Die Oktoberrevolution

Die Machtergreifung der russischen Bolschewisten 1917 hat den Lauf der Weltgeschichte verändert. Dieses Dossier erklärt die Ursachen, den Verlauf und die Ergebnisse der Oktoberrevolution. Dabei kommt auch der vorhergehenden Februarrevolution eine besondere Bedeutung zu.

Wenig Zeit? Die Revolution kurz & knapp:

Zusammenfassung: Was führte zur Revolution? 1904-1916

Zusammenfassung: Die Februarrevolution 1917

Zusammenfassung: Die Oktoberrevolution 1917

Zusammenfassung: Der Rote Terror

Zusammenfassung: Folgen - Veränderungen durch die Bolschewiki

Zusammenfassung: Folgen - Bürgerkrieg und Matrosenaufstand

 

 

Der Weg zur Oktoberrevolution

Lenin plante einen bewaffneten Aufstand

Mit der Stärkung der bolschewistischen Partei nach dem Kornilow Putsch gab sich Wladimir Iljitsch Lenin, Führer der Bolschewiki, nicht zufrieden. Sein Ziel blieb die Machtergreifung der Bolschewiki. Anfangs versucht er die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre für ein Bündnis der linken Kräfte zu gewinnen. Doch als diese ihm ihre Unterstützung verweigerten, war Lenin entschlossen, alleine die Macht zu ergreifen.

Schon seit den Unruhen im Juli und seiner folgenden Flucht nach Finnland war Lenin immer stärker zur Auffassung gelangt, dass ein bewaffneter Aufstand gegen die Regierung notwendig sei. Es gab zwar in der bolschewistischen Partei Befürchtungen, dass der Versuch des Umsturzes zu einer vernichtenden Niederlage führen könnte. Doch es gelang Lenin, seine Kritiker zu isolieren und die Mehrheit der Partei hinter sich zu bringen.

Lenins Planungen wurden dadurch begünstigt, dass die Provisorische Regierung erneut plante, Truppen von Petrograd an die Front zu verlegen, um die vordringende deutsche Armee zu stoppen. Dem widersetzen sich die betroffenen Regimente. Der Petrograder Sowjet bildete ein „Militärisches Revolutionskomitee“, das von den Bolschewisten dominiert wurde.

 

Lenins Gegenspieler bekamen wenig Unterstützung

Kriegsminister Kerenski, der bis zum Sommer 1917 noch große Popularität genoss, war im Oktober weitgehend isoliert und besaß kaum noch Unterstützer. Große Teile des Bürgertums fürchteten zwar die Bolschewiki, doch sie hatten sich zugleich enttäuscht von Kerenski abgewandt, da es diesem nicht gelungen war, das Land zu stabilisieren. Auch eine von Kerenski im September 1917 einberufene „Demokratische Konferenz“, die die Konstituierende Versammlung vorbereiten sollte, konnte sein Ansehen in der Bevölkerung nicht verbessern. Sinaida Gippius, eine bürgerliche Unterstützerin Kerenskis schrieb Ende Oktober 1917:

 „Niemand will die Bolschewiki, aber es gibt auch niemanden, der bereit wäre, für Kerenski zu kämpfen." (Figes, S. 507)

Kerenski hatte seine eigene Macht fatal überschätzt. Zugleich unterschätzte er die wachsende Stärke der Bolschewisten.

Am 18. Oktober 1917 war ein Zeitungsartikel des Bolschewisten Kamenew erschienen, in dem dieser kritisierte, dass Lenin einen Aufstand gegen die Regierung plane. Damit waren die Pläne Lenins in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Doch anstatt Gegenmaßnahmen zu treffen, wartete Kerenski ab. So sagte er einem Berater am 20. Oktober, dass er auf einen bolschewistischen Aufstand hoffe, um die Bolschewiki zu zerschlagen:

„Ich verfüge über mehr Kräfte, als dafür nötig sind. Sie werden endgültig zermalmt werden“.

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Die Oktoberrevolution

Das Revolutionskomitee besetzte einzelne Regimente der Garnisonen Petrograds mit bolschewistischen Kommandeuren. Am 25. Oktober 1917 gab das Revolutionskomitee den Befehl, sämtliche Bahnhöfe, Telegrafenämter und strategisch wichtige Punkte der Stadt zu besetzen.

Einen Tag später stürmten bolschewistische Truppen den Winterpalast, in dem die Provisorische Regierung ihren Sitz hatte. Die Mitglieder der Regierung wurden verhaftet, bis auf Kerenski, der fliehen konnte. Kämpfe gab es nur um den Winterpalast, doch auch dessen Erstürmung forderte kaum Opfer, da die wenigen im Palast verbliebenen Soldaten den bolschewistischen Truppen kaum Widerstand leisteten.

Ein stiller Umsturz statt Massenrevolution

In großen Teilen der Stadt blieb der Umsturz unbemerkt. Insgesamt kamen bei der Machtergreifung der Bolschewiki im Oktober 1917 weit weniger Menschen ums Leben als in den Tagen der Februarrevolution. Es gibt verschiedene Berichte von Augenzeugen, dass während der Machtübernahme der Bolschewiki das Leben in der Stadt, nicht nur in den Stadtteilen, sondern sogar im Zentrum, normal weiterging. Trotzki räumte später ein, dass nur etwa 25.000-30.000 Menschen aktiv am Aufstand beteiligt waren. Das waren kaum 5 Prozent der Arbeiter und Soldaten Petrograds.

Erst später gelang es der kommunistischen Propaganda, den Sturm auf das Winterpalais als den dramatischen Höhepunkt der Revolution darzustellen. Die historische Wahrheit wurde verfälscht, um die Opferbereitschaft und den Mut der Bolschewiki heroisieren zu können. Man könnte angesichts der damaligen Lage in Petrograd sogar eher vom „Oktoberumsturz“ als der „Oktoberrevolution“ sprechen. Erst in den folgenden Monaten sollte sich zeigen, wie einschneidend die Machtübernahme der Bolschewiki die weitere Entwicklung Russlands bestimmen sollte.

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Die Bolschewiki bauen ihre Macht aus

Lenin duldete keine Opposition

In den Wochen nach dem Sturz der provisorischen Regierung gingen die Bolschewiki zielstrebig daran, ihre Macht zu sichern und auszubauen. Anfangs war der Widerstand gegen die Bolschewiki schwach. Kerenski versuchte zwar im November 1917 Petrograd zurückzuerobern, doch er fand kaum Unterstützung in der Armee und musste ins Exil fliehen.

Sozialrevolutionäre und Menschewisten waren ebenso wie die bürgerlichen Kadetten davon überzeugt, dass sich die Bolschewisten nicht lange an der Macht halten würden. Sie unternahmen anfangs wenig, um einen konsequenten Widerstand zu organisieren. Lenin machte dagegen schon gleich nach der „Oktoberrevolution“ deutlich, dass er nach der ungeteilten Macht im Land strebte und die Opposition ausschalten wollte.

Bereits im November ließ Lenin verschiedene Zeitungsredaktion durchsuchen oder schließen. Anführer der Kadetten und der (rechten) Sozialrevolutionäre wurden inhaftiert. Eher gemäßigte Bolschewiki wie Kamenew und Sinowjew traten aus Protest gegen die Politik Lenins im November aus dem Zentralkomitee der Partei aus.

Anfangs unterstützen die Bolschewiki die lokale Räteherrschaft auf dem Land und in den kleineren Städten. Ihm ging es nicht um den demokratischen Prozess, vielmehr wollte er die Macht der Grundbesitzer als auch der lokalen Politiker, oft Sozialrevolutionäre, im ländlichen Russland brechen. Die Unterstützung Lenins für die Fabrikkomitees der Arbeiter in den großen Städten verfolgte den Zweck, die Position der Unternehmer zu schwächen. Nachdem die Bolschewiki ihre Macht voll etabliert hatten, wurden diese Gremien der Selbstverwaltung wieder abgeschafft.

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Die konstituierende Versammlung

Bolschewiki wurde nicht stärkste Partei

Die Parteien der Opposition setzten Ende 1917 ihre Hoffnung ganz auf die konstituierende Versammlung, die ja bereits schon seit der Februarrevolution hätte tagen sollen. Die Wahlen zur konstituierenden Versammlung, die relativ frei und demokratisch abliefen, waren für die Bolschewiki ein Rückschlag.

Die Sozialrevolutionäre erhielten 38%, während die Bolschewiki nur 24% der Stimmen bekamen. Arbeiter und Soldaten, vor allem in den großen Städten, stimmten überwiegend für die Bolschewiki. Dagegen hatten die Sozialrevolutionäre unter den Bauern, besonders in Südrussland und Sibirien, sehr hohe Stimmenanteile. In diesen Regionen gab es eine vergleichsweise freie und wohlhabende Bauernschaft.

 


Die Versammlung wird aufgelöst

Aufgrund der für sie ungünstigen Mehrheitsverhältnisse in der konstituierenden Versammlung versuchten die Bolschewiki, deren Arbeit von Anfang zu behindern. Die Zusammenkunft der Versammlung wurde verzögert und gleichzeitig der Druck auf die Opposition erhöht, z. B. wurde die liberale Partei der Kadetten verboten. Erst im Januar 1918 kam es zur ersten Zusammenkunft der konstituierenden Versammlung.

Bereits zwei Tage später wurde sie von den Bolschewiki aufgelöst, trotz massiver Proteste der Menschewiki und des größten Teils der Sozialrevolutionäre. Damit war das erste demokratisch gewählte Parlament Russlands bereits wieder Geschichte.

Die Auflösung der konstituierenden Versammlung markierte den endgültigen Bruch zwischen den Bolschewiki und den anderen Parteien der Linken. Nur die linken Sozialrevolutionäre unterstützten zu diesem Zeitpunkt noch die Politik der Bolschewiki. Später vollzogen auch sie den Bruch mit der bolschewistischen Partei.

Die Mehrheit der Sozialrevolutionäre versuchte nun den Widerstand, gegen die Bolschewiki in den Provinzen zu organisieren. Dort hatten sie traditionell ihre Hochburgen. Allerdings zeigte sich schnell, dass den Bauern zwar ihre regionale Selbstverwaltung in den Räten wichtig, ihnen aber die Schließung der konstituierenden Versammlung gleichgültig war. Nur in einigen südrussischen Städten gab es ernsthaften Widerstand gegen die Bolschewiki.

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Der Rote Terror und die Tscheka

Instrumente des Terrors

Auch in der Hauptstadt gingen nun die Bolschewiki daran, ihre Macht auszubauen. Das Militärische Revolutionskomitee wurde Anfang Dezember aufgelöst. Seine Aufgaben wurden auf die neu gegründete Geheimpolizei Tscheka (Abk. für Allrussische Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage) übertragen.

 

Die Geheimpolizei stand außerhalb des Gesetzes

Es gab kein Dekret über die Gründung der Tscheka. Sie agierte von Anfang an außerhalb des Gesetzes. Leiter der Tscheka wurde Felix Dserschinski, ein Pole, der sich schon früh am revolutionären Widerstand gegen den Zaren beteiligt hatte. Dserschinski beschrieb Auswahl und Aufgabe seiner Mitarbeiter eindeutig:

„An diese Front - die gefährlichste und grausamste aller Fronten - müssen wir entschlossene, harte, hingebungsvolle Genossen schicken, die bereit sind für die Verteidigung der Revolution alles einzusetzen.... Jetzt herrscht Krieg – von Angesicht zu Angesicht, ein Kampf bis zum Ende. Leben oder Tod!"

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Der „Rote Terror" begann

Ab Sommer 1918 war die Tscheka voll etabliert und die Phase des „Roten Terrors“ begann. Es kam allerdings schon ab Anfang 1918 zu einer verstärkten Verfolgung von Vertretern des Bürgertums, die als Feinde der Revolution betrachtet wurden. Oft handelte es sich dabei um Verleumdungen und private Racheaktionen.

Die „Burschui“ (abgeleitet vom Wort Bourgeois) wurden zum Feindbild für viele Arbeiter und Bauern. Die Racheaktionen wurden von den Bolschewisten zumindest geduldet, mitunter sogar gefördert. Selbst Lenin forderte die „Säuberung der russischen Erde von allem Ungeziefer, von den Flöhen – den Gaunern, von den Wanzen – den Reichen usw.“ Dabei befürwortete er vor allem Gefängnis und Zwangsarbeit, schloss aber auch Erschießungen nicht aus.  

 

Volksgerichte anstelle des alten Strafrechtssystems

Die Bolschewiki schafften das alte Strafrechtssystem ab, da es für sie ein Relikt der „bürgerlichen Ordnung“ war. Stattdessen führten sie Volksgerichte ein, bei denen die Richter keine juristische Ausbildung hatten, sondern überwiegend Bauern und Arbeiter waren. Dabei wurde oft im Schnellverfahren geurteilt, ohne ein formales Beweisaufnahmeverfahren. Das Strafmaß richtete sich häufig nach dem sozialen Stand der Angeklagten und ihrer Opfer.

So erhielten Spekulanten bürgerlicher Herkunft mitunter die Todesstrafe, während Räuber, deren Opfer Bürgerliche waren, oft mit milden Strafen davonkommen. Die Klassenjustiz der Zarenzeit wiederholte sich nun unter umgekehrten Vorzeichen. Im Februar 1918 befahl Lenin den Volksgerichten:

„Feindliche Agenten, Spekulanten, Plünderer und konterrevolutionäre Agitatoren sind am Tatort zu erschießen.“

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Zusammenfassung: Der Rote Terror

Der Machtübernahme folgte eine Zeit des Terrors, des „Roten Terrors", dessen Hauptorgan die Geheimpolizei Tscheka war. Das Regime sagte Andersdenkenden und kontrarevolutionären Kräften mit brutalsten Mitteln den Kampf an. Lenin schrieb 1918: „Der gnadenlose Massenterror gegen Kulaken, Popen und Weißgardisten ist durchzuführen; zwielichtige Elemente sind in ein Konzentrationslager außerhalb der Stadt einzusperren.“ Das Strafgesetzbuch sah ab 1922 für „politische Delikte" Zwangsarbeit und Todesstrafe vor. 

Weitere Informationen: bpb - Der Rote Terror

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Autor: Mathias von Hofen
Zusammengefasst & für das Netz aufbereitet: Rebecca Beiter, Bianca Braun

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Literatur

Verwendete Quellen

Figes, Orlando „Russland. Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der russischen Revolution 1891 bis 1924“. Berlin, 2014.

Haumann, Heiko „Die Russische Revolution 1917“. Köln, 2016.

Hildermeier, Manfred „Russische Revolution“. Frankfurt, 2004.

Koenen, Gerd „Der Russland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900-1945. München, 2005.

Leonhard, Jörn „Die Büchse der Pandora. Geschichte I. Weltkrieges“. Bundeszentrale für politische Bildung, 2014.

Trotzki, Leo „Geschichte der Russischen Revolution“ (Orginalausgabe 1930) und „Mein Leben“ (Orginalausgabe 1929) https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/

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