Krieges noch immer im „Feindesland“ befand, hatte einen bevorstehenden deutschen Sieg oder doch zumindest einen ehrenvollen Frieden suggeriert. Umso entsetzter waren die Reaktionen auf die als demütigend empfundenen Bestimmungen des Waffenstillstands und des Versailler Friedensvertrags. Die unter Waffen stehenden Soldaten kehrten in den folgenden Monaten in großer Zahl zurück in die Heimat und hatten an den nun folgenden politischen Wirren vielfältig Anteil – entweder als Teil der linksgerichteten Rätebewegung, in der Funktion als „Sicherheitstruppen“, die kommunistische Unruhen niederschlugen, oder auch als militärischer Arm rechtsgerichteter Putschisten.

Württemberg erlebte seit Ende Oktober verschiedene Demonstrationen, die maßgeblich von den Spartakisten oder den Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) mitorganisiert wurden. Ausgehend vom Kieler Matrosenaufstand Anfang November 1918 bildeten sich in ganz Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte. In Ulm beispielsweise übernahm am 10. November der tags zuvor gebildete provisorische Arbeiter- und Soldatenrat die zivile und militärische Macht in der Stadt. Er versuchte gemeinsam mit den Behörden, Ruhe und Ordnung zu bewahren.

In Stuttgart konstituierte sich nach Gründungsschwierigkeiten am 10. November der „Provisorische Arbeiter- und Soldatenrat“, der die Provisorische Regierung um den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Blos akzeptierte. Die folgenden Monate waren geprägt von Auseinandersetzungen um das künftige politische System. Die Mehrheitssozialdemokraten setzten schließlich – teilverbündet mit den alten Eliten – die parlamentarische Demokratie gegen die Anhänger eines Rätesystems durch. Die Furcht vor kommunistischen Unruhen währte indes noch lange: Angesichts der Vorgänge um die Münchener Räterepublik im Jahr 1919 und der Grenzlage zu Bayern war diese Furcht auch in Ulm ausgeprägt. So protestierte der Ulmer Oberbürgermeister 1920 unter besonderem Hinweis auf die Grenze zu Bayern gegen die Neubelegung eines „bolschewistischen“ Gefangenenlagers in seiner Stadt.

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Hunger und Inflation

Die Ernährungslage hatte sich in der zweiten Kriegshälfte zugespitzt. Auch nach dem Kriegsende blieb der Hunger. Die Wut der Bevölkerung über Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise entlud sich in Ulm am 22. Juni 1920 in gewaltsamen Ausschreitungen, die sechs Tote und 26 zum Teil schwer Verwundete zur Folge hatten. Unter den Rädelsführern der Tumulte war auch der spätere Ulmer NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Dreher.

Zur schlechten Versorgungslage kamen nach Kriegsende noch eine schwere Wirtschaftskrise und eine galoppierende Inflation hinzu. Schon 1917 hatte der Vorsitzende der Ulmer Handelskammer dem Gemeinderat die Ausgabe von Notgeld empfohlen, da ein Mangel an Münzen herrschte. Der Realwert der Mark verfiel so rapide, dass kein Vertrauen mehr in die offizielle Währung bestand, die schließlich unter der Last der verschiedenen Krisen in der Hyperinflation des Jahres 1923 gänzlich kollabierte.

Tote und Kriegsversehrte

Zu den schwersten Folgen des Krieges zählten die vielen Toten und Versehrten. Überall im Deutschen Reich errichtete man Kriegerdenkmäler auf Friedhöfen und zentralen Plätzen. Auch in pompösen Zeremonien gedachte man der Gefallenen. Die Wiedereingliederung der zurückgekehrten Soldaten in das zivile Leben dagegen warf soziale und psychologische Probleme auf, umso mehr in den Fällen, wo gesundheitliche Gründe den vollwertigen Einsatz der Männer unmöglich machten. Ein Teil der zurückkehrenden, in ihren Männlichkeitsvorstellungen erschütterten Soldaten zeigte sich in der Folge anfällig für faschistische Männlichkeitsideale.

Politisch motivierte Gewalt

Mit der Niederlage konnten sich viele Deutsche nicht abfinden. Die Forderung nach einer Revanche und einer Revision des Versailler Friedensvertrags war weit verbreitet, ebenso die Suche nach Schuldigen. Die Juden waren willkommene Sündenböcke. Schon während des Krieges wurde ihnen unterstellt, sich vor dem Kriegseinsatz zu drücken. In diesem Zusammenhang wurde 1916 die sogenannte „Judenzählung“ durchgeführt, deren Absicht und Durchführung umstritten war. Dass die Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, gab der antisemitischen Propaganda weitere Nahrung – zu Unrecht, wie statistische Auswertungen nach dem Krieg ergaben. Dass der „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ den überproportional hohen Blutzoll, den zum Beispiel die württembergischen Juden im Ersten Weltkrieg geleistet hatten, belegen konnte, blieb ohne Widerhall.

Mit der „Dolchstoßlegende“ behaupteten rechtsradikale Demagogen, das angeblich „im Felde unbesiegte“ deutsche Heer sei von Feinden im Innern – Juden, Kommunisten und bürgerlichen Demokraten – verraten und um seinen Sieg gebracht worden. Dieses Gedankengut bildete den Hintergrund für die Entstehung antidemokratischer, schwer bewaffneter paramilitärischer Verbände, die maßgeblich zur dauerhaften Destabilisierung der Weimarer Republik beitrugen. Weit verbreitet war auch ein antifranzösischer Revanchismus, der sich nicht zuletzt in rassistischen Angriffen manifestierte.

Politisch motivierte Gewalt aus den extremen Lagern war unter den ehemaligen Weltkriegssoldaten weit verbreitet. Rechtsextremistisch motivierten Gewaltakten fielen mehrere führende Politiker der Weimarer Republik zum Opfer, die als „Erfüllungspolitiker“ diffamiert oder mit dem angeblichen „Dolchstoß“ in Verbindung gebracht wurden.

Prominentestes württembergisches Opfer wurde der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger. Die Hauptverantwortlichen aus der Zeit des Weltkriegs hingegen blieben unbehelligt. Mehr noch: Paul von Hindenburg, de facto Militärdiktator in der zweiten Kriegshälfte, wurde schließlich 1925, auch aufgrund des Ansehens, das er als „Sieger von Tannenberg“ nicht nur in militaristisch gesonnenen Bevölkerungskreisen genoss, zum Reichspräsidenten gewählt.

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26. August 1921: Ermordung von Matthias Erzberger

Der Zentrumspolitiker von der Schwäbischen Alb war ein Wegbereiter der Weimarer Demokratie, der nach dem Ersten Weltkrieg von der extremen Rechten als „Erfüllungspolitiker“ verhöhnt wurde. Sein Engagement bezahlte er mit dem Tod: Am 26. August 1921 wurde Matthias Erzberger von Angehörigen einer rechtsextremen Organisation ermordet.

Dossier „Matthias Erzberger“

Übersicht: Der Erste Weltkrieg in Baden-Württemberg

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Autor: Prof. Dr. Michael Wettengel, aufbereitet durch die Internetredaktion der LpB BW

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