Dossier

Menschenrechte im Sport

Toleranz, Respekt, Fairplay und Teamgeist zählen zu den wichtigsten Werten im Sport. Doch auf und neben dem Platz, in der Kabine, im Verein, in der Fankurve oder bei der Vorbereitung von sportlichen Großereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar im Winter 2022 werden Menschenrechte massiv missachtet. Ausbeutung, Diskriminierung und Ausgrenzung gibt es im Breiten- wie im Spitzensport. Wie werden Menschenrechte im Sport verletzt? Welche Menschenrechtsverletzungen stehen bei der FIFA-Weltmeisterschaft in Katar oder den Olympischen Winterspielen in China im Raum? Und wer setzt sich für Menschenrechte im Sport ein? Unser Dossier bietet einen Überblick.

Wie hängen Menschenrechte und Sport zusammen?

  • Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

    Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 2

  • Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten.

    Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 4

  • Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.

    Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 19

Menschenrechte stehen allen Menschen zu, allein aufgrund der Tatsache, dass der Mensch Mensch ist, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder anderen Eigenschaften. Eine Übersicht über alle Menschenrechte findet sich in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde.

Menschenrechte sind universell, unveräußerlich und unteilbar:

Universell...

... heißt, dass Menschenrechte für ALLE Menschen ausnahmslos gelten.

Unveräußerlich...

... heißt, dass Menschenrechte nicht freiwillig aufgegeben oder abgetreten werden können.

Unteilbar...

... heißt, dass uns nicht nur bestimmte Menschenrechte zustehen und andere nicht, sondern ausnahmslos alle Menschenrechte gelten. Sie bilden einen Sinnzusammenhang aufeinander bezogener Rechte.

Der universale Geltungsanspruch der Menschenrechte impliziert, dass die Menschenrechte überall für alle Menschen gleich zu gelten haben. Diese „Allgemeingültigkeit der Menschenrechte“ setzt voraus, dass allen einzelnen Menschenrechten ein „Gleichheitsgebot“ übergeordnet ist.

Im Sport soll ebenfalls vermittelt werden, dass alle Wettkämpfer:innen und Teammitglieder gleich sind. Im Idealfall zählt ausschließlich die Leistung, nicht aber die Nationalität, Hautfarbe, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung. Toleranz, Offenheit, Respekt, Fairplay und Teamgeist sind zentrale Werte, die der Sport vermitteln möchte. Durch Engagement, Miteinander und Vielfalt im Team kann eine Mannschaft Höchstleistungen erbringen. Gelingt dieses Miteinander, kann Sport eine integrative und demokratiefördernde Funktion innerhalb der Gesellschaft erfüllen und dazu beitragen, dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit respektiert wird und seine Menschenrechte geachtet werden.

Gibt es Gesetze für die Einhaltung von Menschenrechten im Sport?

  • Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.

    Olympische Charta

Grundsätzlich gilt für alle Lebensbereiche, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und in Deutschland das Grundgesetz einzuhalten sind, somit auch im Sport. Doch darüber hinaus gibt es bisher keine explizite rechtliche Verpflichtung von Sportorganisationen, die Menschenrechte in ihrem Handeln zu achten.

Internationale Ebene

2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Englisch: UN Guiding Principles on Business and Human Rights, UNGP), die darauf abzielen, Menschenrechtsverletzungen in Wirtschaftszusammenhängen zu beheben und zu verhindern. Die UNGP richtet sich an Wirtschaftsunternehmen jeder Branche und jedes Sektors. Mittlerweile wird daher vielfach die Auffassung vertreten, dass auch Akteure des organisierten Sports wie die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufgrund ihres globalen wirtschaftlichen Engagements, ihrer Umsatzstärke und ihres Einflusses Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte im Sinne der UN-Leitprinzipien zu tragen haben.

Deutschland

Mit dem 2016 vom Bundeskabinett beschlossenen „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) wurden die UN-Leitprinzipien für Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf nationaler Ebene verankert. Doch auch beim Aktionsplan besteht das Problem, dass Sportorganisationen aus dem Raster fallen und sich nur freiwillig zu entsprechenden Leitlinien verpflichten können.

Freiwillige Verpflichtungen

Deutschland

In Deutschland thematisieren bisher nur wenige Sportverbände in ihren Satzungen die Menschenrechte. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat als erster deutscher Einzelsportverband im April 2021 eine Menschenrechts-Policy verabschiedet und bekennt sich in seiner Satzung explizit zur Achtung der Menschenrechte, ebenso der Deutsche Turner-Bund. Andere große Sportverbände in Deutschland mit mehreren Millionen Mitgliedern erwähnen die Menschenrechte dagegen nur implizit oder gar nicht (Quelle: Zentrum für Menschenrechte und Sport).

Weltfußballverband FIFA

Die Fußball-WM 2022 in Katar ist wegen diverser Menschenrechtsverletzungen umstritten. Auf öffentlichen Druck hin hat der Weltfußballverband FIFA nach der Erstellung eines Menschenrechtsberichts durch einen externen Fachmann im Jahr 2019 entsprechende Leitprinzipien verabschiedet, die FIFA-Statuten. Darin heißt es in Artikel 3: „Die FIFA bekennt sich zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein.“ Es wird sich zeigen, ob die FIFA dem Thema „Menschenrechte“ bei künftigen Turnieren mehr Bedeutung beimessen wird als bei bisherigen Vergaben.

Olympische Bewegung

Die olympische Bewegung verfügt dagegen noch über keinen umfassenden Menschenrechtskodex. In der Olympischen Charta heißt es lediglich: „Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.“ 2020 gaben Fachleute dem IOC in einem Bericht Empfehlungen zur Ausarbeitung einer umfassenden Menschenrechtsstrategie.

Wie werden Menschenrechte im Sport verletzt?

Menschenrechte werden im Sport vielfach verletzt. Das fängt in der Schule an, wenn ein muslimisches Mädchen im Schwimmunterricht für ihren Ganzkörper-Schwimmanzug verspottet wird. Das geht weiter, wenn Sportler:innen aufgrund ihrer Hautfarbe weniger Spielzeit erhalten oder Sportlerinnen mit sexistischen Sprüchen konfrontiert werden. Fremdenfeindliche Sprechchöre, rassistische oder homophobe Äußerungen, Ausgrenzung bei der Vergabe von Vereins- oder Verbandsposten, sexuelle und andere Formen von Gewalt, Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Wettkämpfen oder die Ausbeutung von Arbeitskräften in Austragungsländern von sportlichen Großereignissen sind weitere Beispiele für die Verletzung von Menschenrechten (Quelle: Zentrum für Menschenrechte und Sport).

Im Folgenden sollen einige Kategorien von Menschenrechtsverletzungen näher erläutert werden. Vorab ist zu betonen, dass die verschiedenen Kategorien von Diskriminierung und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit intersektional zu verstehen sind. Das bedeutet, dass sie sich vielfach überlagern und Wechselwirkungen bestehen, so dass sie nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Man spricht auch von Mehrfachdiskriminierung. Zur besseren Übersichtlichkeit werden hier die verschiedenen Arten von Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung jedoch nacheinander behandelt.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Unter dem Begriff Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, abgekürzt GMF, fasst man unterschiedliche Formen der Abwertung von konstruierten Menschengruppen zusammen.

Ausbeutung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen

am Beispiel der Fußball-WM 2022 in Katar

Sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer begeistern Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Für das IOC bzw. die FIFA sind sie zum Milliardengeschäft geworden.

Die Menschenrechte werden jedoch in manchen Gastgeberländern massiv missachtet: Für Stadionbauten oder Infrastrukturprojekte müssen Menschen ihre Heimat verlassen und werden zwangsumgesiedelt. Arbeitsmigrant:innen werden ausgebeutet und müssen unter menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen die Sportstätten errichten.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch prangern diese Methoden seit vielen Jahren an. Aktuelles Beispiel ist die Fußball-Weltmeisterschaft, die vom 20. November bis 18. Dezember 2022 in Katar stattfindet.

Beim Bau der Stadien und anderer Projekte zur Vorbereitung auf die Fußball-WM in Katar sollen mindestens 6.500 Menschen ums Leben gekommen sein.

The Guardian

Menschenrechtsverletzungen bei der Fußball-WM in Katar 2022

Seit das FIFA-Exekutivkomitee 2010 die Doppelvergabe der kommenden Fußball-Weltmeisterschaften an Russland und Katar bekannt machte, kommt es immer wieder zu massiver Kritik gegenüber der FIFA und der katarischen Regierung. Die Menschenrechtslage im Gastgeberland Katar gilt als problematisch. Meinungs- und Pressefreiheit sind eingeschränkt, besonders die Rechte von Frauen und queeren Menschen werden nicht gewahrt. In Katar steht Homosexualität unter Strafe, bis zu sieben Jahre Haft drohen für homosexuellen oder außerehelichen Sex.

Zudem werden Arbeitsmigrant:innen ausgebeutet und deren Menschenrechte massiv verletzt. Vielfach ist die Rede von „moderner Sklaverei“. Um den Bau von Stadien, Hotels, Einkaufszentren, Trainingsstätten und weiterer Infrastrukturprojekte stemmen zu können, holte Katar tausende Arbeitsmigrant:innen vor allem aus südasiatischen Ländern wie Sri Lanka, Indien, Nepal, Bangladesch und Pakistan ins Land.

Tausende Todesfälle unter Arbeitsmigrant:innen
Sie mussten unter menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Baustellen schuften und nach der Arbeit in verwahrlosten Unterkünften leben, die Sicherheitslage war teils katastrophal, Löhne wurden oft monatelang nicht gezahlt. Nach Recherchen der englischen Zeitung „The Guardian“ sollen mehr als 6.500 Arbeitsmigrant:innen zwischen 2011 und 2020 ums Leben gekommen sein. Die Tagesschau spricht gar von 15.000 Menschen nichtkatarischer Staatsangehörigkeit, die seit der WM-Vergabe gestorben sein sollen. Wie viele Todesfälle tatsächlich im Zusammenhang mit der WM-Vorbereitung stehen, wird sich nie ermitteln lassen, da offizielle Zahlen von der katarischen Regierung und der FIFA nicht veröffentlicht werden. Das WM-Organisationskomitee, das aus FIFA-Mitarbeitenden und katarischen Funktionären besteht, meldet offiziell drei Tote auf den WM-Baustellen. 34 weitere Menschen seien unabhängig von ihrer Arbeit auf den Baustellen gestorben.

Wenn Sie noch mehr wissen möchten ...

Das WDR-Hintergrundmagazin „Sport inside“ recherchiert bereits seit 2010 zu den Hintergründen der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Aus den Ergebnissen dieser Recherchen ist eine vierteilige Dokuserie und eine Podcast-Reihe entstanden.

Weitere Infos

Das Kafala-System – offiziell abgeschafft, aber weiterhin praktiziert
Nach der WM-Vergabe im Dezember 2010 geriet besonders das sogenannte Kafala-System massiv in die Kritik, das es in mehreren Staaten der Golfregion gibt: Arbeitgeber:innen fungieren hier als Bürgen (Kafeel) für die ausländischen Arbeitskräfte, wodurch ein problematisches Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Meist müssen die Arbeitsmigrant:innen als Bedingung für die Einreise ihre Pässe abgeben und können so nicht mehr ausreisen, die Arbeitsstätte wechseln oder ihre:n Arbeitgeber:in bei Missständen anzeigen. In den letzten Jahren hatte der öffentliche Druck durch Gewerkschaftsbündnisse, Menschenrechtsorganisationen und die Medien jedoch so zugenommen, dass die katarische Regierung sich gezwungen sah, Reformen einzuleiten.

Das Kafala-System ist mittlerweile offiziell abgeschafft. Die Lage auf den Baustellen habe sich verbessert, es gebe Richtlinien zu Arbeitszeiten, Ruhephasen und Beschwerdemöglichkeiten, der Mindestlohn habe sich erhöht und ausgebliebene Löhne konnten erfolgreich eingeklagt werden. So zeichnet etwa eine Vertreterin von Amnesty International bei einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses des Deutschen Bundestags zur WM in Katar ein differenziertes Bild: Die Menschenrechtsorganisation erkennt die Reformbemühungen der katarischen Regierung an. Katar bleibe das einzige Land in der Region, das überhaupt Reformen angestrengt habe. Leider sehe man jedoch nach Fortschritten zwischen 2018 und 2020 nun seit 2021 wieder erste Rückschritte.

Auch andere Menschenrechtsorganisationen und Medien beklagen, dass viele Reformen nur punktuell und nicht flächendeckend umgesetzt würden und das Kafala-System weiterhin praktiziert werde. Die Ausbeutung von Menschen und andere Menschenrechtsverletzungen wie die Diskriminierung von Frauen und LGBTQI*-Personen (Quelle: tagesschau.de) oder die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit existieren in Katar und anderen Staaten der Golfregion also weiterhin (Quellen: Amnesty International, Deutscher Bundestag, tagesschau.de, BpB). Daher gibt es nicht wenige Stimmen, die zu einem Boykott der WM aufgerufen haben, etwa die Faninitiative #BoycottQatar2022.

Menschenrechte als Thema im Sport verankert
Positiv zu vermerken ist, dass vor dem Hintergrund der Diskussionen um die WM in Katar die Achtung der Menschenrechte auch im Fußball und Sport insgesamt einen zentraleren Stellenwert eingenommen hat. Für die FIFA oder den IOC wird es immer schwieriger, sich dem Thema zu verschließen und Sport per se als unpolitisch zu deklarieren. So arbeiten Austragungsländer kommender Europa- und Weltmeisterschaften nun mit Menschenrechtsorganisationen zusammen, um den Schutz der Menschenrechte bei der Vorbereitung und Durchführung solcher Großereignisse künftig zu beachten (Quelle: Deutschlandfunk Kultur). Wenige Wochen vor der WM in Katar wurden zudem Entschädigungsleistungen für Arbeitsmigrant:innen diskutiert (Quelle: tagesschau.de). Ein erstes Umdenken findet statt, doch die konkrete Umsetzung wird eine Mammutaufgabe der nächsten Jahrzehnte.

Unterrichtsmaterial zur Fußball-WM

Länderinfos, Rassismus, Menschenrechte oder Profitorientierung – die Fußball-WM bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Unterricht.

Weitere Infos

LpB-Publikation für den Unterricht

Gefundene Artikel: 1

Abbildung -P&U 2022-2 Arabische Welt
Politik & Unterricht

P&U 2022-2 Arabische Welt

Heft 2-2022

LpB
Stuttgart 2022 , 60 Seiten
Der Artikel ist lieferbar.
Preis: kostenlos

Literatur- u. Internetverzeichnis (PDF, barrierefrei)Download 18 MB (PDF, BARRIEREFREI)

Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit

am Beispiel der Olympischen Spiele in China

Die Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Olympischen Spielen war durch die umstrittene Regel 50 der Olympischen Charta seit Jahrzehnten Fakt. Darin heißt es, dass „politische, religiöse oder rassistische Demonstration“ bei den Olympischen Spielen verboten ist. Nach Kritik von Athletinnen und Athleten lockerte das IOC diese Regel vor den Sommerspielen 2021 in Tokio.

Seither sind den Sportlerinnen und Sportlern etwa im Gespräch mit Medien, bei Pressekonferenzen, in den sozialen Medien oder vor Beginn eines Wettkampfs Meinungsäußerungen erlaubt, sofern diese „im Einklang mit den Grundprinzipien der Olympischen Bewegung stehen, nicht direkt oder indirekt gegen Personen, Länder, Organisationen und/oder deren Würde gerichtet und nicht störend sind“. Weiterhin verboten sind Meinungsäußerungen bei offiziellen Zeremonien, auf dem Spielfeld oder im Olympischen Dorf (Quelle: Spiegel online).

Grundsätzlich wird kritisiert, dass sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft immer wieder an Länder vergeben wird, deren Regierungen die Meinungs- und Pressefreiheit massiv einschränken und die Versammlungsfreiheit mit Füßen treten. Dazu gehören etwa Russland, wo 2014 die Olympischen Winterspiele in Sotschi stattgefunden hatten, aktuell Katar mit der Fußball-Weltmeisterschaft im November und Dezember 2022, oder China, wo 2008 bereits die Olympischen Sommerspiele und im Februar 2022 die Olympischen Winterspiele ausgetragen worden waren.

[...] Jedes Verhalten, jede Rede, die gegen den olympischen Geist, besonders gegen chinesische Gesetze und Regularien ist, unterliegt genauso gewissen Bestrafungen.

Yang Shu, Mitglied des chinesischen Olympia-Organisationskomitees, sueddeutsche.de

Einschränkung der Meinungsfreiheit bei den Olympischen Winterspielen in China

Die Volksrepublik China stand vor, während und nach den Olympischen Winterspielen in Peking im Februar 2022 massiv in der Kritik, Athlet:innen, Trainer:innen und Medienvertreter:innen in ihrer Meinungsfreiheit einzuschränken. Grundsätzlich machen es chinesische Gesetze der Bevölkerung des autoritär geführten Regimes praktisch unmöglich, ihre Meinung frei zu äußern oder Proteste und Kundgebungen zu veranstalten.

Auf diese Gesetze verwiesen die chinesischen Sportfunktionär:innen im Vorfeld der Spiele und drohten damit indirekt, Meinungsäußerungen als Straftaten zu deklarieren und entsprechend zu ahnden. Viele Athlet:innen hielten sich daher mit entsprechenden Statements aus reinem Selbstschutz zurück, Medien wurden in ihrer Berichterstattung eingeschränkt (Quellen: sueddeutsche.de, Spiegel online). Amnesty International erklärte, dass sich die Menschenrechtsbilanz in China seit den Sommerspielen im Jahr 2008 nicht verbessert, sondern massiv verschlechtert habe. Die Menschenrechtsorganisation forderte das IOC zu einem deutlichen Kurswechsel auf (Quelle: Amnesty International).

Auch die ausgeklügelten Überwachungsmaßnahmen, beispielsweise über die Olympia-App „My2022“, die permanente Videoüberwachung und ständige Personenkontrollen wurden vielfach angeprangert (Quellen: Deutscher Bundestag, sueddeutsche.de).

China steht nicht nur wegen der Einschränkung vieler Grundrechte seiner Bevölkerung in der Kritik, sondern auch wegen seines Umgangs mit der muslimischen Minderheit der Uiguren sowie seiner Politik gegenüber Hongkong, Tibet und Taiwan.

Diskussion: Dürfen sportliche Großereignisse in Ländern stattfinden, die die Menschenrechte missachten?

Pro & Contra

  • Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun und es gibt keine politische Verantwortung seitens des Sports.
  • Sport hat sowieso nicht die Macht und den Einfluss, politische Systeme zu ändern.
  • Sportliche Großereignisse erzeugen eine solche Strahlkraft, dass gerade so Druck auf die Länder ausgeübt und entsprechende Reformen angestoßen werden können.
  • Wettkämpfe vor heimischer Kulisse erfüllen die Athlet:innen mit Stolz, weshalb sportliche Großereignisse in möglichst vielen Ländern stattfinden sollten, ungeachtet des politischen Systems.
  • Fänden sportliche Großereignisse nur in Demokratien statt, käme das einem westlichen Werteimperialismus gleich.
  • Auch Demokratien sind vor Menschenrechtsverletzungen nicht gefeit.
  • Sport ist immer auch politisch und muss daher politische Implikationen einbeziehen.
  • Die Durchführung eines sportlichen Großereignisses kostet Milliarden, die ggf. an anderer Stelle eingespart werden (Bildung, Infrastruktur usw.).
  • Autoritäre Regime nutzen sportliche Großereignisse für die eigene Propaganda, um sich ins rechte Licht zu rücken („Sportswashing“).
  • Finden sportliche Großereignisse nur in Ländern statt, die die Menschenrechte achten, erhöht das den Druck auf andere Länder, hier nachzuziehen.
  • Athlet:innen sollten nicht in Länder reisen müssen, in denen sie Angst vor politischer Verfolgung haben müssen, etwa wenn die Meinungsfreiheit nicht gewährleistet ist.

Rassismus im Sport

Aufgrund der Komplexität des Themas gibt es gibt keine einheitliche Definition von Rassismus. Vereinfacht gesagt ist Rassismus, wenn Menschen andere Menschen nach äußerlichen oder vermeintlich kulturellen Merkmalen einteilen, die „anderen“ als weniger wert oder weniger gut einstufen und sie ungleich behandeln.

Rassismus gehört zum Alltag

Rassistische und menschenfeindliche Einstellungen und Handlungen finden sich in allen Teilen der Gesellschaft, so auch im Sport. Ein diskriminierender Spruch vom Spielfeldrand, fremdenfeindliche Parolen aus der Fankurve, rassistische Äußerungen der Trainerin, des Sportfunktionärs oder in sozialen Netzwerken bis hin zu tätlichen Angriffen – für viele Athlet:innen gehört Rassismus zum Alltag, obwohl viele Mannschaften, gerade im Spitzensport, multikulturell besetzt sind. Alltags-Rassismus und Diskriminierungen im Sport werden immer noch zu selten erkannt und/oder bagatellisiert (Quelle: Sportministerkonferenz).

Übergreifende systematische Erhebungen zum Thema „Rassismus im Sport“ fehlen jedoch bislang, um das Problem in seiner Gesamtdimension richtig einordnen zu können. Klar ist: Rassismus und andere Formen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gibt es im Breiten- wie im Spitzensport, unabhängig von der Sportart (Quelle: Deutscher Bundestag).

Alltags-Rassismus und Diskriminierungen im Sport werden immer noch zu selten erkannt und/oder bagatellisiert.

Beschlüsse der Sportministerkonferenz 2020

Rassismus bei Fans

Rassismus und Rechtsextremismus in teils gewaltbereiten Fangruppen sind schon seit vielen Jahren im Fokus – vor allem im Fußball gibt es zahlreiche Projekte und Initiativen gegen Diskriminierung und Hass, wie die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Amadeu Antonio Stiftung in entsprechenden Publikationen zeigen.

Struktureller und institutioneller Rassismus

Seit einigen Jahren richtet sich der Blick jedoch nicht nur auf die Fans und individuelle Einzelerfahrungen von Athlet:innen. Viele Sportler:innen prangern mittlerweile strukturelle Probleme im Sport an, etwa wenn Vereine von Migrant:innen bei der Vergabe von Sportstätten immer wieder zuletzt berücksichtigt werden, rassistisches Verhalten in Vereinen totgeschwiegen oder bagatellisiert wird oder im deutschen Profifußball rassistische Stereotype bei der Vergabe von Spielpositionen bewusst oder unbewusst eine Rolle spielen, wie eine Kurzstudie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors herausfand.

Die USA sind hier schon weiter: Befeuert durch die allgemeine Rassismusdebatte im Land und die „Black Lives Matter“-Bewegung kam es 2020 zu Spielboykotten in Profiligen wie der NBA (Quelle: fluter). Einige Football-, Baseball- und Basketballclubs haben mittlerweile rassistische Logos und Vereinsnamen abgelegt. Die Organisation „Black Players For Change“ setzt sich für Gleichstellung ein und es gibt Initiativen für mehr Diversität beim Führungspersonal (Quelle: SWR).

In Deutschland engagiert sich beispielsweise das „Netzwerk Sport und Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde“ gegen Rassismus und Diskriminierung. Dem Netzwerk gehören unter anderem der Deutsche Olympische Sportbund, die Deutsche Sportjugend und der Deutsche Fußball-Bund an. Sportler:innen wie die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Athletes of Colour“ etwa fordern neben öffentlichkeitswirksamen Kampagnen gegen Rassismus – in allen Sportarten, nicht nur im Fußball – auch einen grundlegenden Wandel im Sport- und Vereinsleben. Dazu gehören unter anderem Sensibilisierungsschulungen für Trainer:innen und Vereinspersonal, die Einführung klarer Verfahren und Sanktionen bei rassistischem Verhalten und grundsätzlich mehr Diversität unter Führungskräften im Sport.

Nach oben

Rechtsextremismus im Sport

Rechtsextremismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Generell gehen Rechtsextremist:innen von einer Ungleichwertigkeit von Menschen aus, was dem Menschenrecht, dass alle Menschen gleich viel wert sind, fundamental entgegensteht. Rassistische und andere Personengruppen diskriminierende Einstellungen sind daher grundlegender Bestandteil von Rechtsextremismus.

In Deutschland gibt es zunehmend Verbindungen zwischen der extremen Rechten und Vereinen von Kampfsport.

Modellprojekt Vollkontakt

Rechtsextremismus bei Fußballfans

Während rechtsextremes Verhalten in den Stadien in den 2000er-Jahren rückläufig war (Quelle: BISP), treten seit einigen Jahren offen rechtsextreme Fangruppen in den Profiligen wieder vermehrt in Erscheinung. Dies korreliert mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. So gibt es an mehr als 20 Standorten in ganz Deutschland offene Konflikte zwischen antidiskriminierenden Fan- und Ultragruppen auf der einen Seite und rechtsextremen und teils gewaltbereiten Fan-, Ultra- und Hooligangruppen auf der anderen Seite. Die Vereine und Verbände, die Lokalpolitik und lokalen Medien, der Sicherheitsapparat vor Ort und lokale zivilgesellschaftliche Akteur:innen stehen solchen Gruppierungen teils hilflos gegenüber, teils reagieren sie zu zaghaft, unentschlossen und inadäquat. Um rechtsextreme Strömungen zurückzudrängen, sind jedoch das entschiedene Zusammenwirken aller Akteur:innen, eine dauerhafte Antidiskriminierungsarbeit sowie konsequente Sanktionen gegen rechtsextreme und diskrimierende Fans zentral.

Deutschlandweit fehlt es zum einen an mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus, die die Akteur:innen vor Ort mit ihrer Expertise unterstützen und beim Aufbau entsprechender Strukturen helfen können. Zum anderen gibt es bis heute kein zentrales Melderegister, das rechtsextreme, diskriminierende und gewalttätige Vorfälle in Fußballfankulturen erfasst. Dies wäre jedoch hilfreich, um die Größenordnung des Phänomens und dessen politische Dimension einordnen zu können (Quelle: Brunßen/Claus).

Einen wichtigen Beitrag leisten die aktuell über 60 sozialpädagogischen Fußball-Fanprojekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung in den oberen Fußballligen. Durch ihre Arbeit sollen die „Selbstregulierungskräfte der Fankultur“ aktiviert werden, so dass sich Fans für eine diskriminierungsfreie Fankultur engagieren. Die Fanprojekte wurden bereits mehrfach mit demJulius-Hirsch-Preis gegen Diskriminierung des Deutschen Fußballbunds ausgezeichnet (Quellen: Deutscher Bundestag, BpB).

Rechtsextremismus im Verein

Über rechtsextremistische Einstellungen in Sportvereinen ist wenig bekannt, weshalb die Mitte-Studie 2020/2021 der Friedrich-Ebert-Stiftung erstmals miterhoben hat, ob die Befragten Mitglieder in Sportvereinen sind. Seit 2006 führt die Stiftung diese Erhebungen zu rechtsextremen Einstellungen in der deutschen Gesellschaft durch.

Die Ergebnisse von 2020/2021 zum Vereinssport sind ambivalent: Einerseits befürworten Sportvereinsmitglieder eher kulturelle Vielfalt und identifizieren sich eher mit der Demokratie als die gesellschaftliche Mitte. „Andererseits geht eine Vereinsmitgliedschaft viel häufiger mit Abwertungen von Minderheiten einher, indem Diskriminierung von Minderheiten nicht nur beharrlicher geleugnet wird, sondern ebenso von Sportvereinsmitgliedern eine viel zu hohe Rücksichtnahme auf Minderheiten in der Gesellschaft beklagt wird.“ Zudem zeigt die Studie, dass insbesondere männliche Vereinsmitglieder zu „rechtsextremen Dimensionen von Chauvinismus und Sozialdarwinismus wie Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit neigen“.

Seit 2010 führt die Bundeszentrale für politische Bildung im Auftrag des Bundesinnenministeriums das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ durch. Das Programm fördert Projekte zur Stärkung demokratischer Teilhabe und gegen Extremismus und richtet vor allem an Vereine, Verbände und Multiplikatoren. Im Rahmen des Programms wurden und werden auch zahlreiche Projekte von Sportvereinen und Sportverbänden unterstützt.

Rechtsextremismus im Kampfsport

Dem Sportbereich Kampfsport widmet sich seit 2020 das Modellprojekt „VOLLKONTAKT – Demokratie und Kampfsport“, bei dem es um die Prävention von Gewalt und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geht, mit besonderem Fokus auf die in Deutschland zunehmenden Verbindungen zwischen der extremen Rechten und dem Sektor Kampfsport.

Robert Claus, Rechtsextremismusforscher, Buchautor und Projektmitarbeiter bei „Vollkontakt“, warnt in seinem Buch „Im Kampf“ vor einer „Professionalisierung der extremen Rechten“ im Kampfsport. Es gebe mittlerweile ein internationales Netzwerk, zu dem Fitnessstudios, Modelabels und Kampfsportevents gehören. Diese professionellen Strukturen im Kampfsport hätten Sportvereine, Politik und Sicherheitsbehörden noch zu wenig im Blick, so seine Einschätzung. Weitere Einblicke ins Thema bietet ein Expert:inneninterview der BpB.

Antisemitismus im Sport

Antisemitismus ist die Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden. Ihnen werden in verallgemeinernder Form negative Eigenschaften, angebliche körperliche und charakterliche Merkmale, zugeschrieben. Antisemitismus reicht allerdings über die Feindschaft gegen konkrete Personen hinaus. Er dient als eine Form der Welterklärung, die Jüdinnen und Juden für politische, ökonomische und soziale Prozesse verantwortlich macht.

Zunahme von Antisemitismus

Antisemitismus im Sport und insbesondere im Fußball ist keine Seltenheit; antisemitische Vorfälle nehmen in der Wahrnehmung von Sportler:innen seit Jahren wieder zu. Daher hat der jüdische Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland mit insgesamt 37 Ortsvereinen und knapp 5.500 Mitgliedern (Stand: 2020) gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland im Jahr 2021 das Projekt „Zusammen1“ ins Leben gerufen. Zum Projektstart kam die Studie „Zwischen Akzeptanz und Anfeindung – Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine in Deutschland“ heraus. Sie ergab, dass 39 Prozent der Makkabi-Athlet:innen bereits einmal oder mehrmals von einem antisemitischen Vorfall betroffen waren. Im Fußball waren es sogar 68 Prozent.

39 Prozent der Makkabi-Athlet:innen waren bereits einmal oder mehrmals von einem antisemitischen Vorfall betroffen. Im Fußball waren es sogar 68 Prozent.

Studie „Zwischen Akzeptanz und Anfeindung“

Antisemitismus bei Fans

Die Bandbreite an Vorfällen ist groß und reicht von Hakenkreuz-Schmierereien in Turnhallen oder Umkleidekabinen über verbale Beleidigungen und Fangesänge im Kontext von Verschwörungsmythen oder in Bezug auf die Verbrechen des Nationalsozialismus (Post-Shoa-Antisemitismus) bis hin zu gewaltsamen Übergriffen. Vielfach tarnt sich Antisemitismus auch in Form von Kritik an Israel und seiner Politik. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Vorfällen zwischen Makkabi-Vereinen und migrantischen Clubs.

Juden sind zwar als Gruppe im Stadion oder in der Halle nicht sichtbar, aber der Begriff „Jude“ wird pauschal verwendet, um den Gegner abzuwerten und zu beleidigen. Im Unterschied zu anderen Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wie Rassismus oder Islamfeindlichkeit werden Juden jedoch nicht automatisch als Unterlegene gesehen. Vielmehr wird das Klischee des reichen, gierigen und kühl kalkulierenden Juden aus Verschwörungstheorien bemüht (Quelle: BpB).

Prävention gegen Antisemitismus im Sport

Antisemitismus im Sport und insbesondere im Fußball ist seit Jahrzehnten als Problem bekannt. Fanprojekte nehmen sich des Themas an. Es gab und gibt Initiativen wie den Erinnerungstag „Nie wieder!“ im deutschen Fußball oder die jährliche Vergabe des Julius-Hirsch-Preises gegen Diskriminierung des Deutschen Fußballbunds. Dennoch sehen 72 Prozent der Makkabi-Befragten deutsche Sportvereine nicht angemessen auf den Umgang mit einem antisemitischen Vorfall vorbereitet. Vor allem im Amateursport wird Antisemitismus hingenommen und bagatellisiert. Unter anderem hier setzt das Präventionsprojekt „Zusammen1“ an der Schnittstelle zwischen organisiertem Sport und antisemitismuskritischer Bildungsarbeit an. Neben weiterer empirischer Sozialforschung zum Thema bietet das Projekt Sportvereinen Beratung, Schulungen und praktische Trainingseinheiten an. Zudem wurde eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle im Sport eingerichtet, um auch strukturell etwas zu verändern.

Sexismus im Sport

Sexismus ist die Benachteiligung, Abwertung und Unterdrückung einer Person oder einer Gruppe aufgrund ihres Geschlechts. Bei dieser Art von Diskriminierung gehen Menschen davon aus, dass Geschlechter eine Rangfolge haben, also zum Beispiel Männer mehr wert sind als Frauen (Quelle: BpB).

In männerdominierten Sportarten müssen sich Mädchen und Frauen immer noch sexistische Sprüche anhören.

Deutschlandfunk Kultur

Strukturelle Benachteiligungen für Frauen

Sport gilt als Männerdomäne, weshalb Sexismus weit verbreitet ist. In einer SWR-Umfrage mit über 700 Spitzensportlerinnen gab jede dritte Sportlerin an, sie erlebe in ihrer Sportart Sexismus und werde von ihrem Verband nicht genauso unterstützt wie ihre männlichen Kollegen. Sexismus zeigt sich auf vielfältige Weise, etwa in sexistischen Sprüchen, frauenfeindlichen Kommentaren in den sozialen Medien bis hin zu sexueller Gewalt gegenüber Athletinnen. Eine Recherche von NDR und Süddeutscher Zeitung, die zur Frauen-Fußball-EM im Juli 2022 ausgestrahlt worden ist, macht deutlich, wie alltäglich und allgemein akzeptiert Sexismus im Frauenfußball ist (Quelle: NDR).

Viele Sportlerinnen und Forschende machen aber auch auf strukturelle Probleme aufmerksam. Weibliche Sportlerinnen erhalten etwa bei Wettkämpfen ungünstigere Trainings- oder Wettkampfzeiten oder dürfen an weniger Trainingslagern teilnehmen als Männer. In leitenden Positionen sind Frauen als Trainerinnen oder Funktionärinnen unterrepräsentiert (Quelle: Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen). Meist nur für Frauen gelten Kleidervorschriften mit sehr kurzer und enger Kleidung, in denen sich viele Sportlerinnen unwohl fühlen. Und über die Hälfte der vom SWR Befragten beklagt sich über sexualisierte Fotos von Pressefotograf:innen auf Brusthöhe oder unter den Rock.

Frauen im Sport sind außerdem weitaus weniger sichtbar: Nur zehn Prozent der Sportberichte in den Medien sind über Frauen – eine Ausnahme bilden hier die Olympischen Spiele. Frauen verdienen weitaus weniger im Sport als Männer, erhalten geringere Preisgelder und haben niedrigere Einnahmen über Sponsoren oder Werbung. In der Forbes-Liste der 50 reichsten Sportler:innen finden sich nur zwei Frauen (Quelle: Forbes). Schaffen es Spitzensportlerinnen in die Werbung, dann werden sie fast ausschließlich auf ihre Attraktivität und ihre sexuelle Ausstrahlung reduziert. Wie in der Gesamtgesellschaft, so ist auch der Sport noch weit entfernt von einer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Doch es tut sich etwas, wenn auch nur in kleinen Schritten (Quellen: SWR, Spiegel online, Deutschlandfunk Kultur).

Homophobie im Sport

Homophobie und Transphobie bedeutet die Feindseligkeit gegenüber Menschen, die eine andere sexuelle Orientierung als die heterosexuelle haben oder Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität erfahren. Dies umfasst die gesamte LGBTQI*-Community, also Menschen, die lesbisch, schwul (engl. gay), bisexuell, transsexuell, queer oder intersexuell sind. Homophobe Menschen verletzen durch ihre Einstellung und ihr Verhalten den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung.

96 Prozent der befragten LGBTI*-Sportler:innen aus Deutschland sagten, dass es im Sport ein Problem mit Homophobie und Transphobie gebe.

Outsport-Studie 2019

Homophobie im Sport weit verbreitet

Sport wird nach wie vor mit Attributen wie Stärke, Leistungsorientierung, Durchsetzungsvermögen und Dominanz assoziiert, die wiederum als typisch männlich gelten. Im Sport herrschen also stereotype Vorstellungen über Geschlechter und sexuelle Orientierungen vor. Dies ist einer der Gründe, warum Homophobie und Transphobie im Sport weit verbreitet sind (Quelle: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld).

So gaben in der Studie „Outsport – Sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Sport“ von 2019 96 Prozent der befragten LGBTI*-Personen aus Deutschland zu Protokoll, dass es im Sport ein Problem mit Homophobie und Transphobie gebe. Ein Fünftel der Athlet:innen gab zudem an, sich aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von bestimmten Sportarten ausgeschlossen zu fühlen. Hier wurde an erster Stelle Fußball genannt, aber auch Schwimmen, Tanzen und Kampfsport. Fast die Hälfte der Befragten nahm homophobe oder transphobe Sprache in ihrer Sportart wahr, 16 Prozent hatten bereits persönlich negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität gemacht. An der Outsport-Studie nahmen insgesamt mehr als 5.500 Befragte aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten teil, darunter 858 Sportler:innen aus Deutschland.

Das Projekt „Gemeinsam STARK“ des Landessportbundes Sachsen-Anhalt setzt sich dafür ein, Homosexualität im Sport zu enttabuisieren und den Vielfaltsgedanken zu stärken. Doch das ist dem Lesben- und Schwulenverband zu wenig: Er fordert seit Jahren einen umfassenden Aktionsplan gegen Homophobie im Sport.

Homophobie im Fußball

Dass Homophobie insbesondere im Fußball weit verbreitet ist und weniger in Frage gestellt wird als beispielsweise Rassismus, zu diesem Ergebnis kommt auch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Es spricht in diesem Zusammenhang von einer Hierarchie der Diskriminierungen. Homophobe Fangesänge würden vielfach zum Standardrepertoire in Stadien gehören und Homosexualität sei weiterhin ein Tabu (Quelle: BISP). Nach wie vor gibt es nur wenige geoutete aktive Sportler:innen, geschweige denn Fußballer:innen. Denn die Angst vor den negativen Auswirkungen auf die Karriere oder den Reaktionen im Stadion sind groß. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat in Kooperation mit der Universität Vechta die Initiative „Fußball für Vielfalt“ ins Leben gerufen, um Homofeindlichkeit auf allen Ebenen des Fußballs zu begegnen. Auch in immer mehr Bundesligavereinen gibt es Fanclubs mit einer LGBTQI*-Community (Quelle: Deutschlandfunk).

Wer engagiert sich für Menschenrechte im Sport?

Politische Ebene

Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen im Sport haben in den vergangenen Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit erfahren. Sportpolitik ist in Deutschland Ländersache, in Baden-Württemberg ist das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport zuständig. Im Landessportplan 2022 spielt zwar der inklusive Sportunterricht eine wichtige Rolle, doch darüber hinaus finden Menschenrechte und Diskriminierung keine explizite Erwähnung.

Auf Bundesebene ist das Bundesinnenministerium unter anderem bei der Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport aktiv. Über deren Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ sowie dasBundesprogramm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums werden zudem Projekte gefördert, die im Zusammenhang mit Sport und Formen der Diskriminierung, Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Extremismusprävention stehen. Im Deutschen Bundestag widmen sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und der Sportausschuss immer wieder Menschenrechtsverletzungen im Sport.

Auf europäischer Ebene sind der Europarat mit dem Enlarged Partial Agreement on Sport (EPAS) und auf internationaler Ebene die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) und der UN-Menschenrechtsrat zentral.

Zivilgesellschaftliche Akteur:innen

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Amnesty International, Human Rights Watch oder Transparency International prangern immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Korruption vor allem im Zusammenhang mit sportlichen Großereignissen wie Weltmeisterschaften oder den Olympischen Spielen an.

Einige NGOs und Gewerkschaften haben sich zur Sport & Rights Alliance zusammengeschlossen, um die Menschenrechte im Sport zu stärken, auf Verstöße aufmerksam zu machen und gegen Korruption zu kämpfen. Zudem gibt es mit dem Centre for Sports and Human Rights eine Menschenrechtsorganisation, die sich explizit dem Thema Sport annimmt.

Auf deutscher Ebene sind in diesem Zusammenhang das Zentrum für Menschenrechte und Sport, das Netzwerk Sport und Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde und der Verein „Athleten Deutschland“ zu nennen.

Auf Landesebene sind die jeweiligen Landessportverbände aktiv, wie zum Beispiel eine Übersicht des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ zeigt. Der Landessportverband Baden-Württemberg unterstützt mit dem Projekt „Zusammenhalt im Sport in Baden-Württemberg“ Vereine darin, sich gegen Menschenfeindlichkeit klar zu positionieren und für Demokratie einzusetzen. Dazu begleiten unter anderem Coaches die Sportvereine bei der Erarbeitung und Umsetzung von Werteleitbildern und bieten Beratung bei Problemen und konkreten Vorfällen an.

Fazit

Respekt, Toleranz und Fairplay sind zentrale Werte des Sports, Vielfalt bereichert jeden sportlichen Wettkampf. Dennoch werden auch im Sport Menschenrechte verletzt, Menschen diskriminiert, ausgegrenzt und ausgebeutet. Der Schutz der Menschenrechte muss in Zukunft eine viel zentralere Bedeutung im Sport erhalten als bisher. Dazu braucht es die Anstrengung jedes und jeder Einzelnen, aber auch eine Veränderung und Weiterentwicklung der Vereins- und Verbandsstrukturen sowie klarere Vorgaben seitens der Politik auf nationaler und internationaler Ebene.

Denn klar ist auch: Sport besitzt eine enorme integrative und demokratiefördernde Kraft. Er verbindet Menschen aus allen Teilen der Bevölkerung und der Erde, schafft Orte der Gemeinschaft und der Zugehörigkeit und bietet Möglichkeiten der Teilhabe. Dieses Potenzial für eine friedlichere und gleichberechtigtere Welt gilt es zu nutzen.

Materialien zum Weiterlesen

Quellen & weitere Links

LpB-Dossiers zum Weiterlesen

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Unter dem Begriff Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, abgekürzt GMF, fasst man unterschiedliche Formen der Abwertung von konstruierten Menschengruppen zusammen. Wie das GMF-Konzept genau aussieht, welche Facetten von GMF es gibt und was an diesem Ansatz kritisiert wird, erklären wir in diesem Dossier.
mehr

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor. In diesem Dossier erläutern wir verschiedene Definitionen und beleuchten rechtsextreme Einstellungen, Spektren und Strategien.
mehr

Antisemitismus

Judenfeindschaft und der Hass auf alles Jüdische existiert schon sehr lange; Antisemitismus bleibt ein gesellschaftliches Problem. Welche Formen des Antisemitismus es gibt, welche Verschwörungstheorien existieren sowie die Geschichte des Begriffs „Antisemitismus“ sind Thema dieses Dossiers.
mehr

Rassismus

In diesem Dossier möchten wir uns dem komplexen Begriff „Rassismus“ annähern, indem zunächst zwei Fragen beleuchtet werden: Was unterscheidet eigentlich die Konstrukte „Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit“ von Rassismus? Und wie funktioniert die Spaltung zwischen „uns“ und „ihnen“?
mehr

LpB-Publikationen zum Thema

Gefundene Artikel: 4

Abbildung -Handreichung Friedensbildung: Frieden und Menschenrechte
Friedensbildung AKTUELL

Handreichung Friedensbildung: Frieden und Menschenrechte

Unterrichtsideen für die Schule

Ausgabe 01-2023
 

 

LpB, Servicestelle Friedensbildung
Stuttgart 2023 , 4 Seiten
Der Artikel ist nicht lieferbar.
Preis: kostenlos
Download 0,7 MB (PDF BARRIEREFREI)
Abbildung -P&U 2014-3/4 Menschenrechte
Politik & Unterricht

P&U 2014-3/4 Menschenrechte

Unveräußerlich - universell - unteilbar

Heft 3/4-2014

LpB
Stuttgart 2014 , 62 Seiten
Der Artikel ist nicht lieferbar.
Preis: kostenlos
Download 6,2 MB
Abbildung -LK 43 Forderungen des Volkes - jetzt kostenlos
Landeskundliche Reihe Bd. 43

LK 43 Forderungen des Volkes - jetzt kostenlos

Menschenrechte und Geschichte. Die 13 Offenburger Forderungen des Volkes von 1847

Hrsg.: Sylvia Schraut, Peter Steinbach, Wolfgang M. Gall und Reinhold Weber
Stuttgart 2015 , 318 Seiten
Der Artikel ist nicht lieferbar.
Preis: kostenlos

E-Pub (3,8 MB, kostenlos) //Mobi (6,1 MB, kostenlos)
Abbildung -Voll in Ordnung – unsere Grundrechte (Grundrechte Fibel)
Lernmedium

Voll in Ordnung – unsere Grundrechte (Grundrechte Fibel)

Bestellungen sind nur aus Baden-Württemberg möglich

Grundrechtefibel (Grundgesetz-Wissen) für Kinder...

LpB, Herder
Stuttgart 2022 , 128 Seiten
Der Artikel ist lieferbar.
Preis: kostenlos
Download 2,8 MB

Autor: Internetredaktion LpB BW | letzte Aktualisierung: November 2022.

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.