Langfristige Entwicklungen nach 9/11

20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September

Krieg in Afghanistan und im Irak, verschärfte Sicherheitspolitik in westlichen Ländern, Angst vor Terror in den Köpfen der Menschen – die Anschläge vom 11. September 2001 hatten langfristige Folgen auf die Außen- und Sicherheitspolitik, die internationalen Beziehungen und die Gesellschaft insgesamt. War 9/11 eine historische und globale Zäsur? Ein Dossier.

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Kurz & knapp: langfristige Folgen von 9/11

  • Die Terroranschläge führten zu einem Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik. Während nach dem Ende des Kalten Krieges 1989/1990 eine Phase der Entspannung eingeläutet worden war, bestimmte nun die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus die US-Außenpolitik der kommenden Jahre. Die USA handelten je nach Bedrohungspotenzial unilateral oder gingen verschiedene kurzfristige Bündnisse ein. Zu den wichtigsten militärischen Operationen gehören der Afghanistan-Einsatz von 2001 bis 2021 und der Irak-Krieg mit anschließender Besatzung zwischen 2003 und 2011. Die Präsidenten Barack Obama und Donald Trump läuteten einen Rückzug aus der Weltpolitik ein.
  • Der „Patriot Act“ in den USA und die Antiterror-Gesetzgebung samt Sicherheitspaketen in Deutschland brachten Einschränkungen der Bürgerrechte und erweiterte Befugnisse für Geheimdienste und Ermittlungsbehörden, die teilweise bis heute existieren. Die Diskussion über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit hält bis heute an.
  • Unmittelbar nach den Anschlägen versicherte Bundeskanzler Gerhard Schröder den USA „uneingeschränkte Solidarität“ – die Bundeswehr beteiligte sich am Einsatz in Afghanistan. Doch bereits 2002 kam es zu einer Abkühlung und Anfang 2003 schließlich zu einer schweren Krise in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, da Deutschland sich gegen einen Einmarsch in den Irak aussprach.
  • 9/11 gilt als schwerster Terroranschlag in der Geschichte – mit den meisten Opfern. Dennoch ist es auch die Art des Angriffs, die viele Menschen im Anschluss weltweit in Angst und Schrecken versetzte. Die Botschaft von 9/11 lautete: „Es kann uns überall treffen. Wir sind nicht sicher.“ Dies schürte in den westlichen Industrieländern jahrelang eine kollektive Angst vor Anschlägen, die bis heute anhält.
  • War 9/11 eine globale Zäsur? Diese These ist umstritten. Festzuhalten ist, dass der islamistische Terrorismus zwar in den Jahren unmittelbar nach 9/11 als eine dominierende sicherheitspolitische Bedrohung dargestellt wurde, sich im Laufe der Zeit aber relativierte und heute als Risiko unter vielen anderen gilt

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Einführung

Der 11. September 2001 veränderte die westliche Welt. Islamistische Attentäter steuerten zwei entführte Passagierflugzeuge in das World Trade Center in New York City. Weltweit verfolgten Menschen auf ihren Bildschirmen in Echtzeit, wie die zwei Türme einstürzten. Eine dritte Maschine flogen die Terroristen ins Pentagon, eine vierte stürzte ab. Rund 3.000 Menschen starben bei den Anschlägen.

Der damalige US-Präsident George W. Bush rief im Anschluss an die Anschläge den „war on terrorism“ aus – seitdem starben laut einer Studie der Brown University in diesem „Krieg“ allein in drei Ländern (Afghanistan, Irak und Pakistan) rund eine halbe Million Menschen. „Angriff auf Amerika“ titelten zahlreiche Zeitungen weltweit in den Tagen danach. US-Präsident Bush sagte einen Tag nach den Anschlägen: „Wir sind im Krieg.“ Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erklärte im Bundestag: „Die gestrigen Anschläge in New York und Washington sind nicht nur ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika; sie sind eine Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt.“

Unter dem „war on terror“ verstand George W. Bush politische, juristische und militärische Schritte gegen internationale Terrornetzwerke. Dabei war es kein Krieg, wie ihn die bisherige Welt zu diesem Zeitpunkt kannte. Standen sich im Kalten Krieg die USA und die Sowjetunion über Jahrzehnte unversöhnlich gegenüber – der Feind war immer eindeutig –, so war an diesem „neuen Krieg“ überhaupt nicht ad hoc klar, wer eigentlich der Gegner war. Das Terrornetzwerk al-Qaida galt als Urheber der Anschläge. Erstmals hatten es die USA jedoch mit einem Kriegsgegner zu tun, der kein Staat war. Man stand einem losen Netzwerk gegenüber, hinter dem sich reiche Geldgeber wie Osama bin Laden verbargen.

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Welche Auswirkungen hatte der 11. September auf die Weltpolitik?

Mit 9/11 geriet auch die Weltordnung durcheinander: Die vermeintliche Überlegenheit des Westens in der Welt schwankte auf einmal, der Alltag war nunmehr von Unsicherheit und einer unklaren Bedrohung geprägt. Wer waren die Feinde?

„Wir leben heute in einem anderen Amerika als noch vor letztem Dienstag“, schrieb etwa der Journalist Frank Rich in der „New York Times“.

Rich zufolge war das neue Lebensgefühl durch Verluste charakterisiert: Die unbeschwerte Reise- und Bewegungsfreiheit gehöre ebenso der Vergangenheit an wie die Illusion, die Welt gezähmt zu haben und ohne Konsequenzen handeln zu können (Quelle: Frank Rich, The Day Before Tuesday, in: The New York Times, 15.9.2001, S. A23).

Bereits 1996 prophezeite der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington einen „Clash of Civilizations“ – einen Kampf der Kulturen zwischen Ländern der westlichen Welt und dem islamischen Kulturraum. Bis heute ist seine These innerhalb der Wissenschaft heftig umstritten. Sein Postulat kollidierte mit der des amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama, der 1989 „das Ende der Geschichte“ vorausgesagt hatte. Er ging davon aus, dass mit dem Ende des Kalten Krieges die liberale Demokratie westlicher Prägung über den kommunistischen Osten und alle anderen real durchgeführten Staats- und Wirtschaftssysteme gesiegt habe. Von nun an, so Fukuyama, werde sich die Weltgemeinschaft ausschließlich am Westen und dessen Werten orientieren.

Nach dem 11. September 2001 schien er jedoch da zu sein: der Kampf der Kulturen.

Mit dem Kampf gegen den Terror vertieften sich die Gräben zwischen den Kulturen weltweit. Islamfeindliche Ressentiments wurden geschürt. Der Schutz der Bevölkerung vor islamistischen Terroristen bestimmte viele Jahre die Außen- und Sicherheitspolitik vieler westlicher Länder wie der Vereinigten Staaten von Amerika und auch der Europäischen Union – wenngleich dies heutzutage nicht mehr so dominant ist wie noch in den ersten zehn Jahren nach den Anschlägen.

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Wie hat sich die US-Außenpolitik nach 9/11 verändert?

Wenige Tage nach den Anschlägen sagte US-Präsident George W. Bush am 15. September 2001: „Wer Krieg gegen Amerika anfängt, wählt seine eigene Zerstörung.“ Ein folgenschwerer Entschluss, der die Weltpolitik in den kommenden Jahren immens beeinflussen sollte. Bush ordnete die Terroranschläge als einen Krieg „gegen Pluralismus, Toleranz und Freiheit“ ein und bezeichnete die Terroristen als „Erben der mörderischen Ideologen des 20. Jahrhunderts, die in die Fußstapfen von Faschismus, Nationalsozialismus und Totalitarismus“ getreten seien. Der Zeithistoriker und Amerikanist Philipp Gassert schreibt dazu: „Die lose Terrorgruppe al-Qaida als Neuauflage von Drittem Reich und Stalinismus? Eine fatale Fehleinschätzung“ (Quelle: Philipp Gassert, 11. September 2001).

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben so zu einem Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Außenpolitik geführt. Während nach dem Ende des Kalten Krieges 1989/1990 eine Phase der Entspannung eingeläutet worden war, bestimmte nun die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus die US-Außenpolitik der kommenden Jahre. Die meisten Kriegsschauplätze befanden sich seither in Asien und Afrika:

  • Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan (2001–2021)
  • Operation „Iraqi Freedom / New Dawn“ im Irak (2003–2011)
  • Operation „Enduring Freedom“ am Horn von Afrika (Somalia/Djibouti seit 2002)
  • Operation „Enduring Freedom“ – Transsahara in Nord-Mali (seit 2012).

Zudem unterstützte die US-Army andere Länder im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen wie Abu Sayyaf und Jemaah Islamiyah auf den Philippinen sowie gegen den „Islamischen Staat“ in Libyen, Kamerun und im Jemen.

Nach dem 11. September handelten die USA je nach Bedrohungspotenzial unilateral oder gingen verschiedene kurzfristige Bündnisse ein. Während unmittelbar nach den Anschlägen die internationale Solidarität mit Amerika groß war, nahm diese Stück für Stück ab, nachdem Georg W. Bush seine Kriegspläne gegen den Irak angekündigt hatte – unter dem Vorwand, Massenvernichtungswaffen im Irak zu zerstören. Was er damit aber vor allem erreichte, war die Glaubwürdigkeit Amerikas in der Welt zu zerstören.

Bushs Kampf gegen die von ihm auserkorene „Achse des Bösen“ (Iran, Irak, Nordkorea) wurde nicht in allen westlichen Staaten uneingeschränkt unterstützt. Je stärker Bush sich auf die hegemoniale Vormachtstellung der USA berief und damit sein Land wieder als „Weltpolizei“ in Stellung brachte, desto tiefer wurden die Gräben zwischen den USA und Europa. 

Afghanistan-Einsatz 2001–2021

Unmittelbar nach den Einschlägen der Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers stand vor allem der seit 1994 staatenlose Terrorist Osama bin Laden und die von ihm gegründete radikalislamische Terrororganisation al-Qaida als Attentäter unter Verdacht. Afghanistan wurde zum Rückzugsort des Netzwerkes, weshalb es nach dem 11. September in den Fokus der USA rückte. Nachdem sich die dort herrschenden Taliban weigerten, Osama bin Laden auszuliefern, marschierte eine von den USA und der NATO geführte Koalition – die NATO hatte nach den Anschlägen erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall ausgerufen – auf Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrates im Oktober 2001 in Afghanistan ein und stürzte das Taliban-Regime (Quelle: Spiegel online).

Viele Taliban-Führer flüchteten daraufhin ins benachbarte Pakistan, auch Osama bin Laden, der jahrelang zu den meistgesuchten Zielpersonen des FBI gehörte. Mit der UN-Resolution 1386 wurde im Dezember 2001 die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (engl. International Security Assistance Force, ISAF) geschaffen, an der auch die Bundeswehr beteiligt war. Dabei handelte es sich um eine Sicherheits- und Wiederaufbaumission unter Führung der NATO. 2002 wurde unter Hamid Karsai eine afghanische Übergangsregierung etabliert, im Oktober 2004 führte Afghanistan Präsidentschaftswahlen durch, bei denen er zum Präsidenten gewählt wurde (Quelle: BpB).

13 Jahre lang kämpften Soldat:innen der ISAF in Afghanistan. Ab Januar 2015 löste die deutlich kleinere Nachfolgemission „Resolute Support“ die Kampftruppen der ISAF ab. Obwohl es ab September 2008 mehrere Truppenverstärkungen gab, gelang es den USA und den NATO-Bündnispartnern nicht, die Taliban endgültig zu besiegen und das Land zu befrieden. US-Präsident Barack Obama plante bereits 2009, alle US-Truppen bis 2011 aus Afghanistan abzuziehen. Tatsächlich endete die dreizehnjährige Kampfmission der NATO erst im Dezember 2014. Und erst in der Nacht zum 2. Mai 2011 erschossen US-Soldaten bin Laden bei der von US-Präsident Barack Obama befohlenen Erstürmung seines Anwesens in Pakistan.

Statista-Grafik: Die blutige Bilanz der Afghanistan-Einsätze

Aktuelle Entwicklungen

Ende Juni 2021 zogen die Länder, die vor Ort noch im Einsatz waren, ihre Truppen endgültig ab. Nur noch wenige Streitkräfte blieben vor Ort, um den finalen Abzug bis zum Ende des Sommers vorzubereiten und durchzuführen. Von Ende 2001 bis Juni 2021 war auch die deutsche Bundeswehr dort im Einsatz. Was einst als eine auf sechs Monate befristete Friedensmission gedacht war, dauerte letztlich 20 Jahre und sorgte für keine Befriedung des Landes. Der langjährige Einsatz kostete dagegen viele Menschenleben und verursachte milliardenschwere Kosten. So starben nach Angaben von icasulties.org bis Ende 2020 3.596 Soldat:innen aus westlichen Ländern, bei den afghanischen Militär- und Polizeikräften sind es sogar über 67.000 (Quelle: statista.org). Wie schon in früheren Kriegen und bei der sowjetischen Intervention in Afghanistan („Afghanischer Krieg“) von 1979 bis 1989 ist Afghanistan zum „Friedhof der Großmächte“ geworden.

Zurück bleiben ein völlig zerrütteter Staat und eine erneute Machtübernahme durch die militant islamistische Taliban, die in nur wenigen Wochen nach dem Abzug der internationalen Truppen Afghanistan bis Mitte August zurückerobert hatten, während afghanische Regierungsmitglieder ins Ausland flohen (Quelle: tagesschau.de). Die Evakuierung deutscher und anderer internationaler Staatsbürger:innen sowie afghanischer Ortskräfte vom Flughafen in Kabul, der bis Ende August unter US-Aufsicht stand, gestaltete sich nach der Machtübernahme der Taliban als äußerst schwierig (Quelle: sueddeutsche.de).

Am 26. August 2021 gab es einen Anschlag von zwei Selbstmordattentätern am Flughafentor von Kabul sowie Schüsse in die Menge. Ein weiterer Sprengsatz detonierte an einem nahegelegenen Kabuler Hotel. Mindestens 170 Menschen, darunter 13 US-Soldat:innen, wurden dabei getötet. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) bekannte sich zu den Anschlägen. Die Bundeswehr führte an diesem Tag die letzten Flüge ihres Evakuierungseinsatzes durch. Noch immer befinden sich Tausende Ortskräfte im Land, die um ihr Leben fürchten müssen und aus Angst vor den Taliban fliehen wollen (Quelle: tagesschau.de). US-Präsident Joe Biden kündigte nach den Anschlägen Vergeltung an: „Wir werden euch jagen und euch büßen lassen.“ Zwei Tage nach den Anschlägen flog das US-Militär einen Drohnenangriff, bei dem nach US-Angaben zwei IS-Mitglieder getötet worden seien. Die USA beendeten ihre Evakuierungsmission wie angekündigt am 30. August. Nach zwanzig Jahren geht der Militäreinsatz in Afghanistan zu Ende und dem Land droht ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den Taliban und dem mit ihnen verfeindeten regionalen Ableger des IS (Quelle: deutschlandfunk.de).

Irakkrieg 2003–2011

Auch der Irak geriet im „war on terrorism“ in den Fokus der Vereinigten Staaten. Im sogenannten Dritten Golfkrieg bombardierten die USA, Großbritannien und eine „Koalition der Willigen“ ab dem 20. März 2003 ausgewählte Ziele in Bagdad und eroberten kurz darauf die Hauptstadt, die auch der Dienstsitz des damaligen irakischen Diktators Saddam Hussein war. Die USA begründeten den militärischen Einsatz als Präventivkrieg und unterstellten dem Irak einen geplanten Angriff auf die USA mit Massenvernichtungswaffen. Bis heute gilt der Irakkrieg als völkerrechtlich umstritten. Auch wurden lediglich alte Restbestände von Massenvernichtungsmitteln gefunden, Angriffspläne auf die USA jedoch nicht.

Im Jahr 2003 erklärte George W. Bush den Krieg als erfolgreich beendet. Bis 2011 hielt die Besetzung des Landes an. Der Einmarsch der USA hatte zudem für keinerlei Befriedung vor Ort gesorgt, sondern stattdessen jahrelange bürgerkriegsähnliche Zustände ausgelöst. Es folgten Terroranschläge, Angriffe und ausufernde Gewalt sowohl unter irakischen Bevölkerungsgruppen als auch gegen die westlichen Besatzungsmächte. Der Einsatz forderte viele Todesopfer und Verletzte – vor allem auf Seiten der irakischen Bevölkerung. Rund 79 Milliarden US-Dollar kostete der Krieg und seine Folgen die Vereinigten Staaten.

Bis heute herrscht kein Frieden im Irak – auch die Expansion des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) ab dem Jahr 2014 wird auf den Irakkrieg zurückgeführt. Viele Medien bezeichneten den Krieg im Nachhinein als „völlig unnötig“.

Amerikas Schande: Guantánamo

Das Gefangenenlager Guantánamo gehört zu einem Marinestützpunkt der US Navy in der Guantánamo-Bucht auf Kuba. Im Januar 2002 wurde in Folge von 9/11 und dem sich anschließenden Einmarsch der USA in Afghanistan begonnen, den Stützpunkt in ein Internierungslager für Kriegsgefangene zu erweitern, die von den US-Regierungen unter Bush und Obama als „ungesetzliche Kombattanten“ bezeichnet werden. Der Begriff, der von mehreren Staaten verwendet wird, bezeichnet Personen, die an einem kriegerischen Konflikt beteiligt sind und zusätzlich gegen das Kriegsrecht verstoßen haben. Mit Guantánamo war sowohl der Schutz der Vereinigten Staaten vor Terroristen als auch die Gewinnung geheimdienstlicher Erkenntnisse beabsichtigt.

Die Rechtslage der Gefangenen, deren Haftbedingungen, die verwendeten Verhör- und Foltermethoden und die Verstöße gegen die Menschenrechte dort führen bis heute international zu scharfer Kritik und zu Forderungen nach Schließung des Lagers. Nachdem seit 2002 insgesamt 779 Gefangene dort inhaftiert worden waren, betrug deren Zahl im Mai 2018 noch 40. „Das Gefangenenlager auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba ist und bleibt ein Schandfleck in der Menschenrechtsbilanz der USA und wird bis zu seiner Schließung ein Ort der Menschenrechtsverletzungen bleiben“, hieß es von Amnesty International USA am 11. Januar 2019 – am Vorabend des 17. Jahrestages der Eröffnung des Lagers (Quelle: Amnesty International).

Drohnenkriege

Nicht immer führten die USA und ihre Verbündeten offene Kriege. Seit 2004 finden regelmäßige Drohnenangriffe in den Stammesgebieten im Norden Pakistans statt. Diese gelten als Rückzugsgebiet terroristischer Organisationen wie dem „Islamischen Staat im Irak und Syrien“ (ISIS). Bei den Angriffen mit unbemannten ferngesteuerten Drohnen sollen Terrorverdächtige gezielt getötet werden. Präsident Barack Obama gab die Drohnenangriffe erst 2012 öffentlich zu.

Daher wird Obama im Nachhinein häufig dafür kritisiert, ein „Bush mit Drohnen“ gewesen zu sein, wie Christoph von Marshall in der Zeitschrift für Internationale Politik schreibt. Allein in den ersten zwei Amtsjahren habe Obama mehr Drohnen zur Tötung mutmaßlicher Terroranführer eingesetzt als Bush in seinen zwei Amtszeiten. „Generell hat sich Obama bei Amerikas Kampf gegen den Terror nicht so weit von Bush entfernt wie im Wahlkampf angekündigt. Ein Pazifist war er nie“, schreibt Christoph von Marschall.

 

 

Obama und Trump: Rückzug aus der Weltpolitik

Der Wechsel im Weißen Haus im Jahr 2009 mit dem Demokraten Barack Obama als US-Präsident brachte eine außenpolitische Wende. Er brach vor allem auch rhetorisch mit seinem Vorgänger: Obama sprach nicht mehr vom „war on terrorism“, sondern von „beharrlichen Anstrengungen gegen Netzwerke von Extremisten, die Amerika bedrohen“. Dennoch waren die Erwartungen an Obama bei seinem Amtsantritt groß: Er sollte Bushs Kriege im Irak und in Afghanistan beenden, das Zerwürfnis mit Europa kitten, das Gefangenenlager Guantánamo schließen sowie unter anderem auch den Ausgleich mit Russland suchen.

Amerika war unter der Bush-Regierung kriegsmüde geworden. Die jahrelangen Kriege mit zahlreichen Opfern unter den eigenen Soldat:innen fanden immer weniger Akzeptanz in der Bevölkerung. Nicht alles konnte Obama während seiner Präsidentschaft erfüllen, aber er hat den Abzug der US-Truppen aus dem Irak vollendet und immerhin den aus Afghanistan auf den Weg gebracht. Zudem setzte Obama auch im Umgang mit der islamischen Welt mehr als sein Vorgänger auf Diplomatie. Andererseits wurde er für die Drohnenangriffe der USA auf mutmaßliche Terroristen immer wieder scharf kritisiert, weil dabei auch Zivilisten ums Leben kamen.

Letztlich haben die USA durch ihre Vergeltungskriege sowohl Afghanistan als auch den Irak eher destabilisiert; die Unruhen in arabischen Regionen sind gewachsen. Der Versuch, dort demokratische Strukturen zu etablieren, ist gescheitert. Zudem konnten die USA aus beiden Kriegen nicht als klarer Sieger hervorgehen. Philipp Gassert (Quelle: Philipp Gassert, 11. September 2001) schreibt:

„Im Inneren ist Amerika zutiefst verwundet, die äußere Sicherheit wirkt nur oberflächlich wiederhergestellt.“

Schließlich war es Donald Trump, der mit dem Versprechen, eine Wende in der amerikanischen Außenpolitik einzuleiten, im November 2016 die Wahlen zum US-Präsidenten gegen die Demokratin Hillary Clinton gewinnen konnte. „Amerika First“ war Trumps Devise. Er versprach 2019, dass die USA nicht länger als Weltpolizisten aktiv sein und sinnlose Kriege führen würden. Ein militärisches Eingreifen in anderen Ländern sollte es nur noch geben, wenn nationale Interessen auf dem Spiel stünden. Angriffskriege lehnte Trump kategorisch ab (Quelle: FAZ).

Literatur & Links

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Wie hat sich die US-Sicherheitspolitik nach 9/11 gewandelt?

Der „Patriot Act“ ist ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das am 26. Oktober 2001 vom US-Kongress im Zuge des Krieges gegen den Terrorismus verabschiedet und vom damaligen Präsidenten George W. Bush unterzeichnet wurde. Dies geschah genau 45 Tage nach den Anschlägen des 11. September 2001, als sich die amerikanische Nation in einem traumatisierten Zustand befand. Das Gesetz war eine direkte Reaktion auf die Terroranschläge und die wenig später erfolgten Milzbrandanschläge. Die Anthrax-Anschläge 2001 wurden im Verlauf mehrerer Wochen nach dem 18. September verübt. Briefe mit Milzbrandsporen wurden an mehrere Nachrichtensender und Senatoren verschickt. Fünf Menschen starben dadurch.

Der „Patriot Act“ brachte eine Einschränkung der amerikanischen Bürgerrechte in größerem Maße mit sich, aber auch Auswirkungen für USA-Reisende, da die Anforderungen an Pässe erhöht wurden. Die Ermittlungsbehörden wurden ermächtigt, im großen Stil Daten untereinander auszutauschen und eine weitreichende Überwachung und Kontrolle der Zivilbevölkerung durchzuführen. So war es beispielsweise für das FBI nicht mehr notwendig, eine Telefon- oder Internetüberwachung vorab durch ein Gericht genehmigen zu lassen. Richter:innen mussten lediglich über die Abhöraktion informiert werden. Außerdem verpflichtete das Gesetz Telefongesellschaften und Internetprovider, ihre Daten offenzulegen. Und auch Bankdaten waren durch das Gesetz für die Ermittlungsbehörden leicht einsehbar. Die Zuständigkeiten für innere Sicherheit wurden in einem neu geschaffenen Ministerium, dem Department for Homeland Security, gebündelt.

Das Gesetz bestimmte überdies, dass Ausländer:innen bei vorliegendem Verdacht ohne Gerichtsverfahren auf Anweisung des Justizministeriums für unbestimmte Zeit festgehalten werden dürfen. Falls sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt wurden, konnten sie kurzerhand abgeschoben werden (Quelle: Legal Tribune Online).

Am 2. Juni 2015 wurde der „Patriot Act“ durch die Bestimmungen des „Freedom Act“ ersetzt. Doch die massenhafte Überwachung und Auswertung von Daten durch US-Behörden ist weiterhin möglich.

Zum Nachlesen: USA Patriot Act (auf Englisch)

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Wie hat sich die Sicherheitspolitik in Deutschland nach 9/11 verändert?

Die Anschläge vom 11. September 2001 führten auch in der deutschen Innen- und Sicherheitspolitik zu einer Zäsur. Ausgelöst durch den Schock der Ereignisse kam es rasch zu gesetzlichen Veränderungen in denjenigen Bereichen, die zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit beitragen. Drei der Haupttäter von 9/11, Mohammed Atta, Marwan Al-Shehhi und Ziad Jarrah, hatten eine Zeit lang in Hamburg gelebt.

Die Bundesregierung setzte eine ganze Reihe von Gesetzen und Maßnahmen um, die der Eindämmung des internationalen Terrorismus dienen sollten. Um die Sicherheit des Landes zu gewähren, wurden aber teils erhebliche Einschnitte in den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Bürger:innen zugelassen. Die Diskussion über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit hält bis heute an.

Anti-Terror-Gesetzgebung und Sicherheitspakete

Bereits wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschloss der Deutsche Bundestag ein erstes Sicherheitspaket, im Dezember 2001 dann ein weiteres, zu dem unter anderem das Terrorismusbekämpfungsgesetz gehört. Sie stellen die größten Sicherheitspakete in der Geschichte der Bundesrepublik dar – mehr als hundert Gesetzesänderungen wurden damals beschlossen.

Dazu gehörten weitgehende Überwachungsmaßnahmen wie der geheime Zugriff auf Bank-, Post-, Luftverkehrs- und Telekommunikationsdaten und ihre umfassende Registrierung, aber auch Lauschangriffe und heimliche sonstige Überprüfungen von verdächtigen Personen. Die beiden Sicherheitspakete umfasste außerdem die Möglichkeit, Stimmen von Ausländer:innen aufzuzeichnen und ihre Fingerabdrücke zehn Jahre lang aufzubewahren. Zudem wurde die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass biometrische Daten wie Fingerabdrücke, Handform oder die Gestalt der Augeniris in Ausweisen aufgenommen werden können. Seit 2005 werden Pässe und Personalausweise der Deutschen mit deren biometrischen Merkmalen ausgestattet (Quelle: Süddeutsche).

In den Sicherheitspaketen wurde überdies das Religionsprivileg im Vereinsrecht abgeschafft. Dieses Privileg machte es dahin unmöglich, Kirchen und Religionsgemeinschaften zu verbieten, selbst wenn sie von Extremist:innen gesteuert wurden. Auch der Strafbestand der Bildung terroristischer Vereinigungen wurde dahingehend verschärft, dass nun ebenso Mitglieder und Unterstützer:innen einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Deutschland bestraft werden können – unabhängig davon, ob eine Straftat in Deutschland begangen wurde. Ferner erhielten Geheimdienste und Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse. Seit 2004 gibt es ein Terrorismusabwehrzentrum, seit 2007 ist dort auch das Gemeinsame Internetzentrum angesiedelt, um im Netz Terrorist:innen zu verfolgen (Quellen: BpB, taz.de).

In den folgenden Jahren kamen weitere Sicherheitsgesetze hinzu. Manche wurden durch das Bundesverfassungsgericht eingeschränkt (Rasterfahndung), ganz gekippt (Luftsicherheitsgesetz) oder bis zur endgültigen Klärung ausgesetzt (Vorratsdatenspeicherung).

Einige Anti-Terror-Gesetze waren zeitlich befristet, da sie einen massiven Eingriff in die Bürgerrechte darstellen. Sie wurden immer wieder verlängert und teils ausgeweitet. Im Dezember 2020 wurde das Terrorismusbekämpfungsgesetz endgültig entfristet, was bei Bürgerrechtler:innen umstritten ist.
 

Weiterführende Links

Rasterfahndung

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde ab dem 1. Oktober 2001 die Rasterfahndung zum ersten Mal im präventivpolizeilichen Bereich angewandt. Ursprünglich hatte der damalige BKA-Präsident Horst Herold die Methode in den 1970er Jahren für die Fahndung nach RAF-Terrorist:innen entwickelt. Dabei werden Daten außerhalb der Polizei, zum Beispiel von Krankenkassen, Stromversorgern oder Universitäten, miteinander abgeglichen, um bestimmte Personen zu ermitteln. Die Rasterfahndung durfte nur bei erheblichen Straftaten angewendet und musste beantragt werden. Aus Datenschutzgründen war und ist die Rasterfahndung jedoch umstritten.

Das Bundesverfassungsgericht schränkte die Rasterfahndung allerdings im Jahr 2006 mit folgender Begründung wieder ein: „Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeleiteten Rasterfahndung nach islamistischen Terroristen Grenzen gesetzt. Eine präventive polizeiliche Rasterfahndung ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur vereinbar, wenn zumindest eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Als bloße Vorfeldmaßnahme entspricht eine solche Rasterfahndung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht“ (Quelle: Bundesverfassungsgericht). Sie darf seither nur im Rahmen „konkreter Gefahr“ durchgeführt werden.

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Wie haben sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen nach 9/11 entwickelt?

„Uneingeschränkte Solidarität“

Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erfasste die USA zunächst eine umfassende internationale Solidaritätswelle. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sicherte den Vereinigten Staaten seine uneingeschränkte Unterstützung zu. Erste Zweifel gab es aber in Politik, Bevölkerung und Medien schon in den ersten Tagen nach den Anschlägen: Wie weit wollte man die USA unterstützen und dabei vielleicht Gefahr laufen, selbst Ziel von terroristischen Anschlägen zu werden? Auch einem etwaigen Rachefeldzug George W. Bushs stand die grün-rote Bundesregierung eher skeptisch gegenüber.

Die Entscheidung zum Anti-Terror-Einsatz in Afghanistan zwang Gerhard Schröder im November 2001 dazu, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus; Schröder erhielt nur zwei Stimmen mehr als nötig. Deutschland nahm damit aber an der amerikanischen „Enduring Freedom“-Operation in Afghanistan teil und entsendete 3.900 Bundeswehrsoldat:innen.

Kurz darauf stimmte der Bundestag auch einer Beteiligung der Bundeswehr an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan (engl. International Security Assistance Force, ISAF) zu. Zudem wurden einige weitere Einsätze gebilligt:

  • Patrouillenfahrten am Horn von Afrika,
  • Stationierung von Seeaufklärern in Mombasa,
  • Entsendung von ABC-Spürpanzern nach Kuwait (ABC steht für atomare, biologische und chemische Waffen).

2014 endete der von der NATO geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan. Die Bundeswehr blieb jedoch im Rahmen der NATO-Folgemission „Resolute Support“ zur Ausbildung und Beratung sowie Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin vor Ort. Insgesamt handelte es sich beim Afghanistan-Einsatz um den größten und längsten Einsatz der Bundeswehr in ihrer Geschichte. 7.119 Tage war die Bundeswehr in Afghanistan präsent. Ende Juni 2021 sind die letzten deutschen Einheiten nach Deutschland zurückgekehrt. Rund 150.000 deutsche Soldat:innen wurden insgesamt dort eingesetzt, in der Regel für je vier bis sechs Monate. 59 davon kamen ums Leben, davon 35 durch Fremdeinwirkung. Rund zwölf Milliarden Euro hat der Afghanistan-Einsatz die Bundesrepublik zwischen 2001 und 2020 gekostet (Quelle: ZDF).

Abkühlung der Beziehungen

Bereits ab Januar 2002 begann sich das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA zu verschlechtern. Vor allem die Rede Bushs zur Lage der Nation vom 29. Januar 2002 gab dazu Anlass. Die dort von Bush erwähnte „Achse des Bösen“ irritierten Bundeskanzler Schröder (SPD) und seinen Außenminister Joschka Fischer (Grüne).

Später einigten sich Bush und der französische Präsident Jacques Chirac, jegliches militärische Vorgehen gegen den Irak nur mit einer Legitimierung durch die Vereinten Nationen zu unterstützen. So warnte Schröder vor allem davor, in einen Krieg hineinzugehen, ohne zu wissen, wie man aus diesem wieder herauskomme. In der amerikanischen Regierung wurde diese Haltung sehr kritisch gesehen (Quelle: G. Heydemann/ J. Gülzau (Hrsg.), Konsens, Krise und Konflikt. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Zeichen von Terror und Irak-Krieg).

Video Joschka Fischer

YouTube-Video (1:32 Minuten): Außenminister Joschka Fischer auf der NATO-Sicherheitskonferenz im Februar 2003 in München

Schwere Krise

Die Kluft zwischen Deutschland und den USA vertiefte sich, als klar wurde, dass die USA auch einen Präventivkrieg im Irak in Erwägung zogen – während Deutschland diesen rigoros ablehnte. Den Tiefschlag erlitten die Beziehungen, als Bundeskanzler Gerhard Schröder – damals kurz vor der Bundestagswahl stehend – auf einer Wahlkampfveranstaltung in Goslar kundtat, dass Deutschland sich auch dann nicht an einem Krieg beteiligen werde, wenn dieser durch eine UN-Resolution legitimiert würde.

Auf der NATO-Sicherheitskonferenz am 8. Februar 2003 in München eskalierte dann der Konflikt. Während US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sich vehement für eine Militärintervention im Irak aussprach und dies mit mutmaßlichen Waffenfabriken im Irak begründete, entgegnete Bundesaußenminister Fischer harsch:

„Excuse me, I am not convinced!“

Dieser in aller Öffentlichkeit ausgetragene, jegliche diplomatische Regeln konterkarierende Konflikt führte letztlich zur bis dahin schwersten Krise in den deutsch-amerikanischen Beziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Letztlich lehnten es jedoch auch Russland und Frankreich ab, sich an dem Militärbündnis zu beteiligen.

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Welche gesellschaftlichen Folgen hatten die Anschläge?

Erinnerungskultur

Jährlich am 11. September finden Gedenkfeiern zu Ehren der Opfer der Anschläge statt. In New York werden üblicherweise die Namen der 2.791 Menschen, die dort beim Einsturz des World Trade Centers ums Leben kamen, durch deren Angehörige in alphabetischer Reihenfolge verlesen.

An der Stelle des World Trade Centers befindet sich mittlerweile eine Gedenkstätte – das „National September 11 Memorial and Museum“ (auch bekannt als „9/11 Memorial“ oder „9/11 Memorial Museum“).

Das Mahnmal erinnert an die rund 3.000 Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 und des Bombenanschlags von 1993 auf das World Trade Center. Das Gelände des ehemaligen World Trade Centers wurde nach den Anschlägen als „Ground Zero“ bekannt. Zehn Jahre nach dem Attentat, am 12. September 2011, wurde der Gedenkpavillon eröffnet. Präsident Barack Obama weihte schließlich das Museum am 15. Mai 2014 ein. Seit dem 21. Mai 2014 ist es für die Öffentlichkeit zugänglich (Quelle: Südwest Presse).

Kollektive Angst vor Terroranschlägen

Terroranschläge gab es auch schon vor dem 11. September 2001 immer wieder. Niemand hatte es jedoch kommen sehen, dass es etwa 20 arabischstämmigen Terroristen, lediglich mit Teppichmessern und mit mangelhaften Flugkenntnissen ausgestattet, gelingen würde, vier Linienflugzeuge zu entführen und in Amerikas symbolträchtigste Gebäude zu steuern – und damit das mächtigste Land der Welt mitten ins Herz zu treffen. Doch genau das sowie die hohe Zahl an Todesopfern macht die Einzigartigkeit dieses Anschlages aus.

9/11 gilt als schwerster Terroranschlag in der Geschichte – mit den meisten Opfern. Dennoch ist es aber auch die Art des Angriffs, die viele Menschen im Anschluss weltweit in Angst und Schrecken versetzte. Die Botschaft von 9/11 lautete: „Es kann uns überall treffen. Wir sind nicht sicher.“ Vor allem: Man stand erstmals einem weltweit verstreuten und losen Terrornetzwerk gegenüber. Der Feind war nicht klar zu erkennen; Amerika kämpfte erstmals in einem Krieg nicht gegen eine oder mehrere Nationen. Der Feind war anonym. Bekannt war nur: Der Hass auf Amerika und die westliche Welt eint die Terroristen.

Und genau dies schürte in den westlichen Industrieländern jahrelang eine kollektive Angst vor Anschlägen, die bis heute anhält. Die Ungewissheit, wann Terroristen erneut zuschlagen, hält die Angst aufrecht. Und es folgten weitere Terroranschläge: Den Zuganschlägen in Madrid fielen am 11. März 2004 191 Menschen zum Opfer. Es war der schwerste Anschlag in der Geschichte Spaniens. Die Anschläge in London forderten am 7. Juli 2005 56 Todesopfer. Weitere Anschläge konnten vereitelt werden. Auch Brüssel, Paris, Nizza und Berlin wurden von schweren Anschlägen durch islamistische Terroristen heimgesucht (Quelle: Margit Reiter/ Helga Embacher (Hrsg.), Europa und der 11. September 2001).

Seit 9/11 kommt die Welt nicht mehr zur Ruhe. Trotz verstärkter Sicherheitsvorkehrungen gelingt es Terroristen immer wieder, die westlichen Staaten aus dem Nichts empfindlich zu treffen.

Verschwörungstheorien zu 9/11

Die meisten Verschwörungstheorien haben den grundsätzlichen Glauben gemeinsam, dass als machtvoll wahrgenommene Einzelpersonen oder eine Gruppe wichtige Ereignisse steuern, die Bevölkerung aber über ihre Ziele im Dunklen lassen. Anhänger:innen solcher Erzählungen glauben nicht daran, dass manches schlicht zufällig passiert. Einige Fachleute vermeiden den Begriff Verschwörungstheorie, um den Thesen nicht den Anschein von Theorien im wissenschaftlichen Sinne zu geben. Stattdessen sprechen sie von Verschwörungserzählungen (Quelle: Stuttgarter Zeitung).

Auch sofort nach dem 11. September kursierten im Internet zahlreiche krude Theorien zu den Anschlägen. Sie besagen, die Anschläge vom 11. September 2001 seien von Regierungs- und Geheimdienstvertreter:innen der USA oder Israels absichtlich zugelassen oder selbst inszeniert worden. Auch Theorien, wonach al-Qaida-Chef bin Laden sowie der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein nicht tot seien, kursieren noch immer.

Verschwörungstheorien basieren häufig auf teils realen Grundlagen. Allerdings werden dann oftmals falsche Verknüpfungen hergestellt und Verbindungen gezogen, die in der Realität überhaupt nicht existieren. Der Vorwand, Diktator Saddam Hussein entwickle Massenvernichtungswaffen, hat sich tatsächlich als Fehlinformation der US-Geheimdienste entpuppt. Viele Verschwörungstheoretiker:innen leiten daraus zum Beispiel im Nachhinein jedoch ab, dass folglich auch die Anschläge auf das World Trade Center von den USA selbst verübt worden sein müssen – um einen Vorwand für den Angriffskrieg im Irak zu haben (Quelle: BpB).

Auch begründen verschwörungstheoretische Bücher und Internetseiten ihren Verdacht stets mit der typischen Frage nach den Nutznießer:innen der Terroranschläge. Die Verschwörer:innen müssten folglich diejenigen sein, die daraus den größten Nutzen zögen. Viele Verschwörungstheoriker:innen sehen die Anschläge als von der US-Regierung herbeigeführten Vorwand, mit dem sie ihre lange vor dem 11. September vorhandenen Kriegspläne habe rechtfertigen wollen. Sie weisen dabei auf geostrategische Interessen der USA im Gebiet des Persischen Golfes und in Mittelasien hin.

Tatsächlich bezweifeln in vielen Ländern die Menschen, dass al-Qaida hinter den Anschlägen steckte. So veröffentlichte 2010 die Süddeutsche Zeitung die Resultate einer von der amerikanischen Universität von Maryland koordinierte internationale Umfrage. Das Ergebnis: Nur in neun von 17 untersuchten Staaten waren die Befragten mehrheitlich davon überzeugt, dass al-Qaida Drahtzieher der Anschläge gewesen sei. Am überzeugtesten waren die Befragten in Deutschland, Nigeria und Kenia. Viele Befragte – vor allem im Nahen Osten, aber auch in Ländern wie Mexiko oder der Türkei – vermuteten jedoch, Israel oder die US-Regierung würden hinter den Anschlägen stecken.

Alles in allem konnten nahezu alle Argumente der Verschwörungstheoretiker:innen widerlegt werden. Im offiziellen Untersuchungsbericht, dem 9/11 Commission Report, lässt sich nachlesen, wie groß das Versagen der Geheimdienste und wie mangelhaft die Zusammenarbeit zwischen FBI und CIA waren.

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Fazit: War 9/11 eine globale Zäsur?

Die einstige Supermacht USA ist aus dem „war on terrorism“ verwundet hervorgegangen. Die geführten Kriege haben nicht die gewünschten Erfolge gebracht, der Aufstieg des „Islamischen Staates“ und damit einhergehende weitere Terroranschläge in Europa wie in Madrid, Brüssel, Paris, London und Berlin haben die Sicherheitslage in der Welt kaum verbessert, sondern eher weiter destabilisiert. Auch Amerikas Vormachtstellung in der Welt ist beschädigt.

Zudem hat das Bild von den USA als Vorzeigedemokratie in der globalen Sicht erhebliche Kratzer erlitten. „Selbstverständlich mussten Präsident Bush und seine Regierung auf die Anschläge reagieren“, schreibt Philipp Gassert in „11. September 2001“.

„Doch weil sie [die US-Regierung] – rückblickend betrachtet – auf kontraproduktive Weise antworteten, wurde 9/11 zur Zäsur.“

Er sieht in der Strategie der US-Regierung, den Terror nicht polizeilich, sondern militärisch zu bekämpfen, den größten Fehler der USA. Seine These ist folglich, nicht die Anschläge an sich, sondern die auf 9/11 folgende Kriegserklärung habe die Welt verändert. So habe die Entwicklung danach den Aufstieg Trumps und den Slogan „Amerika First“ erst möglich gemacht (Quelle: Philipp Gassert, 11. September 2001).

Insgesamt gesehen gilt die Zäsur-These in der zeitgeschichtlichen Forschung als umstritten. In den ersten Tagen nach den Anschlägen waren sich viele Medien einig, dass dieses Ereignis die Welt verändern würde. So schrieb zum Beispiel die „New York Times“ am 12. September 2001, es sei nun „einer jener Momente, in denen die Geschichte sich teilt und wir die Welt als ‚vorher‘ und ‚nachher‘ definieren“ (Quelle: New York Times). Die britische Tageszeitung „The Guardian“ titelte am Tag nach den Anschlägen: „The day the earth stood still.“ Die „Bildzeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zierten ihre Titelseite unabhängig voneinander am nächsten Tag mit dem Satz „Es wird nichts mehr so sein, wie es war.“ Auch das französische Nachrichtenmagazin „L’Express“ schrieb sogleich, mit dem Terror beginne eine „neue Ära der Weltgeschichte“.

Der Tübinger Historiker und Amerikanist Michael Butter wiederum schrieb zehn Jahre nach den Anschlägen in „9/11 – Kein Tag, der die Welt veränderte“, die Anschläge hätten lediglich bereits länger andauernde Entwicklungen verstärkt und vor allem sichtbar gemacht (Quelle: Michael Butter, Birte Christ, Patrick Keller, „9/11 – Kein Tag, der die Welt veränderte“).

Der Islamwissenschaftler Stefan Weidner ist der Ansicht, die Terroranschläge vom 11. September hätten vor allem indirekte Auswirkungen auf das Weltgeschehen mit sich gebracht. Er sieht die immer weiter „auseinanderklaffende wirtschaftliche Ungleichheit, eine Kultur der Intoleranz und des Hasses gegen die Menschen, die anders denken, anders aussehen, anders leben“ (Quelle: Stefan Weidner, Ground Zero – 9/11 und die Geburt der Gegenwart). Zudem hätte der Krieg gegen den Terror andere wichtige Themen von der weltpolitischen Agenda verdrängt wie zum Beispiel den Umwelt- und Klimaschutz.

Denn die Ereignisse von 9/11 hätten den westlichen demokratischen Staaten eine „Aufgabe, eine Mission vorgegaukelt: den ‚Krieg gegen den Terror‘, die Beseitigung von Schurkenstaaten, die Demokratisierung der Welt, die ‚Integration‘ der Muslime. Vieles davon ist gescheitert, teils grausam.“

Dennoch lässt sich heute von dem von Samuel P. Huntington prognostizierten „Clash of Civilizations“ nicht sprechen. Je weiter die Anschläge zeitlich zurückliegen, umso deutlicher wird, dass viele der Charakterisierungen des Epochenbruchs so nicht zutreffen. Der 11. September 2001 hat viele bereits zuvor erkennbaren Entwicklungstendenzen in den internationalen Beziehungen befördert, stark beschleunigt und sie damit erst einer größeren Öffentlichkeit vor Augen geführt.

Festzuhalten ist, dass der islamistische Terrorismus zwar in den Jahren unmittelbar nach 9/11 als eine dominierende sicherheitspolitische Bedrohung dargestellt wurde, sich im Laufe der Zeit aber relativierte und heute als Risiko unter vielen anderen gilt (Quelle: BpB).

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Was geschah in den Wochen, Monaten und Jahren nach den Anschlägen?

Irakkrieg 2003

Ein rechtmäßiger Krieg?

Der Islamische Staat (IS)

Geschichte und Ideologie einer Terrororganisation

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Gassert, Philipp: 11. September 2001

Sonderausgabe der Zentralen für politische Bildung (ZpB), Paperback

Philipp Gassert zieht in seinem Buch mit dem schlichten Titel „11. September 2001“ Bilanz und arbeitet die Ursachen, Reaktionen und Folgen des 11. September auf. Markiert 9/11 den Übergang in ein neues Zeitalter?

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Links und Unterrichtsmaterial

Quellen und Hintergrundberichte

The 9/11 Commission Report
Abschlussbericht der amerikanischen Untersuchungskommission zu den Anschlägen des 11. September (9/11-Commission)
The 9/11 Commission Report


The Library of Congress
Das Webarchiv beinhaltet Online-Beiträge von Einzelpersonen, Gruppen, der Presse und Institutionen der Vereinigten Staaten sowie der ganzen Welt nach den Anschlägen am 11. September 2001. Bei den ausgewählten Webseiten handelt es sich vor allem um US-amerikanische und nichtamerikanische Regierungsseiten, Webseiten von Medien, Unternehmen, Wohltätigkeitsorganisationen, Interessenverbänden, religiösen Organisationen, Schulen, Bildungseinrichtungen, Einzelpersonen, Freiwilligen, Berufsverbänden usw.
September 11, 2001. Web Archive


Bundeszentrale für politische Bildung

Unterrichtsmaterial

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

 

Bundeszentrale für politische Bildung

 

Weitere Angebote

Projekte der Erinnerungskultur

CNN: September 11 A Memorial

Erinnerungsportal: Never Forget September 11

Zeitzeugenvideos: Voices of 9.11. A People's Archive
„Voices of 9.11. A People's Archive“ ist ein Archiv mit mehr als 500 Videoaussagen, die zwischen 2002 und 2003 in New York City, Shanksville (PA), Washington D.C. und im Pentagon aufgenommen wurden.

YouTube Video (4:47 Minuten): 9/11 – As Events Unfold
Dieses Video der amerikanischen Transportation Security Administration (TSA) aus dem Jahr 2018 zeigt die Ereignisse des 11. Septembers, wie sie sich anhand von Tonaufnahmen von First Respondern, Fluglots:innen, Disponent:innen, Beschäftigten von Fluggesellschaften, Pilot:innen, Bürger:innen und Terroristen entfaltet haben.

YouTube Video (3:38 Minuten): Enya: Only Time
In den USA haben Musikproduzent:innen nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon eine neue Version des Lieds „Only Time“ von Enya produziert. Der Song lief in vielen amerikanischen Radiosendern – es ist nicht das erste Mal, das bei bedeutenden Ereignissen ein Song von Produzent:innen verändert wird. „Only Time“ ist jetzt mit O-Tönen aus Fernsehreportagen, von Zeug:innen und Betroffenen sowie mit einem Statement des damaligen US-Präsidenten George W. Bush unterlegt.

sueddeutsche.de: Sachbücher zu 9/11

sueddeutsche.de: 9/11 und die Musik

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Letzte Aktualisierung: August 2021, Internetredaktion LpB BW

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