Die Folgen der Corona-Krise

Wie verändert sich unser Alltag durch die Pandemie?

Die Corona-Pandemie beherrscht seit Monaten unser Leben. Die negativen Folgen der Krise sind in allen Lebensbereichen deutlich zu spüren. Gleichzeitig stößt die Viruskrise Diskussionen an: Birgt der Digitalisierungsschub etwa Chancen für die Arbeitswelt und das Bildungssystem? Wie sieht unser Leben seit Covid-19 aus und wie könnte sich unsere Gesellschaft durch Corona verändern? 

Hinweis: Dieses Dossier ist ein Archiv-Dossier und wird nicht mehr aktualisiert (letzte Aktualisierung: August 2021).

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Kurz & knapp: Die Folgen der Corona-Krise

Digitalisiert Corona die Arbeitswelt?

  • Corona beschleunigt laut Untersuchungen die Digitalisierung der Arbeitswelt.
  • Der Anteil aller Beschäftigten, die im Homeoffice arbeiten, ist durch Corona von zwölf auf 25 Prozent gestiegen. Das erhöht nicht nur auf Unternehmen den Druck, eine digitale Infrastruktur für das Arbeiten von Zuhause zu schaffen. Es kommt auch die politisch diskutierte Frage auf, ob ein Recht auf Homeoffice gesetzlich verankert werden muss. 
  • Laut Studien wird Homeoffice überwiegend als positiv bewertet.

Welche Auswirkungen hat Corona auf die Wirtschaft?

  • Die deutsche Wirtschaft hat 2020 die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte erlebt.
  • Das Bruttoinlandsprodukt ist 2020 um 4,9 Prozent gegenüber 2019 zurückgegangen.
  • Der Arbeitsmarkt wurde 2020 laut Bundesagentur für Arbeit durch den massiven Einsatz von Kurzarbeit gestützt.
  • Corona-Hilfen: Die Bundesregierung hat Unternehmen, Selbständige und Beschäftigte seit Beginn der Corona-Krise bis Anfang 2022 mit rund 170 Milliarden Euro gestützt.
  • Inwiefern sich Deutschland und der Euroraum von den Auswirkungen der Krise erholen wird, ist derzeit nicht abzuschätzen. 

Wie verändert Corona unsere Gesellschaft? 

  • Die Mehrheit der Deutschen hält die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie für angemessen. Die Akzeptanz der Maßnahmen unterliegt allerdings Schwankungen.
  • Die Krise macht soziale Unterschiede sichtbarer und verschärft die Probleme bestimmter Bevölkerungsgruppen.
  • Frauen leisten noch mehr unbezahlte Arbeit als vor der Krise, gleichzeitig ist der Beitrag von Vätern zur Care-Arbeit gestiegen. Ob es mehr Gleichberechtigung geben wird oder ob traditionelle Geschlechterrollen festgeschrieben werden, wird sich erst noch zeigen.
  • Die häusliche Gewalt nimmt seit der ersten Phase der coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu. 
  • Auch die Auswirkungen der Viruskrise auf die Psyche sind enorm: die massiven Einschränkungen im Alltag fördern bei vielen Menschen das Entstehen von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie psychosomatischen Beschwerden. 
  • Unter der Krise leiden vor allem auch Kinder und Jugendliche. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es ihnen seit der Pandemie deutlich schlechter geht.

Bringt Corona die Digitalisierung an Schulen voran?

  • Bei der Digitalisierung der Schulen gibt es noch immer großen Nachholbedarf.
  • Studien aus 2020 zeigen: Jede zweite Schule in Baden-Württemberg hat große Schwierigkeiten, durch die Corona-Krise zu kommen. Schüler:innen haben weniger gelernt.
  • Ob die Pandemie langfristig für einen Digitalisierungsschub sorgt oder eher eine Rückbesinnung auf analoges Lernen bewirken könnte, ist noch offen.
  • Corona verschlechtert die Bildungschancen Benachteiligter weiter und das Bildungssystem wird undurchlässiger.

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Themen-Überblick: Die Folgen von Corona

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Aufsatz: Folgen der Corona-Krise – Verzeihen allein wird nicht reichen

von Ralf Engel (2021)

Der nachfolgende Beitrag stammt aus dem Heft „Politik und Gesellschaft in Zeiten der Corona-Krise" (D&E 81-2021) aus der Reihe „Deutschland & Europa" und wurde von der Internetredaktion angepasst.

Ralf Engel führt in seinem Beitrag zum Themenkomplex hin und fasst die Kernaussagen der Artikel des Heftes zusammen. Die Themen sind: Herausforderungen für den demokratischen Rechtsstaat, Corona und soziale Ungleichheit, die Pandemie als Verschwörung und die Krise als Chance.

Heft D&E 81-2021 

Die Pandemie hält uns nach wie vor in Atmen: Stand Anfang Mai 2021 haben sich in Deutschland insgesamt mehr als 3,4 Millionen Menschen infiziert, über 80.000 sind im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion gestorben, das ist ungefähr einer von 1.000 Bundesbürgern. Global sind über 153 Millionen Infizierte und 3,2 Millionen Todesfälle zu beklagen.

Angesichts dieses Leids muten die Einschränkungen des Berufs- und Alltagslebens in der langen „Corona-Zeit“ beinahe nebensächlich an, dennoch sind durch die vielfältigen Maßnahmen zur Einhegung des Infektionsgeschehens unbestritten viele Härten und Ungerechtigkeiten entstanden. Man denke nur an die Schließungen im Einzelhandel, der Museen und Theater, aber auch der Schulen und Kitas, um nur einige Beispiele zu nennen. Manche Betroffene tun ihren Unmut mit lautstarkem Protest kund, auf Demonstrationen werden häufig weder der medizinisch gebotene noch der Abstand zu radikalen Gruppierungen eingehalten. Vertreter:innen aus Politik, Medien und Wissenschaft werden in Sträflingskleidung dargestellt, der Ton wird immer rauer, Bruchlinien, die schon vorher in der Gesellschaft angelegt waren, vertiefen sich und werden durch ein neues, emotional hoch aufgeladenes Polarisierungsthema ergänzt. Eine inklusive Öffentlichkeit scheint nicht mehr zu existieren, sie zerfällt in mehr oder minder lautstarke Echokammern. In diesem Kontext ist der vielzitierte Satz von Gesundheitsminister Jens Spahn bereits aus dem April 2020 zu verstehen: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“

Die Herausforderung des Heftes von Deutschland & Europa zum Thema: Politik und Gesellschaft in Zeiten der Corona-Krise bestand nun darin, hinter dieser alles beherrschenden Aktualität die tieferen Ursachen und Strukturen der Verwerfungen, die durch das Virus teilweise erst virulent geworden sind, herauszuarbeiten und Folgen zu beleuchten, die uns noch lange beschäftigen werden. Es geht also um nichts weniger als um das Zusammenleben in unserer Gesellschaft, das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit im demokratischen Rechtsstaat, mögliche Bedrohungslagen für die parlamentarische Demokratie sowie die Frage nach sozialer Gerechtigkeit – gerade auch mit Blick auf die globalen Entwicklungen.

Vor dem Hintergrund der in dieser Ausgabe von Deutschland & Europa ausgeführten tiefgreifenden Konsequenzen der Corona-Krise auf Politik und Gesellschaft kann es „nach Corona“ folglich nicht nur darum gehen, einander zu verzeihen, sondern politische und zivilgesellschaftliche Akteure müssen gemeinsam tätig werden, um die offengelegten Bruchstellen zu beseitigen. Dies wird dadurch erschwert, dass es immer schwieriger zu werden scheint, ein gemeinsames Fundament, basierend auf allgemein anerkannten Fakten, zu finden, was einen rationalen öffentlichen Diskurs erschwert. Trotz alledem muss Verzeihen, das sich auf die persönliche Ebene erstreckt, dringend von Anstrengungen hin zu mehr Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit sowie zu mehr Partizipation und Repräsentation im politischen Prozess flankiert werden, um die in diesem Heft thematisierten Gräben wieder ein Stück weit zu schließen.

Zwischen Gesundheitsschutz und Freiheit: Herausforderungen für den demokratischen Rechtsstaat

„Mehr Diktatur wagen“ fordert der Schriftsteller Thomas Brussig in seinem vielbeachteten, provokanten Gastbeitrag in der SZ (Brussig, 2021), in dem er das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit hin zu dem Pol „Sicherheit“ auflöst. Da „der effektive Pandemiebekämpfer […] auf der Höhe der Forschung sein“, der „demokratische Pandemiebekämpfer hingegen […] eine Mehrheit gewinnen, einen Konsens bilden und einen Kompromiss finden“ müsse, wähnt er die westlichen Demokratien aufgrund mangelnder Effizienz in einem Wettbewerbsnachteil. Für ihn zählt in der Pandemie nur die Wissenschaft, die Menschenleben rette. Deshalb müssten die Grundrechte vorübergehend eingeschränkt werden, da der Schutz des Lebens an oberster Stelle stehe. Dies ermögliche dann eine umso raschere Rückkehr zur Normalität „mit ihren Freiheiten und Grundrechten.“ 

Dem widerspricht der Historiker René Schlott ebenfalls in der SZ („Der Freiheit eine Gasse“) vehement (Schlott, 2021), indem er mit Blick auf das Grundgesetz darauf verweist, dass nicht der Schutz des Lebens, sondern die durch die Ewigkeitsklausel geschützte Würde des Menschen als fundamental zu erachten sei. Deshalb gebe es mit Blick auf die Pandemie auch nicht DIE Wissenschaft, die schon allein aufgrund ihrer unterschiedlichsten Disziplinen keine Eindeutigkeit liefern könne. Es existierten also Alternativen, weshalb der demokratische Prozess seine zentrale Rolle behalten müsse.

In beiden Texten geht es letztlich um das Verhältnis von Demokratie und Wissenschaft, das uns nicht nur im Kontext der Pandemie, sondern auch mit Blick auf den Klimawandel vor Herausforderungen stellt. Die Position Brussigs ist angesichts der dramatischen Zahlen zwar nachvollziehbar, doch die Forderung, die Grund- und Bürgerrechte rigoros einzuschränken, ist in Anbetracht angeborener Rechte, aber auch künftiger Krisen, die eben falls nach Beschränkungen rufen werden, nicht ohne Risiko. Denn die Gefahr, dass sich Menschen an die Einschränkungen der Grund- und Bürgerrechte gewöhnen, dass diese somit ein stückweit verhandelbar werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Geboten ist demgegenüber die Berücksichtigung vielfältiger Perspektiven und somit ein differenziertes Austarieren zwischen den Polen Freiheit und Sicherheit.

Immer wieder wird auch die Exekutivlastigkeit der politischen Entscheidungsfindung im Kontext der Pandemie kritisiert, bei dem die von den Bürger:innen direkt legitimierten Parlamente nahezu bedeutungslos würden. So wurden viele Entscheidungen auf Ebene der Exekutive, also zwischen Bundeskanzlerin und den Ministerpräsident:innen getroffen und das Ergebnis dann im Parlament vorgestellt. Genau mit diesen Fragen befasst sich Prof. Hans-Jürgen Papier in seinem Beitrag „Die Corona-Krise als Herausforderung für den Rechtsstaat“. Er sieht in den „massiven und intensiven Freiheitsbeschränkungen […] eine Zumutung für die rechtsstaatliche Ordnung eines liberalen Verfassungsstaates“, wodurch aber noch „keine Aussage über ihre Rechtsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit getroffen“ sei. Die vielfältigen Verbote seien durch exekutivische Rechtsverordnungen geregelt, die wiederum auf einer gesetzlichen Ermächtigung durch das Parlament beruhten. Diese sei durch § 28a des Infektionsschutzgesetzes zwar grundsätzlich gegeben, zumal Grundrechte aus Gründen des Gemeinwohls ja durchaus eingeschränkt werden könnten. Dennoch betont Papier, dass derart weitreichende Freiheitsbeschränkungen „zu Lasten der gesamten Bevölkerung“ vom Gesetzgeber zu treffen seien und bezweifelt, ob „den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts hinreichend Rechnung getragen“ wurde. Denn die „unerlässlichen Abwägungsentscheidungen zwischen den divergierenden Schutzgütern von Gesundheit und Leben der Bevölkerung einerseits und den Freiheits- und Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger“ andererseits seien dem vom Volk gewählten Parlament vorbehalten. Dabei dürfe die Gesundheit nicht allein auf den körperlichen Aspekt reduziert werden, sondern müsse auch das geistige und soziokulturelle Wohlergehen miteinschließen. Dr. Tamara Ehs weist in ihrem Aufsatz „Demokratie in unsicheren Zeiten: Ausnahmezustand als Dauerzustand?“ darauf hin, dass es in der Pandemie eine extreme Ausnahmesituation gegeben habe, ohne dass der verfassungsrechtliche Ausnahmezustand, in dem die Verfassung teilweise aufgehoben werde, eingetreten sei. So hätten „alle unsere demokratischen und freiheitlichen Grundrechte […] auch in der Corona-Krise Bestand gehabt, selbst wenn sie eingeschränkt waren.“

In ihrem Aufsatz konzentriert sie sich in Anbetracht des erwähnten Zielkonflikts v. a. auf die politischen Freiheitsrechte, „die […] für die Teilnahme an der Demokratie […] wesentlich“ sind. Nach Überprüfung dreier Merkmale einer rechtsstaatlich „eingebetteten Demokratie“ (Wahlen, Freiheitsrechte, Gewaltenteilung, Merkel, 2016) kommt sie zu dem Schluss, dass die Demokratie in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Staaten wie beispielsweise Ungarn, „das erste Jahr der Corona-Krise weitgehend unbeschadet überstanden“ hat. Eine große Gefahr sieht sie jedoch in der „Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheiten“ durch die Pandemie, die die „Voraussetzungen zur Partizipation“ am politischen Prozess noch ungleicher verteile. Deshalb bedeute eine „demokratiekonforme Krisenpolitik“ nicht zuletzt, soziale Ungleichheiten abzubauen, aber auch „eine kluge Weiterentwicklung der Demokratie“ voranzutreiben. Dabei führt sie als Beispiel den „Einbezug der Bürgergesellschaft“ in Form von Bürgerräten an.

Auf diesem Weg der „Weiterentwicklung der Demokratie“ nimmt Baden-Württemberg mit seinem Beteiligungsportal eine Vorreiterrolle in Deutschland ein. So diskutiert beispielsweise das „Bürgerforum Corona“ mit rund vierzig zufällig ausgewählten Bürger:innen Probleme, die diese rund um die Pandemie bedrücken, und entwickelt Vorschläge, die von der Politik dann erörtert werden. Während die einen darin ein Mittel sehen, die Repräsentationslücke zu schließen und auch politikferne Bürger:innen einzubinden, kritisieren andere „eine durchaus demokratiegefährdende Substanz“, wenn davon ausgegangen werde, „einfache Bürger würden gute Lösungen finden, zu denen die immer abgehobeneren Politiker nicht mehr in der Lage sind.“ (Fliedner, 2021).

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Corona und soziale Ungleichheit

Soziale Ungleichheit wird durch die Corona-Krise in vielfältigen Dimensionen sichtbar. So befürchtet die Soziologin Jutta Allmendinger durch verstärktes Arbeiten im Home-Office in Verbindung mit geschlossenen Kitas und Schulen einen Rückfall in tradierte Rollenbilder. Mit Blick auf die Generationen kann festgestellt werden, dass sich vor allem die Jüngeren sowohl durch geschlossene Kitas, Schulen und Hochschulen als auch in ihrem Freizeitverhalten sehr stark einschränken mussten, nicht zuletzt um die besonders vulnerablen Kohorten zu schützen, während von den Lockerungen zuerst die Geimpften, das heißt vor allem die Älteren profitieren.

Die Situation der Schüler:innen nehmen Prof. Ludger Wößmann und Dr. Larissa Zierow in ihrem Beitrag „Coronabedingte Schulschließungen und Bildungsgerechtigkeit“ in den Blick, indem sie der Frage nachgehen, welche Auswirkungen die Zeit der Schulschließungen auf die Schüler:innen hatte. Dabei stellen sie angesichts empirischer Belege fest, dass die „eklatante Ungleichheit in den Bildungschancen von Kindern durch die Corona-Krise weiter verschärft“ wurde, was sich auch langfristig in verschärfter sozialer Ungleichheit niederschlagen werde. Während leistungsstärkere Schüler:innen in der oft langen Phase der Schulschließungen auch selbstreguliert lernen konnten, sei dies bei vielen leistungsschwächeren Schüler:innen nicht der Fall gewesen. Dies zeige sich z. B. darin, dass der Rückgang der Lernzeit „für leistungsschwächere Schüler:innen deutlich größer ausfiel als für leistungsstärkere Schüler:innen“, die die vermehrte freie Zeit zudem deutlich weniger für passive Tätigkeiten wie „Fernsehen, Computerspielen und Handy“ verwendeten. Da „einmal ausgefallene Schule nicht leicht wieder aufgeholt werden kann“, gehen Wößmann und Zierow davon aus, dass vor allem die ohnehin schon benachteiligten Kinder und Jugendlichen während des späteren Berufslebens weniger Einkommen erzielen könnten, sodass „sich die Ungleichheit in Deutschland langfristig noch weiter verstärken“ könnte.

Dies hätte wiederum Konsequenzen für das politische System, auf die Dr. Tamara Ehs, wie beschrieben, abhebt. Besondere Bedeutung kommt der sozioökonomischen Ungleichheit zu, die die genannten Dimensionen überlagert und verschärft, die zu Beginn der Pandemie jedoch kaum thematisiert wurde, geschweige denn bei den vielfältigen staatlichen Maßnahmen wie Überbrückungshilfen oder Kurzarbeitergeld im Fokus stand. Es ist schon erstaunlich, dass Alter und Vorerkrankungen zwar von Beginn an als Risikofaktoren erfasst wurden, die sozioökonomische Lage jedoch erst nach einem Jahr Krise in den Fokus rückte, denn die Zusammenhänge liegen ja auf der Hand: Wer in beengten Wohnverhältnissen in einem sogenannten Problemviertel mit schlechterem Zugang zu medizinischer Versorgung lebt, sowohl im Job als auch bei der Fahrt zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln ständig der Infektionsgefahr ausgesetzt ist, der wird nicht nur häufiger infiziert, sondern infiziert auch vermehrt sein Umfeld.

Da Armut ganz unabhängig von Corona mit deutlich verringerter Lebenserwartung einhergeht, kann es nicht verwundern, dass aufgrund von Vorerkrankungen sich nicht nur überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten infizieren, sondern diese auch einen schwereren Verlauf haben und bei den Todesfällen deutlich überrepräsentiert sind.

Inzwischen kann man auch in Deutschland anhand von Daten belegen, dass das Infektionsgeschehen in sozialen Brennpunkten signifikant höher liegt (Fraunhofer, 2021). Diese Zusammenhänge hat Prof. Stefan Sell immer wieder in die Öffentlichkeit getragen und auch für „Deutschland & Europa“ in seinem Aufsatz „Das Corona-Virus als der große Gleichmacher? Oder doch ein „Ungleichheitsvirus“?“ herausgestellt. Er konstatiert, dass man zu Beginn der Pandemie den Eindruck gewinnen konnte, dass es sich bei dem Virus um einen Gleichmacher handle, der „arm und reich gleichermaßen trifft“, dass im weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens jedoch „vorhandene Ungleichheiten in unserer Gesellschaft […] besonders sichtbar geworden sind, zugleich aber auch eine coronabedingte Verschärfung erkennbar wird.“ Dabei seien nicht nur die gesundheitlichen, sondern auch die „ökonomischen und sozialen Lasten der Corona-Krise auf die Bevölkerung“ höchst ungleich verteilt, ebenso wie die Wirkung der pandemiepolitischen Maßnahmen. Diese Ungleichheit sei jedoch nicht dem Virus, sondern vielmehr politischen Entscheidungen anzulasten.

Noch weit dramatischer ist die Lage, wenn man die globale Dimension und dabei exemplarisch die Verfügbarkeit von Impfstoff betrachtet: Während die westlichen Länder für die kommenden Monate weit mehr Impfstoff erworben haben, als sie selbst brauchen, ist die Situation in vielen ärmeren Ländern mehr als prekär. Sollten die Vakzine dort Mangelware bleiben, hätte dies bedrohliche Auswirkungen auf die dortige Bevölkerung und durch Mutanten wiederum auch auf die westlichen Industrieländer. So ist es nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch der politischen und medizinischen Vernunft, die globale Impfinitiative COVAX mit den entsprechenden finanziellen Ressourcen auszustatten.

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Die Pandemie als Verschwörung

Dass in diesen Zeiten des Umbruchs und der Unsicherheit einige Bürger:innen auf der Suche nach Sicherheit auf Verschwörungstheorien stoßen, ist wenig überraschend. Auf diesen Aspekt gehen Tim Schatto-Eckrodt, Svenja Boberg und Prof. Thorsten Quandt in ihrem Aufsatz „Die Pandemie als große Verschwörung“ ein. Die Autor:innen, die in ihrem Aufsatz auch eine ganz konkrete Anleitung anbieten, wie auf Verschwörungstheorien zu reagieren ist, betonen, dass „Angst, Ungewissheit und Kontrollverlust […] Menschen zu verschwörungstheoretischen Erklärungen“ treiben. So sei die „Corona-Pandemie ein fast idealer Nährboden für Verschwörungstheorien.“ Diese würden auch als „politisches Werkzeug“ gegen politisch-gesellschaftliche Eliten eingesetzt, was deren Nähe zum Populismus und den Hass auf Vertreter von „Politik, […] Journalismus oder der Wissenschaft“ erklärt. Während die faktenbasierte Wissenschaft Komplexität abbildet, geben Verschwörungstheorien, die klar zwischen Gut und Böse unterscheiden, für manche eine bessere, weil einfache Orientierung, die dann gleichzeitig mit Kritik an der Elite, von der man sich nicht mehr repräsentiert fühlt, verquickt werden kann.

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Die Krise als Chance?

Wie jede Krise hat Corona vieles auf den Kopf gestellt, aber auch Entwicklungen forciert. Wer hätte im Januar 2020 gedacht, dass viele Meetings nun völlig selbstverständlich online stattfinden, wodurch Zeit gespart und auch die Umweltbelastung reduziert werden kann. Man denke auch an neue Formen der Demokratie, wie die schon erwähnten Bürgerräte, die in der Pandemie Auftrieb bekamen. Prof. Dirk Leuffen nimmt in seinem Beitrag „Die Corona-Krise – eine Chance für die EU?“ mögliche Chancen der Krise auf europäischer Ebene in den Blick. Dabei erläutert er den Umgang der EU mit der Pandemie, die „nach anfänglichem Zurückfallen in nationalstaatliche Reflexe“, wie z. B. den Grenzschließungen, mit dem Pandemie-Wiederaufbauplan (Next Generation EU) in Höhe von 750 Mrd. Euro „integrationspolitisches Neuland betreten“ und Solidarität gezeigt habe. Diese komme auch darin zum Ausdruck, dass der Wiederaufbauplan erstmalig eine Kreditaufnahme der EU an den Kapitalmärkten vorsehe – eine Maßnahme, „die deutlich mit der vorherigen Europapolitik“ breche. All dies sei möglich geworden, da das Virus die Interdependenz der Mitgliedsstaaten bewusstgemacht habe, sodass auch die Bundeskanzlerin, trotz einer kritischen deutschen Öffentlichkeit, auf die Linie des französischen Staatspräsidenten Macron eingeschwenkt sei. Somit sei es durchaus möglich, dass bei einer erfolgreichen Umsetzung des Programms die „Corona-Krise als Beschleuniger von Integration“ wirke, da man durch die Steigerung der (Output-)Legitimation auch die öffentliche Meinung gewinnen, was wiederum „weitere Integrationsentwicklungen begünstigen“ könne.

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Literaturhinweise

  • Brussig, Thomas (2021): Mehr Diktatur wagen, Süddeutsche Zeitung, 09.02.2021, sueddeutsche.de (03.05.2021)
  • Fliedner, Ortlieb (2021): Alle Macht den Räten?, Cicero, 10.05.2021, cicero.de (11.05.2021)
  • Fraunhofer IAIS (2021): Fraunhofer IAIS vs. Corona: Projekt CorASiV, fraunhofer.de  (03.05.2021)
  • Merkel, Wolfgang (2016): Krise der Demokratie? Anmerkungen zu einem schwierigen Begriff, aus: Repräsentation in der Krise?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (40–42/2016), bpb.de (03.05.2021)
  • Schlott, René (2021): Der Freiheit eine Gasse, Süddeutsche Zeitung, 10.02.2021, sueddeutsche.de  (03.05.2021)

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Unterrichtsmaterialien Corona und die Folgen

Politik und Gesellschaft in Zeiten der Corona Krise

Zeitschrift Deutschland&Europa 81/2021

Fünf fachwissenschaftliche Aufsätze über politische und gesellschaftliche Ursachen, Folgen, Maßnahmen und Auswirkungen rund um die Corona-Krise, die von Lehrerinnen und Lehrern didaktisch aufbereitet und durch weitere Unterrichtsmaterialien ergänzt wurden.  

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Wirtschaftspolitik in Zeiten der Corona-Krise

Zeitschrift Deutschland&Europa 80/2020

Sechs fachwissenschaftliche Beiträge beleuchten die wirtschaftspolitischen Ursachen, Folgen und Maßnahmen rund um die Corona-Krise. Diese wurden von Lehrerinnen und Lehrern didaktisch aufbereitet und durch weitere Unterrichtsmaterialien ergänzt.  

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Europas Wirtschaft und Corona

Portal mit Unterrichtsmaterialien

Auf unserem Portal "Europa im Unterricht" gibt es Hintergrundtexte zum Verständnis sowie Materialien und didaktische Hinweise, um das Thema Wirtschaft und die Folgen der Corona-Krise im Unterricht zu behandeln. Zusätzlich zu den Arbeitsblättern und Heften zum Download werden auch Internetseiten und Erklärfilme aufgeführt.

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Unterrichtsstunden zur Corona-Thematik

Seite mit Unterrichtsmaterialien

Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg hat auf einer Seite Unterrichtsmaterialien zur Corona-Pandemie zusammengestellt. Darunter sind Anregungen für den Unterricht für alle Schularten zu finden, die Themen reichen von Händewaschen über Grundrechte und Corona bis hin zu Umgang mit den psycho-sozialen Auswirkungen der Pandemie. Außerdem gibt es Infos zu Corona in einfacher und leichter Sprache.

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Covid-19-Hinweise für Lehrkräfte

Seite mit Unterrichtsmaterialien

Mit einer Sammlung an Materialien will Unicef dabei unterstützen, die aktuellen Ereignisse an die Zielgruppe Kindergarten, Grundschule, Sekundarstufe I und II zu kommunizieren.

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Corona und Nachhaltigkeit

Arbeitsblätter für den Unterricht

Das hessische Kultusministerium hat Unterrichtsmaterial zum Thema Corona und Nachhaltigkeit herausgegeben. Jedes Thema gliedert sich in eine Basisinformation für die Lehrkräfte und ein Arbeitsblatt für den Einsatz im Unterricht. Außerdem gibt es Anregungen für zusätzliche Materialien zu den einzelnen Themenfeldern.

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Pandemie und Mobilität

Bildungsmaterialien

Die COVID-19-Pandemie wirft Fragen nach (globalen) Ungleichheiten in verschiedenen Lebensbereichen neu auf. Das Portal #digital_global hat freie Bildungsmaterialien dazu veröffentlicht. In drei Übungen werden machtkritische Perspektiven auf die Themen Arbeit, Zugang zu Gesundheit und Verschwörungsideologien geworfen.

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Viren und Hygiene

Materialien für den Unterricht

Das Portal Bildungsserver.de bietet eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien zum Thema Viren, Hygiene und Präventionsmaßnahmen für die Grundschule und die Sekundarstufe I und II.

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    Corona Update: ein Jahr mit Covid-19

    Unterrichtseinheit

     In dieser Unterrichtseinheit auf Lehrer-online.de werden die Schülerinnen und Schüler über den aktuellen Stand der Corona-Pandemie informiert. Die Daten werden mithilfe des Internets dem jeweiligen aktuellen Stand angepasst.

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    Tipps für Lernplattformen und Apps

    Themenseite

    Auf einer Themenseite bündelt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Tipps für Lernplattformen und Apps.

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    Moodle, BigBlueButton und h5p

    Offener E-Learning-Kurs

    Moodle – spätestens seit dem Lockdown ist das Lernmanagement-System (LMS) keine Unbekannte mehr. Viele Schulen in Baden-Württemberg nutzen Moodle, um ihre Schüler:innen online zu unterrichten. Doch wie kann man selber Kursräume gestalten? In diesem zusammen mit dem Landesmedienzentrum BW erstellten offenen Online-Kurs zeigen LpB-Teamer in kurzen Videos, wie Sie mit Trainerrechten selber loslegen können, ganz ohne Vorkenntnisse.

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    Unterricht ohne Schule

    Materialien für die digitale Bildung

    Die Bundeszentrale für politische Bildung bündelt auf der Seite aufgrund der deutschlandweiten Schulschließungen Materialien für den Unterricht ohne Schule - vom Arbeitsblatt bis zum Game, vieles digital, manches analog - und sammeln Anregungen rund um digitale Didaktik.

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    Digitales Lernen in der Corona-Krise

    Sammlung digitaler Lernangebote

    Das Portal Bildungsserver.de bietet eine Sammlung kostenloser digitaler Lernangebote für die Grundschule und die Sekundarstufe.

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      Wie gelingt Distanzunterricht?

      Beitrag auf dem Deutschen Schulportal

      Viele Schulen wollen hybride Lernformen beibehalten und langfristig weiter entwicklen. Welche digitalen Lernformate sind für Lehrkräfte didaktisch sinnvoll und kompatibel mi dem Lehrplan? Wo finden Eltern Tipps für das Lernen mit den Kindern zu Hause? Das Schulportal hat sich in zahlreichen Beiträgen mit den Fragen rund um das Homeschooling befasst. Hier finden Sie eine Übersicht.

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      Erklärvideos zum Corona-Virus

      Informationsportal zur politischen Bildung

      Auf der Themenseite Covid-19-Pandemie und ihre Folgen listet das Informationsportal zur politische Bildung unter anderem Videos und Erklärclips auf.

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      Coronavirus: Informationen für Kinder

      Themenseite

      Die Logo!-Themenseite bündelt Informationen für Kinder zum Coronavirus - mit Info-Beiträgen etwa über das Impfen sowie Tipps gegen Ansteckung und Corona-Koller.

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      Informationen der Landeszentrale rund um Corona

      Die Folgen der Corona-Krise

      Wie verändert sich unser Alltag durch die Pandemie?

      Das Grundgesetz und die Corona-Pandemie

      Welche Einschränkung ist verhältnismäßig?

      Coronavirus - COVID 19

      Die Pandemie in Deutschland und Baden-Württemberg

      Tracing-App gegen COVID-19

      Wie funktioniert die technische Corona-Pandemiebekämpfung?

      Corona-Impfpflicht - ja oder nein?

      Positionen für und gegen eine allgemeine Impfpflicht

      Die EU und die Covid-19-Pandemie

      Eine existentielle Krise und die Frage nach Zusammenhalt und Solidariät

      Corona in den USA

      Die Auswirkungen der Pandemie auf den US-Wahlkampf

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      Letzte Aktualisierung: August 2021, Internetredaktion der LpB BW

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