Lobbyismus

Die „stille Macht“?

Unser Parlamentarismus lebt von Kontakten mit Lobbygruppen und Interessenverbänden. Sie versuchen, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. Das ist legitim. Doch vielen geht die Macht von Lobbyistinnen und Lobbyisten zu weit und sie fordern mehr Transparenz über politische Entscheidungsprozesse. Aber was machen Lobbygruppen eigentlich genau? Wie können Unternehmen und Interessenvertretungen Politik beeinflussen? Und was hat es mit dem Lobbyregister des Bundestags auf sich, das zum 1. Januar 2022 neu eingeführt und zum März 2024 überarbeitet worden ist? Unser Dossier gibt Aufschluss.

Kurz und knapp: Lobbyismus

  • Lobbyismus umfasst alle Aktivitäten, bei der Interessengruppen („Lobbys“) vor allem durch die Pflege persönlicher Kontakte versuchen, Politikerinnen und Politiker in ihrem Sinne zu beeinflussen.
  • Der Begriff Lobbyismus kommt aus dem Englischen und wurzelt im frühen englischen und US-amerikanischen Parlamentarismus.
  • Grundsätzlich ist Lobbyismus für die politische Arbeit nützlich, da Interessengruppen Expertise in ihren Fachgebieten besitzen und an die Politik weitergeben. So können möglichst viele Perspektiven und Interessenlagen bei politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.
  • Organisationen wie LobbyControl oder Abgeordnetenwatch kritisieren, dass finanzstarke Wirtschaftsverbände zu viel Macht auf die Politik ausüben und diese gar manipulieren, während weniger einflussreiche Lobbygruppen es schwer haben, ihre Interessen durchzusetzen. Manche Fachleute sprechen sogar von der „fünften Gewalt“. Daher fordern sie mehr Transparenz beispielsweise über die Entstehung von Gesetzen.
  • In den USA und in der EU gibt es bereits seit längerem Lobby- bzw. Transparenzregister, in Deutschland seit dem 1. Januar 2022. Dort sind derzeit mehr als 6.200 Verbände, Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen registriert.
  • Über 12.500 Verbände, Unternehmen und Organisationen sind im EU-Transparenzregister gelistet (Stand jeweils: April 2024). Brüssel gilt daher auch als die „Champions League des Lobbyismus“.

 

Einleitung: Ist Lobbyismus die „fünfte Gewalt“?

In Berlin, Brüssel, aber auch in Landesparlamenten wie etwa in Stuttgart, versuchen Tausende Interessengruppen Einfluss auf Entscheidungsträger auszuüben. Das ist nichts Neues: Lobbygruppen, die ihre Interessen gegenüber der Politik und der Gesellschaft vertreten, gehören zur Demokratie dazu. Diese Art der Einflussnahme ist sogar im Rahmen des Grundgesetzes in der Bundesrepublik und auch in der Verfassung anderer Länder geschützt. In Deutschland geschieht dies zum Beispiel über verschiedene Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG), das Recht auf Demonstration (Art. 8 GG), das Recht auf Zusammenschluss (Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG) sowie das Recht auf politische Partizipation (z. B. Petitionsrecht, Art. 17 GG).

Lobbyisten werden bisweilen auch „Einflüsterer“ genannt. Sie bieten Politikerinnen und Politikern ihr branchenspezifisches Fachwissen an – und fordern dafür umgekehrt Einfluss auf Debatten und Gesetze. Vor allem Branchen mit starken Lobbyverbänden haben inzwischen sehr viel Macht und üben einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen in Berlin oder Brüssel aus. Die Politikwissenschaftler Thomas Leif und Rudolf Speth sehen Lobbyismus gar als die „fünfte Gewalt“ in Deutschland (Quelle: Thomas Leif/Rudolf Speth: Die fünfte Gewalt). Andere Fachleute kritisieren diesen Begriff allerdings als zu übertrieben. Im Grundsatz geht es um die Frage, ob sich Entscheidungen in der Politik am Gemeinwohl oder an partikularen Interessen orientieren. Ist Lobbyismus eine „stille Macht“ (Leif/Speth), die das Gleichheitsversprechen der liberalen Demokratie untergräbt, weil eben nicht alle Bevölkerungs- und Interessengruppen gleich viel Einfluss ausüben können (Quelle: Zeit online)?

Immer wieder fordern deshalb nicht nur Korruptionsexpertinnen und -experten, sondern auch Politikerinnen und Politiker strengere Vorgaben gegen Lobbyisten. Im Jahr 2020 sorgte der Fall des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor für Aufsehen. Amthor soll sich für ein amerikanisches Start-up-Unternehmen eingesetzt haben. Laut Medienberichten erhielt er Aktienoptionen dieses Unternehmens und einen Direktorenposten (Quelle: spiegel.de). Die Affäre war mit ein Auslöser dafür, dass sich die Große Koalition auf die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters verständigte. Auch die Maskenaffären der beiden Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU, Quelle: spiegel.de) verliehen der Debatte zusätzliche Dynamik. Seit Januar 2022 gibt es das Lobbyregister, zum März 2024 wurde es reformiert und in einigen Punkten nachgeschärft.

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Was ist Lobbyismus?

Lobbyismus, Lobbying oder Lobbyarbeit ist eine aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für eine Form der Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft, bei der Interessengruppen („Lobbys“) vor allem durch die Pflege persönlicher Verbindungen versuchen, die Exekutive, die Legislative und andere öffentliche Stellen zu beeinflussen. Außerdem wirkt Lobbying durch Öffentlichkeitsarbeit auf die öffentliche Meinung ein. Dies geschieht vor allem über die Massenmedien (Quelle: BpB).

Erklärvideo zu Lobbyismus

YouTube-Video (3:38 Minuten): Lobbyismus einfach erklärt (explainity® Erklärvideo)

Weitere Definitionen

Die Einflussnahme organisierter Interessengruppen (z. B. Verbände, Vereine, Nichtregierungsorganisationen) auf Regierungen und Abgeordnete kann beispielsweise in Form von Anschreiben, Telefonaten, Anhörungen, Vorlagen, Berichten, Studien usw. geschehen. Gegenleistungen der Interessengruppen an die Politikerinnen und Politiker können spezifische Informationen, Parteispenden usw. sein. Lobbyismus kann sich aber auch in der Androhung von politischem Druck (Streik, Lieferboykott, Abbau von Arbeitsplätzen) äußern (Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon).

Lobbying bezeichnet also „direkte und indirekte Versuche von Vertretern gesellschaftlicher Akteure“ auf politische Entscheidungsträger sowie andere am politischen Willensbildungsprozess Beteiligte durch Information, argumentative Überzeugung oder die Ausübung von Druck. Ziel des Lobbyismus ist es, bestimmte Interessen in Gesetzen oder staatlichem Handeln zu verankern. „Der Erwerb, die Analyse und Weitergabe von Informationen, die in formalen wie informellen Kontexten auch gegen politischen Einfluss oder andere relevante Informationen getauscht werden können, sind im Lobbying von elementarer Bedeutung, solange die Grenze zu Korruption oder anderen verbotenen Praktiken nicht überschritten wird“ (Stefan Schwaneck: Lobbyismus und Transparenz).

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Warum braucht es Lobbyismus?

Grundsätzlich ist Lobbyismus für die politische Arbeit in einem demokratischen und repräsentativen System nützlich und zentral, weil die verschiedenen Interessengruppen über wichtige Informationen und Fachwissen verfügen und dieses auf politischer Ebene vermitteln. Die Lobbygruppen besitzen Expertise in ihren Fachgebieten. Auch die Bewertung von Sachverhalten aus verschiedenen Perspektiven ist für den politischen Diskussionsprozess wichtig. Sie helfen damit, die Folgen und Auswirkungen einer Gesetzesänderung einzuschätzen. Wenn Gesetze formuliert werden, ist die Anhörung von Verbänden und der Wirtschaft deshalb sogar explizit vorgeschrieben.

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Wie funktioniert Lobbyismus?

Zur Arbeit von Lobbyisten gehört es, sich ein enges Netzwerk in die Politik aufzubauen. Unternehmensverbände, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, Sozialverbände sowie Unternehmen und politische Gruppierungen bringen ihre Interessen in den politischen Meinungsbildungsprozess ein und geben ihren Mitgliedern und der Öffentlichkeit Informationen.

Eine der größten Lobbyorganisationen, der Verband der Chemischen Industrie (VCI), hat zum Beispiel seinen Sitz direkt in Sichtweite des Bundestags. Seine Lobbyistinnen und Lobbyisten vertreten dort täglich die Interessen von nach eigenen Angaben 2.300 Unternehmen. Ihr tägliches Geschäft: persönliche Gespräche mit Abgeordneten und Mitarbeitenden in Ministerien. Es haben sich aber auch Rechtsanwaltskanzleien, PR-Agenturen, Denkfabriken und selbständige Politikberaterinnen und -berater als externe Lobbyisten darauf spezialisiert, im Interesse ihrer Mandanten Verbindungen zu vermitteln, Informationen zu beschaffen oder Themen zu platzieren.

Hausausweise

Der Deutsche Bundestag vergibt Hausausweise an Lobbyorganisationen. Damit erhalten deren Vertreterinnen und Vertreter freien Zugang zu den Liegenschaften des Bundestags. So können Lobbyisten an Sitzungen und Terminen teilnehmen und ihre Anliegen vorbringen, sich in den Gebäuden der Abgeordnetenbüros frei bewegen oder in der Bundestagskantine essen.

In den letzten Jahren wurde die Vergabe von Hausausweisen immer weiter verschärft. Während 2014 noch rund 900 Lobbyakteure die begehrten Ausweise erhalten hatten, waren es 2022 nur noch 42 Verbände, Vereine und andere Organisationen, wie Abgeordnetenwatch mitteilt. Neben Gewerkschaften und Kirchen gehören dazu auch Branchenverbände wie der Bundesarbeitgeberverband Chemie, der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, der Verband Forschender Arzneimittelhersteller oder der Zentrale Immobilien Ausschuss.

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Was wird an Lobbyarbeit kritisiert?

Kritikern zufolge führt die derzeit praktizierte Form des Lobbyismus zu einer starken und einseitigen Berücksichtigung von Wirtschaftsinteressen  – Gewerkschaften, Verbraucherverbänden und schwächere Interessengruppen hätten es dagegen schwerer, ihre Interessen einzubringen. Überspitzt gesagt, gelänge es den mächtigen und finanzstarken Interessengruppen und ihren Lobbys immer häufiger, die parlamentarische Demokratie und die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu manipulieren und vorhandene Sicherungen und Kontrollen („checks and balances“) auszuschalten. Dabei spielten nicht zuletzt professionelle Dienstleister eine wichtige Rolle, die die politische Einflussnahme zu ihrem Geschäft gemacht haben (Quelle: BpB).

Einer der Hauptgründe für das Ungleichgewicht bei der Interessensvertretung liegt demnach neben den ungleichen finanziellen Mitteln auch in der Zahl und dem Netzwerk der Beschäftigten. Große Wirtschaftsverbände und Agenturen beschäftigen oft viele Mitarbeitende, die Protokolle, Gutachten, Studien und Gesetzentwürfe lesen und für sie auswerten. Auf diese Weise bekommen die Lobbyisten politische Veränderungen bereits im Ansatz mit. Zudem haben finanzstarke Lobbygruppen oft ehemalige Regierungsmitglieder sowie Abgeordnete in ihren Reihen  mit engen Kontakten in den politischen Apparat (Quelle: ARD/planet wissen). Daher hat es auch immer wieder ein „Geschmäckle“, wenn Politikerinnen und Politiker nach ihrer politischen Karriere die Seite wechseln und ihr Wissen sowie ihre Kontakte als Lobbyisten nutzen – oder umgekehrt, wenn Lobbyistinnen und Lobbyisten nach politischen Ämtern streben (sogenannter Drehtüreffekt).

  • „Lobbyismus an sich ist nichts Unrechtes, er ist für eine Demokratie sogar unverzichtbar. Uneingeschränkt jeder muss in einem pluralistischen System das Recht und die Möglichkeit haben, Politikern seine Anliegen und Argumente darzulegen und dafür einzutreten. Das gilt auch für Interessenverbände und Konzerne. Die Grundidee, aus der sich der Begriff ‚Lobbyismus‘ herleitet, ist geradezu faszinierend: Politiker sammeln im Vorfeld ihrer Entscheidungen alle Fakten und Meinungen ein, wägen sie sorgfältig ab und entscheiden dann – zum Wohle der Allgemeinheit“ (Uwe Ritzer, sueddeutsche.de).

  • „Die Macht der Interessengruppen war für Demokratien schon immer eine Herausforderung. Das quantitativ zunehmende und qualitativ professionalisierte Lobbying verschärft dieses Problem aber noch. Interessengruppen aus der Wirtschaft (Wirtschaftsverbände, Unternehmen, Handelskammern, Gewerkschaften) haben in unserem politischen System einen höheren Stellenwert als sogenannte Public Interest Groups wie Verbraucher, Arbeitslose, Rentner, Kinder, Umwelt oder künftige Generationen“ (Thomas Leif/Rudolf Speth, Zeit online).

  • „Problematisch[er] sind die gut getarnten Einflussnahmen über käufliche Lobby-Söldner. Sie sitzen etikettiert als ‚Berater‘ in einschlägigen Agenturen, oder als scheinbar neutrale ‚Experten‘ an Hochschulen und Universitäten, in Instituten oder sogenannten Denkfabriken. Als Untergrundarbeiter für gut zahlende Auftraggeber. Und anders als Verbandsfunktionäre sind sie von der breiten Öffentlichkeit kaum identifizierbar“ (Uwe Ritzer, sueddeutsche.de).

  • „Ministerialbeamte, Minister und Staatssekretäre sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Interessenunabhängigkeit ist ihr Vertrauenskapital. Die Öffentlichkeit hat deshalb das Recht, zu erfahren, welche Interessen bei politischen Entscheidungen im Spiel waren. Dies wird aber immer schwieriger, wenn komplette Gesetzesvorlagen von den Lobbyisten ohne erkennbaren Absender geliefert werden. Die Aushöhlung des Parlaments mit seinen Funktionen, Politik zu formulieren und zu kontrollieren, schreitet weiter voran“ (Thomas Leif/Rudolf Speth, Zeit online).

Doch längst nehmen nicht nur wirtschaftsnahe Verbände sowie Unternehmen Einfluss auf das politische Geschehen. So haben sich zum Beispiel bei den TTIP-Verhandlungen über ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA vor allem auch Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Oppositionsparteien recht erfolgreich in die öffentliche Meinungsbildung eingebracht. Umwelt- und Klimaschützern ist es – auch dank der weltweiten medialen Aufmerksamkeit für die Fridays-for-Future-Proteste – gelungen, ihren Einfluss auszubauen. Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften generieren ihr Gewicht vielleicht weniger über Geld, dafür aber über öffentlichen Druck und eine effiziente Kommunikation via Internet und soziale Netzwerke. Der Politologe Manfred Mai etwa verweist auf das Wachstum und den Einfluss der zivilgesellschaftlichen Organisationen und starker NGOs als Beleg für Gegengewichte zu Wirtschaftslobbys (Quelle: Manfred Mai, Regieren mit organisierten Interessen, S. 310).

Der Verein „LobbyControl“ mit Sitz in Köln kritisiert insgesamt den starken Einfluss von Lobbyisten und fordert mehr Transparenz. Das Schlagwort Lobbyismus verweise auf die Ungleichheit in unserer Gesellschaft – auf starke und schwache Interessen. Vor allem durch die zunehmende Verlagerung vieler politischer Entscheidungen nach Brüssel komme es zu einer Veränderung der Arbeit von Lobbygruppen und häufig auch zu einem strukturellen Vorteil für starke Lobbyakteure. Verdeckte Einflussnahme, Versuche der Manipulation und korrupte Praktiken gelten als undemokratisch, stehen also nicht mehr im Einklang mit den geltenden Normen der Demokratie: zu viel Macht einzelner Interessen, zu wenig Transparenz bei der Arbeit vieler Interessengruppen, zu einseitige Einflussnahme bis hin zu gekaufter Politik und Korruption (Quelle: Verein „LobbyControl“).

Korruptionsexperten beklagen, dass vor allem Deutschland viel zu wenig im Kampf gegen Abgeordnetenbestechung unternehme. Auch die vom Europarat gegründete Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) rügte wiederholt den Bundestag, zuletzt 2022. Dieser habe Empfehlungen zur Korruptionsprävention seit Jahren nicht oder nur teilweise umgesetzt. Dazu zählten unter anderem strengere Regeln für Lobbyisten (Quelle: Council of Europe).

Weil der Begriff Lobbyismus inzwischen zu viele negative Konnotationen hat, treten viele Interessenverbände gar nicht mehr unter diesem „Label“ auf. Gängige Bezeichnungen für Lobbyarbeit sind inzwischen „Public Affairs“, „politische Kommunikation“ oder „Politikberatung“ geworden. Viele Unternehmen und Organisationen unterhalten dafür ein Hauptstadtbüro oder eine Hauptstadtrepräsentanz in Berlin, aber auch Büros bei den Landesregierungen oder inzwischen längst auch in Brüssel. Der niederländische Politikwissenschaftler Rinus van Schendelen nennt Brüssel gar „die Champions League des Lobbying“ (Quelle: Rinus Van Schendelen: Brüssel. Die Champions League des Lobbying).

Hintergrund: Seit wann gibt es Lobbyisten?

Der Begriff Lobbyismus wurzelt im frühen englischen und US-amerikanischen Parlamentarismus. Damals war es üblich, dass in der Wandelhalle vor dem Parlament Vertreter aus Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft auf die Abgeordneten warteten, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Diese Wandelhalle war die Lobby. Daran angelehnt wurden die Gespräche, die sich dort ergaben, als Lobbying bezeichnet. Das Wort Lobbying ist etwa 150 Jahre alt, so schätzt die Politikwissenschaft; die Tätigkeit an sich hat es aber schon immer gegeben.

Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich das Lobbying vom Warten auf Abgeordnete, um schnell noch ein Gespräch zwischen Tür und Angel zu bekommen, hin zu umfassenden und kreativen Aktivitäten und Tätigkeiten. Inzwischen bieten Lobbyisten quasi ein Rundumpaket für Politikerinnen und Politiker an: Das fängt bei der Versorgung mit Informationen an und reicht bis hin zu politischer und sogar finanzieller Unterstützung. Die letztgenannte Praxis, die teilweise zur Bestechung wird, führte auch zum extrem schlechten Ruf des Lobbying (Quelle: Leif/Speth, Die fünfte Gewalt).

Heute findet Lobbying an vielen Orten statt: in Büros, auf Empfängen, in Clubs, bei parlamentarischen Abenden und Frühstücken, in Fachausschüssen und Kneipen. Dabei sind die Lobbyisten gegenüber den Politikerinnen und Politikern deutlich in der Übermacht. Im deutschen Lobbyregister sind mehr als 34.000 Menschen aufgeführt, die berechtigt sind, Interessenvertretung auszuüben (Stand: April 2024). Die meisten arbeiten in Verbänden. Dazu kommen Public-Affairs-Agenturen, Denkfabriken, Anwaltsfirmen und selbständige Lobbyisten, die von Organisationen und Unternehmen mit speziellen Aufgaben betraut werden.

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Was ist das Lobbyregister des Deutschen Bundestags?

Definition Lobbyregister

Ein Lobbyregister, auch Transparenzregister genannt, ist eine öffentlich zugängliche Datenbank, in die Vereine, Unternehmen, Verbände oder Interessenvertretungen, die Lobbyarbeit betreiben, Informationen über ihre Arbeit eintragen. Ziel ist es, die Arbeit von Lobbyistinnen und Lobbyisten sowie mögliche Interessenskonflikte transparent zu machen sowie kritische Nachfragen zu ermöglichen. Lobbyregister können verschiedenen Regularien unterliegen: So kann es zum Beispiel bestimmte Eintragungspflichten oder Verhaltensregeln für Lobbyisten geben und entsprechende Sanktionen bei deren Nichteinhaltung (Quelle: Deutschlandfunk).

Seit dem 1. Januar 2022 gibt es auch in Deutschland ein Lobbyregister, zum März 2024 wurden die Regeln nachgeschärft. Das Register wird beim Deutschen Bundestag geführt und ist öffentlich zugänglich. Aktuell (Stand: April 2024) hat das Lobbyregister mehr als 6.200 Einträge. Im Gesetz zur Einführung des Lobbyregisters, das Ende März 2021 verabschiedet worden war, finden sich folgende Eckpunkte:

  • Lobbyist:innen müssen sich bereits vor der Kontaktaufnahme verpflichtend in ein Register eintragen und Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeber sowie zur Anzahl der Beschäftigten und zu finanziellen Aufwendungen machen.
  • Zudem müssen sie einem Verhaltenskodex zustimmen, der Grundsätze integrer Interessenvertretung definiert.
  • Wer sich trotz bestehender Registrierungspflicht nicht einträgt oder Eintragungen unrichtig, unvollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann.
  • Das Register wird digital gepflegt und ist öffentlich einsehbar.
  • Die gesetzliche Registrierungspflicht für Interessenvertreterinnen und -vertreter soll gegenüber Abgeordneten, Fraktionen sowie der Bundesregierung gelten, und zwar hinunter bis zur Funktion von Unterabteilungsleitungen.
  • Von der Pflicht zur Registrierung ausgenommen sind unter anderem Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, politische Stiftungen sowie die Kirchen und Religionsgemeinschaften. (Quelle: Bundestag)

Seit der Reform des Lobbyregistergesetzes, die am 1. März 2024 in Kraft trat, gilt außerdem:

  • Bei sämtlichen beschäftigten Lobbyistinnen und Lobbyisten muss angegeben werden, ob sie im Bundestag, in der Bundesregierung oder in der Bundesverwaltung arbeiten oder in den letzten fünf Jahren dort gearbeitet haben. Das soll helfen, den sogenannten „Drehtüreffekt“, also den schnellen Wechsel zwischen politischer Tätigkeit und Lobbyismus, transparenter zu machen.
  • Die Lobbyistinnen und Lobbyisten müssen alle Gesetze oder Entscheidungen nennen, zu denen sie arbeiten. Das betrifft aktuelle Regelungsvorhaben genauso wie geplante oder angestrebte.
  • Die Organisationen müssen auch sämtliche grundlegende Stellungnahmen und Gutachten zu aktuellen Regelungsvorhaben veröffentlichen, die sie bei Parlament oder Regierung abgegeben haben.
  • Die Organisationen müssen ihre wichtigsten Finanzierungsquellen benennen.
  • Sie können auch nicht mehr wie bisher die Angabe verweigern, wofür sie wie viel Geld ausgeben.
  • Wer nicht nur eigene Interessen vertritt, sondern für Lobbytätigkeiten beauftragt wird, muss veröffentlichen, welches Vorhaben für wen genau umgesetzt wird, wie viel Geld dafür fließt und wer dazu arbeitet (Quelle: Bundestag)

Zum Lobbyregister des Deutschen Bundestags

Hintergrund: Weitere Transparenzregeln in Deutschland

Öffentliche Liste
Von 1972 bis Ende 2021 wurden in der „Öffentlichen Liste“ Verbände aufgeführt, die Interessen gegenüber dem Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung vertraten. Diese Öffentliche Liste wurde zum 1. Januar 2022 durch das Lobbyregister abgelöst und hat daher keine Gültigkeit mehr. Aufgrund der Freiwilligkeit der Aufnahme und der engen Definition von „Verband“ bildete die Liste nur ein begrenztes Spektrum des Lobbyismus im Deutschen Bundestag ab.

Abgeordnetengesetz
Für Bundestagsabgeordnete gilt das Abgeordnetengesetz, in dem geregelt ist, welche Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte angezeigt werden müssen. Die Annahme von Geld oder geldwerten Zuwendungen einzig und allein dafür, dass man versucht, bestimmte Interessen im Bundestag durchzusetzen, ist explizit verboten. Die Bestechung von Abgeordneten ist eine Straftat, die sich gegen die Wahlen und Abstimmungen sowie gegen den parlamentarischen Meinungsbildungsprozess richtet. Verletzt wird durch die Begehung der Straftat das freie, unabhängige Mandat des Abgeordneten. Strafbar sind gleichermaßen Abgeordnete und diejenigen, die versucht haben zu bestechen.

Karenzzeit
Seit 2015 müssen amtierende und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung angeben, wenn sie beabsichtigen, innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, zum Beispiel in der Privatwirtschaft, nachzugehen. Das neue Arbeitsverhältnis kann dann bis zu 18 Monate untersagt werden.

Quelle: Deutschlandfunk

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Der exekutive Fußabdruck

Organisationen wie LobbyControl oder Transparency International begrüßten zwar die Verschärfungen beim Lobbyregister, kritisierten allerdings unter anderem, dass das Register weiterhin keinen sogenannten „Fußabdruck“ enthielt. Damit ist gemeint, dass in einem Gesetz deutlich wird, welche Interessenvertretung bestimmte Inhalte eines Gesetzestextes beeinflusst hat.

Wie das Bundeskabinett im März 2024 beschloss, soll ein solcher exekutiver Fußabdruck ab Juni 2024 gelten. In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist dann geregelt, dass die Ministerien in der Begründung für Gesetzesvorhaben auch deutlich machen sollen, „inwieweit Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter sowie beauftragte Dritte wesentlich zum Inhalt des Gesetzentwurfs beigetragen haben“.

Dieser Schritt geht jedoch einigen Kritikerinnen und Kritikern nicht weit genug. So werde beispielsweise nicht deutlich, welche Interessen im Prozess zwar gehört, aber nicht berücksichtigt wurden. Zudem lasse die Regelung den einzelnen Ministerien viel Spielraum, wie detailliert sie den Entstehungsprozess der Gesetze aufschlüsseln wollen.

Wie ist Lobbyismus in Baden-Württemberg geregelt?

Seit dem 1. Mai 2021 gilt auch im Landtag von Baden-Württemberg das Transparenzregistergesetz. Demnach müssen sich Verbände und Organisationen, die ihre Interessen beim Landtag vertreten, in dem öffentlich einsehbaren Transparenzregister registrieren. Mit Organisationen sind dabei sämtliche Gruppen, Initiativen, Netzwerke, aber beispielsweise auch Kapitalgesellschaften gemeint.

Das Gesetz schließt die Interessenvertretung gegenüber dem Landtag, seinen Gremien, Fraktionen oder Mitgliedern ein, ebenso gegenüber der Landesregierung oder ihren Mitgliedern. Eine Eintragung ins Transparenzregister wird erforderlich, wenn die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird, wiederholt erfolgt und auf Dauer ausgelegt ist oder für Dritte erfolgt. Ausnahmen gibt es für Organisationen, die verfassungsrechtlich garantierte Rechte haben, also z. B. Religionsgemeinschaften, Presse und Rundfunk oder politische Parteien. Sie können sich freiwillig eintragen lassen, eine Registrierungspflicht besteht jedoch nicht.

Wer Lobbyismus betreibt, ohne ins Register eingetragen zu sein, riskiert eine Abmahnung, eine öffentliche Rüge oder der Ausschluss von Anhörungen und parlamentarischen Abenden. Bußgelder sind allerdings nicht vorgesehen.

Zum Transparenzregister des Landtags von Baden-Württemberg
Übersicht von Abgeordnetenwatch über den Stand von Lobbyregistern in allen Bundesländern

Exekutiver Fußabdruck in Baden-Württemberg

Das Transparenzregistergesetz führte auch einen exekutiven Fußabdruck bei Gesetzentwürfen der Landesregierung ein. Dieser ist nun in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Dort heißt es:

Die Einbeziehung von Verbänden, Organisationen sowie Sachverständigen bei der Erarbeitung eines Gesetz- oder Verordnungsentwurfs ist in der Begründung des Regelungsentwurfs gesondert darzustellen (exekutive Fußspur). Die Darstellung hat folgende Angaben zu enthalten:
a) die Angabe von Namen und Sitz der beteiligten Verbände, Organisationen und Sachverständigen sowie eine Eintragung im Transparenzregister,
b) den Zeitpunkt und Gegenstand der Befassung und deren Auswirkung auf den Inhalt des Regelungsentwurfs.

Hintergrund: Welche Regelungen gibt es in anderen Ländern?

USA
1995 wurde in den USA das „Lobbying Disclosure Act“ verabschiedet. Mit dem „Honest Leadership and Open Government Act“ von 2007 ergänzte und verschärfte der Gesetzgeber die Regelungen nochmals. Daher gehören die Vereinigten Staaten von Amerika zu denjenigen Ländern mit den striktesten Regularien. Sie werden deshalb oft als Vorbild bei der Transparenz von Lobbyaktivitäten genannt. Lobbyisten müssen in den USA sehr umfangreiche Angaben zu ihren Kontakten, ihrer Organisation und Themen der Lobbyarbeit machen. Zudem sind Quartalsberichte zu Lobbyaktivitäten verpflichtend. Alle Daten werden auf den Webseiten von Senat und Repräsentantenhaus veröffentlicht. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder von bis zu 200.000 US-Dollar oder eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren (Quelle: Lobbypedia).

Europäische Union
Das EU-Transparenzregister wurde 2011 eingeführt, 2014 erfolgte eine umfassende Überarbeitung der entsprechenden interinstitutionellen Vereinbarung. Das EU-Transparenzregister ist eine öffentlich zugängliche Datenbank des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission zur Registrierung von Interessenvertreterinnen und -vertretern. Lobbyisten tragen dort auf freiwilliger Basis Informationen zu ihren Lobbyaktivitäten ein und verpflichten sich mit der Registrierung zur Einhaltung eines Verhaltenskodexes. Auch wenn die Anmeldung nicht verpflichtend ist, wird sie für bestimmte Tätigkeiten vorausgesetzt. Ohne Registrierung verzichten Interessenvertretungen auf Privilegien wie den Zugang zu Gebäuden oder die Möglichkeit von Treffen mit Kommissions- oder Kabinettsmitgliedern, Lobbyarbeit wird dadurch erschwert. Bei Verstößen können Organisationen vom Register ausgeschlossen werden und verlieren dadurch alle Privilegien.

Quellen: Deutsche WelleLobbypedia

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Welches sind die stärksten Lobbygruppen?

Im Wesentlichen gibt es fünf Handlungsfelder, auf denen organisierte Interessen durch Lobbying durchgesetzt werden:

  1. Wirtschaft und Arbeitswelt
  2. Sozialbereich
  3. Freizeit und Erholung
  4. Religion, Kultur und Wissenschaft
  5. gesellschaftspolitischer Querschnittsbereich wie Klima und Umwelt

Nach einer 2024 veröffentlichten Untersuchung des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende e.V. steckt die Finanzindustrie am meisten Geld in den Lobbyismus in Deutschland, gefolgt von branchenübergreifenden Verbänden und der Energiewirtschaft. Es folgen Autoindustrie, Chemieindustrie und auf Platz 6 die Zivilgesellschaft. Für die Analyse hat der Verein die 100 finanzstärksten Einträge im Lobbyregister untersucht.

In Brüssel hat sich die Zahl der im Transparenzregister der EU gelisteten Organisationen lange Zeit stark erhöht. Seit Ende des Jahres 2020 schwankt sie jedoch nur noch leicht zwischen 12.000 und 13.500 Unternehmen, Verbänden und Interessengruppen (Quelle: europa.eu, Stand: April 2024). Laut lobbyfacts.eu haben im Jahr 2023 das Beratungsunternehmen Fleishman-Hillard, der Zellstoffhersteller Veracel, der Verband der Europäischen Chemischen Industrie sowie der Software-Konzern Meta (WhatsApp, Instagram, Facebook) am meisten Geld für EU-Lobbyismus ausgegeben – zwischen 9 und 11,4 Millionen Euro. Auch der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer sowie die Internetgiganten Apple und Microsoft gehören zu den Unternehmen, die sich die Lobbyarbeit in Brüssel jährlich Millionenbeträge kosten lassen.

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Welche Rolle spielen die Medien?

Für erfolgreiche Interessenvermittlung ist eine Presse- bzw. Medienarbeit unerlässlich. Waren Lobbyistinnen und Lobbyisten früher vor allem auf gute Kontakte zu Journalistinnen und Journalisten angewiesen, so nutzen sie heute die verschiedensten Kanäle und Instrumente, um ihre Botschaften zu kommunizieren. Die Arbeit der Interessenvertretung hat sich auch durch den Strukturwandel der Medien immer wieder verändert, zunächst durch die wachsende Bedeutung des Fernsehens, heutzutage durch den immensen Einfluss des Internets und der sozialen Medien. Die Vielfalt der Medien erleichtert den Zugang von Lobbyisten zu Entscheidungsträgerinnen und -trägern und erschwert die Kontrolle (Quelle: BpB).

„Enge“ Kontakte zu Mitarbeitenden in Journalismus und Medien haben Unternehmen, Verbände und Lobbyisten schon immer gesucht. Heutzutage hat sich aber auch die Arbeit der Medien gewandelt. Sie sind noch stärker darauf angewiesen, neue Geschäftsmodelle und Finanzierungsmöglichkeiten zu finden – vor allem durch den weitgehenden Wegfall des traditionellen Anzeigengeschäftes. „Kooperationen zwischen Medienhäusern und Lobbyverbänden sind keine Seltenheit mehr. Von der Chemie- bis hin zur Rüstungslobby – Interessenverbände jeglicher Couleur wurden Partner von Verlagen“ schrieb die Gewerkschaft Verdi bereits im Jahr 2016 (Quelle: ver.di, Menschen machen Medien).

  • Die Funktion der Medien als „beobachtende, berichtende und kommentierende Instanz“ könne nur gelingen, „wenn sie in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft, Vertrauen in ihre Wahrhaftigkeit, Unabhängigkeit und Objektivität genießen. Schon der Anschein, der Verdacht oder die Befürchtung einer Interessenvermischung ist für dieses Vertrauen schädlich“ (Matthias Rath, Professor für Philosophie an der PH Ludwigsburg und Mitglied des Netzwerks Medienethik,ver.di, Menschen machen Medien).

  • „Mit dem Begriff ‚Digital Public Affairs‘ wird seit mehreren Jahren der stärkere Einsatz des Internets und sozialer Medien in der Lobbyarbeit bezeichnet. Erstens werden über digitale Kanäle die eigenen politischen Botschaften verbreitet. Zweitens werden insbesondere die sozialen Medien auch für direkte Kontakte zu Politikerinnen und Politikern genutzt“ (Ulrich Müller, LobbyControl).

Was hat sich durch das Internet verändert?

Das Internet hat dem Journalismus und der kompletten Medienwelt entscheidende Veränderungen aufgezwungen. Nicht nur das klassische Erlösmodelle weggebrochen sind, auch die Funktion als „Gatekeeper“ haben die klassischen Medien und damit die Journalisten seitdem verloren. Heutzutage kann jeder übers Internet publizieren, was er möchte – und damit seine eigene Reichweite generieren. Politikerinnen und Politiker, Influencer oder Vereine und Verbände haben längst größere Reichweiten als so manche überregionale Tageszeitung. Sie können damit ihr Bild in der Öffentlichkeit größtenteils selbst mitgestalten. Damit fällt eine wichtige Kontrollfunktion der Medien als „vierte Gewalt“ weg (Quelle: BpB).

Die Freiheiten, die das Internet jedem bietet, kann zu mehr Transparenz führen. Das war einst auch die große Hoffnung. „Doch auch alte PR-Strategien werden in das Netzzeitalter übertragen. Und neue Akteure wie die großen Internet-Plattformen stellen uns vor neue Machtfragen“, schreibt Ulrich Müller von LobbyControl (Quelle: LobbyControl). Mit großen Internetkonzernen wie Google oder Facebook sind die sozialen Medien und andere Internetanwendungen nicht nur ein Kommunikationskanal ihrer Lobbyarbeit. Sie sind selbst Teil der Internet-Infrastruktur: Sie kontrollieren, was in unseren Apps, Newsfeeds und Suchergebnissen angezeigt wird und besitzen zudem riesige Datenmengen, die sie aus den Aktivitäten ihrer Nutzerinnen und Nutzer gewinnen. Damit verfügen sie über direkte Kontakte zu Millionen von Menschen, kennen deren Angewohnheiten und können diese Ressourcen folglich auch politisch nutzen.

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Fazit

Good or bad? Kritische Stimmen halten die Entwicklung des Lobbyismus für gefährlich: Das System sei intransparent und anfällig für Korruption. Nichtdemokratisch legitimierte Akteure nähmen zu großen Einfluss auf politische Entscheidungen, die potenziell die Gesellschaft als ganze betreffen. Darüber hinaus gebe es auch unter den Lobbyisten selbst zu große Ungleichheiten als Folge ungleicher Ressourcenausstattung bei finanziellen Mitteln, Kontakten oder dem Zugang zu Abgeordneten und anderen Entscheidungsträgerinnen und -trägern.

Dem halten die Befürworterinnen und Befürworter des Lobbyings entgegen, dass die Interessenvertretung ein elementarer Bestandteil des demokratischen Prozesses sei. Politikerinnen und Politiker seien in einer zunehmend komplexen Gesellschaft mehr denn je auf das Expertenwissen und die Beratung von Fachleuten angewiesen, um informierte und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. Zudem stünde die Interessenvertretung nicht nur großen Unternehmen und Branchenverbänden offen. Vielmehr böte der Lobbyismus gerade kleinen Vereinen und Verbänden die Möglichkeit, politisch aktiv zu werden und ihren Einfluss geltend zu machen.

Es ist in jeder Demokratie legitim, dass sich Interessengruppen bilden, die durch Informationen, Analysen und Bewertungen auf die Politik einwirken, schreiben Leif und Speth. Jedoch sind Regeln für das Lobbying überfällig. Von konservativer Seite wird vor allem die Aushöhlung des Parlaments beklagt. Ein Vorschlag geht dahin, die Abgeordneten in ihrer Rolle als Wahrer des Gemeinwohls zu stärken. Ihnen sollen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um nicht allein auf die „Expertise“ der Lobbyisten angewiesen zu sein.

Eine andere Idee kommt aus den USA und wird auch in Brüssel zunehmend verfolgt. Lobbygruppen sollen transparenter arbeiten. Seit dem „Lobby Disclosure Act“ von 1995 sind US-amerikanische Lobbyisten zu zahlreichen Angaben verpflichtet. Sie müssen Auskunft geben über ihre Honorare, ihre Kunden, ihre Ausgaben, die Themen, zu denen sie gearbeitet haben und zu welchen Regierungsbehörden sie in diesem Zusammenhang Kontakt hatten. Diese Angaben sind für jedermann über das Internet einsehbar. Hinzu kommen ethische Selbstverpflichtungen zu den Fragen, welche Methoden des Lobbyings akzeptabel sind und welche nicht (Quelle: Leif/ Speth, 2006).

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Weitere Informationen

Videos

Quellen & Links

  • BpB (Dieter Plehwe): Dossier Lobbyismus
  • LobbyControl
  • Lobbypedia
  • Abgeordnetenwatch
  • Transparency International Deutschland e.V.
  • Lobbyismus in leichter Sprache: hanisauland.de
  • BpB (Thomas Leif/Rudolf Speth (Hrsg.)): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006.
  • Uwe Ritzer/Markus Balser: Lobbykratie. Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft, München 2016.
  • Stefan Schwaneck: Lobbyismus und Transparenz. Eine vergleichende Studie einer komplexen Beziehung, Wiesbaden 2019.
  • Manfred Mai: Regieren mit organisierten Interessen. Lobbyismus im Wandel, in: Karl-Rudolf Korte/Timo Grunden (Hrsg.), Handbuch Regierungsforschung, Wiesbaden 2013, S. 307–316.
  • Rinus Van Schendelen: Brüssel. Die Champions League des Lobbying, in: Thomas Leif/Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006, S. 132–162.

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Unterrichtsmaterialien

Die Mächtigen der Republik — Teil II: Lobbyismus

aus der Reihe „mach's klar!“

Die Reihe „mach´s klar!“ der LpB BW erklärt politische Themen in vereinfachter Form und stark visualisiert. Diese Ausgabe verdeutlicht, wie Lobbyismus funktioniert, zeigt anhand von Karikaturen auf, welche Gefahren von Lobbyismus ausgehen können, demonstriert aber auch anhand zweier Beispiele, wie wichtig Lobbyismus für den politischen Entscheidungsprozess ist. Die Ausgabe umfasst vier Seiten im DIN A 4-Format, die auch als Kopier- oder Folienvorlagen verwendbar sind.

Die Mächtigen der Republik — Teil II: Lobbyismus

Learning App zu Lobbyismus

Spicker Politik Nr. 24: Lobbyismus

von der Bundeszentrale für politische Bildung (Dezember 2021)

Der Spicker erklärt auf einer DIN-A4-Seite das Wichtigste zum Thema Lobbyismus. Damit eignet er sich bestens als Wissensspeicher zum Lernen und Wiederholen.

BpB: Spicker zu Lobbyismus

Unterrichtsreihe „Was ist Korruption?“

Transparency Deutschland

Transparency Deutschland hat eine Unterrichtsreihe mit drei Teilen zum Thema „Was ist Korruption?“ für die Sekundarstufe 2 erarbeitet. Anhand konkreter Fallbeispiele können Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern grundlegende Fragestellungen zu den Themen Korruption und Lobbyismus erarbeiten.

Unterrichtsreihe „Was ist Korruption?“ | 1. Grundlagen

Unterrichtsreihe „Was ist Korruption?“ | 2. Lobbyismus

Unterrichtsreihe „Was ist Korruption?“ | 3. Lobbyismus in der EU

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Autor: Internetredaktion der LpB BW | letzte Aktualisierung: April 2024

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