Flucht nach Europa

Aufgrund der aktuellen, weltweiten Covid-19-Pandemie gehen die Meldungen über die Situation der Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen zurück. Die Lage erfordert jedoch weiterhin Aufmerksamkeit. 

In den medialen Fokus war etwa die Grenzregion zwischen Griechenland und der Türkei insbesondere im Frühjahr 2020 geraten, als die Türkei ankündigte, die Grenze zur EU für Asylsuchende und Migranten zu öffnen. Diese waren 2016 durch den Flüchtlingspakt geschlossen worden. Aufgrund der Corona-Pandemie schloss die Türkei die Grenzen vorerst wieder.

Über die Situation an der EU-Außengrenze informiert dieses Dossier. 
 

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Wo leben die meisten Flüchtlinge in Europa?

Die Zahl der Geflüchteten, die in europäischen Ländern inklusive der Türkei unterkommen, ist laut UNHCR stark angestiegen: von sieben Millionen Flüchtlingen Ende 2021 zu 12,4 Millionen Ende 2022. Der Anstieg liegt vor allem an den Flüchtlingen aus der Ukraine, die in benachbarten Ländern Zuflucht gesucht haben. Ende 2022 kamen 16 Prozent aller Flüchtlinge weltweit aus der Ukraine.

Die Türkei ist auch 2022 das Land weltweit, in dem die meisten Flüchtlinge leben (zehn Prozent aller weltweit geflüchteten Menschen). Dort sind es 3,6 Millionen Menschen. Deutschland ist in Europa an zweiter Stelle mit 2,1 Millionen Flüchtlingen (6 Prozent aller globalen Flüchtlinge). Nach wie vor leben die meisten Geflüchteten aber in den direkten Nachbarstaaten ihrer Heimatländer (70 Prozent).

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Wie kommen Schutzsuchende nach Europa?

Über 108 Millionen Menschen auf der ganzen Welt waren Ende 2022 auf der Flucht. Das zeigen die Zahlen der internationalen Organisation für den Flüchtlingsschutz UNHCR. Durch große Fluchtbewegungen aus Krisenherden heraus bilden sich Fluchtrouten, die von besonders vielen Vertriebenen genutzt werden, berichtet die UNO-Flüchtlingshilfe.
 

Wie viele Menschen kommen über das Mittelmeer nach Europa?

Schon seit Jahren fliehen Menschen aus den Krisenregionen der Welt über das Mittelmeer nach Europa. Der Weg über das Mittelmeer ist die tödlichste Seeroute der Welt, so dieUno Flüchtlingshilfe. Die Zahl der Ankünfte über die Mittelmeerroute sank seit 2016 stark (2016: 373.652 Menschen; 2019: 123.663 Menschen; 2021: 133.000 Menschen), seit 2021 steigt die Zahl erstmals wieder. 2022 haben etwa 159.000 Flüchtlinge die Küsten Europas erreicht.

Rund 179.000 Flüchtlinge und Migranten haben zwischen Januar und September 2023 die EU-Außengrenzen über die drei Mittelmeerrouten erreicht. Etwa 128.600 Personen kamen nach Italien und 231 zur Insel Malta über die zentrale Mittelmeer-Route. Rund 24.400 von ihnen erreichten Spanien über die sogenannte westliche Mittelmeer-Route nach Spanien. Etwa 22.900 kamen über die östliche Mittelmeer-Route nach Griechenland.

Je nach Situation und Risiko verändern sich die Fluchtrouten jedes Jahr, die die Menschen über das Mittelmeer wählen: Kam im Jahr 2017 der Großteil der Flüchtlinge aus Nordafrika nach Italien über die zentrale Mittelmeer-Route, versuchten viele Geflüchtete 2018, aus Nordafrika Spanien zu erreichen. 2019 kam die größte Gruppe der Flüchtlinge (wie bereits 2015 und 2016) über die östliche Mittelmeer-Route: fast 60.000 Menschen erreichten Griechenland über Seewege, etwa 15.000 über Landwege.

2020 und 2021 stieg die Zahl der Ankünfte auf den kanarischen Inseln rasant. Insgesamt sind auf der politisch zu Spanien, aber geografisch zu Afrika zählenden Inselgruppe von Januar bis September 2021 13.292 Schutzsuchende gelandet. Zum Vergleich: 2019 waren es insgesamt 2.557 Personen.

Wie viele Geflüchtete kommen über die Balkanroute?

2020 kamen immer weniger Flüchtlinge über Griechenland und die Balkanroute nach Europa. Die Balkanroute bezeichnet die Fluchtroute, die Flüchtlinge und Migranten nutzen, um über den Balkan vom Nahen Osten nach Europa zu gelangen. Im Juni 2021 waren etwa 12.000 Menschen in den Ländern entlang der Balkanroute unterwegs - etwa nur halb so viele wie ein Jahr zuvor. Der größte Teil von ihnen kommt aus Afghanistan, gefolgt von Pakistan, Bangladesch und Syrien.

Die Wege, die Menschen nutzen, ändern sich immer wieder. Rumänien ist mittlerweile zum weiteren Transitland geworden. Wichtigstes Durchgangsland bleibt aber Bosnien-Herzegowina. Auch auf der sogenannten Belarus-Route über Litauen, Lettland oder Polen versuchen Menschen, in die Europäische Union zu gelangen, nach Schätzungen der Grenzpolizeien haben bis Stand Ende November 2021 rund 50.000 Menschen versucht, wie der Mediendienst Integration berichtet.

Belarus-Route: Seit dem Frühjahr 2021 versuchen vermehrt Flüchtlinge, über Belarus in die EU zu gelangen, unterstützt von der belarusischen Regierung. 

Quellen: Mediendienst-integration.deBpb.deUNO Flüchtlingshilfe

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Wie steht es um eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Asylpolitik?

Die Migrations- und Asylpolitik der EU

Europa in der „Flüchtlingskrise“

In der Asyl- und Migrationspolitik waren die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten in den letzten Jahren mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wie steht es um eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Asylpolitik?

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Was ist die „Dublin-Verordnung“?

Auf europäischer Ebene wurde bereits in den 1990er Jahren festgelegt, dass das Asylverfahren in dem EU-Land durchgeführt werden muss, das die Flüchtlinge zuerst betreten haben (Dublin-Verfahren).  Demnach ist in der Regel immer der erste Mitgliedstaat zuständig, über den die EU betreten wurde (Erststaatsprinzip). Unter anderem soll so verhindert werden, dass eine Person mehrere Asylanträge in verschiedenen EU-Ländern stellt. 

Streng genommen müsste Deutschland die meisten Flüchtlinge in die Länder zurückschicken, über die sie die Deutschland erreicht haben. Nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO kann allerdings jeder Staat beschließen, die Zuständigkeit freiwillig zu übernehmen, auch wenn eigentlich ein anderer Staat zuständig wäre. Dies ist das sogenannte Selbsteintrittsrecht. Die gesetzliche Grundlage für die Aufnahme von zehntausenden Syrern in Deutschland war die Dublin-Verordnung und damit ein EU-Gesetz.

Weitere Infos: bundesregierung.de, unhcr.orgmediendienst-integration.de

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Wie hat Corona die Migration verändert?

Die weltweite Covid-19-Pandemie ist eine Bewährungsprobe für Menschenrechte und wirkt wie ein Brandbeschleuniger.

Dossier: Migration und Integration in Zeiten von Corona. Covid-19 als „Brandbeschleuniger“?

Die Corona-Krise hat die Lage vieler Migranten und Flüchtlinge weiter verschlechtert. Auch in Deutschland hat sich die Pandemie in verschiedenen Bereichen negativ auf Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge ausgewirkt. Schäden, die die Corona-Pandemie bei den integrationspolitischen Maßnahmen hinterlassen hat, sind inzwischen längst erkennbar. Eine Studie von Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun.

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Was ist das EU-Türkei-Abkommen?

Aus der Türkei illegal in die EU einreisende Flüchtlinge können seit April 2016 in die Türkei zurückgeführt werden - darauf haben sich die EU und die Türkei beim EU-Gipfel am 18. März 2016 geeinigt. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden illegal ankommenden syrischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, einen anderen Flüchtling aus der Türkei auf. Ziel des Abkommens ist, dass Syrer in der Türkei bleiben und nicht die gefährliche Überfahrt nach Griechenland antreten. Das Abkommen trat am 20. März 2016 in Kraft. Aus Sicht der EU ist eines der wichtigsten Ziele in Erfüllung gegangen: Die Flüchtlingszahlen sind deutlich zurückgegangen. Das Abkommen stößt jedoch vielfach auf Kritik, berichtet der Mediendienst Integration

Weitere Infos: Tagesschau

Rückblick: Die Grenzöffnung der Türkei im Frühjahr 2020

Kurz & knapp: Die Grenzöffnung der Türkei im Februar 2020

Was war passiert?

  1. Die türkische Regierung hat am 27. Februar 2020 angekündigt, Asylsuchende und Migranten könnten die Türkei zu verlassen, um die Europäische Union zu erreichen. Seit 2016 waren die Grenzen geschlossen, wie es im Flüchtlingspakt beschlossen wurde. Grund für diesen Schritt sei, so die Türkei, die zu erwartende Ankunft vieler Flüchtlinge aus der syrischen Stadt Idlib, wo knapp eine Million Menschen vertrieben wurde. (Quelle)
  2. Tausende Migranten aus der Türkei gingen daraufhin zur Grenze zu Griechenland, um in die EU zu fliehen. Sie steckten fest, denn auf griechischer Seite waren die Grenzen weiterhin geschlossen.
  3. Um sie am Grenzübertritt zu hindern, setzten Sicherheitskräfte unter anderem Tränengas ein, auch gegen Kinder. Die griechische Regierung setzte im März 2020 die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, aus. Das ist ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und geltendes Recht. Diese Politik steht daher in der Kritik.
  4. Die Türkei schloss die Grenze am 19. März wieder, offiziell aufgrund der Corona-Pandemie. Das EU-Parlament forderte vor dem Hintergrund der Ansteckungsgefahr die Räumung griechischer Flüchtlingscamps, wie dpa berichtete (Quelle).


Wie viele Personen waren an der Grenze und kamen nach Griechenland?

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat im März 2020 13.000 Flüchtlinge und Migranten an der türkisch-griechischen Grenze gezählt (Quelle). Die griechische Polizei verhinderte laut eigenen Angaben bis Mitte März rund 40.000 Grenzübertritte. Die Zahlen im Detail


Wie reagierte die Politik?

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex ist im Einsatz und unterstützt griechische Sicherheitskräfte. Die Bundesregierung ließ verlauten, dass sie Kinder aufnehmen werde, wenn auch andere EU-Länder Menschen aufnehmen. Geschehen ist bisher nichts.  weitere Reaktionen

 

Flüchtlingspakt: Was hatten die EU und die Türkei 2016 vereinbart?

Aus der Türkei illegal in die EU einreisende Flüchtlinge können seit April 2016 in die Türkei zurückgeführt werden - darauf haben sich die EU und die Türkei beim EU-Gipfel am 18. März 2016 geeinigt. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden illegal ankommenden syrischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wurde, einen anderen Flüchtling aus der Türkei auf. Ziel des Abkommens ist, dass Syrer in der Türkei bleiben und nicht die gefährliche Überfahrt nach Griechenland antreten (Weitere Infos: Tagesschau).

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Grenzschließung im März 2020: Griechenland hat völkerrechtswidrig gehandelt

Nach rund drei Wochen war die Aufregung um die türkische Grenzöffnung schon wieder vorbei: Präsident Erdogan schloss die Grenze nach Griechenland am 19. März wieder, nach offiziellen Angaben sei die Corona-Krise der Grund. Griechenland reagierte auf die ankommenden Schutzsuchenden mit extremen Maßnahmen:

  • Die griechische Grenzpolizei setzte unter anderem Wasserwerfer und Tränengas gegen Schutzsuchende  ein.
  • Griechenland prüfte bei Schutzsuchenden nicht,  ob diese ein Recht auf Asyl haben könnten. Sie wurden pauschal zurückgewiesen. Asyl ist jedoch ein Menschenrecht.
  • Die griechische Regierung setzte darüber hinaus die Möglichkeit, Asylanträge zu stellen, rund einen Monat außer Kraft.

Griechenland habe mit seinem harschen Vorgehen gegen das Völkerrecht verstoßen - zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags, über das die Tagesschau berichtete.

Wer schoss am Grenzzaun?

Am 4. März 2020 wurde an der türkisch-griechischen Grenze auf mehrere Menschen geschossen. Einer von ihnen, Muhammad Gulzar aus Pakistan, starb. In einer aufwendigen Recherche versuchten Lighthouse Reports und Der Spiegel, die Ereignisse zu rekonstruieren und herauszufinden, wer geschossen hat. Ihre Funde deuten darauf hin, dass von griechischer Seite aus geschossen wurde.

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Hintergrund-Informationen zur Grenzöffnung im Frühjahr 2020

Chronik der Ereignisse Februar/März 2020

von Februar bis Mitte März 2020

Am 27. Februar 2020 gingen die ersten Meldungen durch die Presse: Die Türkei werde Asylsuchende und Migranten nicht länger daran hindern, die Türkei zu verlassen, um die Europäische Union zu erreichen. Seit 2016 war die Grenze geschlossen. Im Rahmen des damals abgeschlossenen "EU-Türkei-Deals" hinderte die Türkei Geflüchtete und Schutzsuchende am Grenzübertritt in die EU. 

Einen Tag später warf der türkische Präsident Recep Erdogan in einer Rede den europäischen Staats- und Regierungschefs vor, ihre Versprechen nicht eingehalten zu haben. Laut Deal sollten diese der Türkei helfen, die Last der 3,5 Millionen geflüchteten Syrer, die die Türkei aufgenommen hat, zu tragen.
mehr Informationen zum EU-Türkei-Deal

Während auf der politischen Ebene diskutiert wurde, kamen einige Geflüchtete an die Grenze zur Türkei oder versuchten, Griechenland über den Seeweg zu erreichen. Da die griechische Seite der Grenze jedoch nicht offen ist, sitzen diese Menschen nun an der Grenze fest. Wie viele genau, ist ungezählt. 

Zwar hat auch das benachbarte Bulgarien Grenzübergänge zur Türkei, doch hier scheint die Lage laut Medienberichten noch ruhig.

Medienberichten zufolge setzte sowohl die türkische als auch griechische Polizei Tränengas ein, die griechische Polizei gab Warnschüsse ab. 

Die griechische Regierung griff zu drastischen Mitteln: 

"Wir nehmen einen Monat lang keine neuen Asylanträge an", kündigte Kyriakos Mitsotakis, der griechischer Premierminister, per Twitter an.zum Tweet 

Asyl ist jedoch ein  Menschenrecht.

Die Situation vor Ort bleibt angespannt. Die BBC veröffentlichte Videoaufnahmen, in denen die griechische Küstenwache auf geflüchtete Menschen in Booten mit einem Stock einschlägt und neben sie ins Wasser schießt. Griechische Bürger*innen attackieren im Video außerdem ein Journalisten und treten ihn nieder. 

Laut Human Rights Watch lässt die griechische Küstenwache bereits seit dem 1. März ein Boot mit 450 Geflüchteten, darunter Kinder,  nicht in einem Hafen auf Lesbos anlanden (Stand: 10. März 2020). Der Organisation wird jeder Zugang zu den Schutzsuchenden verwehrt.

Griechenland fragte die Grenzschutzagentur Frontex Anfang März offiziell um Hilfe an. Frontex unterstützt Griechenland nun dabei, die Grenze zur Türkei zu sichern, "im Geiste der europäischen Solidarität", wie sie verlauten ließ. Frontex stehe laut Pressemitteilung außerdem bereit, die Unterstützung auf andere Einsatzbereiche auszuweiten. (Pressemitteilung vom 2. März 2020 // vom 3. März 2020).

Aus der EU kam ein deutliches Signal an die Flüchtlinge:

"Do not go to the border. The border is not open."

"Geht nicht zur Grenze. Die Grenze ist nicht offen", sagte Josep Borrell, Vertreter der EU-Außenpolitik, in einer Pressekonferenz vom 6. März.

 

Die aktuelle Covid-19-Gefahr an der griechischen Grenze und den Flüchtlingslagern schildern wir hier.


Hintergrund
Warum sagen wir Schutzsuchende oder Geflüchtete statt Flüchtlinge? Hier geht es zur Worterklärung.

Was ist Asyl?  Kurz erklärt 

Woher kamen die Geflüchteten an der griechisch-türkischen Grenze?

Ein Teil derjenigen, die an der Grenze ausharren, kommt aus Syrien. Der Krieg in Syrien, insbesondere die Kämpfe in Idlib, haben zu einer humanitären Katastrophe geführt. Russische Luftangriffe haben die Stadt Idlib großteils zerstört, viele der ehemaligen Bewohner*innen mussten flüchten. Mittlerweile seien  laut Zahlen der Bundesregierung980.000 Menschen auf der Flucht, die meisten davon seien Frauen und Kinder (Stand: März 2020).

Obwohl laut Amnesty International die überwiegende Mehrheit der in der Türkei lebenden Flüchtlinge aus Syrien stamme, gebe es auch eine große Anzahl afghanischer, irakischer und iranischer Flüchtlinge. An der Grenze seien daher auch Menschen aus anderen Ländern, die in der Türkei gelebt haben oder auf ihrer Flucht durch sie hindurch gereist sind. 

Fluchtbewegung nach Griechenland im Frühjahr 2020

Die Zahl der Schutzsuchenden, die in Griechenland ankommen, ist nicht so stark gestiegen, wie die mediale Berichterstattung vermuten ließ. Die Flucht nach Griechenland über den Seeweg nahm Anfang März etwas zu, doch die Anzahl der neu Ankommenden nahm schnell wieder ab. Die griechische Polizei verhinderte nach eigenen Angaben rund 40.000  Grenzübertritte bis Mitte März, mittlerweile ließ Präsident Erodgan die Grenzen wieder schließen.

Aktuelle Zahlen finden Sie unter anderem im Datenportal der UNHCR.

Wie viele suchen in Griechenland über den Seeweg Schutz?

In Griechenland kamen Anfang März mehr Menschen über den Seeweg an, die Schutz suchen. Verglichen mit den Vormonaten hält sich der Anstieg jedoch stark in Grenzen. Beispielsweise kamen am 17. September 2019 777 Menschen an, die das Flüchtlingshilfswerk UNHCR registrierte. Am 1. März 2020 waren es 807.

Wie viele suchen über den Landweg in Griechenland Schutz?

Im Januar und Februar kamen insgesamt 1.759 Schutzsuchende über den Landweg nach Griechenland - deutlich weniger als noch in den Monaten davor. Allein im Oktober 2019 erreichen beispielsweise knapp 2.000 Menschen Griechenland auf dem Landweg. Aktuelle Zahlen zur Entwicklung, seit Erdogan die Grenze nach Griechenland geöffnet hat, gibt es noch nicht (Stand: 25. März 2020).

Fluchtbewegungen nach Griechenland

Diese Übersicht der UNHCR zeigt typische Fluchtbewegungen von der Türkei nach Griechenland.

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Offener Brief von 85 Hilfsorganisationen

In einem offenen Brief positionierten sich 85 Hilfsorganisationen zur Situation.

"Die unterzeichnenden Organisationen sind zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen an der Evros-Grenze und auf den Ägäischen Inseln, wo  Menschen an den Grenzen Europas stranden, wo sie für politische Zwecke instrumentalisiert und ihre Rechte verletzt werden. (...) Wir fordern alle Seiten auf, das Gesetz zu respektieren und die demokratischen Werte Europas zu wahren. Jeder weitere Rückfall wird erhebliche Konsequenzen für die europäischen Gesellschaften, die europäische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit haben."

"Solidarität wurde stigmatisiert."

Sie kritisieren unter anderem auch, dass Angriffe auf Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen vor Ort zunehmen.

Gesetzliche Grundlagen

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Artikel 14

1. Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

zur Erklärung

EU-Verträge

Artikel 78 TFEU

(1)   Die Union entwickelt eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll. (...)

zum Gesetz

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Warum ist Präsident Erdogan in der Kritik gestanden?

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht Politik mit dem Elend notleidender Flüchtlinge", schreibt beispielsweise die Zeitung "Das Parlament" am 9.3. in einem Kommentar. Was ist mit der Kritik an Erdogan gemeint?

Die Ankündigung der türkischen Regierung, die Grenze zu öffnen, verbreitete sich schnell unter den Schutzsuchenden, Geflüchteten und Migranten, die die Türkei beherbergt. Dass die EU ihre Grenze nicht öffnen würde, war absehbar. Trotzdem wurde die Information von türkischer Seite aus verbreitet und gab vielen Menschen Hoffnung, in die EU weiterziehen zu können. Zudem gibt es Bilder von Bussen in Istanbul und anderen Städten, mit denen die Flüchtlinge offenbar an die Grenze im Norden gefahren wurden.

"Wir haben klare Beweise dafür, dass diese Bewegung von der Türkei geschaffen und orchestriert wurde."

Dieses Zitat stammt von Nikos Dendias, dem griechischer Außenminister, 6. März 2020. Er beschuldigt die türkische Regierung, die Notlage der gestrandeten Menschen bewusst herbeigeführt zu haben.

Doch wozu? Präsident Erdogan kündigte bereits in den vergangenen Monaten immer wieder an, den Flüchtlingsdeal aufzukündigen (Quelle), sollte die EU das versprochene Geld, 6 Milliarden Euro, nicht vollständig zahlen. Der Vorwurf gegen Erdogan lautet nun, er wolle die Menschen an der Grenze und ihre Notlage als Druckmittel benutzen, um das versprochene Geld zu erpressen.

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Hat die EU den "EU-Türkei-Deal" eingehalten?

Aus türkischer Sicht ist die Kritik an der EU berechtigt. Im sogenannten EU-Türkei-Deal von 2016 vereinbarten beide Seiten unter anderem: (Originaldokument auf Deutsch).

  • Finanzielle Hilfen in Höhe von 6 Milliarden Euro:
    "(...) die Auszahlung (...) der ursprünglich zugewiesenen 3 Milliarden Euro weiter beschleunigen und (...)  zusätzliche Mittel für die Fazilität in Höhe von weiteren 3 Milliarden Euro bis Ende 2018 mobilisieren." - Die sechs Milliarden Euro an die Türkei wurden bisher nicht gezahlt, EU-Außenvertreter Borrell spricht von 3,4 Milliarden Euro, die bisher ausgezahlt wurden.
  • Beitrittsverhandlungen
    "Die EU und die Türkei bekräftigten ihre Entschlossenheit zur Neubelebung des Beitrittsprozesses." - Der Beitrittsprozess der Türkei zur EU wurde faktisch stillgelegt und nicht neu aufgegriffen. Gegen diesen Teil des Deals hat die EU verstoßen.
  • Visa für türkische Staatsbürger
    "... damit die Visumpflicht für türkische Staatsangehörige spätestens Ende Juni 2016 aufgehoben werden kann." - Für eine Einreise nach Deutschland brauchen türkische Staatsbürger bis heute ein Visum, diese Vereinbarung wurde nicht umgesetzt. (Stand: 10.03.2020)
  • Neuansiedlung von Schutzsuchenden
    "Für jeden von den griechischen Inseln in die Türkei rückgeführten Syrer wird ein anderer Syrer aus der Türkei in der EU neu angesiedelt (...)."  - Genaue Zahlen gibt es dazu bisher nicht, grundsätzlich wurde diese Vereinbarung nicht eingehalten. 

"There are parts of the agreement that have not been implemented yet."

Dass Teile des EU-Türkei-Deals bis heute von europäischer Seite nicht eingehalten wurden, gibt der EU-Außenvertreter Borrell zu. 

 

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Reaktionen auf die Situation im Frühjahr 2020

Reaktion der Bundeskanzlerin

Dass die griechische Regierung gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und geltendes Recht verstößt, indem es das Recht auf Asyl aussetzt, kritisiert die Kanzlerin nicht. Stattdessen habe Griechenland beim Schutz der Außengrenzen laut einer Rede vom 9. März  "unsere volle Solidarität und unsere volle Unterstützung."


Reaktion der Bundesregierung

"Deswegen wollen wir Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1.000 bis 1.500 Kindern auf den griechischen Inseln unterstützen."

Eine „Koalition der Willigen“ in Europa soll die Übernahme dieser Kinder organisieren, Deutschland wäre dann bereit, einen Teil davon aufzunehmen. Die Bundesregierung stellt 125 Millionen Euro zur Verfügung, die von den Vereinten Nationen zur Akuthilfe in Idlib genutzt werden. zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020

 

Reaktionen aus der EU

"Do not go to the border. The border is not open."

Josep Borrell, Pressekonferenz vom 6. März

 

Langfristige Lösungen:

Die Zeitung "Das Parlament" berichtet (9.03.2020), dass laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell Ende Juni eine Konferenz in Brüssel stattfinden soll, zu der Russland und die Türkei eingeladen werden. 

 

Weitere Reaktionen:

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Letzte Aktualisierung: Dezember 2023, Internetredaktion LpB BW.

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